Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2001 - 2 StR 174/01

bei uns veröffentlicht am27.06.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 174/01
vom
27. Juni 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 27. Juni 2001 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 31. Oktober 2000 im Ausspruch über die besondere Schwere der Schuld aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes, versuchten Mordes und Totschlags zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und das Vorliegen der besonderen Schwere der Schuld festgestellt. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat nur im Ausspruch über die besondere Schuldschwere Erfolg. Im übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

II.


Die Begründung, mit der das Landgericht die besondere Schwere der Schuld bejaht hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 1. Bei der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe ist nach § 57 b StGB Anknüpfungspunkt für die Prüfung der besonderen Schuldschwere regelmäßig die Gesamtstrafe (vgl. BGHR StGB § 57 b Schuldschwere 2). Diesen rechtlichen Ansatz läßt das Urteil nicht erkennen. Das Landgericht stellt die für die Findung der Strafrahmen und die Strafzumessung maßgeblichen Erwägungen voran - wie fehlende Vorstrafen, "broken home", dissozial verbogene Lebenslinie, reuiges Geständnis, ohne das die Taten nicht aufgedeckt worden wären, sowie verbüßte, an sich gesamtstrafenfähige Freiheitsstrafe von vier Jahren -. Im Fall II.2 zum Nachteil P. (Verdeckungsmord) verhängt die Kammer gemäß § 211 StGB lebenslange Freiheitsstrafe, nimmt auf die vorstehend vorgenommene Gesamtwürdigung Bezug und stellt fest, daß insoweit die Schuld des Angeklagten besonders schwer wiege, weil in der Tötung auch noch eines zweiten Menschen eine kaum zu überbietende kriminelle Energie zum Ausdruck komme. An keiner Stelle des Urteils wird die Vorschrift des § 57 b oder des § 57 a StGB zitiert. Diese Darstellungsweise läßt nicht erkennen, ob Anknüpfungspunkt für die besondere Schuldschwere die Gesamtstrafe oder die Einzelstrafe im Fall II.2 sein soll. 2. Zwar hindert die in § 57 b StGB vorgeschriebene zusammenfassende Würdigung der einzelnen Straftaten bei der Feststellung der besonderen Schuldschwere im Falle einer Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe den Tatrichter nicht, die besondere Schwere der Schuld schon für eine mit lebenslanger Freiheitsstrafe als Einzelstrafe geahndete Tat festzustellen (vgl. BGH NStZ 1997, 277). In dem Fall hat er allerdings eine zweifache
Würdigung im Hinblick auf die besondere Schuldschwere vorzunehmen. Beides läßt das Urteil vermissen. Die Feststellung der besonderen Schuldschwere verlangt Umstände von Gewicht. Diese hat der Tatrichter in einer zusammenschauenden Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit zu ermitteln und zu bewerten (vgl. BGHSt 40, 360, 370). Eine solche zusammenfassende Würdigung ist weder im Rahmen der Anbindung an die Einzelstrafe im Fall II.2 noch im Hinblick auf alle der Gesamtstrafe zugrundeliegenden Straftaten vorgenommen worden. Die Bezugnahme unter Fall II.2, Mordfall zum Nachteil P. , auf die vorangestellten Erwägungen genügt der erforderlichen Gesamtwürdigung nicht. Die Bezugnahme betrifft ausschließlich die Täterpersönlichkeit. Das Tatbild des Verdeckungsmordes wird dazu in keinerlei Beziehung gestellt und die Schuld daraufhin bewertet. Die Begehung mehrerer Tötungsdelikte kann zwar ein Umstand von Gewicht im Sinne von § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 sein (vgl. BGHSt 39, 208), er kann jedoch nicht ohne weiteres zur Bejahung der besonderen Schuldschwere führen, sondern nur im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung. Selbst wenn die Gesamtwürdigung der mit lebenslanger Freiheitsstrafe als Einzelstrafe geahndeten Straftat und Täterpersönlichkeit die Schuldschwere -Entscheidung rechtfertigen würde, so entbindet dies den Tatrichter nicht von der zusammenschauenden Würdigung aller der Gesamtstrafe zugrundeliegenden Straftaten im Sinne von § 57 b StGB. Er kann insoweit zusätzliche, die besondere Schwere der Schuld erhöhende Umstände berücksichtigen. Eine solche zusammenschauende Würdigung aller Einzeltaten ist dem Urteil nicht zu entnehmen.
Wegen dieser Begründungsmängel kann das Revisionsgericht nicht prüfen, ob der Tatrichter im Hinblick auf die Schuldschwere-Entscheidung alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat (vgl. BGHR StPO § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 10). Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht; ergänzende Feststellungen bleiben zulässig. Bode Detter Otten Fischer Elf

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafgesetzbuch - StGB | § 57 Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe


(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der

Strafprozeßordnung - StPO | § 57 Belehrung


Vor der Vernehmung werden die Zeugen zur Wahrheit ermahnt und über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage belehrt. Auf die Möglichkeit der Vereidigung werden sie hingewiesen. Im Fall der Vereidigung sind sie über d

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

Vor der Vernehmung werden die Zeugen zur Wahrheit ermahnt und über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage belehrt. Auf die Möglichkeit der Vereidigung werden sie hingewiesen. Im Fall der Vereidigung sind sie über die Bedeutung des Eides und darüber zu belehren, dass der Eid mit oder ohne religiöse Beteuerung geleistet werden kann.