Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2019 - 1 StR 80/19

bei uns veröffentlicht am07.05.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 80/19
vom
7. Mai 2019
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
ECLI:DE:BGH:2019:070519B1STR80.19.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 7. Mai 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 29. Oktober 2018 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt der Angeklagte in der Nacht vom 10. auf den 11. April 2018 insgesamt 860,8 g Marihuanablüten mit einer Gesamtwirkstoffmenge von 44,8 g THC in einem von ihm allein bewohnten Einzimmerappartement zum gewinnbringenden Weiterverkauf in vier Tranchen vorrätig. Zwei Teilmengen hiervon bewahrte der Angeklagte zusammen mit einer Feinwaage, Druckverschlusstüten und Paketschnüren in einem Rucksack auf, der sich in einem Turmschrank befand. Die beiden weiteren Teilmengen hatte er in einen Schuhkarton gelegt, den er in einem weiteren, wenige Meter vom vorgenannten Schrank entfernten zweiten Turmschrank verwahrte. In eine Nische zwischen diesem Turmschrank und einem daneben stehenden Kleiderschrank hatte der Angeklagte in dem Bewusstsein, hierauf jederzeit zugreifen zu können, einen Baseballschläger aus Aluminium verbracht, der von ihm zur Verletzung von Menschen bestimmt worden war.

II.


3
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet, soweit sie den Schuldspruch betrifft (§ 349 Abs. 2 StPO). Sie führt aber zur Aufhebung des Urteils im Strafausspruch.
4
1. Der Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) weist keinen Rechtsfehler auf. Er wird von den Feststellungen getragen, die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhen.
5
Auch die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite hält rechtlicher Nachprüfung stand. Allerdings ist in einem Fall, in dem – wie hier hinsichtlich des Baseballschlägers – die Verfügbarkeit eines zur Verletzung von Personen geeigneten und bestimmten Gegenstandes nicht das eigentliche Umsatzgeschäft des Drogenhandels betrifft, der subjektive Tatbestand genau zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 2012 – 2 StR 235/12 Rn. 19). Den sich hieraus ergebenden Darlegungserfordernissen genügt das Urteil. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht aus der Art des Gegenstands (Baseballschläger aus Aluminium ), aus dessen bewusster Positionierung in unmittelbarer Nähe zu den Betäubungsmitteln, aus dessen fehlender Nutzung als Sportgerät und mangels jeglicher Hinweise auf eine andere Funktion die Bestimmung des Baseballschlägers durch den Angeklagten zur Verletzung von Personen hergeleitet (UA S. 11 f.).
6
2. Demgegenüber hat der Strafausspruch keinen Bestand, weil die Verneinung des Vorliegens eines minder schweren Falls im Sinne von § 30a Abs. 3 BtMG rechtlicher Nachprüfung nicht standhält.
7
Die Entscheidung, ob ein minder schwerer Fall gegeben ist, erfordert eine Gesamtbetrachtung, bei der alle Umstände zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Dabei sind alle wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände gegeneinander abzuwägen. Erst nach dem Gesamteindruck kann entschieden werden, ob der Ausnahmestrafrahmen anzuwenden ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 22. August 2012 – 2 StR 235/12 Rn. 18). Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen des Landgerichts nicht, auf deren Grundlage es das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 30a Abs. 3 BtMG verneint hat. Bei der Strafzumessung kommt den tatbestandsbezogenen Umständen bestimmende Bedeutung zu. Dazu gehört hier auch der vom Landgericht nicht in den Blick genommene Umstand, dass der Baseballschläger im Vergleich mit einer Schusswaffe geringeres Gefährdungspotential aufweist (vgl. BGH aaO Rn. 22). Auf diesem Erörterungsmangel beruht der Strafausspruch; der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Gesamtwürdigung aller wesentlichen den Angeklagten entlastenden und belastenden Umstände einen minder schweren Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angenommen und eine Freiheitsstrafe von weniger als fünf Jahren verhängt hätte.
8
3. Einer Aufhebung von Feststellungen zur Strafzumessung bedarf es bei dem hier allein vorliegenden Wertungsfehler nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Raum Jäger Bellay
Hohoff Pernice

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2019 - 1 StR 80/19

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2019 - 1 StR 80/19

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2019 - 1 StR 80/19 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2019 - 1 StR 80/19 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2019 - 1 StR 80/19 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Aug. 2012 - 2 StR 235/12

bei uns veröffentlicht am 22.08.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 235/12 vom 22. August 2012 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

19
Die Berücksichtigung des Geständnisses des Angeklagten als Milderungsgrund ist rechtlich unbedenklich, weil es jedenfalls für den Nachweis des subjektiven Tatbestands von nicht unerheblicher Bedeutung war. Der Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG wäre nicht erfüllt, wenn zwar eine Waffe in der Wohnung, in der Betäubungsmittel für den Verkauf vorrätig gehalten , portioniert und verpackt werden, vorhanden ist, diese aber nicht in Griffweite bereit gehalten wird (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 StR 203/10). Der Angeklagte hatte hier objektiv einen noch ausreichenden Zugriff auf den Teleskopschlagstock. In einem solchen Fall, in dem die Verfügbarkeit des Gegenstands auch nicht das eigentliche Umsatzgeschäft des Drogenhandels betrifft, ist allerdings der subjektive Tatbestand genau zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2002 - 1 StR 138/02, StV 2003, 80, 81). Je ferner die Gefahr des Einsatzes liegt, desto höher sind die Anforderungen an die Prüfung des subjektiven Tatbestands (vgl. Senat, Urteil vom 28. Februar 1997 - 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8, 14), der hier durch das Geständnis des Angeklagten bewiesen wurde. Das Landgericht durfte dabei dem Geständnis des Angeklagten strafmildernde Bedeutung beimessen. Es hat nicht übersehen, dass die äußeren Umstände bei der Wohnungsdurchsuchung offen zutage lagen.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

19
Die Berücksichtigung des Geständnisses des Angeklagten als Milderungsgrund ist rechtlich unbedenklich, weil es jedenfalls für den Nachweis des subjektiven Tatbestands von nicht unerheblicher Bedeutung war. Der Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG wäre nicht erfüllt, wenn zwar eine Waffe in der Wohnung, in der Betäubungsmittel für den Verkauf vorrätig gehalten , portioniert und verpackt werden, vorhanden ist, diese aber nicht in Griffweite bereit gehalten wird (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 StR 203/10). Der Angeklagte hatte hier objektiv einen noch ausreichenden Zugriff auf den Teleskopschlagstock. In einem solchen Fall, in dem die Verfügbarkeit des Gegenstands auch nicht das eigentliche Umsatzgeschäft des Drogenhandels betrifft, ist allerdings der subjektive Tatbestand genau zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2002 - 1 StR 138/02, StV 2003, 80, 81). Je ferner die Gefahr des Einsatzes liegt, desto höher sind die Anforderungen an die Prüfung des subjektiven Tatbestands (vgl. Senat, Urteil vom 28. Februar 1997 - 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8, 14), der hier durch das Geständnis des Angeklagten bewiesen wurde. Das Landgericht durfte dabei dem Geständnis des Angeklagten strafmildernde Bedeutung beimessen. Es hat nicht übersehen, dass die äußeren Umstände bei der Wohnungsdurchsuchung offen zutage lagen.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.