Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juli 2011 - 3 StR 197/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagten des "gemeinschaftlichen Betruges in 182 Fällen" schuldig gesprochen und den Angeklagten B. unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und 10 Monaten sowie den Angeklagten P. zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte B. mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils (§ 349 Abs. 4 StPO); die bisher getroffenen Feststellungen können indes bestehen bleiben, denn diese sind rechtsfehlerfrei getroffen (§ 349 Abs. 2, § 353 Abs. 2 StPO). Die Urteilsaufhebung erstreckt sich auch auf den Nichtrevidenten P. (§ 357 StPO).
- 2
- 1. Nach den Feststellungen erklärten sich die Angeklagten bereit, im Zusammenwirken mit unbekannt gebliebenen Hintermännern sich durch Betrugstaten zu Lasten einer Vielzahl von Personen eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Der Angeklagte B. - begleitet von dem Angeklagten P. - mietete im Oktober 2008 sowie im Januar 2009 zwei Wohnungen an, nahm die Gewerbeanmeldung für den Betrieb des Reisebüros "B. Reisen" vor, schloss für das Büro einen Mobilfunkvertrag ab, richtete ein Postfach ein, von dem er im November und Dezember 2008 mehrfach für das Reisebüro bestimmte Post abholte, und eröffnete ein Geschäftskonto. Die Bankkarte und die zugehörigen PIN übergab er dem Angeklagten P. .
- 3
- In der Folgezeit schalteten unbekannt gebliebene Personen in verschiedenen russischsprachigen Zeitungen Anzeigen, in denen vom Reisebüro "B. Reisen" die Vermittlung von Flugreisen in die ehemaligen Mitgliedsstaaten der Sowjetunion angeboten wurden. Den Interessenten, die Kontakt mit den vermeintlichen Mitarbeitern des Reisebüros aufnahmen, spiegelten Tatbeteiligte vor, Flugtickets und Visa zu besorgen und veranlassten sie mit der wahrheitswidrigen Behauptung, die bestellten Reiseunterlagen seien fertig gestellt und würden nach Zahlungseingang zugesandt, die jeweiligen Rechnungsbeträge auf das Geschäftskonto zu überweisen. Den 182 getäuschten Kunden entstand ein Schaden in Höhe von insgesamt 204.933,68 €.
- 4
- Der Angeklagte B. hob im Zeitraum Januar bis Mai 2009 zehn- mal Bargeld in der Gesamthöhe von 168.000 € von dem Geschäftskontoab, wobei er in fünf Fällen von dem Angeklagten P. begleitet wurde. Das Geld deponierte er für die unbekannt gebliebenen Hintermänner der Betrugstaten in dem Postfach. Für ihre Tatbeteiligung erhielten die Angeklagten 6.000 € (Ange- klagter B. ) bzw. knapp 5.000 € (Angeklagter P. ).
- 5
- 2. Der Schuldspruch hat keinen Bestand.
- 6
- a) Hinsichtlich der Fälle II. 29. bis II. 44. der Urteilsgründe fehlen schon die erforderlichen Feststellungen zur Höhe und zum Zeitpunkt der Überweisungen durch die Geschädigten.
- 7
- b) Außerdem hält die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten sich 182 tatmehrheitlicher Betrugstaten schuldig gemacht, auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 8
- Sind an einer Deliktsserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter , Anstifter oder Gehilfen beteiligt, so ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden; maßgeblich ist dabei der Umfang seines Tatbeitrags oder seiner Tatbeiträge. Erfüllt ein Mittäter hinsichtlich aller oder einzelner Taten der Serie sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person oder leistet er für alle oder einige Einzeltaten zumindest einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Allein die organisatorische Einbindung des Täters in ein betrügerisches Geschäftsunternehmen ist nicht geeignet, die Einzeldelikte der Tatserie rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen. Erbringt er dagegen im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeldelikte seiner Mittäter gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die übrigen Beteiligten die einzelnen Delikte gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben , ist demgegenüber ohne Bedeutung (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschluss vom 10. Mai 2001 - 3 StR 52/01, wistra 2001, 336; BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, NJW 2004, 2840; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - 3 StR 433/10).
- 9
- Gemessen an diesen Maßstäben belegen die Urteilsgründe in den rechtsfehlerfrei festgestellten verbleibenden 166 Fällen keine von den Angeklagten in Tatmehrheit begangene Betrugstaten. Ein konkreter Tatbeitrag der Angeklagten zu jeder der abgeurteilten Taten lässt sich ihnen nicht entnehmen. Insbesondere ist nicht festgestellt, dass sie in diesen Fällen telefonischen Kontakt mit den Kunden des Reisebüros "B. Reisen" hatten und diese durch Täuschung zur Vorleistung der Rechnungsbeträge veranlassten. Vielmehr erbrachten die Angeklagten nach den Feststellungen lediglich beim Aufbau des Reisebüros und während dessen Betriebs Tatbeiträge, die sich einzelnen Betrugstaten nicht zuordnen lassen.
- 10
- Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, und zwar wegen derselben sachlichrechtlichen Fehler gemäß § 357 StPO auch zugunsten des Angeklagten P. , der gegen das Urteil kein Rechtsmittel eingelegt hat. Die für die Fälle II. 1. bis 28. und 45. bis 182. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben, weil ein Rechtsfehler lediglich hinsichtlich der Beurteilung der Konkurrenzen vorliegt.
- 11
- 3. Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird auch zu prüfen haben, ob sich die Angeklagten des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges schuldig gemacht haben. Der Verurteilung eines Bandenmitglieds wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs steht nicht entgegen, dass die Einzeldelikte der Betrugsserie der Tätergruppe in seiner Person aus Rechtsgründen in gleichartiger Tateinheit zusammentreffen und daher gegen ihn nur auf eine Strafe zu erkennen ist (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, NJW 2004, 2840; BGH, Beschluss vom 2. Juli 2009 - 3 StR 131/09, wistra 2009, 389).
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.