Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Feb. 2017 - 2 StR 569/16

bei uns veröffentlicht am14.02.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 569/16
vom
14. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen besonders schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:140217B2STR569.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 14. Februar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 11. August 2016 werden mit der Maßgabe, dass die Angeklagten des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig sind, als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Es ist zwar rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht die in Rumänien gegen den Angeklagten Ti. verhängte Vorstrafe wegen „Gefährdung von Leib und Leben“ berücksichtigt hat. Bei der Strafzumessungnach § 46 StGB können rechtskräftige ausländische Vorstrafen nur berücksichtigt werden, wenn die Tat auch nach deutschem Recht strafbar wäre (vgl. BT-Drucks. 16/13673 S. 6 f.; BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2011 – 4 StR 425/11, NStZ-RR 2012, 305 f.). Die bloße Tatbezeichnung als „Gefährdung von Leib und Leben“ erlaubt mangels näherer Feststellungen zu dem abgeurteilten Tatgeschehen nicht die Prüfung, ob die Tat auch nach deutschem Recht strafbar wäre.
Der Senat schließt aber jedenfalls aus, dass der Strafausspruch gegen den Angeklagten Ti. auf dem Erörterungsmangel beruht. Das Landgericht hat den anderen Angeklagten zu Gute gehalten, dass sie nicht vorbestraft sind und dem Angeklagten Ti. , dass er „in Rumänien `nur´ mit einem Gefährdungsdelikt in Erscheinung getreten ist“. Zwar hat es auch auf die in Rumänien laufende Bewährung hingewiesen. Jedoch hat sich dies ebenfalls nicht ausgewirkt ; denn das Landgericht hat den Angeklagten Ti. ebenso wie den nicht vorbestraften Angeklagten Te. aufgrund sonst gleicher Strafzumessungserwägungen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Appl Eschelbach Zeng Bartel Grube

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Okt. 2011 - 4 StR 425/11

bei uns veröffentlicht am 19.10.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 425/11 vom 19. Oktober 2011 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zur Vergewaltigung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. Oktob

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 425/11
vom
19. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Oktober 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten Georgi B. wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 22. März 2011, soweit es ihn betrifft, in den Aussprüchen über die Einzel- und die Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten Georgi B. wegen Beihilfe zur Vergewaltigung und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren drei Monaten und zwei Wochen verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge und Beanstandungen des Verfahrens gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Strafaussprüche.
2
1. Die Verfahrensrügen sind aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 25. August 2011 dargelegten Gründen unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Auch der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
2. Keinen Bestand haben dagegen die gegen den Angeklagten Georgi B. verhängten Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe.
4
a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen absolvierte der inzwischen 35-jährige Angeklagte im Alter von 17 bzw. 18 Jahren in Bulgarien seinen Militärdienst, beging „Fahnenflucht“ und wurde deshalb in Bulgarien zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Ferner hat er in Bulgarien „noch weitere Frei- heitsstrafen verbüßt“ (UA S. 8 f.), zu denen das Urteil – anders als beim Ange- klagten Boris B. - keine Einzelheiten mitteilt. Weitere Vorstrafen hat das Landgericht nicht festgestellt.
5
Bei der Bemessung der gegen den Angeklagten Georgi B. wegen Beihilfe zur Vergewaltigung verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten hat die Strafkammer – an erster Stelle – zu Lasten des Angeklagten angeführt, dass sich dieser, „obwohl er bereits in Bulgarien freiheitsentziehende Maßnahmen erlitten hat, nicht von der Begehung der vorliegenden Taten [hat] abschrecken lassen“ (UA S. 40). Ferner hat sie die „vorgenannten … strafschärfenden Gesichtspunkte“ sowohl bei der Bemessung der wegen versuchter Nötigung verhängten Geldstrafe als auch der Gesamtstrafe berücksichtigt (UA S. 42).
6
b) Dies hält einer Überprüfung nicht stand.
7
aa) Zwar dürfen bei der Strafzumessung auch rechtskräftige ausländische Vorstrafen berücksichtigt werden, wenn die Tat nach deutschem Recht strafbar wäre (vgl. BT-Drucks. 16/13673 S. 6 f. mwN). Sind sie zur Bewertung des Vorlebens des Täters im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB relevant, müssen in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ergangene Verurteilungen grundsätzlich sogar „mit gleichwertigen tatsächlichen bzw. verfahrens- und materiellrechtlichen Wirkungen versehen werden … wie denjenigen, die das innerstaatliche Recht den im Inland ergangenen Verurteilungen zuerkennt“ (vgl. Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Nr. 5 der Erwägungsgründe des Rahmenbeschlusses 2008/675/JI des Rates der Europäischen Union vom 24. Juli 2008 zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ergangenen Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren). Dabei ist nicht Voraussetzung, dass es sich um eine nach § 54 BZRG im Bundeszentralregister eingetragene ausländische Vorstrafe handelt (BGH, Beschluss vom 1. August 2007 – 5 StR 282/07, NStZ-RR 2007, 368, 369; zur geplanten Neuregelung der Eintragung ausländischer Verurteilungen: vgl. BT-Drucks. 17/5224 [dort v.a. § 53a BZRG]).
8
bb) Die Verwertbarkeit einer ausländischen Verurteilung in einem in Deutschland geführten Strafverfahren zum Nachteil des Beschuldigten setzt grundsätzlich aber ebenfalls voraus, dass diese – würde es sich um eine Verurteilung nach deutschem Recht handeln – nicht tilgungsreif wäre.
9
Dies ergibt sich für im Bundeszentralregister eingetragene ausländische Verurteilungen aus §§ 51 Abs. 1, 56 Abs. 1 Satz 1 BZRG (gegebenenfalls in Verbindung mit § 63 Abs. 4 BZRG), gilt aber auch für dort nicht eingetragene ausländische Vorstrafen. Grundlage hierfür ist § 58 BZRG, nach dem eine ausländische Verurteilung, auch wenn sie nicht in das Bundeszentralregister eingetragen ist, als tilgungsreif gilt, sobald eine ihr vergleichbare Verurteilung im Geltungsbereich des Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister tilgungsreif wäre. Liegt eine solche Tilgungsreife vor, besteht – schon nach dem Willen des Gesetzgebers – das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG (gegebenenfalls in Verbindung mit § 63 Abs. 4 BZRG); denn tilgungsreife „ausländische Verurteilungen [können] nicht in größerem Umfang zu seinem Nachteil berücksichtigt werden als entsprechende deutsche Bestrafungen“ (BTDrucks. VI/477 S. 25 [zu § 52 BZRG]; BayObLG, Urteil vom 17. März 1978 – RReg 2 St 429/77, BayObLGSt 1978, 39, 41; ebenso Götz/Tolzmann, BZRG, 4. Aufl., § 58 Rn. 6, 7; Hase, BZRG, 2003, § 58 Rn. 1; Rebmann, NStZ 1985, 529, 530). Dies entspricht auch dem Rahmenbeschluss 2008/675/JI des Rates der Europäischen Union vom 24. Juli 2008, der – etwa in Art. 3 Abs. 1 – darauf verweist, dass in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ergangene frühere Verurteilungen im Strafverfahren „mit gleichwertigen Rechtswirkungen versehen werden wie im Inland ergangene frühere Verurteilungen“.
10
cc) Kommt mithin bei einer dem Tatrichter bekannt gewordenen, von ihm zum Nachteil des Beschuldigten berücksichtigungsfähigen ausländischen Vorstrafe in Betracht, dass diese – würde es sich um eine deutsche Verurteilung handeln – im Falle ihrer Eintragung im Bundeszentralregister tilgungsreif wäre (ohne dass eine Ausnahmeregelung - etwa die in § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG - eingreift ), muss er die für die Tilgungsreife erforderlichen Feststellungen treffen und bewerten (vgl. dazu auch § 56 Abs. 1 Satz 2 BZRG) und dies im Urteil darlegen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 1. August 2007 – 5 StR 282/07, NStZ 2007, 368, 369; BayObLG, Urteil vom 17. März 1978 – RReg 2 St 429/77, BayObLGSt 1978, 39, 41; ferner BGH, Beschluss vom 3. Februar 1999 – 5 StR 705/98).
11
dd) Auf dieser Grundlage kann das landgerichtliche Urteil keinen Bestand haben. Denn der Senat kann die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Sachrüge hin gebotene Prüfung, ob die Strafkammer beim Angeklagten Georgi B. das (in Betracht kommende) Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG (gegebenenfalls in Verbindung mit § 63 Abs. 4 BZRG) missachtet hat, mangels hinreichender Feststellungen nicht überprüfen. Dies führt zur Aufhebung der Aussprüche über die Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe.
Ernemann Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin