Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 435/16
vom
7. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:070317B2STR435.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. März 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 8. Juni 2016
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und zur Freiheitsberaubung schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten in einem ersten Urteil freigesprochen. Nach Aufhebung dieses Urteils aufgrund einer Revision der Staatsanwaltschaft durch Urteil des Senats vom 12. August 2015 – 2 StR 115/15 – hat das Landgericht den Angeklagten nunmehr wegen tateinheitlich begangener Beihilfe zur versuchten räuberischen Erpressung, zur gefährlichen Körperverletzung und zur Freiheitsberaubung unter Einbeziehung der Strafe aus einem zwischenzeitlich ergangenen Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts wohnten der Angeklagte, der frühere Mitangeklagte S. und der Geschädigte N. in einer Obdachlosenunterkunft in R. . Der frühere Mitangeklagte Sc. hatte eine eigene Wohnung. Nachdem sich die Männer in der Nähe eines Einkaufsmarktes getroffen hatten, schlug Sc. vor, den Abend in seiner Wohnung zu verbringen , wo der bevorstehende Geburtstag des Angeklagten gefeiert werden sollte. Sc. kaufte einen Kasten Bier und alle begaben sich in seine Wohnung , die aus einem Wohnzimmer mit Küchenzeile, einem Bad, Flur und Balkon bestand. Die Anwesenden tranken – mit Ausnahme des Angeklagten – das mitgebrachte Bier. Zwischenzeitlich erschien der Zeuge F. , der angetrunken war und alsbald einschlief.
3
In der Nacht kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Sc. und N. . Sc. versetzte N. kräftige Faustschläge und Fußtritte. Dadurch entstand eine Blutblase, die der Geschädigte im Bad öffnete. Er wollte danach die Wohnung verlassen, wurde aber von Sc. daran gehindert, der ihn anwies, sich in eine Ecke des Wohnzimmers zu setzen und nicht weg zu bewegen. In der Folgezeit versetzte Sc. , der auch die Wohnungstür abge- schlossen hatte, dem Geschädigten weitere Schläge und trat ihn mit den Füßen , an denen er Turnschuhe trug. Als das mitgebrachte Bier ausgetrunken war, verließ der Angeklagte, der sich an den von ihm wahrgenommenen Misshandlungen nicht beteiligt hatte, für kurze Zeit die Wohnung, um auf Geheiß von Sc. weiteres Bier zu kaufen. Dazu wurde die Wohnungstür aufgeschlossen und anschließend wieder abgeschlossen.
4
Sc. misshandelte den Geschädigten im Lauf der Nacht durch Schläge und Tritte weiter. Dazu wechselte er auch das Schuhwerk und zog Arbeitsschuhe an, mit denen er den Geschädigten gegen Kopf und Oberkörper trat. Später wickelte Sc. dem Geschädigten einen Bademantelgürtel um den Hals und zog derart zu, dass es zweimal „knackte“ und dieser keine Luft mehr bekam. Weil der Geschädigte blutete, forderte Sc. ihn auf, ins Bad zu gehen. S. begleitete den Geschädigten dorthin und äußerte, man könne ihn in die Badewanne legen und dort ausbluten lassen. Darauf verließ der Geschädigte völlig verängstigt das Bad. S. versetzte ihm einen weiteren Faustschlag. In seiner Verzweiflung nahm der Geschädigte ein Küchenmesser, hielt es sich an den Hals und erklärte: „Die Sache könnt ihr dann ja den Bullen erklären“. Sc. nahm dem Geschädigten das Messer weg.
5
Sc. verlangte schließlich von dem Geschädigten ohne rechtlichen Grund die Zahlung von 200 Euro und unterstrich sein Verlangen durch weitere Schläge. Als N. erklärte, nicht über so viel Geld zu verfügen, verlangte Sc. eine Ratenzahlung. Nachdem der Geschädigte erklärte, auch dazu nicht in der Lage zu sein, holte Sc. einen Notizblock, schrieb darauf: „200 € am 31.03.14“ und forderte den Geschädigten auf, dies zu unterschreiben. Dem folgte N. aus Angst vor weiteren Misshandlungen. Sc. legte den No- tizblock auf den Wohnzimmertisch und beruhigte sich. „Auch diese Handlung registrierte der Angeklagte und duldete sie stillschweigend“.
6
Am Morgen des 20. März 2014 erwachte der Zeuge F. und erklärte, er müsse zur Arbeit gehen. Sc. schloss die Wohnungstür auf, um F. hinauszulassen. Diese Ablenkung nutzte der Geschädigte, um über den Balkon zu fliehen.
7
Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen Beihilfe zu allen Haupttaten verurteilt, die Sc. und S. begangen haben.

II.

8
Die Revision des Angeklagten ist begründet.
9
Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, warum dem Angeklagten als Gehilfen – über die vor allem mit dem Herbeiholen von Bier für die Haupttäter gekennzeichneten Förderung der Misshandlung des Geschädigten und der Freiheitsberaubung hinaus – auch der Versuch einer räuberischen Erpressung durch Sc. zuzurechnen sein soll. Alleine die Beihilfe zu den lange andauernden Misshandlungen und der Freiheitsberaubung führt nicht ohne weiteres dazu, dass dem Angeklagten auch eine Förderung des überraschend in einem engeren Teil des Tatzeitraums begangenen Erpressungsversuchs zugerechnet werden kann. Dabei hat es sich um einen „Exzess des Täters“ gehandelt (vgl. LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 62).
10
Das Landgericht hat nicht festgestellt, dass der Angeklagte die Nötigung des Geschädigten zum Anerkennen einer von Sc. erfundenen Forderung objektiv gefördert und sich sein – zumindest bedingter – Vorsatz auf jene Haupttat und seine eigene Beihilfehandlung erstreckt hat. Dazu genügt die Feststellung nicht: „Auch diese Handlung registrierte der Angeklagte und duldete sie stillschweigend“.
11
Der Senat schließt aus, dass weiter gehende Feststellungen getroffen werden können. Er ändert daher den Schuldspruch ab. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen den verbleibenden Schuldspruch nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
12
Die Änderung des Schuldspruchs zwingt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Da nur ein Wertungsfehler vorliegt, können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zur Straffrage aufrecht erhalten bleiben.
Appl Krehl Eschelbach Bartel Grube

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

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Bundesgerichtshof Urteil, 12. Aug. 2015 - 2 StR 115/15

bei uns veröffentlicht am 12.08.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 S t R 1 1 5 / 1 5 vom 12. August 2015 in der Strafsache gegen wegen Verdachts der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Au

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 1 1 5 / 1 5
vom
12. August 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. August
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterinnen am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Dr. Bartel,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 16. Oktober 2014, soweit es den Angeklagten W. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Freiheitsberaubung und Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung freigesprochen. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wohnten der Angeklagte W. , der Mitangeklagte S. und der Geschädigte N. in einer Obdachlosenunterkunft in R. . Der weitere Mitangeklagte Sc. hatte eine eigene Wohnung. Nachdem sich die vier Männer in der Nähe eines Einkaufsmarktes getroffen hatten, schlug der Angeklagte Sc. vor, den Abend in seiner Wohnung zu verbringen. Dort sollte der am Folgetag bevorstehende Geburtstag des Angeklagten W. in der Nacht gefeiert werden. Der Angeklagte Sc. kaufte einen Kasten Bier und alle begaben sich in seine Wohnung, die aus einem Wohnzimmer mit Küchenzeile, einem Bad, Flur und Balkon bestand. Die vier Männer tranken das mitgebrachte Bier. Zwischenzeitlich erschien ein Bekannter des Angeklagten Sc. , der Zeuge F. , der stark angetrunken war und alsbald einschlief.
3
In der Nacht kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten Sc. und dem Geschädigten N. , und zwar möglicherweise deshalb, weil der Geschädigte den Inhalt eines Aschenbechers und Bier in der Wohnung verschüttet hatte. Der Angeklagte Sc. versetzte dem Geschädigten einen kräftigen Faustschlag ins Gesicht. Dadurch entstand eine Blutblase, die der Geschädigte im Bad öffnete, wodurch das Bad verschmutzt wurde. Er wollte dann die Wohnung verlassen, wurde aber von dem Angeklagten Sc. daran gehindert, indem dieser ihn anschrie und dazu anwies, sich in eine Ecke des Wohnzimmers zu setzen und nicht weg zu bewegen. Aus Angst vor weiteren Misshandlungen kam der Geschädigte dieser Aufforderung nach. In der Folgezeit versetzte der Angeklagte Sc. dem Geschädigten immer wieder Schläge gegen Kopf und Körper und trat ihn wiederholt mit den Füßen, an denen er zunächst Turnschuhe trug. Als das mitgebrachte Bier ausgetrunken war, verließ der Angeklagte W. , der sich an den Misshandlungen nicht beteiligt hatte, die Wohnung des Angeklagten Sc. auf dessen Geheiß, um Bier zu kaufen. Dafür hatte ihm der Angeklagte Sc. Geld ausgehändigt. Sc. öffnete mit seinem Wohnungsschlüssel die Tür, ließ W. hinaus und schloss die Tür hinter ihm wieder ab. Nachdem die von dem Angeklagten W. besorgten Bierflaschen geleert waren, wiederholte sich der Vorgang, bei dem der Ange- klagte W. erneut für etwa eine halbe Stunde die Wohnung verließ, um weiteres Bier zu kaufen. Inzwischen misshandelte der Angeklagte Sc. den Geschädigten weiter, um sich an ihm abzureagieren und ihn zu erniedrigen. Er versetzte dem Geschädigten Schläge und Tritte. Dazu wechselte er das Schuhwerk und zog Arbeitsschuhe an, mit denen er den Geschädigten gegen Kopf und Oberkörper trat. Dabei zerbrach die Zahnbrücke des Geschädigten. Im Verlauf des Geschehens wickelte der Angeklagte Sc. dem Geschädigten den Gürtel eines Bademantels um den Hals und zog kräftig zu, sodass es zweimal knackte und der Geschädigte keine Luft mehr bekam. Auch holte der Angeklagte Sc. eine Schere herbei und hielt sie dem Geschädigten drohend vor das Gesicht. Weil der Geschädigte blutete, forderte ihn der Angeklagte Sc. auf, ins Bad zu gehen, einen Lappen zu holen und das Blut vom Boden aufzuwischen. Der Angeklagte S. begleitete den Geschädigten und bemerkte, man könne ihn in die Badewanne legen und dort "ausbluten" lassen. Darauf verließ der Geschädigte völlig verängstigt das Bad. Der Angeklagte S. versetzte ihm einen kräftigen Faustschlag ins Gesicht. In seiner Verzweiflung nahm der Geschädigte ein Küchenmesser, hielt es sich selbst an den Hals und erklärte: "Die Sache könnt ihr dann ja den Bullen erklären". Der Angeklagte S. machte den Angeklagten Sc. darauf aufmerksam, welcher dem Geschädigten das Messer wegnahm.
4
Der Angeklagte Sc. verlangte von dem Geschädigten die Zahlung von 500 Euro und unterstrich sein Verlangen durch Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht. Als der Geschädigte erklärte, dass er nicht über so viel Geld verfüge, verlangte der Angeklagte Sc. eine Ratenzahlung. Nachdem der Geschädigte bemerkte, dass er auch dazu nicht in der Lage sei, holte der Angeklagte Sc. einen Notizblock, schrieb auf die erste Seite: "200 € am 31.03.14" und forderte den Geschädigten dazu auf, dies zu unterschreiben. Der Geschädigte unterschrieb mit seinem Spitznamen "M. ", worauf ihm Sc. erneut einen Schlag ins Gesicht versetzte und ihn anschrie, er solle mit seinem richtigen Namen unterschreiben. Dem folgte der Geschädigte aus Angst vor weiteren Misshandlungen. Der Angeklagte Sc. legte den Notizblock dann auf den Wohnzimmertisch und beruhigte sich.
5
Gegen 06.00 Uhr am Morgen des 20. März 2014 erwachte der Zeuge F. und erklärte, er müsse zur Arbeit gehen. Der Angeklagte Sc. händigte ihm einen zweiten Wohnungsschlüssel aus und schloss mit seinem Schlüssel die Wohnungstür auf, um F. hinauszulassen. Diese Ablenkung nutzte der Geschädigte, um auf den Balkon zu fliehen. Von dort ließ er sich aus einer Höhe von etwa zwölf Metern am Regenrohr herunterrutschen, wobei er Brandverletzungen an den Händen davontrug.
6
2. Die Strafkammer hat den Angeklagten W. vom Vorwurf der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung freigesprochen. Sie habe seine Beteiligung an den Verletzungshandlungen nicht sicher feststellen können, denn es sei unklar geblieben, ob er die Handlungen der Mitangeklagten Sc. und S. , von einer Ohrfeige zu Beginn des Tatgeschehens abgesehen, wahrgenommen habe. Nicht auszuschließen sei, dass sich die Misshandlungen in der Zeit seiner zweimaligen Abwesenheit zugetragen haben. Der Angeklagte W. habe sich dahin eingelassen, dass er die Misshandlungen nicht wahrgenommen habe. Der Geschädigte habe nur bekundet, der Angeklagte W. hätte die Tätigkeiten nach seiner Einschätzung bemerkt haben müssen. Das Landgericht hat ergänzt, selbst wenn der Angeklagte W. die Misshandlungen miterlebt hätte, genüge dies nicht dazu, ihm die fremden Handlungen zuzurechnen. Weil es zur Anwesenheit des Angeklagten W. bei den Tätlichkeiten der Mitangeklagten keine sicheren Feststellungen habe treffen können, komme auch eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung nicht in Betracht. Mit einer möglichen Strafbarkeit des Angeklagten wegen Freiheitsberaubung hat sich die Strafkammer nicht befasst.

II.

7
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch zuungunsten des Angeklagten W. ist begründet. Das Landgericht hat sich schon unzureichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem Angeklagten W. eine unterlassene Hilfeleistung gemäß § 323c StGB vorzuwerfen ist.
8
Daneben könnte auch eine Beteiligung an der Freiheitsberaubung und gefährlichen Körperverletzung durch den Angeklagten durch aktives Tun in Frage kommen, indem er den Haupttätern Bier holte.
9
Das Landgericht ist jedenfalls bezüglich der unterlassenen Hilfeleistung von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen. Selbst wenn der Angeklagte W. durch seine zeitweilige Abwesenheit vom Tatort die Verletzungshandlungen im engeren Sinn nicht miterlebt haben sollte, konnte ihm nach den Umständen kaum verborgen geblieben sein, dass der Angeklagte Sc. die Wohnung abgeschlossen hatte, so dass die Anwesenden sie nicht ohne Weiteres verlassen konnten. War der Geschädigte verletzt und drohten ihm weitere Verletzungen, so konnte er sich dem nicht selbst durch Verlassen der Wohnung entziehen. Dieses Hindernis war dem Angeklagten W. bekannt. Schließlich hatte er im Verlauf des Geschehens die Wohnung zweimal selbst verlassen, wobei die Tür jeweils aufgeschlossen und nach ihm wieder verschlossen wurde, und war jeweils wieder hereingelassen worden. Er wusste auch, dass der Geschädigte während des stundenlangen Geschehens in einer Ecke des Zimmers sitzen musste und sich nicht wegbewegen durfte. Außerdem konnten ihm die sichtbaren Verletzungen des Geschädigten in Form von blutenden Wunden, Schwellungen im Gesicht und dem Herausbrechen der Prothese der vorderen Schneidezähne nicht verborgen geblieben sein, auch wenn er die Handlungen der Mitangeklagten, die dazu geführt hatten, nicht miterlebt haben sollte. Es liegt daher nahe, dass ihm die Umstände bekannt waren, aus denen sich das Vorliegen eines Unglücksfalls ergibt.
10
Auch eine Straftat kann für das Opfer ein Unglücksfall im Sinne des § 323c StGB sein. Als drohender Schaden genügt zwar nicht jede Körperverletzung , sondern es muss das Risiko einer erheblichen Verletzung gegeben sein (BGH, Urteil vom 12. Januar 1992 - 1 StR 792/92, BGHR StGB § 323c Unglücksfall 3). Nach den Feststellungen des Landgerichts erscheint es aber nahe liegend, dass auch aus der Perspektive des Angeklagten W. eine solche Situation vorlag, in welcher dem bereits verletzten und in der verschlossenen Wohnung eingesperrten Geschädigten weiterer Schaden dadurch drohte, dass er sich nicht wegbewegen durfte und entfernen konnte.
11
Der Angeklagte W. war - im Gegensatz zu den anderen Angeklagten - nach eigenem Bekunden nicht alkoholisiert. Jedenfalls in den Phasen des lange andauernden Geschehens, in denen er sich nicht in der Wohnung des Angeklagten Sc. aufhielt, hatte er auch die zumutbare Möglichkeit, Hilfe für den Geschädigten herbeizuholen. Da er dies nicht getan hat, kann er sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht haben.
12
Der neue Tatrichter wird deshalb insbesondere zu prüfen haben, ob er das Vorliegen eines Unglücksfalls für den Geschädigten wahrgenommen und ihm trotz gegebenenfalls erkannter Erforderlichkeit und Zumutbarkeit der Hilfeleistung tatsächlich nicht geholfen hat. Fischer Krehl Eschelbach Ott Bartel

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.