Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2012 - 2 ARs 127/12

bei uns veröffentlicht am04.04.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 127/12
2 AR 1/12
vom
4. April 2012
in der Strafvollstreckungssache
gegen
wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
hier: Bewährungsaufsichtsverfahren
Az.: 103 Js 5837/08 Staatsanwaltschaft Amberg
Az.: 4 Ds 105 Js 5591/05 Amtsgericht Schwandorf
Az.: BwR 4 Ds 103 Js 5837/08 Amtsgericht Schwandorf
Az.: I StVK 65/07 Landgericht Bamberg (I)
Az.: I StVK 167/11 Landgericht Bamberg (II)
Az.: 6 ARs 4/11 Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 4. April 2012 beschlossen:
Zuständig für die Bewährungsaufsicht und die nachträglichen Entscheidungen über die Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Schwandorf vom 20. April 2009 - 4 Ds 103 Js 5837/08 - ist die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Bamberg.

Gründe:

I.

1
Gegen den Verurteilten wurde durch Urteil des Amtsgerichts Schwandorf vom 20. April 2009 (4 Ds 103 Js 5837/08) eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von neun Monaten verhängt. Seit dem 19. März 2007 überwacht die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bamberg die Bewährung bezüglich einer gegen den Verurteilten ebenfalls vom Amtsgericht Schwandorf mit Urteil vom 8. Dezember 2005 (4 Ds 105 Js 5591/05) verhängten neunmonatigen Freiheitsstrafe. Die Bewährungsüberwachung in diesem Verfahren war von der Strafvollstreckungskammer übernommen worden, weil der Verurteilte zuvor Strafhaft in der JVA Bamberg verbüßt hatte und ein Strafrest noch zur Bewährung ausgesetzt, mithin die Vollstreckung der seiner Inhaftierung zugrunde gelegenen Freiheitsstrafen noch nicht beendet war.
2
Das Amtsgericht Schwandorf hat mit Beschluss vom 19. Juli 2011 die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung aus seinem Urteil vom 20. April 2009 ergeben, der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bamberg übertragen. Diese hält sich für unzuständig und möchte die Bewährungsaufsicht auch hinsichtlich des Urteils vom 8. Dezember 2005 dem Amtsgericht Schwandorf übertragen.

II.

3
Zuständig für die Bewährungsaufsicht hinsichtlich beider Urteile des Amtsgerichts Schwandorf ist die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Bamberg. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt: "Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen (§ 14 StPO). Zuständig für die nachträglichen Entscheidungen in dem Verfahren 4 Ds 103 Js 5837/08 ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bamberg entsprechend § 462a Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 StPO. Vorliegend ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bamberg gemäß § 462a Abs. 4 Satz 3 StPO kraft Fortwirkungszuständigkeit für die Nachtragsentscheidungen aus der Verurteilung des Amtsgerichts Schwandorf vom 8. Dezember 2005 (4 Ds 105 Js 5591/05 / I StVK 65/2007) zuständig geblieben, auch nachdem die Vollstreckung der Freiheitsstrafen , durch welche die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer begründet worden ist, seit dem 5. April 2007 vollständig erledigt ist (BGHSt 28, 82; Appl in KK StPO 6. Auflage § 472a Rn 13). Die Fortsetzungszuständigkeit der Strafvollstreckungskammer endet erst, wenn die Vollstreckung aller Strafen, hinsichtlich derer ihre Zuständigkeit aufgrund des Konzentrationsprinzips entstanden ist, vollständig erledigt ist oder der Verurteilte in eine Justizvollzugsanstalt im Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer aufgenommen ist (BGH NStZ-RR 2008, 124; BGH NJW 2010, 951). Die Fortsetzungszuständigkeit der Strafvollstreckungskammer Bamberg in dem Verfahren 4 Ds 105 Js 5591/05 begründet im Ergebnis aber auch entsprechend § 462a Abs. 4 Satz 3 StPO die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer in dem Verfahren 4 Ds 103 Js 5837/08. Dies entspricht dem mit § 462a Abs. 4 StPO verbundenen gesetzgeberischen Zweck, eine Entscheidungszersplitterung in der Überwachung des Verurteilten zu vermeiden, die zu mangelnder Unterrichtung des einen Gerichts über die von dem anderen Gericht beabsichtigten Entscheidungen und zu in ihrer Würdigung der Täterpersönlichkeit und ihrer kriminalpolitischen Zielsetzung geradezu entgegengesetzten Entscheidungen führen könnte (Bt-Dr 7/550, Seite 313; BGH NJW 2010, 951; Appl in KK StPO 6. Auflage § 462a Rn 33). Es entscheidet daher immer nur ein Gericht, wobei die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer stets die Zuständigkeit der Gerichte des ersten Rechtszuges verdrängt (Appl aaO Rn 3). Der von der Strafvollstreckungskammer vorgeschlagene Lösungsweg, die Bewährungsaufsicht für das bei ihr anhängige Verfahren 4 Ds 105 Js 5591/05 an das Amtsgericht Schwandorf gemäß § 462a Abs. 4 Satz 1 und 2 i.V.m Abs. 3 Satz 2 StPO abzugeben, steht weder mit dem vorbezeichneten gesetzgeberischen Zweck des § 462a StPO noch mit § 462a Abs. 1 Satz 3 StPO im Einklang, wonach die Strafvollstreckungskammer nur die dort genannten Entscheidungen an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben kann; die Abgabe der nachträglichen Entscheidungen über die Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 453 StPO gehört nicht dazu."
4
Dem schließt sich der Senat an.
Fischer Appl Berger Eschelbach Ott

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Referenzen - Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 462a Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer und des erstinstanzlichen Gerichts


(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte z

Strafprozeßordnung - StPO | § 14 Zuständigkeitsbestimmung durch das gemeinschaftliche obere Gericht


Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

Strafprozeßordnung - StPO | § 453 Nachträgliche Entscheidung über Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt


(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß

Referenzen

Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.

(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.

(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.

(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.

(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.

(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind zu hören. § 246a Absatz 2 und § 454 Absatz 2 Satz 4 gelten entsprechend. Hat das Gericht über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden, so soll es dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben. Ist ein Bewährungshelfer bestellt, so unterrichtet ihn das Gericht, wenn eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder den Straferlaß in Betracht kommt; über Erkenntnisse, die dem Gericht aus anderen Strafverfahren bekannt geworden sind, soll es ihn unterrichten, wenn der Zweck der Bewährungsaufsicht dies angezeigt erscheinen läßt.

(2) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt werden, daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist. Der Widerruf der Aussetzung, der Erlaß der Strafe, der Widerruf des Erlasses, die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe und die Feststellung, daß es bei der Verwarnung sein Bewenden hat (§§ 56f, 56g, 59b des Strafgesetzbuches), können mit sofortiger Beschwerde angefochten werden.