Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2015 - 3 StR 410/15

published on 24/11/2015 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2015 - 3 StR 410/15
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 410/15
vom
24. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 24. November 2015
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 9. Juli 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der allgemeinen Sachbeschwerde. Sie hat nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
2
Während der Schuld- und der Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweisen, kann das Urteil nicht bestehen bleiben, soweit das Landgericht eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterlassen hat.
3
Nach den Feststellungen des Landgerichts begann der Angeklagte im Alter von 15 Jahren mit dem sich im Verlauf der Jahre steigernden Konsum von Marihuana und Alkohol, weswegen er 2006 und 2009 jeweils Entzugstherapien absolvierte. Seit 2004 wurde er insgesamt vier Male wegen Betäubungsmittelstraftaten verurteilt, zuletzt 2009 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten , die er nach Widerruf der zunächst gewährten Strafaussetzung zur Bewährung verbüßen musste. Zur Tatzeit rauchte der Angeklagte wieder täglich Marihuana. Gegenstand der nunmehrigen Verurteilung ist der Erwerb von 62,5 g mit einem Wirkstoffgehalt von 12,7% THC. Der Angeklagte beging die Tat aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit (UA S. 10), um den gesamten Monatsbedarf an Rauschgift für sich und seine Lebensgefährtin zu decken.
4
Nach diesen Feststellungen des Tatrichters zur Drogenkarriere und zum tatzeitnahen Betäubungsmittelkonsum, von denen der Senat auszugehen hat, obgleich die Urteilsgründe (einschlägige Vorstrafen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, Vorhandensein von dealertypischen Utensilien, Aufbewahrung von zwei Schusswaffen in unmittelbarer Nähe der Betäubungsmittel) auch den Schluss auf eine Bestimmung des Rauschgifts als Handelsware ermöglicht hätten, liegt es nahe, dass der Angeklagte Betäubungsmittel aufgrund eines Hangs konsumierte, die als Verbrechen eingestufte Tat symptomatisch für einen Hang war und der Angeklagte solche Taten bei fortbestehendem Hang auch zukünftig begehen wird. Dass eine Unterbringung keine hinreichende Er- folgsaussicht haben wird, kann allein aus dem Hinweis auf die zwei bislang durchlaufenen Entzugstherapien nicht angenommen werden.
5
Bei dieser Sachlage drängt sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 485/07, NStZ-RR 2008, 107; vom 21. Oktober 2008 - 3 StR 382/08, NStZ-RR 2009, 59; vom 24. September 2009 - 3 StR 340/09, juris; vom 15. Juni 2010 - 4 StR 229/10, NStZ-RR 2010, 319; vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 421/11, NStZ-RR 2012, 204; vom 1. März 2012 - 2 StR 30/12, juris; vom 22. Januar 2013 - 5 StR 378/12, NStZ-RR 2013, 171 (Ls); vom 25. März 2014 - 1 StR 86/14, juris; vom 4. August 2015 - 3 StR 267/15, juris) die Prüfung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt auf. Das Unterlassen dieser Prüfung stellt einen sachlichrechtlichen Mangel dar, der insoweit zur Aufhebung des Urteils führt, auch wenn nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5; Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 485/07, NStZ-RR 2008, 107).
6
Ob die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vorliegen, bedarf deshalb - mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - der Prüfung durch den neuen Tatrichter.
7
Der Senat schließt aus, dass die rechtsfehlerhafte Unterlassung der Prüfung einer Unterbringung nach § 64 StGB Einfluss auf den Strafausspruch gehabt hat. Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Ange
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.