Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2018 - 2 StR 353/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:070318B2STR353.17.0
bei uns veröffentlicht am07.03.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 353/17
vom
7. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:070318B2STR353.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. März 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 20. Februar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hatte den Angeklagten in einem ersten Urteil „wegen räuberischen Diebstahls in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung“ unter Einbeziehung einer Strafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Nach Aufhebung dieses Urteils und Zurückverweisung der Sache durch Senatsbeschluss vom 17. März 2016 (2 StR 544/15) hat das Landgericht den Angeklagten nunmehr wegen Diebstahls in Tateinheit mit Nötigung und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
2
Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
1. Nach den Feststellungen entwendete der Angeklagte in einem Kaufhaus einen Pullover, steckte ihn unter seine Jacke und entfernte sich. Er wurde von einem Angestellten, der den Diebstahl beobachtet hatte, verfolgt, und rannte davon. Nachdem der Angestellte ihn eingeholt hatte, wandte der Angeklagte sich plötzlich zu ihm um und zog ein Messer mit feststehender Klinge hervor. Er nahm eine bedrohliche Körperhaltung ein und nötigte den Angestellten verbal („verpiss dich du Hurensohn“) sowie unterVorhalt des Messers dazu, von ihm abzulassen. Anschließend setzte er seine Flucht fort. Dabei wurde er nunmehr von dem Kaufhausdetektiv, der kurz nach dem Angestellten die Verfolgung des Angeklagten aufgenommen hatte, verfolgt und schließlich eingeholt. Der Angeklagte wandte sich mit einer raschen Drehbewegung zu dem Kaufhausdetektiv, der ihn an seiner Kleidung fassen und ihn festhalten wollte, um und stach mit dem Messer in Richtung des Kopfes des Detektivs, wobei er dessen Verletzung billigend in Kauf nahm. Diesem gelang es, dem Messerstich auszuweichen; anschließend gab er „seine Bemühungen“, „den Angeklagten festzuhalten oder weiter zu verfolgen“, auf. Der Angeklagte setzte seine Flucht daraufhin fort.
4
2. Das Landgericht hat seine Annahme, dass es sich um einen fehlgeschlagenen Versuch der gefährlichen Körperverletzung handele und ein freiwilliger Rücktritt vom (unbeendeten) Versuch ausscheide, nicht tragfähig belegt.
5
a) Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Erkennt der Täter, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte oder glaubt er subjektiv, dass er sein Ziel im unmittelbaren Handlungsfortgang nicht mehr erreichen kann, so liegt ein fehlgeschlagener Versuch vor (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 11. März 2014 – 1 StR 735/13, NStZ-RR 2014, 201 f.; Beschluss vom 27. Februar 2013 – 4 StR 13/13, NStZ-RR 2013, 275). Fehlt es an den erforderlichen Feststellungen zum Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung, so hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
b) Den sonach bestehenden Darlegungsanforderungen wird das angegriffene Urteil nicht gerecht.
7
aa) Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach Ausführung des Messerstichs enthält das angegriffene Urteil nicht. Zwar ist im Rah- men der rechtlichen Würdigung festgehalten, dass der Angeklagte „beim Umwenden […] den Überraschungsmoment ausnutzen“ habe können und zuvor „keine generelle Wahrnehmung von dem Zeugen K. “ gehabt habe. Diese Erwägungen können zwar für die Überzeugung der Strafkammer sprechen, dass der Angeklagte subjektiv einen weiteren Angriff auf den von ihm – krankheitsbedingt – als körperlich überlegen wahrgenommenen Detektiv für aussichtslos gehalten habe, und dass sie deshalb von einem fehlgeschlagenen Versuch ausgegangen ist. Ausdrückliche Feststellungen, die auf den Rücktritts- horizont des Angeklagten schließen lassen, enthält das angegriffene Urteil jedoch – anders als das im ersten Durchgang ergangene Urteil, in dem festgehal- ten war, dass der Angeklagte den Detektiv „als zu bedrohlich“ wahrgenommen habe, „um ihn mit dem Messer von sich aus weiter anzugreifen“ – nicht.
8
bb) Hinzu tritt, dass auch die weiteren Ausführungen zur Frage des Rücktritts vom Versuch rechtlichen Bedenken begegnen.
9
Das Landgericht hat die nach Lage der Dinge nicht fern liegende Möglichkeit eines unbeendeten Versuchs (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2013 – 3 StR 325/13, NStZ-RR 2014, 105) zwar hypothetisch erörtert. Es hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass auch bei Annahme eines unbeendeten und nicht fehlgeschlagenen Versuchs ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch ausscheide, weil der Angeklagte sein außertatbestandliches Handlungsziel, seine Flucht ungehindert fortsetzen zu können, erreicht habe. Allerdings schließt der Umstand, dass ein Täter sein außertatbestandliches Handlungsziel erreicht hat, einen (freiwilligen) Rücktritt vom unbeendeten Versuch nicht aus (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221; Beschlüsse vom 20. September 2012 – 3 StR 367/12, NStZ-RR 2013, 105, und vom 20. November 2013 – 3 StR 325/13, NStZ-RR 2014, 105).
10
3. Der Erörterungsmangel führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und entzieht dem Schuldspruch insgesamt die Grundlage. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Schäfer Appl Krehl
Eschelbach Bartel

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2018 - 2 StR 353/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2018 - 2 StR 353/17

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2018 - 2 StR 353/17 zitiert 1 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2018 - 2 StR 353/17 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2018 - 2 StR 353/17 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. März 2014 - 1 StR 735/13

bei uns veröffentlicht am 11.03.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 7 3 5 / 1 3 vom 11. März 2014 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. März 2014 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2012 - 3 StR 367/12

bei uns veröffentlicht am 20.09.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 367/12 vom 20. September 2012 in der Strafsache gegen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwal

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2013 - 4 StR 13/13

bei uns veröffentlicht am 27.02.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 13/13 vom 27. Februar 2013 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u. a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. Februar 2013 ge

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Nov. 2013 - 3 StR 325/13

bei uns veröffentlicht am 20.11.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 325/13 vom 20. November 2013 in der Strafsache gegen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwa

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 7 3 5 / 1 3
vom
11. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. März 2014 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 12. September 2013 mit den Feststellungen aufgehoben; hiervon ausgenommen sind jedoch die Feststellungen zum objektiven Geschehen und zum Tötungsund Heimtückevorsatz (§ 349 Abs. 4 StPO). 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, mit Verfahrensrügen und der Beanstandung der Verletzung materiellen Rechts geführte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen erfuhr der Angeklagte am 13. Oktober 2012 von seiner Freundin, dass der gemeinsame Bekannte Z. sie missbraucht habe. Um sich an Z. zu rächen, lauerte er diesem einen Tag später auf, nachdem er dessen Fußweg in Erfahrung gebracht hatte. Der Angeklagte ging auf den Geschädigten Z. zu; als er vor ihm stand, setzte er unvermittelt, bewusst den Überraschungsmoment zur Ausschaltung von Gegenwehr ausnutzend, zu einem von oben geführten Stich auf den Kopf mit einem Schraubenzieher an. Der Geschädigte wurde oberflächlich an der Stirn getroffen und beugte sich nach vorn. Der Angeklagte holte erneut mit dem Schraubenzieher aus und stach dem gebückt stehenden Geschädigten in den Rücken. Der Stich drang vier bis fünf Zentimeter zwischen die Schulterblätter ein. Nachdem der Geschädigte zu Boden gegangen war, trat der Angeklagte noch mehrmals mit Füßen auf ihn ein. Der Geschädigte konnte schließlich aufstehen und fliehen. Der Angeklagte rief ihm nach, dass er ihn schon noch kriegen und umbringen werde. Der Geschädigte ging nach Hause, unterwegs trank er noch ein Bier. Durch die Verletzungen bildete sich bei ihm ein Pneumothorax , aufgrund dessen abstrakte Lebensgefahr bestand.
3
2. Das Landgericht ist von einer heimtückischen Begehungsweise ausgegangen und hat einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch des Mordes mit der Begründung verneint, dass der Versuch fehlgeschlagen sei. Der Angeklagte habe erkannt, dass sein Tatplan gescheitert sei, als sich sein Opfer selbst befreit habe und geflohen sei. Dies gelte „insbesondere als der Geschä- digte Richtung der ca. 50 Meter vom Tatort entfernten PI 23 geflüchtet“ sei.

II.


4
1. Während die Verfahrensrügen aus dem vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift aufgeführten Gründen versagen, hat die Sachrüge teilweise Erfolg. Zwar hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei vom Handeln des Angeklagten mit Tötungsvorsatz überzeugt, auch die Annahme einer heimtückischen Begehungsweise ist nicht zu beanstanden. Jedoch erweisen sich die Erwägungen, mit denen das Landgericht zur Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs gelangt ist und daran anknüpfend einen strafbefreienden Rücktritt vom Mordversuch verneint hat, als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Denn sie finden in den Feststellungen keine Grundlage.
5
a) Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), so dass ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB ausscheidet.
6
Mithin kommt es auf das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an. Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prü- fung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 411/12; BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - 3 StR 298/11, NStZ 2012, 263; BGH, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 4 StR 8/03; BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273).
7
b) Diesen Anforderungen werden die Darlegungen in den Urteilsgründen nicht gerecht.
8
Denn das Landgericht hat aus den getroffenen Feststellungen keine Rückschlüsse auf das Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung gezogen. Hierzu ist lediglich festgestellt, dass der Geschädigte, welcher soeben noch mit Fußtritten vom Angeklagten traktiert wurde, aufstehen und fliehen konnte. Welche Vorstellungen der Angeklagte in diesem Moment des Entkommenlassens hatte, bleibt unerörtert. Aufgrund der hier festgestellten Tatumstände - der noch im Besitz des Tatwerkzeugs befindliche Angeklagte trat mit Füßen auf den am Boden liegenden Geschädigten ein, hielt den sich Befreienden aber weder fest noch setzte er ihm nach - versteht es sich auch nicht von selbst, dass sich die Befreiung und die Flucht des Geschädigten für den Angeklagten als unbezwingbar darstellten und er davon ausging, dass sein Plan in der konkreten Situation gescheitert war, zumal da auch zu den Kräfteverhältnissen zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten nichts weiter festgestellt ist.
9
Dass der Angeklagte nach der erfolgreichen Flucht des Geschädigten in Richtung einer vom Tatort nur wenig entfernten Polizeidienststelle vom Scheitern seines Tatplans ausgegangen sein soll, ersetzt diese, einen zeitlich vorgelagerten Zeitpunkt betreffende Feststellung nicht. Denn anders als in der vom Landgericht für seine Rechtsauffassung zitierten Entscheidung (BGH, Urteil vom 14. Juli 1992 - 1 StR 243/92, NStZ 1993, 39 f.) war das Opfer nicht unbemerkt vom Angeklagten geflohen. Es hätte daher hier anhand von Rückschlüssen aus den festgestellten Tatumständen einer Auseinandersetzung mit dem Vorstellungsbild des Angeklagten bei der Situation des Entkommens seines Opfers bedurft.
10
c) Auf der Grundlage der Feststellungen ist auch ein beendeter Versuch nicht belegt. Der Geschädigte hatte keine sichtbaren Beeinträchtigungen, als er die Flucht ergriff. Vielmehr ist festgestellt, dass auch die Frau des Geschädigten die Verletzung am Rücken zunächst nicht bemerkte. Dass der Angeklagte davon ausgegangen wäre, den Geschädigten bereits tödlich getroffen zu haben , ist nicht naheliegend und wäre auch mit seiner nachgerufenen Drohung nicht ohne weiteres zu vereinbaren.
11
2. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Von der Aufhebung erfasst wird auch die für sich genommen nicht zu beanstandende tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Feststellungen zum objektiven Geschehen und zum Tötungs- und Heimtückevorsatz werden jedoch von dem Rechtsfehler nicht berührt und können bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen, etwa zur Kampfsituation bei Entkommen des Geschädigten treffen, solange sie den aufrechterhaltenen nicht widersprechen.
Raum Wahl Graf
Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 13/13
vom
27. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 27. Februar 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landau (Pfalz) vom 10. August 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch im Fall 2 der Urteilsgründe; insoweit bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten,
b) im Gesamtstrafenausspruch,
c) im Ausspruch über die Adhäsionsentscheidung. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird mit der Maßgabe verworfen , dass der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe des besonders schweren Raubes schuldig ist.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung (Fall 1 der Urteilsgründe) sowie wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung (Fall 2 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und das Tatwerkzeug eingezogen. Es hat den Angeklagten außerdem verurteilt, an den Nebenkläger 15.000 € zu zahlen; im Übrigen hat es von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen.
2
1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hatte der Angeklagte einen Fahrzeugkauf bei der Bank finanziert. Aufgrund von Kurzarbeit geriet er mit der Ratenzahlung in Rückstand. Die Bank beauftragte die I. GmbH, die rückständigen Raten einzuziehen und im Fall der Uneintreibbarkeit das Fahrzeug sicherzustellen. Mit dem bei der I. GmbH angestellten Nebenkläger S. vereinbarte der Angeklagte, am 18. Januar 2012 einen Betrag in Höhe von 1.905,28 € einschließlich der Januarrate zu entrichten. Der Nebenkläger nahm gegen 16.00 Uhr das Geld in der Wohnung des Angeklagten entgegen und quittierte die Zahlung. Anschließend teilte er dem Angeklagten mit, dass er für Januar 2012 noch eine weitere Rate in Höhe von 560 € einschließlich Kosten zu zahlen habe. Der Angeklagte reagierte mit Unverständnis und Unmut. Beide einigten sich, dass er diese Rate Ende des Monats direkt bei der Bank in K. einzahlen solle. Als der Nebenkläger die Wohnung verlassen wollte, beschloss der Angeklagte, ihm das Geld wieder abzunehmen. Er schlug dem Nebenkläger mit einem Stuhlbein aus Hartholz von hinten mit großer Wucht auf den Kopf, so dass er zu Boden ging. Dann nahm der Angeklagte das Geld an sich und zog den stark blutenden Nebenkläger ins Wohnzimmer, wo er ihn unter Drohung mit dem Stuhlbein aufforderte , ruhig liegen zu bleiben.
3
Etwa eine halbe Stunde später versuchte der Nebenkläger, der den Angeklagten nicht mehr in seiner unmittelbaren Nähe wähnte, aufzustehen. Der Angeklagte schlug ihm erneut mit dem Holz auf den Hinterkopf, um seine Flucht zu verhindern. Der Nebenkläger wandte sich um und hielt eine Hand schützend vor den Kopf. Ein weiterer Schlag traf ihn im Bereich des linken Auges und der linken Schläfe, wobei er einen Bruch des linken Mittelhandknochens erlitt. Der Nebenkläger ging wieder zu Boden. Der Angeklagte überprüfte seinen Puls und fesselte ihn dann an Händen und Füßen. Gegen 18.40 Uhr erschien die Ehefrau des Angeklagten und bestand darauf, die Polizei zu verständigen. Der Angeklagte verließ daraufhin die Wohnung.
4
Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass es dem Angeklagten im ersten Tatkomplex lediglich darauf angekommen sei, das Geld zurück zu erlangen. Die beiden späteren Schläge habe er sodann mit Tötungsvorsatz ausgeführt , um das vorangegangene Tatgeschehen zu verdecken. Von dem Versuch des Mordes sei der Angeklagte nicht zurückgetreten. Das Landgericht hat offen gelassen, „ob der zu beurteilende Tötungsversuch wegen ‚sinnlos gewordenen Tatplans‛ als fehlgeschlagen betrachtet oder aber wegen unterbleibender Tat- aufgabe und/oder fehlender Freiwilligkeit als untauglicher Versuch des Rücktritts vom unbeendeten Versuch zu qualifizieren ist“. Ein strafbefreiender Rücktritt sei jedenfalls deshalb zu verneinen, weil der Angeklagte bis zum Erscheinen seiner Ehefrau am Tatort und seiner Entdeckung als Täter von der weiteren Tatausführung keinen Abstand genommen habe und das sich anschließende Verlassen der Wohnung nicht als freiwilliger Rücktritt gewertet werden könne.
5
2. Die Verneinung des Rücktritts vom Versuch des Mordes im Fall 2 der Urteilsgründe hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs „wegen sinnlos gewordenen Tatplans“ oder fehlender Freiwilligkeit setzte jedenfalls voraus, dass der Angeklagte den Tötungsvorsatz nicht bereits vor der Aufdeckung der Tat durch seine Ehefrau aufgegeben hatte. Die Überzeugung des Tatrichters, dass der Angeklagte bis zum Erscheinen seiner Ehefrau das Tötungsvorhaben weiterverfolgt habe (vgl. BGH, Urteil vom 1. April 2009 – 2 StR 571/08, NStZ 2009, 501 f.; Beschluss vom 19. Januar 2010 – 4 StR 605/09, NStZ 2010, 384), findet in den Feststellungen und in der Beweiswürdigung keine hinreichende Grundlage.
6
Das Landgericht hat keine Feststellungen zur inneren Tatseite bzw. zum sogenannten Rücktrittshorizont im Zeitpunkt nach den beiden Schlägen im Wohnzimmer getroffen. Es geht zwar einerseits von einem unbeendeten Versuch aus, hält es aber andererseits für möglich, dass der Angeklagte habe sehen wollen, ob der Nebenkläger im weiteren Verlauf des Geschehens versterbe. Tragfähige Anknüpfungspunkte dafür, dass der Angeklagte den Todeseintritt für möglich hielt und für den Fall, dass der Nebenkläger nicht versterbe, weitere Tötungshandlungen vornehmen wollte, hat das Landgericht aber nicht festgestellt. Der Umstand, dass der Angeklagte den Nebenkläger fesselte, nachdem er seinen Puls überprüft hatte, belegt für sich ebenso wenig einen fortbestehenden Tötungsvorsatz wie die Tatsache, dass er versuchte, seine Ehefrau von einer Anzeigeerstattung abzuhalten. Zudem hat das Landgericht eine Auseinandersetzung mit der nahe liegenden Möglichkeit versäumt, dass der Angeklagte weiterhin mit der Situation überfordert und unschlüssig war, wie er sich weiter verhalten sollte, wovon es selbst für den vorangegangenen Zeitabschnitt nach dem ersten Niederschlagen des Nebenklägers ausgegangen ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nach den zur Verhinderung der Flucht des Nebenklägers ausgeführten Schlägen im Wohnzimmer weiter dessen Tod anstrebte, lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
7
Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben. Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bestehen bleibenden nicht im Widerspruch stehen dürfen.
8
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs und damit der Einzelstrafe im Fall 2 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe. Aufgrund der Aufhebung im Fall 2 kann auch der an beide Taten anknüpfende Adhäsionsausspruch zugunsten des Nebenklägers keinen Bestand haben. Auf die von der Revision erhobene Verfahrensrüge kommt es danach nicht mehr an. Das Landgericht hat die andauernden psychischen Tatfolgen für den Nebenkläger lediglich bei der Bemessung der Einzelstrafe im Fall 2 der Urteilsgründe und des Schmerzensgeldes berücksichtigt.
9
4. Der Schuldspruch im Fall 1 der Urteilsgründe, der im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken begegnet, war aus den vom Generalbundesanwalt genannten Gründen klarzustellen. Die begangene Tat stellt sich nach den Fest- stellungen des Landgerichts als besonders schwerer Raub gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB dar; dies ist in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen.
Mutzbauer Roggenbuck RiBGH Cierniak ist infolge Erkrankung an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer RiBGH Bender ist infolge Urlaubs ortsabwesend und daher an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer Reiter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 325/13
vom
20. November 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
20. November 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 6. Mai 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls sowie wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Die auf die all- gemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, die die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ausdrücklich vom Rechtsmittelangriff ausgenommen hat, hat in dem sich aus der Beschlussformel ergebenden Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts schlug der Angeklagte die Scheibe eines geparkten Fahrzeugs ein und entwendete eine Collegemappe aus Leder sowie eine weitere Ledermappe im Gesamtwert von 150 €, die er entweder gewinnbringend verkaufen oder anders nutzen wollte. Er packte die Beute in seinen Rucksack und fuhr mit einem Fahrrad davon. Dem Eigentümer des Fahrzeugs, der unverzüglich über den Diebstahl und den Fluchtweg des Täters von einer Nachbarin in Kenntnis gesetzt worden war, gelang es, den Angeklagten zu stellen und festzuhalten. Er forderte ihn auf, das Eintreffen der herbeigerufenen Polizei abzuwarten. Der Angeklagte, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits der Diebesbeute entledigt hatte, stritt den Diebstahl ab und versuchte sich loszureißen. Als er das Martinshorn des herannahenden Polizeifahrzeugs hörte, zog er aus seiner Hosentasche ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von 10 Zentimetern und führte in Hüfthöhe zwei Stichbewegungen gegen den Fahrzeugeigentümer, der getroffen worden wäre, wenn er nicht ausgewichen wäre. Nun wurde der Angeklagte aggressiver und stach mindestens zwei weitere Male - diesmal in Höhe von Gesicht und Oberkörper - in Richtung des Zeugen, der wiederum ausweichen konnte. Jedenfalls bei diesen letzten beiden Stichbewegungen nahm der Angeklagte in Kauf, den Zeugen zu verletzen. Dieser ließ aus Furcht vor weiteren Stichen den Angeklagten los, der daraufhin zu Fuß floh.
4
2. Das Landgericht hat nicht erörtert, ob der Angeklagte vom Versuch der gefährlichen Körperverletzung zurückgetreten ist. Dies ist rechtsfehlerhaft, denn die Urteilsgründe drängten zu einer Prüfung der Rücktrittsfrage.
5
Nach den getroffenen Feststellungen kommt ein Rücktritt des Angeklagten vom unbeendeten Versuch der gefährlichen Körperverletzung in Betracht (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB). Der Angeklagte hatte den Zeugen mit allen vier Stichen verfehlt und damit ersichtlich noch nicht alles getan, um den von ihm jedenfalls bei den beiden letzten Stichbewegungen billigend in Kauf genommenen Körperverletzungserfolg herbeizuführen. Den Urteilsgründen lassen sich keine Umstände entnehmen, die ihn daran gehindert haben konnten, weitere Stiche gegen den Zeugen zu führen; ein Fehlschlag des Körperverletzungsversuchs ist daher nicht belegt. Ebenso wenig lässt sich den Feststellungen entnehmen , dass der Angeklagte nur unfreiwillig von weiteren Körperverletzungshandlungen abließ. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn er sich aufgrund äußerer Zwänge oder psychischer Hemmungen nicht mehr in der Lage gesehen hätte, weitere Stiche zu setzen. Dazu verhält sich das Urteil nicht. Insbesondere bleibt offen, ob der Angeklagte eventuell aufgrund der sich nähernden Polizeisirenen von weiteren Einwirkungen auf den Zeugen absah, weil er allein durch eine sofortige Flucht seiner Festnahme entgehen zu können glaubte. Dass der Angeklagte sein mit den Messerstichen verfolgtes außertatbestandliches Ziel, sich aus dem Griff des Zeugen zu lösen, nach dem vierten Stich erreicht hatte, schließt letztlich ebenso einen Rücktritt vom unbeendeten Versuch nicht aus (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221; Beschluss vom 20. September 2012 - 3 StR 367/12, NStZ-RR 2013, 105).
6
Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung lässt auch die - von diesem Rechtsfehler nicht betroffene - Verurteilung wegen der tateinheitlich dazu begangenen Nötigung entfallen KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12 mwN). Der Wegfall der für diese Tat verhängten Einzelstrafe entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
Becker Hubert Schäfer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 367/12
vom
20. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 20. September
2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 12. Juni 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
1. Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte, nachdem er in einem Drogeriemarkt eine Plastikbox mit Rasierklingen entwendet hatte, von dem Ladendetektiv des Geschäfts verfolgt und schließlich gestellt. Da er sich der Festnahme entziehen wollte, griff der Angeklagte den Detektiv mit Schlägen und Tritten an, der indes nicht zurückschlug, sondern versuchte, den Angeklagten durch Haltegriffe zu fixieren. Es entwickelte sich ein Handgemenge, in dessen Verlauf der Angeklagte mehrfach mit einer von ihm mitgeführten, handelsüblichen Nagelfeile mit einer Klingenlänge von sieben Zentimetern nach dem Detektiv stach - einer der Stiche kam dem Gesicht sehr nahe -, ohne diesen jedoch zu treffen. Im weiteren Verlauf gingen beide zu Boden; dem Angeklagten gelang es, sich aus dem Haltegriff zu befreien und er floh, bevor er von der zwischenzeitlich verständigten Polizei festgenommen wurde.
4
2. Das Landgericht hat nicht geprüft, ob der Angeklagte vom Versuch der gefährlichen Körperverletzung zurückgetreten ist, obwohl sich diese Prüfung nach den Umständen des Falles aufdrängte. Dies ist rechtsfehlerhaft.
5
Nach den bisherigen Feststellungen bleibt insbesondere die Möglichkeit offen, dass ein unbeendeter Versuch der gefährlichen Körperverletzung vorlag mit der möglichen Folge, dass der Angeklagte davon ohne weiteres Tätigwerden mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten sein könnte (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB). Die Urteilsgründe verhalten sich bereits nicht zu der Frage, ob der Angeklagte im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung im Besitz der Nagelfeile verblieb; die Strafkammer hat lediglich ausgeführt, dass er sie trotz der Aufforderung des Ladendetektivs nicht freiwillig fallen ließ. Es ist deshalb nicht auszuschließen , dass der Angeklagte die Nagelfeile bis zu seiner Festnahme in der Hand behielt und jederzeit wieder damit hätte zustechen können. Für die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs, der vorliegt, wenn der Zurücktretende den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges nicht mehr für möglich hält (SSWStGB /Kudlich/Schuhr, 1. Aufl., § 24 Rn. 16 mwN), ist unter dieser Voraussetzung kein Raum. Ebensowenig zwingt der Umstand, dass der Angeklagte die Nagelfeile nicht freiwillig fallen ließ, zu dem Schluss, er habe nicht freiwillig von weiteren Stichen gegen den Ladendetektiv abgesehen. Schließlich ist ein strafbefreiender Rücktritt auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Angeklagte zwischenzeitlich sein außertatbestandliches Ziel, sich aus dem Griff des Ladendetektivs zu lösen, erreicht hatte (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221).
6
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung bedingt auch die Aufhebung der von dem Rechtsfehler nicht betroffenen Verurteilung wegen der tateinheitlich dazu begangenen (einfachen) Körperverletzung. Die damit verbundene Aufhebung der für diese Tat verhängten Einzelstrafe entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch seine Grundlage. Um dem neuen Tatrichter eine Beurteilung auf widerspruchsfreier Grundlage zu ermöglichen, hat der Senat auch die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Becker Schäfer Mayer
Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 325/13
vom
20. November 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
20. November 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 6. Mai 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls sowie wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Die auf die all- gemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, die die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ausdrücklich vom Rechtsmittelangriff ausgenommen hat, hat in dem sich aus der Beschlussformel ergebenden Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts schlug der Angeklagte die Scheibe eines geparkten Fahrzeugs ein und entwendete eine Collegemappe aus Leder sowie eine weitere Ledermappe im Gesamtwert von 150 €, die er entweder gewinnbringend verkaufen oder anders nutzen wollte. Er packte die Beute in seinen Rucksack und fuhr mit einem Fahrrad davon. Dem Eigentümer des Fahrzeugs, der unverzüglich über den Diebstahl und den Fluchtweg des Täters von einer Nachbarin in Kenntnis gesetzt worden war, gelang es, den Angeklagten zu stellen und festzuhalten. Er forderte ihn auf, das Eintreffen der herbeigerufenen Polizei abzuwarten. Der Angeklagte, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits der Diebesbeute entledigt hatte, stritt den Diebstahl ab und versuchte sich loszureißen. Als er das Martinshorn des herannahenden Polizeifahrzeugs hörte, zog er aus seiner Hosentasche ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von 10 Zentimetern und führte in Hüfthöhe zwei Stichbewegungen gegen den Fahrzeugeigentümer, der getroffen worden wäre, wenn er nicht ausgewichen wäre. Nun wurde der Angeklagte aggressiver und stach mindestens zwei weitere Male - diesmal in Höhe von Gesicht und Oberkörper - in Richtung des Zeugen, der wiederum ausweichen konnte. Jedenfalls bei diesen letzten beiden Stichbewegungen nahm der Angeklagte in Kauf, den Zeugen zu verletzen. Dieser ließ aus Furcht vor weiteren Stichen den Angeklagten los, der daraufhin zu Fuß floh.
4
2. Das Landgericht hat nicht erörtert, ob der Angeklagte vom Versuch der gefährlichen Körperverletzung zurückgetreten ist. Dies ist rechtsfehlerhaft, denn die Urteilsgründe drängten zu einer Prüfung der Rücktrittsfrage.
5
Nach den getroffenen Feststellungen kommt ein Rücktritt des Angeklagten vom unbeendeten Versuch der gefährlichen Körperverletzung in Betracht (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB). Der Angeklagte hatte den Zeugen mit allen vier Stichen verfehlt und damit ersichtlich noch nicht alles getan, um den von ihm jedenfalls bei den beiden letzten Stichbewegungen billigend in Kauf genommenen Körperverletzungserfolg herbeizuführen. Den Urteilsgründen lassen sich keine Umstände entnehmen, die ihn daran gehindert haben konnten, weitere Stiche gegen den Zeugen zu führen; ein Fehlschlag des Körperverletzungsversuchs ist daher nicht belegt. Ebenso wenig lässt sich den Feststellungen entnehmen , dass der Angeklagte nur unfreiwillig von weiteren Körperverletzungshandlungen abließ. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn er sich aufgrund äußerer Zwänge oder psychischer Hemmungen nicht mehr in der Lage gesehen hätte, weitere Stiche zu setzen. Dazu verhält sich das Urteil nicht. Insbesondere bleibt offen, ob der Angeklagte eventuell aufgrund der sich nähernden Polizeisirenen von weiteren Einwirkungen auf den Zeugen absah, weil er allein durch eine sofortige Flucht seiner Festnahme entgehen zu können glaubte. Dass der Angeklagte sein mit den Messerstichen verfolgtes außertatbestandliches Ziel, sich aus dem Griff des Zeugen zu lösen, nach dem vierten Stich erreicht hatte, schließt letztlich ebenso einen Rücktritt vom unbeendeten Versuch nicht aus (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221; Beschluss vom 20. September 2012 - 3 StR 367/12, NStZ-RR 2013, 105).
6
Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung lässt auch die - von diesem Rechtsfehler nicht betroffene - Verurteilung wegen der tateinheitlich dazu begangenen Nötigung entfallen KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12 mwN). Der Wegfall der für diese Tat verhängten Einzelstrafe entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
Becker Hubert Schäfer Gericke Spaniol