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Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 301/19
2 AR 215/19
vom
5. Februar 2020
in der Strafvollstreckungssache
gegen
Az.: 121 StVK 216/19 BEW Landgericht Köln
503 Js 349/15 V Staatsanwaltschaft Duisburg
ECLI:DE:BGH:2020:050220B2ARS301.19.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Verurteilten am 5. Februar 2020 gemäß § 14 StPO beschlossen :
Für die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Duisburg vom 28. Januar 2016 (Az.: 44 Cs 503 Js 349/15 (12/16)) ist zuständig die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hamburg.

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht Duisburg hat die Verurteilte mit Strafbefehl vom 28. Januar 2016 wegen Anstiftung zum Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und die Bewährungsaufsicht an das Amtsgericht Aachen abgegeben.
2
Am 5. Juni 2018 wurde dem Amtsgericht Aachen zum dortigen Bewährungsheft eine neue Anklageschrift und am 31. August 2018 die entsprechende Verurteilung durch das Amtsgericht Hamburg mitgeteilt. Die Staatsanwaltschaft Duisburg beantragte daraufhin am 2. November 2018 den Widerruf der Strafaussetzung.
3
Zwischenzeitlich hatte die Verurteilte vom 31. Juli 2018 bis zum 10. November 2018 eine Gesamtfreiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Hamburg-Billwerder verbüßt, seitdem befindet sie sich in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Köln. Die Strafvollstreckungskammern der Landgerichte Köln und Hamburg streiten über die Zuständigkeit für die Entscheidung über den beantragten Bewährungswiderruf. Das Landgericht Hamburg macht geltend, erstmals mit Eingang des Vorgangs bei ihm am 26. September 2019 mit der Sache gemäß § 462a Abs. 1 StPO befasst worden zu sein.

II.

4
Die Entscheidung über den Widerruf obliegt der Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Hamburg.
5
Eine Befassung mit der Sache i.S.d. § 462a Abs. 1 StPO ist anzunehmen , sobald Tatsachen aktenkundig werden, die den Widerruf rechtfertigen (KK-StPO/Appl, 8. Aufl., § 462a Rn. 17 mwN).
6
Solche Tatsachen wurden hier bereits vor der Verlegung der Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Köln am 10. November 2018 aktenkundig, nämlich mit Übersendung der Anklage, des Urteils und des Widerrufsantrags zum Bewährungsheft.
7
Der Zeitpunkt des Eingangs der Akten bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hamburg ist unerheblich (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 2011 – 2 ARs 519/10). Es kommt nämlich nicht darauf an, bei welcher Stelle ein Widerrufsantrag vorliegt, sofern es sich nur um ein Gericht handelt, das dafür zuständig sein kann (KK-StPO/Appl, aaO, Rn. 19 mwN). Die damit vorliegende Befassung der Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Hamburg für die Entscheidung über den Widerrufsantrag blieb bestehen, auch nachdem die Verurteilte in die zum Bezirk der Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Köln gehörende Justizvollzugsanstalt Köln verlegt wurde.
Franke Appl Zeng Grube Schmidt

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Strafprozeßordnung - StPO | § 462a Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer und des erstinstanzlichen Gerichts


(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte z

Strafprozeßordnung - StPO | § 14 Zuständigkeitsbestimmung durch das gemeinschaftliche obere Gericht


Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 10. März 2011 - 2 ARs 519/10

bei uns veröffentlicht am 10.03.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 ARs 519/10 2 AR 309/10 vom 10. März 2011 in der Strafvollstreckungssache gegen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis Az.: II StVK 791/10 Landgericht Nürnberg-Fürth Az.: 121 StVK 653/10 Landgericht Köln Az.: 3 RWs 1169/10

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Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.

(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.

(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.

(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.

(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 519/10
2 AR 309/10
vom
10. März 2011
in der Strafvollstreckungssache
gegen
wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
Az.: II StVK 791/10 Landgericht Nürnberg-Fürth
Az.: 121 StVK 653/10 Landgericht Köln
Az.: 3 RWs 1169/10 Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 10. März 2011 beschlossen:
Für die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dillenburg vom 15. Mai 2009 - 3 Cs 6 Js 6520/09 - ist die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth zuständig.

Gründe:

1
Der Verurteilte wurde vom Amtsgericht Dillenburg durch Strafbefehl vom 15. Mai 2009 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Am 15. September 2009 beantragte die Staatsanwaltschaft den Widerruf der Strafaussetzung, weil der Verurteilte eine Bewährungsauflage nicht erfüllt habe. Am 27. Januar 2010 wurde die Bewährungsaufsicht an das Amtsgericht Köln abgegeben, nachdem der Verurteilte seinen Wohnsitz nach Köln verlegt hatte. Das Amtsgericht Nürnberg-Fürth verurteilte ihn am 27. Mai 2010 wegen weiterer Straftaten. Am 8. Oktober 2010 beantragte die Staatsanwaltschaft auch deswegen den Widerruf der Strafaussetzung. Das Amtsgericht gab die Bewährungsaufsicht an die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth ab, weil der Verurteilte die zuletzt verhängte Strafe seit dem 21. Oktober 2009 in der Justizvollzugsanstalt Nürnberg-Fürth verbüßte. Er wurde am 26. Oktober 2010 in die Justizvollzugsanstalt Köln verlegt. Am gleichen Tag lehnte die Strafvoll- streckungskammer bei dem Landgericht Köln ihre Zuständigkeit ab; sie hält die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth für zuständig. Diese wiederum geht davon aus, dass ihre Befassung mit der Sache erst begonnen habe, als der Widerrufsantrag dort eingegangen sei.
2
Die Entscheidung über den Widerruf obliegt der Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth. Sie ist im Sinne von § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO durch Aufnahme des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Nürnberg-Fürth zuständig geworden, weil zu diesem Zeitpunkt bereits eine gerichtliche Befassung mit der Sache vorlag.
3
Eine Befassung mit der Sache ist anzunehmen, sobald Tatsachen aktenkundig werden, die den Widerruf rechtfertigen können (BGHSt 30, 189, 191; KK/Appl, StPO, 6. Aufl., § 462a Rn. 17). Dies war seit dem Widerrufsantrag vom 15. September 2009 der Fall. Es kommt nicht darauf an, bei welcher Stelle ein Widerrufsantrag vorliegt, sofern es sich nur um ein Gericht handelt, das dafür zuständig sein kann (vgl. BGHSt 26, 214, 216). Der Zeitpunkt des Eingangs der Akten bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist unerheblich.
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