Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Apr. 2019 - 3 StR 53/19

bei uns veröffentlicht am02.04.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 53/19
vom
2. April 2019
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:020419B3STR53.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 1. b) und 2. auf dessen Antrag - am 2. April 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 5. November 2018 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Strafausspruch,
b) soweit das Landgericht von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen forderte der Angeklagte am Abend des 18. Juni 2018 in einer Düsseldorfer Spielothek eine dort im Kassenbereich tätige Mitarbeiterin unter Vorhalt einer scharfen Faustfeuerwaffe zur Herausgabe von Bargeld auf. Nachdem die Beschäftigte weisungsgemäß 443 € in Scheinen und Münzen in den von ihm übergebenen Rucksack gesteckt hatte, flüchtete sie unvermittelt mit diesem in den rückwärtigen Mitarbeiterbereich der Spielothek. Nunmehr erkannte der Angeklagte, dass sein Vorhaben gescheitert war (Fall II. 1. der Urteilsgründe). Am Mittag des nächsten Tages richtete er die Waffe in einem nahegelegenen Kiosk auf den Kopf einer dort im Kassenbereich tätigen Mitarbeiterin, die ihm auf Aufforderung 510 € in bar aushändigte. Daraufhin verließ der Angeklagte die Räumlichkeiten mit dem Geld (Fall II. 2. der Urteilsgründe).
3
2. Die vom Beschwerdeführer erhobenen Verfahrensrügen sind aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen unzulässig.
4
3. Die auf die Sachbeschwerde gebotene Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch und zu den Einziehungsentscheidungen keinen dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben. Der Strafausspruch hat hingegen keinen Bestand, weil die Strafkammer die Voraussetzungen des § 21 StGB mit nicht tragfähiger Begründung verneint hat.
5
a) Das Landgericht hat festgestellt, dass beim Angeklagten bereits im Jahr 2004 eine "bipolare Depression leichter Ausprägung" diagnostiziert worden war (UA S. 3). Seit Jahren leide er an einer "bipolaren depressiven Erkrankung" (UA S. 6). Ohne einen psychiatrischen Sachverständigen hinzuzuziehen, hat die Strafkammer - unter Inanspruchnahme eigener Sachkunde - die Ansicht vertreten, dieser geistig-seelische Zustand stelle "seiner Schwere nach keine krankhafte seelische Störung" im Sinne des § 20 StGB dar. Zwar schlage sich die Erkrankung laut einem nervenärztlichen Zeugnis "bisweilen in Wutanfällen" des Angeklagten nieder; sein Betreuer habe hierzu aber "bekundet, der Angeklagte könne seine Wutanfälle hinreichend kontrollieren" (UA S. 6). Darüber hinaus hat das Landgericht die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten als zu den Tatzeiten nicht erheblich vermindert beurteilt. Unter Heranziehung psychodiagnostischer Kriterien hat es ausgeschlossen, dass sich die "bipolare Depression" sowie ein dauerhafter Kokainkonsum verbunden mit - "von der Verteidigung behauptetem" - Alkoholgenuss (Fall II. 1.) bzw. Schlaflosigkeit (Fall II. 2.) auf seine Fähigkeit ausgewirkt habe, nach der - von ihm eingestandenen - Unrechtseinsicht zu handeln (UA S. 6 f.).
6
b) Die Inanspruchnahme eigener Sachkunde durch das Landgericht erweist sich als rechtsfehlerhaft. Denn die Urteilsgründe belegen eine solche nicht. Anhand der dortigen Ausführungen lässt sich nicht nachvollziehen, inwieweit das Landgericht das beim Angeklagten bestehende psychische Störungsbild sowie dessen Einfluss auf seine Handlungsmöglichkeiten in den konkreten Tatsituationen zutreffend beurteilt hat.
7
Schon die Beschreibung des geistig-seelischen Zustands bleibt unklar. Die Internationale Klassifikation psychischer Störungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gemäß ICD-10 Kapitel V (F) sieht die Begriffe "bipolare Depression" bzw. "bipolare depressive Erkrankung" nicht vor. Sollte damit eine bipolare affektive Störung (ICD-10 F31) gemeint sein, bei der im Zeitpunkt der Diagnose eine depressive Episode imponierte (s. ICD-10 F31.3 ff.), so hätte sich die Strafkammer damit befassen müssen, dass diese psychische Grunderkrankung auch mit manischen Episoden einherzugehen pflegt (s. ICD-10 F31.1 f.), die zu den Tatzeiten vorgelegen haben könnten. Auf beim Angeklagten bisweilen eintretende manische Phasen könnten auch die in den Urteilsgründen angeführten "Wutanfälle" deuten. Als endogene Psychose erfüllt die bipolare affektive Störung grundsätzlich - unabhängig vom Schweregrad - das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung im Sinne des § 20 StGB (s. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2001 - 2 StR 500/00, BGHSt 46, 257, 260; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 10. Aufl., Rn. 1739 ff.; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 20 Rn. 9, 38; LK/Schöch, StGB, 12. Aufl., § 20 Rn. 82). Die medizinisch -diagnostische Einordnung des psychischen Störungsbildes wäre daher – nach sachverständiger Beratung - näher darzulegen gewesen.
8
Gleiches gilt für die Beurteilung der Auswirkungen des geistig-seelischen Zustands auf die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten in den konkreten Tatsituationen. Die Strafkammer wäre im Fall der Feststellung einer bipolaren affektiven Störung gehalten gewesen, sich damit auseinanderzusetzen, inwieweit Tatmotivation und -verhalten auf diese Störung (Depression oder Manie) zurückzuführen sind. Im Hinblick auf die große Bandbreite von Ausprägungen und Schweregraden einer derartigen Erkrankung (s. BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2016 - 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135; vom 14. Juni 2016 - 1 StR 239/16, StV 2019, 237, 238) genügt es hier nicht, ohne sachverständige Beratung psychodiagnostische Kriterien (planvolle und kontrollierte Tatausführung, situationsadäquate Reaktionen) abzuhandeln. Soweit das Urteil maßgebend darauf abstellt, die "Handlungskontrolle" des Angeklagten sei bei Tatbegehung "nicht durch Wutanfälle beeinträchtigt" gewesen, verengt es den Blick allein auf einen Aspekt des psychischen Störungsbildes, in dem sich die Erkrankung äußern könnte.
9
Umso mehr gilt all dies, als mit dem fortwährenden Kokainmissbrauch sowie dem Alkoholgenuss und der Schlaflosigkeit vor den Taten die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigende konstellative Faktoren in Betracht kommen, wobei das Urteil nicht mitteilt, welche Konsummengen die Verteidigung behauptet hat und inwieweit die Strafkammer diesen Angaben gefolgt ist.
10
c) Auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht der Strafausspruch (s. § 337 Abs. 1 StPO). Der Schuldspruch kann indes aufrechterhalten bleiben. Soweit die Strafkammer davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte in den beiden abgeurteilten Fällen mit Unrechtseinsicht handelte, deckt die Revision keinen Rechtsfehler auf. Es kann ausgeschlossen werden, dass das Hemmungsvermögen bei Begehung der beiden Taten gemäß § 20 StGB ganz aufgehoben war.
11
4. Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt kann ebenso wenig bestehen bleiben; denn das Landgericht hat an die Voraussetzung des Hangs im Sinne des § 64 StGB einen falschen rechtlichen Maßstab angelegt. Diesbezüglich schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts an: "a) Für die Annahme eines Hangs i.S.d. § 64 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss (Senat, Beschluss vom 6. Februar 2018 - 3 StR 629/17 -, NStZ-RR 2018, 218). Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben , wenn der Betreffende aufgrund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (Senat, Beschluss vom 20. Februar 2018 - 3 StR 645/17 -, juris Rn. 8; BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2017 - 1 StR 587/16 -, juris Rn. 9; vom 14. Oktober 2015 - 1 StR 415/15 -, juris Rn. 7). Wenngleich erheblichen Beeinträchtigungen der Gesundheit oder der Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs zukommt und (sie) in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hangs aus (Senat, Beschluss vom 20. Februar 2018 - 3 StR 645/17 -, juris; BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 - 1 StR 482/15 -, NStZ-RR 2016, 113 f.; vom 2. April 2015 - 3 StR 103/15 -, juris Rn. 6). Auch stehen das Fehlen ausgeprägter Entzugssymptome sowie Intervalle der Abstinenz der Annahme eines Hangs nicht entgegen (Senat, aaO; BGH, Beschlüsse vom 12. Februar 2012 - 5 StR 87/12 -, NStZ-RR 2012, 271; vom 30. März 2010 - 3 StR 88/10 -, NStZ-RR 2010, 2016). Er setzt auch nicht voraus , dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgeht; vielmehr kann es genügen , wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt (Senat, Beschluss vom 20. Februar 2018, aaO; BGH, Beschluss vom 7. Januar 2009 - 5 StR 586/08 -, NStZ-RR 2009, 137).

b) Davon ausgehend konnte das Landgericht die Annahme eines Hangs nicht mit der Begründung verneinen, der Angeklagte sei auch über längere Zeit hinweg abstinent gewesen und habe nur konsumiert, wenn er ausreichend Geld gehabt habe (vgl. UA S. 4, 9). Denn einen regelmäßigen und ununterbrochenen Konsum setzt der Hang gerade nicht voraus. Indessen lassen die Feststellungen auf eine eingefahrene Neigung schließen: Der Angeklagte begann im Juni 2015 mit dem zunächst nur gelegentlichen Schnupfen von Kokain. Nach einer Unterbrechung von November 2016 bis Juni 2017 konsumierte er ab Juli 2017 - bei Verfügbarkeit des zur Beschaffung notwendigen Geldes - bis zu 2 Gramm Kokain täglich. Dabei deuten Dauer und Umfang des Konsums sowie Art des Betäubungsmittels bereits auf die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit, jedenfalls aber auf eine eingeschliffene Verhaltensweise hin. Die Neigung zum übermäßigen Konsum entfällt nicht deshalb, weil es der Angeklagte vermocht hatte, von November 2016 bis Juni 2017 abstinent zu bleiben. Dies gilt umso mehr, als bis November 2016 sein Konsum nur gelegentlich war (UA S. 3), sich nach dieser Abstinenz jedoch auf bis zu zwei Gramm täglich steigerte. Hinzu kommt, dass sich
die Notwendigkeit, an Geld zu gelangen, wie sie in den festgestellten Taten zum Ausdruck kommt, gerade auch aus dem durch den Betäubungsmittelkonsum bedingten erhöhten Geldbedarf ergeben kann."
Schäfer Spaniol Wimmer RiBGH Dr. Tiemann ist Berg erkrankt und deshalb an der Unterschrift gehindert. Schäfer

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Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


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Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Der Rechtsmittelverzicht eines Angeklagten ist unwirksam, wenn er
lediglich aufgrund einer - auch irrtümlich - objektiv unrichtigen Erklärung oder
Auskunft des Gerichts (hier: zu beamtenrechtlichen Nebenfolgen des Urteils)
zustandegekommen ist.
2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist unwirksam
, wenn eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit nicht rechtsfehlerfrei
begründet wurde und Schuldunfähigkeit nicht auszuschließen ist.
BGH, Beschluß vom 10. Januar 2001 - 2 StR 500/00 - LG Darmstadt -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 500/00
vom
10. Januar 2001
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Erpressung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. Januar 2001 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 11. August 2000 mit den Feststellungen - mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen - aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Erpressung zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Strafe und Maßregel wurden zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner auf den Strafausspruch beschränkten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er erstrebt eine Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr mit Bewährung. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang.

II.

1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Der in der Hauptverhandlung erklärte Rechtsmittelverzicht des Angeklagten ist unwirksam. Die Strafkammer ging in der Hauptverhandlung - ebenso wie die übrigen Verfahrensbeteiligten - versehentlich davon aus, der Status des Angeklagten als Kommunalbeamter werde nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BRRG nicht tangiert, wenn er wegen versuchter Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr verurteilt werde. Diese Auffassung äußerte der Vorsitzende auch in der mündlichen Urteilsbegründung. Lediglich aufgrund dieser Umstände erklärte der Angeklagte im Anschluß an die Urteilsverkündung nach Rücksprache mit seinem Verteidiger, er verzichte auf Rechtsmittel und nehme das Urteil an. Der Verzicht wurde protokolliert, verlesen und genehmigt. Auch der Staatsanwalt verzichtete auf Rechtsmittel. Dieser Verfahrensgang ergibt sich aus den übereinstimmenden dienstlichen und anwaltlichen Erklärungen der richterlichen Mitglieder der Strafkammer und des Verteidigers sowie dem Hauptverhandlungsprotokoll. In Wirklichkeit entsprach die Rechtsauffassung der Strafkammer jedoch nicht § 24 Abs. 1 Nr. 1 BRRG. Nach dieser Vorschrift endet das Beamtenverhältnis mit Rechtskraft der Verurteilung eines Beamten wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr. Ein Rechtsmittelverzicht ist als Prozeßerklärung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr., vgl. u.a. BGHSt 45, 51, 53). Die Rechtsprechung erkennt allerdings in eng begrenztem Umfang Ausnahmen an. In Betracht kommen insbesondere die Fälle schwerwiegender Willensmängel. Auch vom Gericht zu verantwortende Umstände der Art und Weise des Zustandekommens können einen Rechtsmittelverzicht unwirksam machen (BGHSt 45, 51, 53, 55). Deshalb kann ein Rechtsmittelverzicht ausnahmsweise unwirksam
sein, wenn er lediglich aufgrund einer - sei es auch irrtümlich - objektiv unrichtigen Erklärung oder Auskunft des Gerichts zustandegekommen ist (vgl. Kleinknecht /Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 302 Rdn. 10, 22; Gollwitzer in Löwe/ Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 302 Rdn. 52; Ruß in KK 4. Aufl. § 302 Rdn. 13; OLG Koblenz NStZ-RR 1996, 306 jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Strafkammer hat durch ihre objektiv unzutreffenden Erklärungen zu den beamtenrechtlichen Nebenfolgen des Urteils dem Angeklagten die Vorstellung vermittelt, sein Status als Beamter werde durch das Urteil nicht berührt. Nur deshalb hat der Angeklagte auf Rechtsmittel verzichtet. Daran , daß der Angeklagte auf die wiederholt geäußerte Beurteilung des Landgerichts vertraut hat, trifft ihn kein Verschulden. Wegen der dargelegten Umstände seines Zustandekommens war der Rechtsmittelverzicht des Angeklagten hier von Anfang an unwirksam. Auf eine Anfechtung wegen Irrtums kommt es daher nicht an. 2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist unwirksam. Der Schuldspruch und die Strafzumessung sind hier so miteinander verknüpft , daß eine getrennte Überprüfung der Strafzumessung nicht möglich wäre , ohne den nicht angefochtenen Schuldspruch mit zu berühren (vgl. BGH NJW 1996, 2663, 2664 m.w.N.). Wird der Strafausspruch angefochten, ist auch die Frage einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit Gegenstand der revisionsrechtlichen Prüfung. Diese ergibt hier, daß das Urteil keine rechtsfehlerfreie Begründung für die Annahme einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit enthält. Auf der Grundlage des angefochtenen Urteils läßt sich auch nicht völlig ausschließen, daß der Angeklagte zur Tatzeit steuerungsunfähig war.
Das Landgericht teilt zwar die Entwicklung der psychischen Erkrankung des Angeklagten mit dem wiederholten Wechsel von manischen und depressiven Phasen näher mit. Die Beurteilung dieser Erkrankung durch das sachverständig beratene Landgericht ist jedoch unklar und widersprüchlich. Im Anschluß an den Sachverständigen meint das Landgericht, der Angeklagte sei zur Tatzeit an einer "aktuellen seelischen Störung" erkrankt gewesen, durch die seine Fähigkeit zur Willensbildung, seine Steuerungskontrolle und seine gesamte Reflexionsfähigkeit erheblich gestört gewesen seien. Die Steuerungsfähigkeit sei insbesondere auch deshalb erheblich vermindert gewesen, weil die manische Symptomatik durch die fortgeführte Einnahme von Antidepressiva verstärkt worden sei. Welche psychische Erkrankung der Sachverständige konkret festgestellt hat, wird aber nicht näher mitgeteilt. Nach den vom Landgericht beschriebenen Krankheitssymptomen kommen hier eine manische Episode zur Tatzeit, aber auch eine bipolare affektive Störung in Betracht , die früher nach Kurt Schneider als "Zyklothymie" bezeichnet wurde (vgl. hierzu Nedopil, Forensische Psychiatrie S. 113 ff.). Einer dahingehenden Beurteilung widerspricht aber, daß das Landgericht Schuldunfähigkeit ausschließt , weil der Angeklagte "nicht an einer Manie im Sinne einer Psychose" gelitten habe. Gerade bei den in Betracht kommenden affektiven Störungen handelt es sich aber um Psychosen. Sollte es zutreffen, daß der Angeklagte bei der Tat nicht an einer Psychose litt, fehlte schon die Grundlage für die Annahme einer erheblichen Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit. Hinzu kommt: Bei mittelgradigen Depressionen oder Manien kann die Willensbildung aufgehoben sein, wenn Motivation und Verhalten auf die affektive Störung zurückzuführen sind. Bei schweren manischen (oder depressiven) Episoden liegt daher eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit jedenfalls nicht fern (vgl. hierzu Nedopil aaO S. 117). Das Landgericht hätte daher die diagnostische Einord-
nung der Erkrankung und die Gewichtung ihrer Auswirkungen auf die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten näher darlegen müssen. Nach der bisherigen Erörterung dieser Fragen ist nicht auszuschließen, daß die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht nur erheblich vermindert, sondern aufgehoben war. Da hierdurch nicht nur der Straf-, sondern auch der Schuldspruch betroffen ist und die Frage der Schuldfähigkeit nur einheitlich beurteilt werden kann, ist eine Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch unzulässig. Ebensowenig kann unter diesen Umständen die Maßregelanordnung von der Anfechtung ausgenommen werden. 3. Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs. Der Schuldspruch hält der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand, weil das Landgericht - wie bereits dargelegt - Schuldunfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat. Daneben ist auch die Strafzumessung rechtsfehlerhaft. Das Landgericht war der in den Urteilsgründen mitgeteilten Ansicht, daß die Beendigung des Beamtenverhältnisses als Nebenfolge der strafrechtlichen Verurteilung unangemessen wäre und der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten nicht gerecht würde. Die Strafkammer ging jedoch - wie bereits ausgeführt - unter Verkennung von § 24 BRRG irrtümlich davon aus, daß bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr diese Folge nicht eintreten werde. Daher wurde bei der Bemessung der Strafe auch die beamtenrechtliche Nebenfolge nicht zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt. Die Maßregelanordnung hat ebenfalls keinen Bestand, weil die Schuldfähigkeit des Angeklagten bisher nicht rechtsfehlerfrei geprüft wurde.
Die Feststellungen zum äußeren Tathergang können jedoch bestehen bleiben, weil sie von den dargelegten Rechtsfehlern nicht berührt werden. Jähnke Detter Bode Otten Elf

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BESCHLUSS
3 StR 521/15
vom
28. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:280116B3STR521.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 28. Januar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 29. Juni 2015 - mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung - mit den Feststellungen aufgehoben ; jedoch bleiben die Feststellungen zu den äußeren Tatgeschehen aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen, des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen, der Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz , der Körperverletzung in Tateinheit mit einer Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz sowie der Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte schuldig und ihn im Übrigen freigesprochen. Es hat wegen eines Teils der De- likte unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer Vorverurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt und wegen der übrigen Straftaten auf eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten erkannt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen und der Unterbringung hat es zur Bewährung ausgesetzt. Schließlich hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen leidet der Angeklagte an einer paranoid-psychotischen Störung bei affektiver Grunderkrankung mit umschriebener Wahnbildung. Die affektive Grunderkrankung verursacht überwiegend manische, teils auch depressive Phasen. In der Zeit vom 20. November 2010 bis zum 22. September 2013 beging er die abgeurteilten Übergriffe gegen Polizeibeamte, einen Bekannten und Familienangehörige. Die Strafkammer hat dem gehörten Sachverständigen folgend für den gesamten Tatzeitraum nicht auszuschließen vermocht, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund seiner Grunderkrankung erheblich eingeschränkt war; bei einem Teil der Taten hat sie eine solche Einschränkung positiv festgestellt. Bei zwei Vorfällen hat sie nicht ausschließen können, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgehoben und seine Einsichtsfähigkeit erheblich eingeschränkt war.
3
2. Der Schuldspruch kann insgesamt nicht bestehen bleiben; denn die Ausführungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit des Angeklagten sind rechtsfehlerhaft. Letzteres bedingt auch die Aufhebung des Strafausspruchs und der Unterbringungsanordnung.
4
a) Wenn sich das Tatgericht - wie hier - darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss es dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2007 - 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall in mehrfacher Hinsicht:
5
Das Landgericht hat es bereits unterlassen, das vom Sachverständigen diagnostizierte Störungsbild einem der Eingangsmerkmale der §§ 20, 21 StGB zuzuordnen. Sodann fehlt die Darlegung, wie die paranoid-psychotische Störung auf den Angeklagten und seine Handlungsmöglichkeiten in den konkreten Tatsituationen eingewirkt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2014 - 3 StR 274/14, juris Rn. 4). Die §§ 20, 21 StGB setzen voraus, dass die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit "bei Begehung der Tat" aufgehoben bzw. erheblich vermindert sind. Die Schuldfähigkeit ist deshalb in Bezug auf jede einzelne Tat zu prüfen. Erforderlich ist stets die konkretisierende Darstellung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts - oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 146). Hierauf kann allein unter Hinweis auf die allgemeine Diagnose nicht verzichtet werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 13. August 2013 - 2 StR 128/13, NStZ-RR 2013, 368, 369; vom 23. August 2012 - 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98; vom 2. Oktober 2007, aaO), denn deren Feststellung ist insbesondere auch bei bipolaren Störungen, bei denen eine große Bandbreite von Ausprägungen und Schweregraden besteht, für die Frage der Schuldfähigkeit nicht ausreichend aussagekräftig. In manischen Phasen kann es, je nach Ausprägung und Schwere, zur Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit, aber auch der Ein- sichtsfähigkeit kommen. Vor diesem Hintergrund genügen die Ausführungen in den Urteilsgründen nicht, die sich in den Verurteilungsfällen insoweit im Wesentlichen in der Mitteilung im Rahmen der Beweiswürdigung erschöpfen, der Sachverständige habe bei vier Taten eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit positiv festgestellt und im Übrigen auf der Grundlage der festgestellten Grunderkrankung nicht ausschließen können, dass der Angeklagte im gesamten Tatzeitraum krankheitsbedingt in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen sei.
6
b) Da deshalb weder auszuschließen ist, dass der Angeklagte in den Verurteilungsfällen voll schuldfähig war, noch dass er im Zustand der Schuldunfähigkeit handelte, muss über den Schuldspruch und die strafrechtlichen Rechtsfolgen der Tat insgesamt neu verhandelt und entschieden werden. Der Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Aufhebung auch des freisprechenden Teils des Urteils nicht; denn nach § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO ist es möglich, in einer neuen Hauptverhandlung an Stelle der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus den Täter schuldig zu sprechen und eine Strafe zu verhängen (BGH, Beschlüsse vom 29. Juli 2015 - 4 StR 293/15, NStZ-RR 2015, 315, 316; vom 5. August 2014 - 3 StR 271/14, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 2 Freispruch 1). Die jeweiligen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bei den einzelnen Taten beruhen auf einer mangelfreien Beweiswürdigung und sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann insoweit ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen. Der Adhäsionsausspruch unterliegt ebenfalls nicht der Aufhebung (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 406a Rn. 8 mwN).
7
3. Im Übrigen ist das neue Tatgericht auf Folgendes hinzuweisen:
8
a) Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen der Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz verurteilt hat, belegen die bisherigen Feststellungen in den Fällen II. 2. und II. 3. der Urteilsgründe bereits die Voraussetzungen des § 4 GewSchG nicht. Die Verurteilung nach § 4 Satz 1 GewSchG wegen Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 GewSchG setzt u.a. voraus, dass das Strafgericht die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft und dabei deren tatbestandliche Voraussetzungen eigenständig feststellt; an die Entscheidung des Familiengerichts ist es insoweit nicht gebunden (BGH, Beschluss vom 28. November 2013 - 3 StR 40/13, BGHSt 59, 94). Tragfähige diesbezügliche Ausführungen enthalten die bisherigen Urteilsgründe - auch in ihrem Gesamtzusammenhang - nicht.
9
b) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht , dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat (en) zu entwickeln. Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2012 - 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338 mwN). Der Tatrichter muss die eine Unterbringung tragenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darstellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 5). Hieran gemessen erscheinen die bisherigen, eher knappen Urteilsausführungen nicht bedenkenfrei.
10
c) Sollte das neue Tatgericht für die einzelnen Taten ebenfalls Freiheitsstrafen von unter sechs Monaten verhängen, wird es § 47 StGB und die diesbezüglichen Darlegungsanforderungen zu beachten haben.
Becker Schäfer Gericke
Spaniol Tiemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 239/16
vom
14. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Erpressung
ECLI:DE:BGH:2016:140616B1STR239.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO am 14. Juni 2016 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21. Dezember 2015 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 17. Mai 2016 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts (UA S. 8) war der Angeklagte vom Landgericht Stuttgart am 1. September 2010 erstmals rechtskräftig wegen versuchter Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden , weil er im Juli 2009 die M. AG mit der Drohung einer Weitergabe von vier Millionen Datensätzen von Bankkunden, die er während seiner Tätigkeit als selbständiger Softwareberater bei dieser Bank entwendet hatte, zur Zahlung eines Betrags von 201 Millionen Euro nötigen wollte. Da der Angeklagte identifiziert und festgenommen werden konnte, kam es zur geforderten Zahlung jedoch nicht.
3
Aus der Untersuchungshaft heraus hatte sich der Angeklagte ab Oktober 2010 erneut über einen bevollmächtigten Rechtsanwalt erfolglos an die Bank gewandt, um für die Abtretung sämtlicher Rechte an „diesem Fall und dem Erlebten“ nochmals einen Geldbetragzu fordern, der aus Sicht des Angeklagten den Betrag erreichen sollte, „der bereits einmal im Raum stand“. Er wurde vom Landgericht Stuttgart am 31. Januar 2012 wegen versuchter Erpressung rechtskräftig zu einer weiteren Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt (UA S. 10).
4
Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft am 15. Mai 2014 forderte der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Tat ab 29. Juli 2014 wiederum durch mehrfache Schreiben sowie E-Mails von der M. AG jeweils mit einer Frist bis zum 8. September 2014 nochmals die Zahlung eines Gesamtpreises von neunundzwanzig Millionen Euro zum Erwerb der Presse-, Buch- und Filmrechte mit dem Arbeitstitel „Datenskandal D. Bank“, um sein Wissen über die Entwendung der vier Millionen Kundendatensätze nicht an die Öffentlichkeit zu bringen. Die Vertreter der Bank nahmen die Schreiben des Angeklagten ernst, zu einer Zahlung seitens der Bank kam es jedoch nach Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden auch in diesem Fall nicht. Die Bank teilte dem Angeklagten mit Schreiben vom 3. September 2014 mit, dass sie keinerlei Zahlungen an ihn leisten werde, so dass sein Erpressungsvorhaben gescheitert war.
5
Das Landgericht geht - dem psychiatrischen Sachverständigen folgend - davon aus (UA S. 34 ff.), dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei der Tat weder aufgehoben noch wesentlich vermindert gewesen sei. Es legt für die zu bestimmende Rechtsfolge den Strafrahmen der besonders schweren Erpressung zu Grunde und mildert diesen wegen des vertypten Milderungsgrunds des Versuchs.

II.

6
Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch; ergänzend verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts.
7
Der Strafausspruch des angefochtenen Urteils ist aber rechtsfehlerhaft. Die Ausführungen zur Verneinung einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten und zur Strafrahmenwahl halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
8
1. Nach den vom sachverständig beratenen Landgericht zur Schuldfähigkeit des Angeklagten getroffenen Feststellungen leidet dieser zum einen an hyperthymen Persönlichkeitseigenschaften. Diese zeigten sich durch Betriebsamkeit , ein positiv-naives Selbstwertgefühl und die deutliche Neigung, sich und die eigenen Fähigkeiten zu überschätzen. Zum anderen bestehe bei dem Angeklagten eine Bipolar-II-Störung, die durch ein Nebeneinander von einer oder mehreren depressiven oder hypomanischen Episoden gekennzeichnet sei und das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung i.S.d. § 20 StGB erfülle.
9
Allerdings haben sich nach Auffassung des Sachverständigen, dem das Landgericht folgt, keine Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass diese Störungen weder für sich allein noch zusammen Auswirkungen auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten gehabt haben könnten. Der Angeklagte habe sich zwar zu Beginn des Tatgeschehens in einer „Hochphase“ befunden, bei einer Kontrolluntersuchung durch einen Psychiater im Rahmen der durch die Strafvollstreckungskammer erteilten Weisung am 28. Juli 2014 unmittelbar vor den ersten Schreiben sei aber nichts Auffälliges festgestellt worden. Im Übrigen habe der Angeklagte bei der Tat planvoll und geordnet gehandelt sowie adäquat auf Schreiben der Gegenseite reagiert. Das Verhalten des Angeklagten vor, bei und nach der Tat belege daher, dass ihm trotz seiner besonderen Persönlichkeitseigenschaften und der bestehenden affektiven Störung noch in ausreichendem Maß Handlungsalternativen zur Verfügung gestanden hätten und gerade kein Kontrollverlust eingetreten sei. Gleichzeitig stellt das Landgericht aber auch fest (UA S. 6), dass der Angeklagte seit 2011 bis zu seiner Haftentlassung am 15. Mai 2014 medikamentös behandelt wurde. Nachdem er auf freien Fuß gekommen war, habe er die Behandlung aber nicht mehr konsequent fortgesetzt.
10
2. Diese Ausführungen des Landgerichts, mit denen das Landgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB verneint hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die vom Landgericht vorgenommenen Wertungen weisen Lücken auf und lassen besorgen, dass das Landgericht einzelne für bzw. gegen die Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit sprechende Indizien übersehen oder falsch gewichtet hat und infolgedessen zu einer rechtsfehlerhaften Gesamtwürdigung gelangt ist.
11
Das Landgericht hat zwar zunächst zutreffend das vom Sachverständigen bei dem Angeklagten diagnostizierte Störungsbild einem der Eingangsmerkmale des § 20 StGB zugeordnet, eine konkretisierende Darstellung und Würdigung aller für die Beurteilung der Schuldfähigkeit relevanter Gesichtspunkte erfolgt aber nicht. Insbesondere lässt das Urteil bereits eine eingehende Darstellung des Zustands des Angeklagten zu den Tatzeiten unter Berücksichtigung seines Lebenslaufs und seiner Vorbelastungen vermissen. Dazu hätte aber Veranlassung bestanden, da der Angeklagte nach den festgestellten Vorahndungen bereits zweimal durch eine gleichartige Tatbegehungsweise aufgefallen war. Unerörtert bleibt auch, welche Auswirkungen sich dadurch ergeben, dass der Angeklagte die während der Haftzeit durchgeführte medikamentöse Behandlung nicht mehr konsequent fortgeführt hat. Insoweit werden notwendige Anknüpfungstatsachen vom Landgericht zu Art und Umfang der Medikation nicht mitgeteilt.
12
Hinzu kommt, dass bei bipolaren Störungen eine große Bandbreite von Ausprägungen und Schweregraden besteht, so dass hier ein nur allgemeiner Hinweis auf die Diagnose nicht ausreichend aussagekräftig ist (BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135; vom 13. August 2013 – 2 StR 128/13, NStZ-RR 2013, 368, 369 und vom 23. August 2012 – 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98). Gerade in manischen Phasen kann es, je nach Ausprägung und Schwere, zu Beeinträchtigungen der Steuerungsfähigkeit, aber auch der Einsichtsfähigkeit kommen. Dies umso mehr als der Angeklagte, wie vom Landgericht (UA S. 36) festgestellt, selbst angegeben hat, sich zu Beginn des Tatgeschehens in einer „Hochphase“ befunden zu haben. Soweit das Landgericht (UA S. 37) allein aus dem planvoll und geordneten Vorgehen des Angeklagten und den adäquaten Reaktionen auf die Äußerungen der Gegenseite aber letztlich zum Ausschluss einer Verminderung der Steuerungsfähigkeit kommt, wird hier nur ein Aspekt berücksichtigt, ohne im Rahmen der notwendi- gen Gesamtbewertung die dargestellten weiteren Gesichtspunkte mit einzubeziehen. Vielmehr spricht die – wie dem Angeklagten aus zwei ergebnislosen Vorversuchen bekannt war – bereits von vornherein zum Scheitern verurteilte Tat schon gegen eine rational bestimmte Vorgehensweise des Angeklagten. Aufgrund dieser Erörterungsmängel bedarf die Frage der verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB – gegebenenfalls unter vertiefender sachverständiger Hilfe – neuer tatrichterlicher Prüfung.
13
Angesichts des Störungsbildes schließt der Senat aus, dass sich im Rahmen der neuen Verhandlung Erkenntnisse ergeben, die zur Annahme von Schuldunfähigkeit führen.
14
3. Unabhängig davon konnte der Strafausspruch auch deshalb nicht bestehen bleiben, weil die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung des Strafrahmens weitere Rechtsfehler aufweist.
15
Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung (UA S. 40) die Anwendung des Regelstrafrahmens von § 253 Abs. 1 StGB nicht als angemessen angesehen und nach einer Gesamtschau der Persönlichkeit des Angeklagten und der Tatumstände auf den erhöhten Strafrahmen des § 253 Abs. 4 Satz 1 StGB zurückgegriffen. Im Rahmen der hier vorzunehmenden Gesamtwürdigung wurde vom Landgericht aber nicht geprüft, ob die Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes des Versuchs hier nicht bereits zu einer Verneinung eines besonders schweren Falls der Erpressung führen kann. In diesem Fall wäre der Strafrahmen des § 253 Abs. 1 StGB maßgeblich, der eine geringere Mindest - und Höchststrafe vorsieht als der wegen Versuchs geminderte Strafrahmen des besonders schweren Falls gemäß § 253 Abs. 4 Satz 1 StGB.
16
4. Der Senat hebt deshalb den Strafausspruch mit den zu Grunde liegenden Feststellungen auf, um dem Tatrichter eine umfassende widerspruchsfreie Entscheidung über den neuen Strafausspruch zu ermöglichen. Raum Graf RiBGH Prof. Dr. Jäger befindet sich im Urlaub und ist deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum Mosbacher Bär

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 629/17
vom
6. Februar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:060218B3STR629.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 6. Februar 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 26. September 2017 aufgehoben
a) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen 12, 13 und 14 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe, jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten;
b) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren in neun Fällen und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen zu einer Ge- samtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt sowie Einziehungsentscheidungen getroffen. Die dagegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Aussprüche über die in den Fällen 12, 13 und 14 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen sowie über die Gesamtstrafe halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) In den Fällen 12 und 13 der Urteilsgründe, in denen das Landgericht den Angeklagten jeweils wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) verurteilt und auf Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und drei Monaten erkannt hat, hat die Strafkammer jeweils "die tatgegenständliche Menge Rauschgift" strafschärfend gewertet. Das stößt auf durchgreifende rechtliche Bedenken, weil die Kammer nicht erkennbar berücksichtigt hat, dass der Angeklagte ein Drittel der Betäubungsmittel zum Eigenkonsum erworben hatte, so dass sich die Handelsmengen erheblich reduzierten. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht geringere Einzelstrafen festgesetzt hätte, wenn es diesen Umstand mit in den Blick genommen hätte.
4
b) Im Fall 14 der Urteilsgründe, in dem das Landgericht den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) verurteilt und eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verhängt hat, hat die Strafkammer nicht zu Gunsten des Angeklagten in die Strafzumessung eingestellt, dass die zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmittel in diesem Fall sichergestellt wurden und deshalb nicht in den Verkehr gelangten.
5
Dabei handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen des damit verbundenen Wegfalls der von Betäubungsmitteln üblicherweise ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund, der sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung zu beachten ist (BGH, Beschlüsse vom 9. November 2016 - 2 StR 133/16, juris Rn. 3; vom 30. September 2014 - 2 StR 286/14, juris Rn. 2; vom 10. September 2014 - 5 StR 383/14, juris Rn. 2 mwN) und der gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO in den Gründen des Strafurteils angeführt werden muss (BGH, Beschlüsse vom 5. Juni 2013 - 4 StR 169/13, NStZ 2013, 662; vom 8. Februar 2017 - 3 StR 483/16, juris Rn. 4).
6
Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler, denn der Senat kann mit Blick auf die Höhe der verhängten Einzelstrafe nicht ausschließen, dass das Landgericht zu einer milderen Ahndung gelangt wäre, wenn es die Sicherstellung der Betäubungsmittel zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt hätte.
7
c) Die Aufhebung der Einzelfreiheitsstrafen in den Fällen 12, 13 und 14 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
8
d) Die von der Strafkammer zur Strafzumessung getroffenen Feststellungen werden von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
9
2. Auch die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abzusehen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der Angeklagte seit seinem Jugendalter gelegentlich Cannabis und rauchte vor seiner Inhaftierung auch hin und wieder Heroin. Seinen Handel mit Betäubungsmitteln betrieb er unter anderem zur Finanzierung seines eigenen Drogenkonsums.
11
b) Die sachverständig beratene Strafkammer hat bereits einen Hang des Angeklagten verneint, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass eine den Angeklagten treibende oder beherrschende Neigung, Rauschmittel "in einem Umfang zu konsumieren, durch welchen Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt werden", nicht festzustellen sei.
12
Diese Ausführungen stoßen auf rechtliche Bedenken, weil sie besorgen lassen, dass das Landgericht die Voraussetzungen eines Hanges gemäß § 64 Satz 1 StGB verkannt hat. Ein solcher liegt nicht nur - wovon die Strafkammer möglicherweise ausgegangen ist - im Falle einer chronischen, auf körperlicher Sucht beruhenden Abhängigkeit vor; vielmehr genügt bereits eine erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei noch keine psychische Abhängigkeit bestehen muss (BGH, Beschlüsse vom 4. April 1995 - 4 StR 95/95, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5; vom 13. Januar 2011 - 3 StR 429/10, juris Rn. 4). Die Beeinträchtigung der Gesundheit oder der Arbeits- und Leistungsfähigkeit durch den Rauschmittelkonsum indiziert zwar einen Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB, ihr Fehlen schließt diesen indes nicht aus (BGH, Urteil vom 15. Mai 2014 - 3 StR 386/13, juris Rn. 10; Beschlüsse vom 3. Februar 2016 - 1 StR 646/15, juris Rn. 11; vom 19. April 2016 - 3 StR 566/15, juris Rn. 7).
13
c) Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringungdes Angeklagten in einer Entziehungsanstalt deshalb - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9; Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 485/07, NStZ-RR 2008, 107); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.
14
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Becker RiBGH Gericke befindet sich Spaniol im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Tiemann Hoch
8
bb) Für die Annahme eines Hangs im Sinne des § 64 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2017 - 1 StR 587/16, juris Rn. 9; vom 14. Oktober 2015 - 1 StR 415/15, juris Rn. 7; Urteile vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210; vom 15. Mai 2014 - 3 StR 386/13, juris Rn. 10). Wenngleich erheblichen Beeinträchtigungen der Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs zukommen und in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annah- me eines Hangs aus (BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 - 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113, 114; vom 2. April 2015 - 3 StR 103/15, juris Rn. 6; vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198, 199). Auch stehen das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz der Annahme eines Hangs nicht entgegen (BGH, Beschlüsse vom 12. April 2012 - 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271; vom 30. März 2010 - 3 StR 88/10, NStZ-RR 2010, 216). Er setzt auch nicht voraus, dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgeht; vielmehr kann es genügen , wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt (BGH, Beschluss vom 7. Januar2009 - 5 StR 586/08, NStZ-RR 2009, 137).
9
c) Wie das Landgericht an sich zutreffend angenommen hat, ist für einen Hang gemäß § 64 StGB eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer psychischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Konsum von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene aufgrund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2017 - 1 StR 613/16, Rn. 7; vom 26. Oktober 2016 - 4 StR 408/16, Rn. 6; vom 10. November 2015 - 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113 und vom 21. August 2012 - 4 StR 311/12, RuP 2013, 34 f.). Letzteres ist der Fall bei der Begehung von zur Befriedigung des eigenen Drogenkonsums dienender Beschaffungstaten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Oktober 2016 - 4 StR 408/16, Rn. 6 und vom 2. April 2015 - 3 StR 103/15, Rn. 5; Urteil vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210). Dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt die Bejahung eines Hangs nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 - 1 StR 482/15 aaO; vom 21. August 2012 - 4 StR 311/12 aaO; vom 12. April 2012 - 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271 und vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZRR 2008, 198 f.). Ebenso wenig ist für einen Hang erforderlich, dass beim Tä- ter bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2017 - 1 StR 613/16, Rn. 7; vom 26. Oktober 2016 - 4 StR 408/16, Rn. 6; vom 10. November 2015 - 1 StR 482/15 aaO und vom 25. Juli 2007 - 1 StR 332/07, NStZ-RR 2008, 7).
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Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210; Urteil vom 15.Mai 2014 – 3StR 386/13). Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198; Beschluss vom 14. Dezember 2005 – 1 StR 420/05, NStZRR 2006, 103). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen dürften, schließt deren Fehlen je- doch nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hanges aus (BGH, Beschluss vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198; Beschluss vom 2. April 2015 – 3 StR 103/15).
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bb) Für die Annahme eines Hangs im Sinne des § 64 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2017 - 1 StR 587/16, juris Rn. 9; vom 14. Oktober 2015 - 1 StR 415/15, juris Rn. 7; Urteile vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210; vom 15. Mai 2014 - 3 StR 386/13, juris Rn. 10). Wenngleich erheblichen Beeinträchtigungen der Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs zukommen und in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annah- me eines Hangs aus (BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 - 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113, 114; vom 2. April 2015 - 3 StR 103/15, juris Rn. 6; vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198, 199). Auch stehen das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz der Annahme eines Hangs nicht entgegen (BGH, Beschlüsse vom 12. April 2012 - 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271; vom 30. März 2010 - 3 StR 88/10, NStZ-RR 2010, 216). Er setzt auch nicht voraus, dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgeht; vielmehr kann es genügen , wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt (BGH, Beschluss vom 7. Januar2009 - 5 StR 586/08, NStZ-RR 2009, 137).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 482/15
vom
10. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2015 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 24. Februar 2015 dahin abgeändert , dass die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt. Die Staatskasse hat die Kosten der Revision und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie Wertersatzverfall angeordnet.
2
Die auf die ausgeführte Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Angeklagten wendet sich allein gegen den Maßregelausspruch. Das Rechtsmittel ist begründet und führt zum Wegfall der Maßregel (§ 349 Abs. 4 StPO).
3
1. Das Landgericht hat, soweit für die Maßregelfrage relevant, im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
a) Der 37-jährige Angeklagte konsumiert seit dem 14. Lebensjahr Cannabis , seit dem 16. Lebensjahr Kokain, LSD und Ecstasy sowie seit dem 17. Lebensjahr Heroin, zunächst intravenös, anschließend nur noch nasal, und ist in diesem Zusammenhang vielfach mit Betäubungsmitteldelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten. Vom 24. Oktober 2001 bis zum 25. März 2002 war er erstmals in einer Entziehungsanstalt untergebracht. Die weitere Vollstreckung des Strafrests und der Unterbringung wurde im Dezember 2003 zur Bewährung ausgesetzt. Die Aussetzung des Strafrests wurde mit Beschluss vom 17. Dezember 2005 widerrufen und zugleich die Erledigung der angeordneten Unterbringung festgestellt. Vom 29. September 2005 bis zum 25. Oktober 2005 war der Angeklagte aufgrund eines Urteils vom 29. September 2005 erneut in einer Entziehungsanstalt untergebracht. Nach Vollstreckung des Rests einer Freiheitsstrafe wurde die Unterbringung von Dezember 2005 bis zum 13. Februar 2006 weiter vollzogen. Anschließend verbüßte der Angeklagte den achtmonatigen Rest einer Freiheitsstrafe. Im September 2006 wurde die weitere Vollstreckung der Unterbringung bis Oktober 2008 zurückgestellt. Die Zurückstellung wurde im Januar 2008 widerrufen und die Unterbringung in der Entziehungsanstalt vom 20. Februar 2008 bis 30. Juni 2010 weiter vollzogen. Mit Beschluss vom 22. Juni 2010 wurde der weitere Vollzug zur Bewährung ausgesetzt. In den Jahren 2004, 2005 und 2007 hielt sich der Angeklagte viermal stationär oder teilstationär zur Entgiftung und Entwöhnung in einer Entziehungsanstalt auf.
5
Vom 1. Juli 2010 bis zum 28. Februar 2014 erfolgte in der forensischpsychiatrischen Ambulanz der Entziehungsanstalt eine ambulante Nachsorgebehandlung. Anfang 2010 zog der Angeklagte mit seiner Lebensgefährtin zusammen und begann eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann. Er arbeitete in einem Fitnessstudio und schloss diese Ausbildung Anfang 2012 erfolgreich ab. Bereits zuvor war ihm von seinem Arbeitgeber bei einem monat- lichen Verdienst von etwa 1300 € netto die Leitung des Fitnessstudios übertra- gen worden.
6
Im November 2011 begab sich der Angeklagte wegen einer akuten Erkrankung an Hepatitis B mit drohendem Leberversagen - bereits einige Jahre zuvor war er an chronischer Hepatitis C erkrankt - in ein Krankenhaus und wurde dort bis Anfang 2012 stationär behandelt. In dieser Zeit wurde er mit Heroin und Subutex rückfällig, nachdem es seit Dezember 2008 keine Rückfälle mehr gegeben hatte. Für beide Erkrankungen an Hepatitis war die ursprünglich intravenöse Art des Heroinkonsums ursächlich. Anfang 2012 wurde er aus dem Krankenhaus entlassen und in verschiedenen Entziehungsanstalten mehrfach substitutionsbehandelt. Im Sommer 2013 reiste der Angeklagte in die Ukraine und ließ sich dort einen Opiatblocker implantieren, der die durch Opiate verursachten Wirkungen für die Dauer von etwa sechs Monaten aufhebt, wodurch der Patient zum Unterlassen des nun wirkungslosen Opiatkonsums motiviert werden soll. Der Angeklagte konsumierte, nachdem er am 15. April 2014 in Untersuchungshaft genommen worden war, in der Justizvollzugsanstalt weiterhin Heroin.
7
Während seiner Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann verkaufte der Angeklagte am 17. Dezember 2010 aus einer Menge von mindestens einem Kilogramm Heroin 40 g und erhielt hierfür vom Käufer 1000 € in bar. Am 1. Februar 2011 verkaufte er daraus an denselben Käufer 100 g Heroin zum Preis von 1800 €. Der Angeklagte handelte in beiden Fällen in Gewinnerzie- lungsabsicht. Das Heroin hatte der Angeklagte von einem unbekannten Lieferanten aus dem westdeutschen Raum erworben.
8
b) Die Strafkammer hat einen Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB bejaht. Der Angeklagte habe bereits zur Tatzeit an den gesundheitlichen Folgen seines langjährigen Heroinkonsums in Form einer chronischen Erkrankung an Hepatitis C gelitten und sei hierdurch sozial gefährdet gewesen. Bei einem langjährigen Konsum von Heroin, einem Rauschgift mit sehr großem „Abhängigkeitspotenzial“ , und der wiederholten Rückfälligkeit des Angeklagtenin der Vergangenheit könne das Fortbestehen eines Hangs nicht deswegen verneint werden, weil der Lebensweg des Angeklagten „Intervalle der Abstinenz“ auf- weise.
9
Damit ist die Kammer vom Gutachten des Sachverständigen abgewichen. Dieser hatte für den Zeitraum vor der zum 30. Juni 2010 beendeten stationären Unterbringung und dann erneut ab Ende November 2011 eine körperliche und psychische Opiatabhängigkeit diagnostiziert, nicht aber für den Tatzeitraum , in welchem der Angeklagte seit mehr als zwei Jahren abstinent war. Das Fehlen eines Hangs hatte der Sachverständige damit begründet, dass für den Tatzeitraum keine erhebliche Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveaus zweifelsfrei festzustellen sei.
10
Die Strafkammer hat auch den symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang zu übermäßigem Rauschmittelkonsum und der begangenen Tat bejaht und ist auch hier vom Gutachten des Sachverständigen abgewichen. Der Sachverständige hatte ausgeführt, dass bei einem erst Ende 2011 erfolgten Rückfall anzunehmen sei, dass der Angeklagte die Tat nicht begangen hat, um sich Drogen und finanzielle Mittel für den Eigenkonsum zu beschaffen, sondern aus anderen Motiven, zum Beispiel aus Gewinnerzielungsabsicht. Schließlich sei das erworbene Heroin zum Weiterverkauf und nicht zum Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt gewesen. Dagegen begründet die Kammer den symptomatischen Zusammenhang mit der Überlegung, dass der Angeklag- te, der seine Heroinlieferanten dem Gericht nicht genannt hatte, „ohne Zweifel seine Kenntnisse und Kontakte zu seinen früheren Lieferquellen nutzte, um sich auch dieses Kilogramm Heroin zu beschaffen“.
11
Die Strafkammer hat eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) einer erneuten und damit der dritten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angenommen und ist der Auffassung des Sachverständigen auch in diesem Punkt nicht gefolgt. Der Sachverständige hatte dargelegt, beim Angeklagten fehle trotz dessen ausdrücklicher Erklärung, therapiebereit zu sein, eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht. Er habe sehr früh mit dem Rauschmittelkonsum und der Delinquenz begonnen, habe verschiedene Suchtmittel gebraucht und einen verfestigten langjährigen Heroinkonsum; er habe mehrere Therapien erfolglos absolviert und bereits zwei Unterbringungen im Maßregelvollzug durchlaufen; er sei mit dem kriminellen Milieu verflochten, habe lange Zeiten der Freiheitsentziehung hinter sich, weise eine verminderte Frustrationstoleranz und gewisse dissoziale Persönlichkeitszüge auf und habe in der Justizvollzugsanstalt weiter Heroin konsumiert. Die positiv zu bewertenden Faktoren wie abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung, familiäre Bindungen , Erfahrungen in der Erwerbstätigkeit, Selbstentzug mit längerer Abstinenzphase hätten alle auch bereits zur Tatzeit vorgelegen.
12
2. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam. Anhaltspunkte dafür , dass die Strafe von der Maßregelanordnung beeinflusst sein könnte, ergeben sich aus den Urteilsgründen nicht (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 364 f. und vom 31. Juli 2013 – 2 StR 620/12).
13
3. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen tragen die Annahme des Landgerichts nicht, beim Angeklagten sei ein Hang gegeben, die abgeurteilte Tat habe Symptomwert für den Hang (§ 64 Satz 1 StGB) und es bestehe eine hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zumindest eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in seinen Hang zu bewahren und von der Begehung auf seinen Hang zurückgehender erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten (§ 64 Satz 2 StGB).
14
a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (st. Rspr.; vgl. Beschlüsse vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8; vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198, 199; vom 12. April 2012 – 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271; vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12 und vom 30. Juli 2013 – 2 StR 174/13). Nicht erforderlich ist, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist (BGH, Beschluss vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 8). Dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur eine indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hangs aus (BGH, Beschluss vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198).
15
Die von der Strafkammer für das Vorliegen eines Hangs angeführte Erkrankung an Hepatitis C zur Tatzeit begründet für sich gesehen keine soziale Gefährdung des Angeklagten, sondern lediglich die Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung. Feststellungen der Kammer, die eine soziale Gefährdung des Angeklagten auf Grund einer Neigung zum Rauschmittelkonsum in dieser Zeit belegen könnten, hat die Strafkammer nicht getroffen. Der Angeklagte war auch nicht nur für eine kurze Zeit abstinent, sondern über einen Zeitraum von etwa drei Jahren, ohne dass die Kammer irgendwelche Leistungsdefizite feststellen konnte. Im Gegenteil, er begann im Jahr 2010 eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann, arbeitete in einem Fitnessstudio und schloss seine Ausbildung Anfang 2012 erfolgreich ab. Bereits vor Ausbildungsabschluss war ihm von seinem Arbeitgeber die Leitung des Fitnessstudios übertragen worden. Seine privaten Verhältnisse waren geordnet (UA S. 3). Er war so stabil, dass er trotz der über einen längeren Zeitraum vorhandenen Zugriffsmöglichkeit auf Heroin erst im November 2011 rückfällig wurde, also zehn Monate nach dem letzten festgestellten Verkauf (UA S. 10 ff.).
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b) Beim Angeklagten fehlt es zudem an dem für die Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB erforderlichen Symptomcharakter der abgeurteilten Tat.
17
Eine Tat hat dann Symptomcharakter, wenn sie in dem Hang ihre Wurzel findet, also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln hat (BGH, Urteil vom 11. September 1990 – 1 StR 293/90, NStZ 1991, 128; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75), also – zumindest mitursächlich – auf den Hang zurückgeht (BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Typisch sind hierfür Delikte, die begangen werden, um Rauschmittel oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75).
18
Daran fehlt es. Dem Angeklagten ging es allein darum, das erworbene Heroin mit Gewinn zu veräußern (UA S. 10). Dass er für die Beschaffung des Heroins möglicherweise Kontakte zu früheren Lieferanten genutzt hat (UA S. 21), genügt nicht. Denn dieser Umstand begründet keine besondere hangbedingte Gefährlichkeit. Ohnehin hat die Strafkammer die Nutzung solcher Kontakte auch nicht festgestellt. Zur Herkunft des Heroins findet sich nur die Feststellung , dass es der Angeklagte von einem unbekannten Lieferanten aus dem westdeutschen Raum erworben und in der Hauptverhandlung zu seinem Lieferanten keine Angaben gemacht hat. Gemäß den Feststellungen in einer früheren Verurteilung (Bundeszentralregisterauszug Ziffer 7, UA S. 7, 8) bezog er damals das Heroin aus den Niederlanden.
19
Eine Betäubungsmittelabhängigkeit jedenfalls spielte für die verfahrensgegenständliche Tat keine Rolle, da der Angeklagte zum Zeitpunkt des Handeltreibens mit Heroin keine Drogen konsumierte.
20
Andere Delikte als solche der Beschaffungskriminalität kommen als Hangtaten nur dann in Betracht, wenn sich in ihnen die hangbedingte besondere Gefährlichkeit des Täters zeigt (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August2013 – 4StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Solche Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich.
21
c) Darüber hinaus besteht beim Angeklagten nach den Feststellungen des Landgerichts auch keine tragfähige Basis für die erforderliche konkrete Therapieaussicht. Der seit frühester Jugend Betäubungsmittel konsumierende Angeklagte hat zahlreiche Therapieversuche unternommen, darunter auch zwei Unterbringungen gemäß § 64 StGB. Daneben kommen weitere ungünstige Umstände hinzu, die die Erfolgsaussichten einer Entwöhnungsbehandlung weiter vermindern. Sowohl die Tat, die im Urteil unter Bundeszentralregisterauszug Ziffer 9 mitgeteilt ist, als auch die vorliegende Tat mit der bislang höchsten Betäubungsmittelmenge beging der Angeklagte nur wenige Monate nach der Entlassung aus einer Unterbringung während der ambulanten Nachsorge (UA S. 8, 9). Jedenfalls bei derart ungünstigen Ausgangsbedingungen lässt einzig die Therapiemotivation des Angeklagten im Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht hinreichend sicher (§ 64 Satz 2 StGB) auf einen erfolgreichen Verlauf im Sinne des Gesetzes schließen.
22
4. Da eine Bejahung der Voraussetzungen des § 64 StGB auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sicher ausscheidet und die Anordnung der Maßregel für den Angeklagten eine zusätzliche Beschwer darstellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 1991 – 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 7; Urteil vom 5. August 2010 – 3 StR 195/10), führt die gegen diese zusätzliche Belastung des Angeklagten gerichtete, ihn mithin aus Rechtsgründen begünstigende (§ 296 Abs. 2 StPO) Revision der Staatsanwaltschaft zum Wegfall der Maßregel.
23
Der Senat kann durch Beschluss entscheiden, da diese Folge allein zugunsten des Angeklagten wirkt.
24
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs.2 Satz 2 StPO (BGH, Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR 120/11; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 473 Rn. 16). Graf Jäger Mosbacher Fischer Bär
6
Soweit das Landgericht darauf abstellt, dass der Substanzmissbrauch des Angeklagten nicht "in einem solchen Ausmaß im zentralen Mittelpunkt von dessen Lebensführung" stehe, "dass sich daraus ein unmittelbarer, ständiger, seine sozialen und persönlichen Handlungsfähigkeiten beeinträchtigender störender oder schädlicher Einfluss" ergeben habe (UA S. 25), wird dies von den Feststellungen, die zu den persönlichen Umständen des Angeklagten wenig enthalten, nicht belegt. Hinzu kommt, dass in einer erheblichen Beeinträchtigung der Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit durch den Drogenkonsum zwar ein Indiz für die Existenz eines Hangs liegt, dessen Fehlen indes den Hang nicht ausschließt (BGH, Urteil vom 15. Mai 2014 - 3 StR 386/13, NStZ-RR 2014, 271 (nur LS)).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 88/10
vom
30. März 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 30. März
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 1. Dezember 2009 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht - von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat, - den Verfall von Wertersatz angeordnet hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und zu seinen Lasten einen Geldbetrag von 3.500 Euro für verfallen erklärt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Urteil begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit das Landgericht von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen hat. Das Landgericht hat dies damit begründet, der Angeklagte habe keinen Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Diese rechtliche Bewertung wird indes von den insoweit widersprüchlichen Feststellungen nicht getragen. Zwar hat das sachverständig beratene Landgericht festgestellt, der Angeklagte habe seinen Kokain - und Cannabiskonsum stets steuern können. Er habe aus freiem Willen und nur in geselliger Runde zu Drogen gegriffen; ebenso habe er den Konsum über einen längeren Zeitraum ganz eingestellt und auch in der Haft nur anfangs unter leichteren Entzugserscheinungen gelitten. Andererseits hat es aber "aufgrund des jahrelangen Drogenkonsums" des Angeklagten eine "Drogenentwöhnungstherapie im Rahmen des § 35 BtMG für sinnvoll" erachtet. Dies wiederum legt die Annahme einer zumindest psychischen Abhängigkeit im Sinne einer auf Disposition beruhenden oder durch Übung erworbenen intensiven Neigung des Angeklagten zum Betäubungsmittelkonsum und damit eines Hangs im Sinne von § 64 StGB nahe; das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz stünden dem nicht entgegen (vgl. hierzu Fischer, StGB 57. Aufl. § 64 Rdn. 9 m. w. N.).
3
Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil, denn da das Landgericht weiter festgestellt hat, dass der Angeklagte den aus den Taten erzielten Gewinn zumindest teilweise zur Finanzierung seines Drogenkonsums benötigte und im Übrigen therapiebereit ist, lassen sich auch die weiteren Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 64 StGB nicht ausschließen. Die Maßregel ginge einer Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG vor (BGH StV 2008, 405 und 2009, 353).
4
Über die Anordnung der Maßregel muss deshalb (wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen) neu verhandelt und entschieden werden; es werden hierzu insgesamt neue Feststellungen zu treffen sein. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, stünde der Anordnung der Maßregel nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Landgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.).
5
2. Auch die Verfallsanordnung hat keinen Bestand. Das Landgericht hat sie als zwingende Rechtsfolge angesehen, ohne zu prüfen, ob der Wert der insgesamt 3.500 Euro, die der Angeklagte nach den - von der Aufhebung unberührten - Feststellungen zum Tatgeschehen in den Fällen II. 1. bis 3. der Urteilsgründe als Provisionen erlangt hat, in dessen Vermögen noch vorhanden sind (§ 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB). Ein Wegfall der Bereicherung liegt nach den Umständen nicht fern; in diesem Falle wäre der Wertersatzverfall nicht zwingend anzuordnen, sondern läge im tatrichterlichen Ermessen.
6
Ergänzend bemerkt der Senat, dass eine Verfallsanordnung unmittelbar auf §§ 73 Abs. 1, 73 a Satz 1 StGB zu stützen wäre. Die Frage des erweiterten Verfalls gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 73 d StGB stellt sich hier nicht, denn als Anknüpfungstaten kommen (nur) die abgeurteilten Fälle II. 1. bis 3. der Urteilsgründe in Betracht.
Sost-Scheible Pfister Hubert
Schäfer Mayer
5 StR 586/08

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 7. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Januar 2009

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 24. Juli 2008 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision gegen das genannte Urteil wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.
2
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Der Rechtsfolgenausspruch hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte seit vielen Jahren einen intensiven Alkoholmissbrauch betreibt. Eine Tätigkeit als Busfahrer musste er aufgeben, nachdem ihm die Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit im Straßenverkehr entzogen wurde. Auch nach Wiedererlangung der Fahrer- laubnis trank er vor allem an den Wochenenden, im Urlaub und während der übrigen Freizeit regelmäßig große Mengen Alkohol. Ebenso konsumierte er bei Fernfahrten als Kraftfahrer während der vorgeschriebenen Ruhezeiten Alkohol. Der Alkoholmissbrauch führte zu einer leichten toxischen Schädigung des zentralen Nervensystems. Vor dem Hintergrund einer BAK von 3 ‰ und eines Affektes zur Tatzeit hat das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit nicht auszuschließen vermocht. Eine Entziehungskur hat der 1951 geborene Angeklagte bisher nicht versucht.
4
Unter diesen Voraussetzungen musste es sich dem Landgericht aufdrängen , die Voraussetzungen einer Unterbringung gemäß § 64 StGB zu prüfen. Dass das Landgericht dies nicht erkennbar getan hat, beruht möglicherweise auf seiner Rechtsauffassung, die Annahme eines Hangs im Sinne von § 64 StGB setze voraus, dass die Gewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgehe und es nicht genüge, wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit dem Hang folge. Dies wäre nicht zutreffend (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 1994 – 4 StR 380/94; Stree in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 64 Rdn. 3).
5
Durch die Nichtanordnung der Maßregel, die vom Rechtsmittelangriff nicht ausgenommen ist, kann der Angeklagte beschwert sein. Der Senat kann auch nicht ausschließen, dass sich die Nichtanordnung auf die Strafhö- he ausgewirkt hat; der Rechtsfolgenausspruch war daher insgesamt aufzuheben.
Basdorf Raum Schaal Dölp König