Bundesgerichtshof Beschluss, 25. März 2003 - 1 StR 9/03

bei uns veröffentlicht am25.03.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 9/03
vom
25. März 2003
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren
Verbrauch an eine Person unter 18 Jahren u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. März 2003 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 13. September 2002 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Bestimmung einer Person unter 18 Jahren zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die restlichen Einzelstrafen und die Gesamtstrafe. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift zur Revision des Angeklagten wie folgt Stellung genommen: "Der Angeklagte wurde wegen unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an eine Person unter 18 Jahren, Bestimmens einer Person unter 18 Jahren zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Er rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Seine Revision hat in dem aus dem Antrag ersichtlichen Umfang Erfolg. 1. Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Bestimmens einer Person unter 18 Jahren zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nicht. Das Landgericht hat festgestellt: Der am 4. Juni 1980 geborene Angeklagte forderte den zur Tatzeit 16 Jahre alten Zeugen B. am 10. Dezember 2001 am Bahnhof in Augsburg auf, Personen darauf anzusprechen, ob sie am Kauf von 'Drogen' interessiert seien. Beiden war klar, dass es darum gehen sollte, auf diese Weise 'Geld abzulinken'. Nicht aufklären ließ sich, ob der Angeklagte über stark gestreckte und damit minderwertige Drogen verfügte und diese als hochwertige verkaufen wollte, oder ob er - ohne im Besitz von Rauschgift zu sein oder solches hierfür beschaffen zu wollen - lediglich vor hatte, Kaufinteressenten zur Geldübergabe zu bewegen und sodann zu flüchten. Dem Zeugen B. war es gleichgültig, wie die Personen 'abgelinkt' werden sollten. Er fragte die Zeugen M. und K. , ob sie Drogen bräuchten, was diese verneinten. Vor diesem Hintergrund ist schon zweifelhaft, ob die Anfrage des Zeugen B. überhaupt ein (versuchtes) Handeltreiben darstellt, oder ob es sich mangels Konkretisierung und Verbindlichkeit des Angebots um ein strafloses Verkaufsvorgespräch handelt (vgl. Körner BtMG 5. Aufl. § 29 Rdn. 242, 319, 327).
Die Frage kann indes dahinstehen: Das Landgericht hatte in Anwendung des Zweifelssatzes davon auszugehen, dass der Angeklagte nicht mit Drogen handeln wollte. Eine Bestrafung des Angeklagten kommt hiervon ausgehend selbst dann nicht in Betracht, wenn man mit Blick auf den Vorsatz des Zeugen B. annimmt, dieser habe auf Veranlassung des Angeklagten mit Be- täubungsmitteln Handel getrieben. Der hinter der formellen Tatbestandserfüllung der Anstiftung zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln liegende materielle Unrechtserfolg - die Gefährdung des Rechtsguts der allgemeinen und individuellen Gesundheit - konnte vorliegend aus Sicht des Angeklagten nicht eintreten (vgl. OLG Oldenburg, NJW 1999, 2751 f.; BGH StV 1981, 549). Weiß der Täter von Anfang an, dass es ihm unmöglich sein wird, die von ihm angebotenen Betäubungsmittel zu beschaffen, so ist sein Verkaufsangebot nicht als ernsthaft und in Gewinnabsicht unterbreitet anzusehen, es handelt sich vielmehr um ein Scheinangebot, das je nach Sachlage zwar den Tatbestand des Betruges, nicht aber den des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln oder Imitaten (§ 29 Abs. 6 BtMG) erfüllt (BGH StV 1988, 254). .... 2. Die Schuldsprüche wegen unerlaubter Verbrauchsüberlassung (richtig : Verabreichung) von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln sind frei von Rechsfehlern." Dem schließt sich der Senat an und bemerkt ergänzend: Die in den Urteilsgründen auf sechs Stellen (in der Sachverhaltsdarstellung , der Beweiswürdigung, der rechtlichen Würdigung und der Strafzumessung ) verteilten Feststellungen zum Vorwurf des Überlassens von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren sind insbesondere zur Vorstellung des Zeugen B. über den tatsächlichen Hintergrund seines Auf-
trags, potentielle Betäubungsmittelabnehmer anzusprechen, nicht frei von Widersprüchen. Da nicht auszuschließen ist, daß die Bemessung der wegen Bestimmens einer Person unter 18 Jahren zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verhängten Einsatzstrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe Auswirkungen auf die Höhe der beiden anderen Einzelstrafen hatte, wird der nun zur Entscheidung berufenen Kammer Gelegenheit gegeben, hierüber insgesamt neu zu befinden, dann auch über die vom Generalbundesanwalt angesprochene Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Deren Anordnung liegt nach den bisherigen Feststellungen allerdings eher fern. Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

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Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

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(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.