Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Okt. 2007 - 3 StR 373/07

published on 02/10/2007 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Okt. 2007 - 3 StR 373/07
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 373/07
vom
2. Oktober 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. Oktober 2007 gemäß § 349 Abs.
4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 3. Mai 2007 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte im Auftrag unbekannter Dritter in den Niederlanden in einem LKW ca. 1 kg Kokain versteckte, das in diesem Fahrzeug nach Serbien transportiert und dort gewinnbringend veräußert werden sollte. Der LKW wurde nach Passieren der deutschen Grenze kontrolliert, hierbei wurde das Rauschgift gefunden. Der Angeklagte hatte im Ermittlungsverfahren das objektive Geschehen zwar eingeräumt, sich jedoch darauf berufen, sein Auftraggeber in Belgrad ("Rade") habe ihm etwa zwei Wochen vor der Tat telefonisch mitgeteilt, bei dem im LKW zu versteckenden Transportgut handele es sich um einen Grundstoff zur Herstellung von Medikamenten , der in Serbien nicht erlaubt sei; hieran habe er geglaubt. Das Landgericht hat diese Einlassung - aufgrund einer für sich fehlerfreien Beweiswürdigung - für widerlegt gehalten und daher auch die subjektive Seite der Beihilfetat bejaht.
3
2. Vor diesem Hintergrund beanstandet die Revision mit Recht, dass das Landgericht ein in der Hauptverhandlung gestelltes Beweisbegehren nicht beschieden hat. Die Verteidigung hatte die "Beiziehung der Telefonüberwachungsmitschnitte zum Verfahren A 9042/07-917 d" zum Beweis dafür beantragt , dass es bei einem Telefonat zwischen dem Angeklagten und dem "Rade" ausdrücklich um den Schmuggel von Medikamenten gegangen und dem Angeklagten auf Nachfrage bestätigt worden sei, dass Drogen nicht im Spiel seien.
4
3. Die Nichtbeachtung dieses Antrags erweist sich als durchgreifender Rechtsfehler. Zwar handelt es sich bei dem Begehren nicht um einen Beweisantrag , sondern lediglich um einen Beweisermittlungsantrag, denn es fehlt an einer genauen Kennzeichnung des zu Beweiszwecken zu verwendenden Augenscheinsobjekts ("Telefonüberwachungsmitschnitte") und der Behörde, die das fragliche Verfahren führen soll. Ob sich diese wegen des in dem Antrag mitgeteilten Aktenzeichens anhand der Akten des vorliegenden Verfahrens erschließen lässt, kann dem Revisionsvorbringen nicht entnommen werden.
5
Dies ändert indessen nichts daran, dass über den Antrag eine Entscheidung zu treffen war, entweder durch eine prozessleitende Anordnung des Vorsitzenden (§ 238 Abs. 1 StPO), dass dem Begehren nachzugehen ist (vgl. BGH NStZ 1982, 432 für einen Beweisantrag), oder durch die Ablehnung des Antrags. Ob es hierzu gemäß § 244 Abs. 6 StPO unmittelbar eines Gerichtsbeschlusses bedurfte (so BGH StV 1994, 172 für den Fall, dass das Begehren erkennbar als Beweisantrag gestellt worden ist), oder ob dies ebenfalls (zunächst ) durch Anordnung des Vorsitzenden geschehen konnte, kann hier offen bleiben. Denn auch eine derartige Entscheidung des Vorsitzenden ist nicht ergangen. Eine solche war jedoch unerlässlich. Denn der Antragsteller darf nicht im Unklaren darüber gelassen werden, weshalb seinem Antrag nicht nachgegangen wird. Daher ist auch eine derartige prozessleitende Verfügung des Vorsitzenden gemäß § 34 StPO mit Gründen zu versehen (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 244 Rdn. 121; Herdegen in KK 5. Aufl. § 244 Rdn. 55). Nur hierdurch wird es dem Antragsteller ermöglicht, sein weiteres Prozessverhalten auf die der Ablehnung zugrunde liegende Auffassung einzurichten , insbesondere darüber zu befinden, ob er gemäß § 238 Abs. 2 StPO auf die Entscheidung des Gerichts anträgt (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 244 Rdn. 27) oder andere Anträge in Richtung auf das von ihm verfolgte Beweisziel stellt.
6
4. Auf diesem Rechtsfehler beruht der Schuldspruch, denn entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist das Landgericht im Urteil nicht von der Richtigkeit der Beweisbehauptung ausgegangen, sondern hat lediglich die entsprechende polizeiliche Einlassung des Angeklagten wiedergegeben. Bei der Beweiswürdigung hat es diese sodann jedoch als reine Schutzbehauptung gewertet. Es ist nicht auszuschließen, dass es zu einer anderen Überzeugung gelangt wäre, wenn es sich in prozessordnungsgemäßer Form mit dem Beweisermittlungsantrag befasst hätte.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer
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(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden. (2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person

Die durch ein Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen sowie die, durch welche ein Antrag abgelehnt wird, sind mit Gründen zu versehen.

Annotations

(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.

(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Die durch ein Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen sowie die, durch welche ein Antrag abgelehnt wird, sind mit Gründen zu versehen.

(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.

(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.