Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2000 - 1 StR 615/99

bei uns veröffentlicht am11.01.2000

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 615/99
vom
11. Januar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2000 gemäß § 46
Abs. 1, § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO beschlossen:
Die Anträge des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 15. Juli 1999 und auf Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den landgerichtlichen Verwerfungsbeschluß vom 27. September 1999 werden zurückgewiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls - in zwei Fällen vollendet, in zwei Fällen versucht - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und v ier Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte , jedoch nicht rechtzeitig begründete Revision des Angeklagten. Zu den Anträgen der Verteidigung vom 5. Oktober 1999 hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt: "Der Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO ist zulässig, aber unbegründet, derjenige auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Begründung der Revision bleibt ebenfalls ohne Erfolg. 1. Der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluss vom 27. September 1999, mit dem die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 15. Juli 1999 als unzulässig verwor-
fen wurde, ist zulässig. Er wurde insbesondere binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses gestellt. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Das Urteil ist dem Verteidiger des Angeklagten , Rechtsanwalt W. , am 20. August 1999 wirksam gemäß § 145a Abs. 1 StPO zugestellt worden (Bd. IV Bl. 896 d.A.). Die Zustellung, von der der Angeklagte unter formloser Übersendung des Urteils mit dem Zusatz, dass die förmliche Zustellung an den Verteidiger erfolgt, unterrichtet wurde, hat die Frist zur Begründung der Revision in Lauf gesetzt. Nachdem die Revision nicht innerhalb der Monatsfrist des § 345 Abs. 1 StPO, sondern erst am 24. September 1999 begründet worden ist, hat das Landgericht sie zu Recht als unzulässig verworfen. 2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Begründung der Revision ist bereits unzulässig. Der Antrag muss Angaben nicht nur über den Hinderungsgrund, sondern auch über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses enthalten, damit das Revisionsgericht die Einhaltung der Antragsfrist nach Wegfall des Hindernisses (§ 45 Abs. 1 StPO) prüfen kann. Daran fehlt es. Der Angeklagte trägt lediglich vor, er habe erst durch Rechtsanwalt B. den Zeitpunkt der Zustellung des Urteils an RechtsanwaltW. erfahren. Wann dies der Fall war, etwa am 24. September 1999 bei dem Besuch in der Justizvollzugsanstalt oder später, teilt der Beschwerdeführer nicht mit. Damit bleibt offen, ob die Wochenfrist eingehalten ist. Sollte der Vortrag des Angeklagten so zu verstehen sein, dass er erst mit der Zustellung des Verwerfungsbeschlusses am 28. September 1999 vom Zeitpunkt der Zustellung des Urteils an Rechtsanwalt W. erfahren habe, wäre der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand jedenfalls un-
begründet. Der Angeklagte war nicht ohne sein Verschulden gehindert, die Frist zur Revisionsbegründung einzuhalten. Sein Verteidiger Rechtsanwalt W. hatte ihm bereits mit Schreiben vom 19. Juli 1999 mitgeteilt, dass er keine Revision einlegen und keine weitere Tätigkeit entfalten werde. Daraufhin hat der Angeklagte am 21. Juli 1999 selbst Revision eingelegt. Nach seinem Vortrag erhielt er am 25. August 1999 eine Abschrift des Urteils übersandt. Diese formlose Mitteilung war mit dem Hinweis verbunden, dass die förmliche Zustellung an seinen Verteidiger erfolge. Da ihm der Lauf der Begründungsfrist ab der förmlichen Zustellung des Urteils aus der Rechtsmittelbelehrung bekannt war oder bekannt sein musste, hätte es ihm oblegen , sich mit seinem Verteidiger in Verbindung zu setzen und den Tag des Fristablaufs zu erfragen. Mit einem Tätigwerden seines Verteidigers konnte er nicht mehr rechnen. Darauf, dass die förmliche Zustellung an dem selben Tag erfolgen würde wie die Aushändigung der Urteilsabschrift an ihn selbst, durfte er sich nicht verlassen. Er hat damit die von ihm zu fordernde Sorgfalt außer Acht gelassen." Schäfer Maul Granderath Boetticher Schluckebier

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2000 - 1 StR 615/99 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 45 Anforderungen an einen Wiedereinsetzungsantrag


(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei de

Strafprozeßordnung - StPO | § 345 Revisionsbegründungsfrist


(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn d

Strafprozeßordnung - StPO | § 346 Verspätete oder formwidrige Einlegung


(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß a

Strafprozeßordnung - StPO | § 145a Zustellungen an den Verteidiger


(1) Der gewählte Verteidiger, dessen Bevollmächtigung nachgewiesen ist, sowie der bestellte Verteidiger gelten als ermächtigt, Zustellungen und sonstige Mitteilungen für den Beschuldigten in Empfang zu nehmen. Zum Nachweis der Bevollmächtigung genügt

Referenzen

(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

(1) Der gewählte Verteidiger, dessen Bevollmächtigung nachgewiesen ist, sowie der bestellte Verteidiger gelten als ermächtigt, Zustellungen und sonstige Mitteilungen für den Beschuldigten in Empfang zu nehmen. Zum Nachweis der Bevollmächtigung genügt die Übermittlung einer Kopie der Vollmacht durch den Verteidiger. Die Nachreichung der Vollmacht im Original kann verlangt werden; hierfür kann eine Frist bestimmt werden.

(2) Eine Ladung des Beschuldigten darf an den Verteidiger nur zugestellt werden, wenn er in seiner nachgewiesenen Vollmacht ausdrücklich zur Empfangnahme von Ladungen ermächtigt ist. § 116a Abs. 3 bleibt unberührt.

(3) Wird eine Entscheidung dem Verteidiger nach Absatz 1 zugestellt, so wird der Beschuldigte hiervon unterrichtet; zugleich erhält er formlos eine Abschrift der Entscheidung. Wird eine Entscheidung dem Beschuldigten zugestellt, so wird der Verteidiger hiervon zugleich unterrichtet, auch wenn eine Vollmacht bei den Akten nicht vorliegt; dabei erhält er formlos eine Abschrift der Entscheidung.

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.