Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Juli 2008 - 2 ARs 217/08

bei uns veröffentlicht am02.07.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 217/08
2 AR 138/08
vom
2. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubtem gewerbsmäßigem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
Az.: StVK K 110/08 Landgericht Essen - Strafvollstreckungskammer -
Az.: 24 Ls 60 Js 4096/04 (179/04) Amtsgericht Ratingen
Az.: 63 AR 3/08 Amtsgericht Essen
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 2. Juli 2008 beschlossen:
Für die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung ist der Jugendrichter des Amtsgerichts Ratingen zuständig.

Gründe:

1
Der Verurteilte verbüßt Jugendstrafe aus einer Verurteilung durch das Amtsgericht Ratingen vom 16. März 2005; er hat Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung beantragt.
2
Die Jugendstrafe wurde im Erwachsenenvollzug in der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf vollstreckt. Mit Beschluss vom 12. November 2007 hat der Jugendrichter des Amtsgerichts Ratingen den Verurteilten in den Normalvollzug für Erwachsene überführt. Mit Verfügung vom 10. April 2008 hat er angekündigt , er beabsichtige, die Vollstreckungsleitung an die Staatsanwaltschaft Düsseldorf abzugeben. Dies ist bislang nicht geschehen. Die Amtsgerichte Essen und Ratingen sowie die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Essen haben jeweils ihre Zuständigkeit verneint. Der Jugendrichter des Amtsgerichts Essen hat die Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt, der gemäß § 14 StPO für die Gerichtsstandsbestimmung zuständig ist.
3
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift an den Senat ausgeführt : "Von der nach § 85 Abs. 6 Satz 1 JGG eröffneten Möglichkeit, die weitere Vollstreckung der derzeit vollzogenen Jugendstrafe an die nach den allgemeinen Vorschriften zuständige Strafvollstreckungsbehörde abzugeben , hat der Jugendrichter des Amtsgerichts Ratingen bisher keinen Gebrauch gemacht. Bei einer Abgabe wären die Vorschriften der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Strafvollstreckung anzuwenden (§ 85 Abs. 6 Satz 2 JGG). Der Jugendrichter des Amtsgerichts Ratingen hat bisher nur seine Absicht bekundet, die Vollstreckungsleitung an die Staatsanwaltschaft Düsseldorf abgeben zu wollen (SA Bl. 133). In den Vollstreckungsblättern (SA Bl. 107, 140) ist immer noch das Amtsgericht Ratingen als Einweisungsbehörde genannt. Damit ist der örtlich zuständige Jugendrichter des Amtsgerichts Ratingen als Vollstreckungsleiter bezeichnet. Eine Abgabe an die nach allgemeinen Vorschriften zuständige Vollstreckungsbehörde ist somit nicht erfolgt. Mit der Aufnahme des Verurteilten in die für Erwachsene zuständige Justizvollzugsanstalt Düsseldorf am 19. August 2007 hat sich an der Zuständigkeit des Jugendrichters des Amtsgerichts Ratingen nichts geändert. Damit wurde ein Übergang der Vollstreckung gemäß § 85 Abs. 2 JGG nicht bewirkt (vgl. Senat in BGHR JGG § 85 Abs. 2 Übergang 1). Es bleibt bei der ursprünglichen Zuständigkeit. Auch durch die Aufnahme des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Essen ist keine Änderung der ursprünglichen Zuständigkeit eingetreten.
Die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung obliegt somit dem Jugendrichter des Amtsgerichts Ratingen."
4
Dem tritt der Senat bei. Fischer Rothfuß Ernemann Appl Schmitt

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Strafprozeßordnung - StPO | § 14 Zuständigkeitsbestimmung durch das gemeinschaftliche obere Gericht


Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 85 Abgabe und Übergang der Vollstreckung


(1) Ist Jugendarrest zu vollstrecken, so gibt der zunächst zuständige Jugendrichter die Vollstreckung an den Jugendrichter ab, der nach § 90 Abs. 2 Satz 2 als Vollzugsleiter zuständig ist. (2) Ist Jugendstrafe zu vollstrecken, so geht nach der Au

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Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2017 - 2 ARs 436/16

bei uns veröffentlicht am 11.04.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 ARs 436/16 2 AR 303/16 vom 11. April 2017 in der Gerichtsstandsbestimmungssache gegen wegen besonders schweren Raubes u.a. Az.: 4a VRJs 4/15 Amtsgericht Diez ECLI:DE:BGH:2017:110417B2ARS436.16.0 Der 2. Strafsenat

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Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

(1) Ist Jugendarrest zu vollstrecken, so gibt der zunächst zuständige Jugendrichter die Vollstreckung an den Jugendrichter ab, der nach § 90 Abs. 2 Satz 2 als Vollzugsleiter zuständig ist.

(2) Ist Jugendstrafe zu vollstrecken, so geht nach der Aufnahme des Verurteilten in die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe die Vollstreckung auf den Jugendrichter des Amtsgerichts über, in dessen Bezirk die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe liegt. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, daß die Vollstreckung auf den Jugendrichter eines anderen Amtsgerichts übergeht, wenn dies aus verkehrsmäßigen Gründen günstiger erscheint. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(3) Unterhält ein Land eine Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe auf dem Gebiet eines anderen Landes, so können die beteiligten Länder vereinbaren, daß der Jugendrichter eines Amtsgerichts des Landes, das die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe unterhält, zuständig sein soll. Wird eine solche Vereinbarung getroffen, so geht die Vollstreckung auf den Jugendrichter des Amtsgerichts über, in dessen Bezirk die für die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Die Regierung des Landes, das die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe unterhält, wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, daß der Jugendrichter eines anderen Amtsgerichts zuständig wird, wenn dies aus verkehrsmäßigen Gründen günstiger erscheint. Die Landesregierung kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.

(4) Absatz 2 gilt entsprechend bei der Vollstreckung einer Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 Nr. 1 oder 2 des Strafgesetzbuches.

(5) Aus wichtigen Gründen kann der Vollstreckungsleiter die Vollstreckung widerruflich an einen sonst nicht oder nicht mehr zuständigen Jugendrichter abgeben.

(6) Hat der Verurteilte das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet, so kann der nach den Absätzen 2 bis 4 zuständige Vollstreckungsleiter die Vollstreckung einer nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene vollzogenen Jugendstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung an die nach den allgemeinen Vorschriften zuständige Vollstreckungsbehörde abgeben, wenn der Straf- oder Maßregelvollzug voraussichtlich noch länger dauern wird und die besonderen Grundgedanken des Jugendstrafrechts unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Verurteilten für die weiteren Entscheidungen nicht mehr maßgebend sind; die Abgabe ist bindend. Mit der Abgabe sind die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Strafvollstreckung anzuwenden.

(7) Für die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft im Vollstreckungsverfahren gilt § 451 Abs. 3 der Strafprozeßordnung entsprechend.