Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2009 - 3 StR 505/08

published on 20/01/2009 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2009 - 3 StR 505/08
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 505/08
vom
20. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
20. Januar 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 30. Juni 2008 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und sachlichrechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts trank der Angeklagte zusammen mit seinen beiden Mittätern und dem späteren Tatopfer, in erhebli- chem Umfang Alkohol. Er gab diesem 30 Euro zum Einkauf weiterer alkoholischer Getränke. Als der Geschädigte zurückkam und nicht die in Anbetracht des Geldes erwartete Anzahl von Schnapsflaschen mitbrachte, folterten der Angeklagte und seine beiden Mittäter ihn über mehrere Stunden hinweg durch Schläge mit einem Knüppel sowie durch Tritte, um ihn zur Herausgabe weiterer, bei ihm vermuteter Alkoholika zu zwingen. Nach mindestens vierstündiger Tortur verstarb das Opfer aufgrund der multiplen schweren Verletzungen.
3
Während die Überprüfung des Schuldspruchs keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, hält der Rechtsfolgenausspruch rechtlicher Überprüfung nicht stand.
4
1. Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB kann nicht bestehen bleiben. Sie setzt u. a. die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Zustandes des Täters voraus, der dazu führte, dass er - sicher feststehend - die Tat zumindest mit erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB beging (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 27; Fischer, StGB 56. Aufl. § 63 Rdn. 6) und bedarf wegen ihres schweren Eingriffs in das Leben des Betroffenen einer besonders sorgfältigen Prüfung und Begründung. Den danach zu stellenden Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.
5
Das Landgericht stützt die Unterbringung im Anschluss an den gehörten Sachverständigen auf eine "ausgeprägte dissoziale Persönlichkeitsstörung mit entsprechender Neigung zu kriminell geprägten Verhaltensmustern und sadistischer Gewaltbereitschaft" (UA S. 26). Für sadistische Persönlichkeitsanteile lässt das Urteil indes den Nachweis vermissen, nachdem die verfahrensgegenständliche Tat erkennbar von Gruppendynamik geprägt war und sich die zum Beleg angeführte gefährliche Körperverletzung als eine 14 Jahre zurückliegende Spontantat erweist. Dass die Persönlichkeitsstörung ein solches Ausmaß erreicht hätte, dass sie dem Eingangsmerkmal einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden könnte, wird vom Landgericht - von einer formelhaften Nennung des Begriffs zu Beginn der Erörterungen zur Schuldfähigkeit (UA S. 25) abgesehen - nicht belegt. Folgerichtig führt das Urteil aus, die festgestellte "Persönlichkeitsstörung allein" führe nicht zu einer Herabsetzung der Steuerungsfähigkeit, zu ihr komme es erst, wenn Alkoholkonsum hinzutrete (UA S. 27). Damit sind aber auch nicht die Voraussetzungen belegt, unter denen die Rechtsprechung ausnahmsweise für das Zusammenwirken von schwerer anderer seelischer Abartigkeit und Alkoholsucht bzw. Alkoholkonsum die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB eröffnet (vgl. BGHSt 44, 338 und 44, 369).
6
2. Die Aufhebung des Maßregelausspruchs entzieht auch der verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe die Grundlage. Das Landgericht hat trotz der festgestellten erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten von einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgesehen, weil es die Trunkenheit des Angeklagten als verschuldet angesehen hat. Dies setzt voraus, dass dem Angeklagten der Alkoholkonsum uneingeschränkt vorwerfbar ist (vgl. BGH NStZ 2004, 495; 2008, 330), wobei an diese Entscheidung besonders strenge Anforderungen zu stellen sind, wenn es um die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe geht (vgl. BGH NStZ 2005, 384). Der Senat kann nicht ausschließen, dass der neue Tatrichter aufgrund erneuter Verhandlung - bei der sich die Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen empfehlen wird - zu der Überzeugung gelangt, dass dem Angeklagten aufgrund seiner psychischen Beeinträchtigungen der Alkoholkonsum nicht uneingeschränkt vorwerfbar war. Eine vollkommene Aufhebung der Schuldfähigkeit scheidet dagegen aus.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö
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published on 22/08/2013 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 163/13 vom 22. August 2013 in der Strafsache gegen wegen Totschlags u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. August 2013, an der teilgenommen haben: Richter am Bun
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.