Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Dez. 2010 - 1 StR 57/10
Gericht
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Der Senat hat die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 11. August 2009 mit Beschluss vom 25. Oktober 2010 als unbegründet verworfen.
- 2
- Mit Schriftsätzen seines Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. G. , vom 16. November und 7. Dezember 2010 hat der Verurteilte hiergegen die Anhörungsrüge erhoben. Der zulässige Rechtsbehelf ist unbegründet; es liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 356a StPO) vor. Der Senat hat weder zum Nachteil des Verurteilten Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen dieser nicht gehört worden wäre, noch hat er zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen.
- 3
- 1. Schon im Ansatz unbehelflich sind seine Ausführungen, soweit er lediglich darlegt, warum er rechtliche Ausführungen des Senats (z.B. im Zusammenhang mit der Grundrechtscharta der Europäischen Union) für unzutreffend hält. Eine Gehörsverletzung ist insoweit weder ausdrücklich noch sinngemäß behauptet und auch sonst nicht ersichtlich. Darauf, dass der Schriftsatz vom 7. Dezember 2010, der ausschließlich derartiges Vorbringen enthält, auch nicht innerhalb der Frist des § 356a Satz 2 StPO angebracht ist, kommt es daher nicht mehr an.
- 4
- 2. Im Übrigen wird im Wesentlichen geltend gemacht, der Senat sei
- 5
- - bei seinen Ausführungen zum Verbot der Doppelbestrafung von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen, ohne den Angeklagten zu diesem Punkt zu hören (a);
- 6
- - über Revisionsvorbringen zu einer Verfahrensrüge hinweggegangen, ohne dieses zur Kenntnis zu nehmen, was sich daraus ergebe, dass er insoweit allein auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts verwiesen habe (b);
- 7
- - unter Verletzung revisionsrechtlicher Grundsätze und zugleich des rechtlichen Gehörs wiederholt und in entscheidungserheblicher Weise von so im Urteil des Landgerichts nicht festgestellten Tatsachen ausgegangen (c); Zu a):
- 8
- Die Feststellung des Senats, wonach Italien bisher keinen Antrag auf Auslieferung des Verurteilten gestellt habe, bezieht sich angesichts des dargestellten Verfahrensgangs auf eine Auslieferung zur Strafvollstreckung, die zwingend die Rechtskraft der zu vollstreckenden Strafe voraussetzt (vgl. Burchard in Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, IRGKommentar , § 2 Rn. 30 f.). Wie aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe ohne weiteres ersichtlich ist, bezieht sich allein hierauf die Feststellung des Senats, dass ein Auslieferungsgesuch nicht gestellt ist. Der vom Senat nicht ausdrücklich erwähnte Umstand, dass die Generalstaatsanwalt- http://www.juris.de/jportal/portal/t/1qa9/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=6&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE046501309&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1qa9/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=6&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE373120801&doc.part=L&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1qa9/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=6&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE373120801&doc.part=L&doc.price=0.0#focuspoint - 4 - schaft München schon vor Rechtskraft des italienischen Urteils (11. November 2008 [S. 96 des landgerichtlichen Urteils]) einen auf einen Europäischen Haftbefehl vom Mai 2008 gestützten Antrag, den Verurteilten nach Italien auszuliefern , im Juli 2008 abgelehnt hatte, hat in diesem Zusammenhang keine erkennbare Bedeutung. Auch der Anhörungsrüge ist nicht zu entnehmen, worin die Entscheidungserheblichkeit dieses erfolglosen Antrags liegen sollte. Zu b):
- 9
- Der Senat hat das Revisionsvorbringen des Angeklagten in vollem Umfang gewürdigt, jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Dass dies nicht zu jedem einzelnen Punkt des Revisionsvorbringens näher begründet wurde, liegt in der Natur des Verfahrens nach § 349 Abs. 2 StPO und gibt daher keinen Hinweis auf die Nichtbeachtung des Sachvortrags des Revisionsführers (BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2007 - 2 BvR 496/07). Eine Begründungspflicht für letztinstanzliche , mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbare Entscheidungen besteht nicht (BVerfG aaO). Darüber hinaus hat der Senat hier sogar noch ausdrücklich auf die von ihm für zutreffend erachteten Ausführungen des Generalbundesanwaltes verwiesen. Zu c):
- 10
- (1) Soweit in dem Senatsbeschluss ausgeführt worden ist, dass der Verurteilte dem „Bataillonskommandeur“, und nicht, wie es in den Urteilsgründen festgestellt worden ist, dem „Divisionskommandeur“ gegenüber die Durchführung einer Vergeltungsaktion angeregt habe, die dieser dem Wunsch des Verurteilten entsprechend angeordnet habe, handelt es sich um ein offensichtliches Fassungsversehen. Die Frage der Beteiligung militärischer Vorgesetzter hat der Senat zunächst im Rahmen der Prüfung der Verjährung erörtert, da ein individueller , den Vorgesetzten unbekannt gebliebener Exzess möglicherweise schon zur Tatzeit verfolgt worden wäre, was für den Beginn der Verjährungsfrist bedeutsam ist. Darüber hinaus wurde die Frage nach der Einbindung von Vorgesetzten auch unter dem Gesichtspunkt eines Befehlsnotstandes i.S.d. § 47 Abs. 1 Satz 1 des zur Tatzeit geltenden MStGB erörtert. Sowohl ein individueller Exzess als auch ein Befehlsnotstand wurden verneint. Dabei kommt es ersichtlich nicht darauf an, ob der Vorgesetzte dem Verurteilten als „Bataillonskommandeur“ oder sogar als „Divisionskommandeur“ übergeordnet war. Entscheidend ist allein, dass die Tat kein Vorgesetzten unbekannt gebliebener individueller Exzess war und der Verurteilte auch nicht im Befehlsnotstand handelte , weil er die Vergeltungsaktion aufgrund seiner eigenen Initiative mit einer ihm vorgesetzten Stelle abgesprochen hatte.
- 11
- (2) Der Verurteilte beanstandet weiterhin, dass der Senat hinsichtlich der Anwesenheit des Verurteilten am Tatort von den Feststellungen der Strafkammer abweiche. Dies trifft nicht zu, da die Strafkammer wiederholt in den Urteilsgründen dargelegt hat, dass der Verurteilte „als befehlshabender Offizier vor Ort die Tat überwachte, leitete und befehligte“ (vgl. S. 5, 20, 68 f., 73 f. des landgerichtlichen Urteils).
- 12
- (3) Auch das übrige Vorbringen, z.B. die in Sizilien gelandeten alliierten Truppen hätten sich zur Tatzeit dem Tatort nicht bis auf „wenige Kilometer“ genähert (so der Senat), da sie „nur etwa 20 Kilometer entfernt“ (so das Landgericht in seinen Feststellungen) gewesen seien, und das sonstige damit vergleichbare Vorbringen vermag die Möglichkeit einer Gehörsverletzung ebenfalls nicht aufzuzeigen. http://www.juris.de/jportal/portal/t/1osb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE060101309&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1osb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE602159100&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1osb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE060088081&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 6 -
- 13
- 3. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO (BGH, Beschluss vom 8. März 2006 - 2 StR 387/91 und BGH, Beschluss vom 31. Juli 2006 - 1 StR 240/06).
Nack Wahl Elf Jäger RiBGH Prof. Dr. Sander befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Nack
Annotations
Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.
(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.
(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.