Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2020 - 2 ARs 285/19

bei uns veröffentlicht am22.01.2020

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 285/19
2 AR 208/19
vom
22. Januar 2020
in der Bewährungssache
gegen
wegen Diebstahl u. a.
Az.: 268 - 273 Js 2152/13 (57/14) Bwh1 Amtsgericht Tiergarten
ECLI:DE:BGH:2020:220120B2ARS285.19.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts am 22. Januar 2020 beschlossen:
Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten ist für die Bewährungsaufsicht und die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung beziehen, zuständig.

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht Mainz hat gegen den Verurteilten am 8. Juni 2016 eine Freiheitsstrafe von vier Monaten verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungsüberwachung wurde einverständlich dem Amtsgericht Bernau, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz hatte, übertragen.
2
Bereits zuvor war er durch Urteil des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten vom 24. März 2015 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Mit Beschluss vom 12. Oktober 2016 hat das Amtsgericht Berlin-Tiergarten aus den Einzelstrafen der Urteile des Amtsgerichts Mainz und des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten gebildet und diese bis zum 7. Juni 2018 zur Bewährung ausgesetzt. Eine Entscheidung zur Bewährungsüberwachung wurde nicht getroffen. Ein Straferlass ist bisher nicht erfolgt.
3
Die beteiligten Amtsgerichte streiten nunmehr über die Zuständigkeit für die weiteren nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung beziehen.

II.

4
Der Bundesgerichtshof ist als gemeinsames oberes Gericht nach § 14 StPO zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen.
5
Zuständig für die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung beziehen, ist das Amtsgericht Berlin-Tiergarten.
6
Die vom Amtsgericht Bernau übernommene Bewährungsaufsicht hat durch den nachträglich ergangenen Gesamtstrafenbeschluss ihre Grundlage verloren, da die vom Amtsgericht Mainz verhängte und zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe in der neu gebildeten Gesamtstrafe aufgegangen ist.
7
Die Zuständigkeit für die nachträglichen Entscheidungen richtet sich daher nach § 462a Abs. 2 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2002 – 2 ARs 95/02). Zuständig ist danach das Amtsgericht Berlin-Tiergarten, das gemäß § 460 StPO den Gesamtstrafenbeschluss erlassen hat, als Gericht des ersten Rechtszugs.
Franke Appl Zeng Grube Schmidt

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Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine

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Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Apr. 2002 - 2 ARs 95/02

bei uns veröffentlicht am 03.04.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 ARs 95/02 2 AR 31/02 vom 3. April 2002 in der Bewährungssache gegen wegen Entziehung elektrischer Energie sowie Betrugs Az.: 7 Ds 236/99 - 961 Js 83542/99 Amtsgericht Krefeld Az.: 7 BRs 90/00 Amtsgericht Wernigerode A

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Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.

(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.

(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.

(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.

(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 95/02
2 AR 31/02
vom
3. April 2002
in der Bewährungssache
gegen
wegen Entziehung elektrischer Energie sowie Betrugs
Az.: 7 Ds 236/99 - 961 Js 83542/99 Amtsgericht Krefeld
Az.: 7 BRs 90/00 Amtsgericht Wernigerode
Az.: 22 AR 22/00 Amtsgericht Krefeld
Az.: ARs 3/02 Generalstaatsanwaltschaft Naumburg
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 3. April 2002 beschlossen:
Das Amtsgericht Wernigerode ist für die Bewährungsaufsicht und die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung beziehen, zuständig.

Gründe:

Das Amtsgericht Wernigerode hat eine gegen den Verurteilten am 30. November 2000 verhängte Freiheitsstrafe von fünf Monaten zur Bewährung ausgesetzt und die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung beziehen, dem Amtsgericht in Krefeld, in dessen Bezirk der Verurteilte damals seinen ständigen Wohnsitz hatte, einverständlich übertragen. Durch Beschluß vom 29. März 2001 hat das Amtsgericht Wernigerode dann aus den Einzelstrafen des Urteils vom 30. November 2000 sowie eines Strafbefehls des Amtsgerichts Krefeld vom 10. Juli 2000 eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten gebildet und diese zur Bewährung ausgesetzt, ohne weitere Entscheidungen hinsichtlich der Bewährungsüberwachung zu treffen. Die beiden Amtsgerichte streiten nunmehr über die Zuständigkeit für die weiteren nachträglichen Entscheidungen. Zuständig ist das Amtsgericht Wernigerode als Gericht des ersten Rechtszuges (§ 462 a Abs. 2 StPO).
Die vom Amtsgericht Krefeld durch Beschluß vom 10. Januar 2001 übernommene Bewährungsaufsicht hat durch den Gesamtstrafenbeschluß vom 29. März 2001 ihre Grundlage verloren, da die zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe in der neu gebildeten Gesamtstrafe aufgegangen ist (vgl. BGH, Beschluß vom 5. August 1981 - 2 ARs 208/81 = GA 1982, 177, 178; NStZ 1997, 100, 101 m.w.N.). Die Zuständigkeit für die nachträglichen Entscheidungen richtet sich daher nach § 462 a Abs. 2 StPO, zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges, also das Amtsgericht Wernigerode. Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht daraus, daß der Verurteilte zwischenzeitlich eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt hat (vgl. Bericht des Bewährungshelfers vom 20. März 2001), da diese Maßnahme vor Erlaß des Gesamtstrafenbeschlusses erledigt war. Jähnke Detter Bode Otten Elf

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.