Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Nov. 2009 - 3 StR 437/09


Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hatte den Angeklagten S. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und die Angeklagte D. wegen Beihilfe zum schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt; die Vollstreckung dieser Strafe hatte es zur Bewährung ausgesetzt. Auf die Revisionen der Angeklagten beschränkte der Senat das Verfahren gemäß § 154 a StPO auf den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, hob das Urteil des Landgerichts in den Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen auf und verwies die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück; die weitergehenden Revisionen wurden verworfen.
- 2
- Nunmehr hat das Landgericht gegen den Angeklagten S. eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verhängt und ausgesprochen, dass hiervon zwei Jahre und drei Monate als vollstreckt gelten. Gegen die Angeklagte D. hat es auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren erkannt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und bestimmt, dass von dieser Strafe ein Jahr als bereits vollstreckt gilt. Hiergegen wenden sich die jeweils auf materiell - und verfahrensrechtliche Beanstandungen gestützten Revisionen der Angeklagten. Das Rechtsmittel der Angeklagten D. führt auf die Sachrüge zur Herabsetzung der gegen sie verhängten Freiheitsstrafe auf ein Jahr und zehn Monate; im Übrigen ist es ebenso wie die Revision des Angeklagten S. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 3
- Der Strafausspruch gegen die Angeklagte D. hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn das Landgericht hat dadurch, dass es auf eine höhere Freiheitsstrafe (zwei Jahre) als diejenige erkannt hat, die es in seinem ersten Urteil verhängt hatte (ein Jahr und zehn Monate), hier gegen das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) verstoßen.
- 4
- Das Landgericht hatte in dem ersten Urteil eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt und diese nach dem früher angewendeten sog. Strafabschlagsmodell durch eine Minderung der Strafen ausgeglichen. Nunmehr hat es diese Verzögerung entsprechend den in der neueren Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (sog. Vollstreckungsmodell; s. BGHSt 52, 124) dadurch ausgeglichen, dass es einen Teil der verhängten Strafen für bereits vollstreckt erklärt hat. Dabei hat es höhere Strafen gegen die Angeklagten festgesetzt , als sie im Tenor der ersten landgerichtlichen Entscheidung ausgesprochen worden waren. Dies begegnet zwar grundsätzlich auch vor dem Hintergrund des § 358 Abs. 2 StPO keinen Bedenken, wenn die neue Strafe die im früheren Urteil als an sich verwirkt und ohne Kompensationsabschlag als schuldangemessen ausgewiesene Strafe nicht übersteigt und die im Falle vollständiger Vollstreckung aufgrund der Kompensation im Vollstreckungsmodell zu verbüßende Strafe nicht höher ist als die in dem früheren Urteil letztlich ausgesprochene Strafe (BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 35; BGH wistra 2008, 341, 342). Jedoch hatte das Landgericht hier in seinem ersten Urteil bei der Angeklagten D. - im Gegensatz zu dem Angeklagten S. - die Höhe derjenigen Strafe nicht angegeben, die nach seiner Auffassung ohne Berücksichtigung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung angemessen gewesen wäre. Somit ist seinem Urteil keine über die letztlich verhängte Sanktion hinausgehende Strafe zu entnehmen, bis zu deren Höhe das neue Tatgericht eine von ihm ohne Berücksichtigung des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 MRK als angemessen erachtete Strafe verhängen konnte, ohne gegen § 358 Abs. 2 StPO zu verstoßen. Das Landgericht war deshalb durch das Verschlechterungsverbot daran gehindert, nunmehr auf eine höhere Strafe als diejenige zu erkennen, die es in seinem ersten Urteil unter Berücksichtigung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung letztlich als angemessen befunden hatte.
- 5
- Der Senat setzt in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO die Strafe gegen die Angeklagte D. selbst auf die in dem ersten landgerichtlichen Urteil verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten fest; denn es ist auszuschließen, dass das Landgericht bei Beachtung des Ver- schlechterungsverbots auf eine noch niedrigere Strafe erkannt hätte. Bei der Kompensationsentscheidung, die als reine Entschädigung der Angeklagten für die staatlich zu verantwortende Verfahrensverzögerung nicht zum Strafausspruch zählt (BGH, Urt. vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt), hat es sein Bewenden. Von der Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten gilt daher ein Jahr als vollstreckt.
- 6
- Der nur geringfügige Erfolg der Revision gibt keinen Anlass, die Angeklagte von den Kosten des Verfahrens, ihren Auslagen und den notwendigen Auslagen des Nebenklägers auch nur teilweise zu entlasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.