Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Mai 2014 - 2 ARs 118/14

bei uns veröffentlicht am15.05.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 A R s 1 1 8 / 1 4
2 A R 8 6 / 1 4
vom
15. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls u.a.
Az.: 73 Js 1750/12 Staatsanwaltschaft Münster
Az.: 450 Js 8150/14 Staatsanwaltschaft Traunstein - Zweigstelle Rosenheim -
Az.: 3a Ds 450 Js 8150/14 jug. Amtsgericht Rosenheim
Az.: 22 Ds - 73 Js 1750/12 - 210/12 Hw. Amtsgericht Steinfurt
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
am 15. Mai 2014 beschlossen:
Die Untersuchung und Entscheidung der Sache wird gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 JGG dem Amtsgericht - Jugendrichter - Rosenheim übertragen.

Gründe:

1
1. Die Staatsanwaltschaft Münster hat gegen den jetzt 20jährigen Angeklagten am 20. Juli 2012 eine Anklage zum Jugendrichter des Amtsgerichts Steinfurt wegen in Westerland/Sylt begangener Straftaten erhoben. Am 20. August 2012 hat das Amtsgericht das Hauptverfahren eröffnet. Zu einer auf den 11. Oktober 2012 anberaumten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht erschien der Angeklagte nicht.
2
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Münster hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 20. Februar 2014 das Verfahren an das Amtsgericht - Jugendrichter - Rosenheim abgegeben, da der Angeklagte inzwischen in dessen Bezirk wieder einen festen Wohnsitz hat. Das Amtsgericht Rosenheim hat die Übernahme abgelehnt. Es hält die Voraussetzungen des § 42 Abs. 3 Satz 1 JGG nicht für gegeben. Das Amtsgericht Steinfurt hat die Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt, der als gemeinschaftliches oberes Gericht zu entscheiden hat (§ 42 Abs. 3 Satz 2 JGG).
3
2. Die Abgabe der Sache an das Amtsgericht - Jugendrichter - Rosenheim ist gerechtfertigt.
4
a) Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 9. April 2014 zutreffend ausgeführt hat, liegen die Voraussetzungen des § 42 Abs. 3 Satz 1 JGG vor. Das Hauptverfahren ist eröffnet. Der Angeklagte hat nach Erhebung der Anklage seinen Wohnsitz gewechselt. Der Abgabe steht hier insbesondere nicht entgegen, dass der Angeklagte seinen Aufenthalt erneut gewechselt hat und zeitweilig unbekannten Aufenthalts war. § 42 Abs. 3 Satz 1 JGG verlangt nicht, dass der Angeklagte bei der Anklageerhebung seinen Aufenthalt noch im Bezirk des abgebenden Gerichts hatte (vgl. Senatsbeschluss vom 26. April 2000 - 2 ARs 60/00 mwN).
5
b) Die Abgabe ist auch im Hinblick auf die am Verfahren zu beteiligende Jugendgerichtshilfe des neuen Wohnorts zweckmäßig. Die in Westerland/Sylt wohnhaften Zeugen sind bereits durch das Amtsgericht Niebüllkommissarisch vernommen worden. Dem Umstand, dass das abgebende Gericht bereits mit der Sache vertraut ist, kommt hier angesichts der überschaubaren Tatvorwürfe keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
Appl Schmitt Eschelbach Ott Zeng

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Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 42 Örtliche Zuständigkeit


(1) Neben dem Richter, der nach dem allgemeinen Verfahrensrecht oder nach besonderen Vorschriften zuständig ist, sind zuständig 1. der Richter, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben für den Beschuldigten obliegen,2. der Richter, in dessen

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Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Apr. 2000 - 2 ARs 60/00

bei uns veröffentlicht am 26.04.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 ARs 60/00 2 AR 35/00 vom 26. April 2000 in der Strafsache gegen wegen Diebstahls Az.: 311 Js 789/00 Staatsanwaltschaft Lüneburg Az.: 8 Ds 311 Js 789/00 Amtsgericht Winsen/Luhe Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs

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(1) Neben dem Richter, der nach dem allgemeinen Verfahrensrecht oder nach besonderen Vorschriften zuständig ist, sind zuständig

1.
der Richter, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben für den Beschuldigten obliegen,
2.
der Richter, in dessen Bezirk sich der auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte zur Zeit der Erhebung der Anklage aufhält,
3.
solange der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, der Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen.

(2) Der Staatsanwalt soll die Anklage nach Möglichkeit vor dem Richter erheben, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben obliegen, solange aber der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, vor dem Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen.

(3) Wechselt der Angeklagte seinen Aufenthalt, so kann der Richter das Verfahren mit Zustimmung des Staatsanwalts an den Richter abgeben, in dessen Bezirk sich der Angeklagte aufhält. Hat der Richter, an den das Verfahren abgegeben worden ist, gegen die Übernahme Bedenken, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 60/00
2 AR 35/00
vom
26. April 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls
Az.: 311 Js 789/00 Staatsanwaltschaft Lüneburg
Az.: 8 Ds 311 Js 789/00 Amtsgericht Winsen/Luhe
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 26. April 2000 gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 JGG beschlossen:
Für die Untersuchung und Entscheidung der Sache ist das Amtsgericht Hamburg zuständig.

Gründe:

1. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg hat gegen den jetzt 20jährigen Angeklagten am 23. Oktober 1998 eine Anklage zum Jugendrichter des Amtsgerichts Winsen/Luhe erhoben wegen eines in diesem Gerichtsbezirk begangenen Diebstahls. Am 10. Dezember 1998 hat das Amtsgericht das Hauptverfahren eröffnet. Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft Lüneburg hat das Amtsgericht mit Beschluß vom 12. Januar 2000 das Verfahren an das Amtsgericht Hamburg abgegeben, da der Angeklagte inzwischen in dessen Bezirk wieder einen festen Wohnsitz hat. Das Amtsgericht Hamburg hat die Übernahme wiederholt abgelehnt. Es hält die Voraussetzungen des § 42 Abs. 3 JGG nicht für gegeben. Das Amtsgericht Winsen hat die Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt , der als gemeinschaftliches oberes Gericht zu entscheiden hat (§ 42 Abs. 3 Satz 2 JGG). 2. Die Abgabe der Sache an das Amtsgericht Hamburg ist gerechtfertigt.
a) Die Voraussetzungen des § 42 Abs. 3 JGG liegen vor. Das Hauptverfahren ist eröffnet. Der Angeklagte hat auch seinen Aufenthalt gewechselt. Zwar liegt der erste Aufenthaltswechsel vor der Erhebung der Anklage am
23. Oktober 1998. Bereits seit dem 17. Juni 1998 war der Angeklagte nämlich nicht mehr an der in der Anklage genannten Anschrift in Hamburg gemeldet und hielt sich dort auch nicht auf. Das steht aber der Abgabe hier nicht entgegen , weil der Angeklagte nach der Anklageerhebung seinen Aufenthalt erneut gewechselt hat. Zunächst leistete er zeitweise Wehrdienst in Kellinghusen im Bezirk des Amtsgerichts Itzehoe, von wo er sich wiederholt unerlaubt entfernte. Im übrigen war er ohne festen Wohnsitz und unbekannten Aufenthalts. Als er am 23. Dezember 1999 aufgrund von Haftbefehlen der Amtsgerichte Winsen und Itzehoe vorübergehend festgenommen wurde, ergab sich, daß er jetzt eine eigene amtlich gemeldete Wohnung in Hamburg, Zur Seehafenbrücke 9 bewohnt. Aufgrund dieses weiteren Aufenthaltswechsels nach der Anklageerhebung sind die Voraussetzungen des § 42 Abs. 3 JGG erfüllt; denn diese Vorschrift verlangt nicht, daß der Angeklagte bei der Anklageerhebung seinen Aufenthalt noch im Bezirk des abgebenden Gerichts, das hier als Tatortgericht zuständig war, hatte (Senatsbeschluß vom 10. September 1991 - 2 ARs 374/91 - m.w.N.).
b) Die Abgabe ist auch sachlich begründet. Gegen den Angeklagten sind neben dem vorliegenden noch zwei weitere Verfahren anhängig: Ein Verfahren der Staatsanwaltschaft Itzehoe wegen Fahnenflucht/unerlaubten Entfernens von der Truppe wurde bereits zur Übernahme an das Amtsgericht Hamburg abgegeben. Dort ist bereits ein weiteres Verfahren 127a - 192/99 (dazu verbunden 202 und 253/99) anhängig. Dieses Verfahren wurde zwar am 24. Januar 2000 ausgesetzt und soll nach drei Arbeitsweisungen, die bisher jedoch nicht erfüllt wurden, eingestellt werden. Unter diesen Umständen ist die vom Amtsgericht Winsen angestrebte Zusammenführung der gegen den Angeklagten geführten Verfahren beim Amtsgericht Hamburg im Interesse einer einheitlichen Beurteilung und Ahndung sinnvoll. Zeugen aus dem Bezirk des Tat-
ortgerichts werden voraussichtlich nicht benötigt, da der Angeklagte bei der polizeilichen Vernehmung vom 24. August 1998 geständig war. Zudem ist eine Vorführung des Angeklagten, der am 25. Januar 1999 nicht zur Hauptverhandlung erschienen war, in Hamburg gegebenenfalls weniger aufwendig. Jähnke Niemöller Detter Bode Otten