Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2016 - 2 StR 591/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 29. September 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) im Fall II. 3 der Urteilsgründe
b) in den Gesamtstrafenaussprüchen hinsichtlich der Angeklagten R. und H. . 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten, den Angeklagten H. unter Freisprechung im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und den Angeklagten S. unter Freisprechung im Übrigen wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
- 2
- Nach den Feststellungen zu II. 3 der Urteilsgründe beschloss der Angeklagte R. im Frühjahr 2012, einen neuen Betreiber für eine CannabisPlantage in seiner Lagerhalle zu suchen. Durch Vermittlung des Zeugen B. kam er mit dem vermögenden Immobilienhändler S. in Kontakt, der selbst mit dem Anbau von Cannabis nichts zu tun haben wollte, dafür aber den im Plantagenbetrieb erfahrenen Angeklagten H. ansprach, der ihm noch 50.000 € aus einem Hauskauf schuldete. Zu dritt besichtigten die Angeklagten die Örtlichkeiten , wobei S. eine Provision von 5.000 € für seine Vermittlungsdienste ins Gespräch brachte, worauf die anderen beiden Angeklagten jedoch nicht eingingen. Im Sommer 2012 besorgte H. Hochleistungsleuchten für den Betrieb der Anlage und holte zusammen mit R. 800 Cannabis-Setzlinge aus den Niederlanden. Der erwartete Erlös sollte hälftig zwischen beiden geteilt werden. Die Setzlinge gingen jedoch ein, so dass keine Ernte erfolgte. Bei normalem Verlauf hätten die Angeklagten einen Erlös von mindestens 13 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 6 % THC erzielt.
II.
- 3
- 1. Die von den Revisionen beanstandeten Schuldsprüche sind - mit Ausnahme des Falles II. 3 der Urteilsgründe - aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts rechtsfehlerfrei erfolgt. Die Verurteilungen im Fall II. 3 der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (R. und H. ), bzw. wegen Beihilfe dazu (S. ) halten hingegen rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die dazu getroffenen Feststellungen sind in einem entscheidenden Punkt widersprüchlich. So führt die Strafkammer auf UA 24 aus: "Er (der Zeuge He. ) half beim Pflanzen und der späteren Pflege der ca. 800 Cannabis-Pflanzen …" Wenig später stellt sie hingegen fest: "Bevor die Setzlinge jedoch gepflanzt werden konnten, gingen diese bereits ein, so dass keine Ernte erfolgte." Sollten die Setzlinge erst nach ihrer Einpflanzung in die Plantage eingegangen sein, läge das von dem Landgericht angenommene vollendete Handeltreiben vor. Sollten die Setzlinge hingegen schon vor dem Einbringen in die Pflanzerde eingegangen sein, wäre die Entscheidung des 5. Strafsenats in den Blick zu nehmen, wonach es sich bei der Übernahme und dem Transport von Setzlingen fernab der Plantage nur um eine straflose Vorbereitungshandlung handeln soll (so BGH, Urteil vom 15. März 2012 - 5 StR 559/11, NStZ 2012, 514; dagegen mit beachtlichen Argumenten Körner/ Patzak/Volkmer-Patzak, BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 198; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 587; Hügel/Junge/Lander/Winkler, DeutschesBetäubungsmittelrecht , 8. Aufl., § 29 BtMG S. 19 f.; Patzak, NStZ 2012, 515). Dabei wäre auch zu bedenken, dass sich die Setzlinge hier - anders als in dem der Entscheidung des 5. Strafsenats zugrundeliegenden Fall - nicht fernab der bereits komplett ausgestatteten Plantage befanden, sondern jedenfalls in diese bereits eingebracht waren. Ob der Senat dieser Rechtsprechung des 5. Strafsenats in allen Punkten folgen würde, bedarf derzeit keiner Entscheidung.
- 4
- 2. Die Aufhebung der Schuldsprüche im Fall II. 3 der Urteilsgründe führt zum Wegfall der dafür verhängten Einzelfreiheitsstrafen und bedingt hinsichtlich der Angeklagten R. und H. auch die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafen.
- 5
- 3. Der neu entscheidende Tatrichter wird zu prüfen haben, ob eine Kompensationsentscheidung wegen einer der Justiz zuzurechnenden Verfahrensverzögerung im Revisionsrechtszug veranlasst ist. So wird aufzuklären sein, warum zwischen dem Übersendungsbericht der Staatsanwaltschaft Aachen an die Generalstaatsanwaltschaft Köln und dem Eingang der Akte bei dem Generalbundesanwalt ein Zeitraum von etwa einem Jahr liegt und in welcher Weise das Verfahren währenddessen gefördert worden ist.
Eschelbach Bartel
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.