Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 354/16
vom
13. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u.a.
hier: Revision des Angeklagten D.
ECLI:DE:BGH:2016:131216B3STR354.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 13. Dezember 2016 gemäß § 349 Abs. 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten D. wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 12. Februar 2016 - auch soweit es den Angeklagten De. betrifft - mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Mitangeklagten De. hat es wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung die Freiheitsstrafe von acht Monaten verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten D. hat Erfolg.
2
I. Nach den Feststellungen beschlossen die Angeklagten, den Geschädigten , die ihnen als Drogenhändler bekannt waren, die in ihrem Besitz befindlichen Drogen wegzunehmen. Während der Angeklagte D. diese zum eige- nen Konsum bzw. Weiterverkauf an sich bringen wollte, beabsichtigte der Mitangeklagte De. , die Betäubungsmittel zu vernichten, weil die Geschädigten seiner minderjährigen Nichte Marihuana überlassen hatten und deshalb bestraft werden sollten. Unter dem Vorwand, eine größere Menge Marihuana erwerben zu wollen, verschafften sich die Angeklagten durch Vermittlung der gesondert verfolgten Lebensgefährtin des Angeklagten D. Zugang zur Wohnung des Geschädigten T. , wo nach einiger Zeit der Geschädigte H. erschien , der rund 300 Gramm Marihuana mitbrachte, das er den angeblichen Käufern zur Ansicht übergab. Spätestens zu diesem Zeitpunkt waren die Angeklagten sich einig, das Rauschgift, das zu diesem Zeitpunkt der Angeklagte D. in der Hand hielt, notfalls mit Gewalt oder Drohungen an sich zu bringen. In der Folge ergriff der Nichtrevident eine auf dem Wohnzimmertisch liegende , dem Geschädigten T. gehörende Schreckschusspistole, die - was sowohl dieser als auch der Nichtrevident, nicht aber der Geschädigte H. wussten - funktionsunfähig war. Die gesondert Verfolgte nahm einen in der Wohnung befindlichen schwarzen Teleskopschlagstock in die Hand. Außerdem stieß der Mitangeklagte den Geschädigten T. , der aufstehen wollte, so kräftig "im Bereich der Brust oder des Halses", dass er auf das Sofa zurück fiel, fortan dort sitzen blieb und unter dem Eindruck des Geschehens nichts mehr unternahm. Nunmehr steckte der Angeklagte die Tüte mit dem Marihuana ein und verließ mit den beiden Mittätern die Wohnung.
3
II. Der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Annahme einer Körperverletzungshandlung wird von den getroffenen Feststellungen nicht getragen.
4
Das Landgericht sieht die Körperverletzung in dem vom Mitangeklagten De. geführten Schlag gegen die Brust oder gegen den Hals des Geschädigten T. . Der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB in der Variante der vorliegend allein in Betracht kommenden körperlichen Misshandlung ist indes nur dann erfüllt, wenn die Schwelle zu einer üblen und unangemessenen Behandlung , die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt, überschritten wird (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 223 Rn. 4 mwN). Nicht jeder vorsätzliche Schlag oder Stoß, der das Opfer trifft, stellt eine tatbestandliche Körperverletzungshandlung dar (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2001 - 4 StR 174/01, StV 2001, 680 mwN). Dazu, ob es vorliegend durch den festgestellten Schlag zu einer körperlichen Beeinträchtigung des Geschädigten gekommen ist, verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Zwar ergibt sich aus der Beweiswürdigung, dass der Geschädigte T. angegeben hat, einen Augenblick nur schwer Luft bekommen zu haben, als er auf das Sofa zurückfiel. Dies enthält aber schon nicht die Feststellung , dass der Geschädigte tatsächlich wegen der körperlichen Einwirkung durch den Schlag nur schwer atmen konnte. Darüber hinaus ist eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung damit nicht belegt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2013 - 3 StR 323/13, NStZ-RR 2014, 11).
5
Mit der Aufhebung des Schuldspruchs wegen gefährlicher Körperverletzung entfällt bei dem Angeklagten D. auch die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen schweren Raubes. Der Senat hat die Feststellungen insgesamt aufgehoben, um der neu zur Entscheidung berufenen Strafkammer eine in sich stimmige Sachverhaltsaufklärung zu ermöglichen. Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Aufhebung des Urteils auf den Mitangeklagten De. zu erstrecken , der gegen das Urteil keine Revision eingelegt hat. Der Rechtsfehler im Schuldspruch betrifft ihn gleichermaßen.
6
III. Für die neu zu treffende Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
7
1. Sollte in der neuen Hauptverhandlung eine Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten T. festgestellt werden, wird sich das Landgericht eingehender, als dies in dem angefochtenen Urteil geschehen ist, mit der Frage zu beschäftigen haben, ob die Angeklagten insoweit gemeinschaftlich im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB handelten. Durch die bisherigen Feststellungen ist dies nicht hinreichend belegt.
8
2. Dem aufgehobenen Urteil kann nicht zweifelsfrei entnommen werden, welche Einzelstrafen aus früheren Verurteilungen in die gegen den Angeklagten D. verhängte Gesamtstrafe einbezogen worden sind und ob diese rechtsfehlerfrei gebildet worden ist. Das Landgericht hat in die verhängte Gesamtstrafe mehrere Freiheitsstrafen aus einer "Verurteilung durch das Landgericht Aurich" , von der im Tenor lediglich das Aktenzeichen mitgeteilt wird, einbezogen. Welche Straftaten mit dem Berufungsurteil des Landgerichts Aurich abgeurteilt worden sind und welche Einzelstrafen der dort ausgesprochenen Gesamtstrafe zugrunde liegen, ergeben die Feststellungen nicht. Becker RiBGH Dr. Schäfer befindet Spaniol sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Tiemann Hoch

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 174/01
vom
12. Juni 2001
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Tötung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. Juni 2001 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Dezember 2000
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der fahrlässigen Tötung in Tateinheit mit fahrlässigem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und des unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine - allgemeine - Strafkammer des Landgerichts Cottbus zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit (fahrlässigem) gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet
sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt hinsichtlich der Verurteilung wegen der Tötung des Falco L. zur Ä nderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen in Tateinheit mit fahrlässigem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr begangener Körperverletzung mit Todesfolge hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen ergeben nämlich - wie die Revision zu Recht einwendet - nicht, daß der Angeklagte eine für den Tod des Falco L. ursächliche tatbestandsmäßige Körperverletzungshandlung begangen hat. Auf die Aufklärungsrüge, mit der sich die Revision im Ergebnis gegen die Annahme einer Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB wendet, kommt es mithin nicht an.
Nach den Feststellungen versetzte der Angeklagte im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung "dem mit dem Rücken zur Fahrbahn stehenden Falco L. einen Schlag auf den Brustkorb ... . Falco L. verlor dadurch das Gleichgewicht und stolperte - sich zwei Schritte rückwärts bewegend - auf die Straße". Dadurch geriet er vor ein vorbeifahrendes Taxi, von dem er, "aufrecht auf der Straße stehend", erfaßt wurde, wodurch er schwerste Verletzungen erlitt , denen er noch am selben Abend erlag.
Die Schwurgerichtskammer sieht in dem "Schlag vor die Brust" eine "körperliche Mißhandlung i.S.v. § 223 Abs. 1 StGB". Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nicht jeder vorsätzliche Schlag oder Stoß, der das Opfer trifft, stellt eine tatbestandliche Körperverletzungshandlung dar (vgl.
BGH, Urteil vom 30. November 1977 – 2 StR 540/77). Zwar geht das Landgericht von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab aus (vgl. BGHSt 14, 269 f.; 25, 277 f.). Seine Wertung, der Schlag vor die Brust sei "ein übles, unangemessenes Behandeln, das zumindest das körperliche Wohlbefinden des Falco L. nicht nur unerheblich beeinträchtigte" (UA 47), wird jedoch von den getroffenen Feststellungen nicht getragen. Über die körperliche Beeinträchtigung des Geschädigten durch den "Schlag vor die Brust" verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Den Feststellungen kann auch nicht entnommen werden, daß der Angeklagte den Schlag gegen den Geschädigten mit besonderer Kraft ausführte. Feststellbare Verletzungen hat der Schlag nicht verursacht (UA 37). Auch kann daraus, daß der Geschädigte infolge des Schlages zwei Schritte rückwärts "stolperte", nicht auf eine besondere Heftigkeit des Schlages geschlossen werden, zumal hierbei auch der Umstand zu berücksichtigen war, daß Falco L. mit einer BAK von über 2 ‰ erheblich alkoholisiert war und zudem unter dem Einfluß von Haschisch stand. Bei dieser Sachlage kann dem Angeklagten eine durch den Schlag vor die Brust des Geschädigten begangene Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB nicht angelastet werden (vgl. OLG Köln StV 1985, 17; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 223 Rdn. 4 m.w.N.). Dies steht zugleich einer Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge entgegen. Vielmehr kommt insoweit nur eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) - hier in Tateinheit mit dem rechtsfehlerfrei festgestellten fahrlässigen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (sog. FahrlässigkeitsFahrlässigkeits -Kombination nach § 315 b Abs. 5 StGB) - in Betracht.
Der Senat schließt bei der gegebenen Beweislage aus, daß sich aufgrund neuer Hauptverhandlung Feststellungen treffen lassen, die eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge tragen könnten. Er ändert des-
halb den Schuldspruch. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
2. Die Ä nderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Zwar betrifft der aufgezeigte Rechtsfehler unmittelbar nur die wegen Körperverletzung mit Todesfolge verhängte Einsatzstrafe von vier Jahren drei Monaten Freiheitsstrafe. Der Senat hebt jedoch auch die wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten auf, weil nicht auszuschließen ist, daß sie durch die rechtsfehlerhafte Bewertung der zum Tode des Falco L. führenden Tat beeinflußt ist.
Über die Strafbemessung ist deshalb insgesamt neu zu befinden. Insoweit weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß die Strafzumessungserwägungen im angefochtenen Urteil in mehrfacher Hinsicht rechtlichen Bedenken begegnen : Die strafschärfende Wertung des "jugendliche(n) Alter(s) des getöteten Opfers" (UA 60) steht - worauf bereits der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift hingewiesen hat - nicht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang, wonach der strafrechtliche Schutz des Lebens Wertabstufungen grundsätzlich nicht zuläßt. Indem die Schwurgerichtskammer "aufgrund des nicht feststellbaren Motivs des Angeklagten" von einem "nichtige(n) Anlaß der Vorgehensweise des Angeklagten gegen Falco L." ausgeht (UA 60) und dies ebenfalls strafschärfend wertet, hat sie den auch bei der Strafzumessung geltenden Zweifelsgrundsatz außer acht gelassen. Nicht erklärlich ist ferner , daß das Landgericht unter den strafschärfend gewerteten Vorverurteilungen diejenige wegen schwerer räuberischer Erpressung als "einschlägig" berücksichtigt hat (UA 60). Schließlich wird der neue Tatrichter zu beachten haben , daß die vom Landgericht ohne nähere Ausführungen berücksichtigten
"generalpräventive(n) Erwägungen" (UA 61) die Notwendigkeit allgemeiner Abschreckung für den Gemeinschaftsschutz voraussetzen (st. Rspr.; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Generalprävention 3). Die Besonderheiten dieses Falles lassen nicht ohne weiteres zu, diesem Gesichtspunkt bei der Strafzumessung Rechnung zu tragen, zumal das Landgericht dem Angeklagten zugute gehalten hat, daß es zunächst das Tatopfer war, das ihn “politisch ´agitiert`und ... beleidigt hat” (UA 59 f.).
3. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch und v erweist die Sache an das Landgericht Cottbus zurück. Zugleich verweist er die Sache dort an eine allgemeine Strafkammer, nachdem nach der Ä nderung des Schuldspruchs durch den Senat eine Zuständigkeit der Schwurgerichtskammer nicht mehr gegeben ist.
Meyer-Goßner Maatz Kuckein

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 323/13
vom
22. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen räuberischer Erpressung u.a.
hier: Revisionen der Angeklagten U. und R.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am
22. Oktober 2013 gemäß § 349 Abs. 1, 2 und 4, § 354 Abs. 1, § 357 StPO einstimmig

beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten R. gegen das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 21. März 2013 wird als unzulässig verworfen. 2. Auf die Revision des Angeklagten U. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn und die Mitangeklagten W. , K. und R. betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten jeweils der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung schuldig sind. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten U. wird verworfen. 4. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten - den Angeklagten K. unter Teilfreispruch im Übrigen - jeweils wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und den Angeklagten U. zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von sechs Monaten verurteilt sowie gegen die Angeklagten W. , K. und R. , gegen ersteren unter Einbeziehung eines vorausgegangenen Urteils (§ 31 Abs. 2 Satz 1, § 105 Abs. 2 JGG), jeweils zwei Wochen Jugendarrest verhängt. Gegen diese Entscheidung richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten U. und R. . Während sich das Rechtsmittel des Angeklagten R. als unzulässig erweist, hat die Revision des Angeklagten U. den aus der Beschlussformel ersichtlichen - auch zugunsten der Mitangeklagten wirkenden, § 357 StPO - Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Zu dem Rechtsmittel des Angeklagten R. hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift ausgeführt: "Die Revision des Angeklagten R. ist gemäß § 349 Abs. 1 StPO unzulässig, weil sich entgegen § 344 Abs. 1 Satz 1 StPO der Begründung des Revisionsantrags ein gemäß § 55 Abs. 1 JGG zulässiges Rechtsmittelziel nicht entnehmen lässt. Ausführungen dazu, dass die Schuldfrage rechtlich oder tatsächlich falsch vom Landgericht beantwortet wurde oder die Sanktion selbst rechtswidrig ist, enthält die Revisionsbegründung nicht. Werden im angefochtenen Urteil - wie hier - lediglich Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel angeordnet, stellt es gemäß § 55 Abs. 1 JGG ein unzulässiges Ziel der Anfechtung dar, wenn nur die Auswahl der Maßnahmen angefochten wird, die Anordnung anderer oder weiterer Erziehungsmaßnahmen oder Zuchtmittel erreicht werden soll oder das Rechtsmittel sich gegen den Umfang der angeordneten Maßnahmen wendet; wobei es auch einen unzulässigen Angriff gegen den Umfang der Maßnahmen bedeutet, wenn mit dem Rechtsmittel nicht nur ein geringeres Ausmaß, sondern ein gänzliches Absehen davon erreicht werden soll. Wegen dieser sachlichen Beschränkung der Anfechtungsmöglichkeit, nach der die Anfechtung nur darauf gestützt werden kann, dass die Schuldfrage rechtlich oder tatsächlich falsch beantwortet oder die Sanktion selbst rechtswidrig ist, muss das Anfechtungsziel so eindeutig mitgeteilt werden, dass die Verfolgung eines unzulässigen Ziels sicher ausgeschlossen werden kann (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 - 1 StR 278/13 mwN). Diesen Anforderungen ist hier nicht genügt. Weder dem Antrag noch dem sonstigen Revisionsvorbringen lässt sich entnehmen, dass mit dem Rechtsmittel nicht ausschließlich ein unzulässiges Ziel verfolgt werden soll. Im Gegenteil wird im Rahmen der erhobenen Sachrüge ausschließlich die erfolgte Verhängung des Jugendarrests gerügt und ausgeführt, dass die Feststellungen die Verhängung eines Jugendarrests nicht trügen; dieser sei aus erzieherischen Gründen 'schädlich' (RB S. 2 ff.). Auch am Ende der Revision heißt es, dass 'die Verhängung des Jugendarrests den Feststellungen zur Persönlichkeit und Schuld widerspricht' (RB S. 5). Damit ist eindeutig zum Ausdruck gebracht , dass die Feststellungen und der Schuldspruch nicht angegriffen werden sollen, sondern sich die Revision allein gegen den Strafausspruch richtet. Dass die Maßnahme der Verhängung des Jugendarrests an sich gesetzeswidrig sei (Eisenberg JGG 16. Aufl. § 55 Rn. 48), macht die Revision gerade nicht geltend. Ferner ist auch der Aufhebungsantrag nicht genauer bestimmt und gibt - ebenso wenig wie der Schriftsatz, mit dem am 22. März 2013 Revision eingelegt worden ist - keinen Aufschluss in Bezug auf das Anfechtungsziel (OLG Celle NStZ-RR 2001, 121; BVerfG NStZ-RR 2007, 385)."
3
Dem schließt sich der Senat an.
4
2. Die Revision des Angeklagten U. führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Schuldspruchänderung.
5
Das Landgericht hat festgestellt, dass zunächst der Angeklagte U. den Geschädigten absichtlich anrempelte. Nachdem sich die vier Angeklagten im Kreis um den Geschädigten aufgebaut hatten, um dessen Flucht zu verhindern und um sich an der aufgebauten Drohkulisse zu beteiligen, versetzte der Angeklagte R. dem Geschädigten einen Schlag ins Gesicht, wodurch sich ein Brillenglas aus der Fassung löste; der Geschädigte erlitt jedoch keine Schmerzen. Dieser händigte schließlich auf Aufforderung eines Angeklagten sein Mobiltelefon aus, unter dessen Mitnahme die Angeklagten den Tatort verließen.
6
Diese rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen vollendeter gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht. Den Feststellungen ist bereits nicht hinreichend deutlich zu entnehmen , ob mit dem Schlag nicht nur die Brille des Geschädigten, sondern auch dessen Gesicht getroffen wurde. Darüber hinaus ist der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB in der Variante der vorliegend allein in Betracht kommenden körperlichen Misshandlung nur dann erfüllt, wenn die Schwelle zu einer üblen und unangemessenen Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt, überschritten wird (Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 223 Rn. 4 mwN). Bei einem Schlag in das Gesicht ist danach als körperliche Wirkung jedenfalls ein - wenn auch nur kurz anhaltendes - Schmerzempfinden zu verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1991 - 2 StR 225/91, juris Rn. 8).
7
Ein solches wurde ausdrücklich nicht festgestellt. Der Senat hat deshalb den Schuldspruch - auch bezüglich der Mitangeklagten, § 357 StPO - in versuchte gefährliche Körperverletzung geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen , da sich die Angeklagten gegen den Tatvorwurf in seiner abweichenden rechtlichen Bewertung nicht anders als geschehen hätten verteidigen können.
8
3. Die Rechtsfolgenentscheidungen bleiben hiervon jeweils unberührt. Der Senat schließt angesichts der rechtsfehlerfreien tateinheitlichen Verurteilung wegen räuberischer Erpressung aus, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung mildere Sanktionen verhängt hätte.
9
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 StPO, §§ 74, 109 Abs. 2 Satz 1 JGG. Der geringe Teilerfolg des Rechtsmittels des Angeklagten U. rechtfertigt eine Ermäßigung der Gebühr und die Auferlegung eines Teils der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse nicht.
Becker Pfister Hubert Schäfer Spaniol

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.