Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Dez. 2000 - 3 StR 500/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 29. November 2000 ausgeführt: "1. Das Landgericht Hannover hat den Angeklagten am 4. August 1998 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Das Gericht hat die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Nach dem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung (Bewährungsheft S. 63) ging am 18. August 2000 bei der Staatsanwaltschaft Hannover ein Schreiben des Angeklagten ein. Darin heißt es u.a. wörtlich: 'Hiermit bitte ich ... um eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Berufung oder auf Revision einzulegen' (SA Bd. II Bl. 90). Auf einem zweiten, vom Ange-klagten gesondert unterschriebenen Blatt des Schreibens beantragt der Angeklagte 'in dem obengenannten Verfahren Revision einzulegen' (SA Bd. II Bl. 91). Der Angeklagte hat in zwei weiteren Schreiben vom 23. und 25. August 2000, eingegangen bei Gericht am 25. August und 29. August 2000, jeweils unter Bezugnahme auf seine Revision nochmals Einwendungen gegen das Urteil erhoben. In beiden Schreiben hat er auch die 'Wiederaufnahme' des Verfahrens beantragt. Mit Beschluss vom 25. August 2000 hat das Landgericht Hannover die Revision des Angeklagten mit der Begründung als unzulässig verworfen, dieser habe wirksam auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet (SA Bd. II Bl. 93). In der in den Gründen des Beschlusses enthaltenen Rechtsmittelbelehrung hat das Gericht den Angeklagten auf die Möglichkeit einer sofortigen Beschwerde hingewiesen. Der Beschluss wurde ihm am 5. September 2000 zugestellt (SA Bd. II Bl. 95 a). Der Angeklagte hat mit Schreiben vom selben Tage, bei Gericht eingegangen am 8. September 2000, gegen den Beschluss 'Beschwerde' eingelegt (SA Bd. II Bl. 102). 2. Das am 18. August 2000 eingegangene Schreiben des Angeklagten ist als Revisionseinlegung zu werten. Dies wird insbesondere aus Bl. 2 des Schreibens deutlich. Der Angeklagte hat demgegenüber keine hinreichenden Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 359 StPO) dargetan. Zwar hat er vorgetragen, der Zeuge G. habe die Unwahrheit gesagt. Insoweit ist jedoch weder eine Verurteilung gegen den Zeugen ergangen, noch war gegen ihn ein Strafverfahren anhängig (§ 364 StPO). 3. Das am 5. September 2000 eingegangene Schreiben des Angeklagten ist als Antrag gemäß § 346 Abs. 2 StPO auszulegen. Die falsche Bezeichnung geht offensichtlich auf die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung zurück. Der Antrag ist im Übrigen fristgerecht erhoben.
4. Der Beschluss des Landgerichts vom 25. August 2000 ist aufzuheben, da der Tatrichter nach § 346 Abs. 1 StPO daran gehindert war zu prüfen, ob ein wirksamer Rechtsmittelverzicht vorliegt (vgl. BGH, NStZ 2000, 217; Kleinknecht /Meyer-Goßner, 44. Aufl., § 346 Rdnr. 2, 10). 5. Die Revision des Angeklagten ist unzulässig. Er hat ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls (SA Bd. II Bl. 30 R) nach Urteilsverkündung auf Rechtsmittelbelehrung und auf die Einlegung eines Rechtsmittels gegen das verkündete Urteil verzichtet (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO). Die Erklärung ist ihm, wie sich ebenfalls aus der Sitzungsniederschrift ergibt, vorgelesen und von ihm genehmigt worden. Damit ist sie bewiesen (§ 274 StPO). Umstände, die Zweifel an der Wirksamkeit des Verzichts begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Verzicht ist weder widerruflich noch anfechtbar (Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., § 302 Rdnr. 21 m.w.N.). Die trotz wirksamen Rechtsmittelverzichts eingelegte Revision ist unzulässig." Dem schließt sich der Senat an. Kutzer Miebach Winkler von Lienen Becker
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten ist zulässig,
- 1.
wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Ungunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war; - 2.
wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zuungunsten des Verurteilten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat; - 3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat, sofern die Verletzung nicht vom Verurteilten selbst veranlaßt ist; - 4.
wenn ein zivilgerichtliches Urteil, auf welches das Strafurteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urteil aufgehoben ist; - 5.
wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten oder in Anwendung eines milderen Strafgesetzes eine geringere Bestrafung oder eine wesentlich andere Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung zu begründen geeignet sind, - 6.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.
Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, der auf die Behauptung einer Straftat gegründet werden soll, ist nur dann zulässig, wenn wegen dieser Tat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Dies gilt nicht im Falle des § 359 Nr. 5.
(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.
(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.
(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.
Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.