Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Jan. 2020 - 1 StR 467/19

30.01.2020
vorgehend

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 467/19
vom
30. Januar 2020
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zum Mord
ECLI:DE:BGH:2020:300120B1STR467.19.1

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 30. Januar 2020 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11. April 2019 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Anstiftung zum Mord in zwei Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und sie im Übrigen freigesprochen. Den Mitangeklagten I. hat das Landgericht unter Freisprechung im Übrigen wegen Mordes in zwei tatmehrheitlichen Fällen ebenfalls zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt.
2
Die auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils im Strafausspruch und bleibt im Übrigen ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 und 4 StPO).

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts setzte die Angeklagte ihrem späteren Ehemann, dem Mitangeklagten I. , in der Zeit zwischen Anfang September und 6. November 2017 für ihren von diesem inständig erwünschten Einzug in dessen Wohnung im elterlichen Haus und die nachfolgende Heirat die Bedingung, dass der Mitangeklagte seine Eltern töte. Dabei rechnete sie damit und nahm billigend in Kauf, dass der Mitangeklagte die Tötung der Eltern unter Ausnutzung ihrer Arg- und Wehrlosigkeit bewerkstelligen würde. In der Folge unterstützte die Angeklagte den Mitangeklagten durch Internetrecherchen und eine Bestellung im Internet bei der Vorbereitung einer zunächst ins Auge gefassten Vergiftung seiner Eltern. Durch die von der Angeklagten gesetzte Bedingung veranlasst tötete der Mitangeklagte seine Eltern schließlich in der Nacht vom 13. auf den 14. Dezember 2017 mit Hammerschlägen auf den Schädel- und Gesichtsbereich. Die Angeklagte war dem Mitangeklagten in der Folgezeit bei der Beseitigung der Tatspuren sowie bei der Aufgabe von Vermisstenanzeigen und einem Vermisstenaufruf behilflich. Während der Mitangeklagte die Tatbegehung bis zuletzt abstritt, machte die Angeklagte sofort nach ihrer Festnahme freiwillig und eigeninitiativ Angaben zum Fundort der Leichen, der Tatbegehung durch den Mitangeklagten und den Schilderungen des Mitangeklagten von den Geschehnissen in der Tatnacht, wobei sie allerdings jedwede eigene Tatbeteiligung und Mitwirkung an der Spurenbeseitigung abstritt.

II.

4
1. Die Verfahrensrüge hat aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 15. Oktober 2019 genannten Gründen keinen Erfolg.
5
2. Das Urteil ist auf die Sachrüge im Strafausspruch aufzuheben, weil es insoweit sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht standhält.
6
Das Landgericht hat bei der Strafzumessung den vertypten Strafmilderungsgrund nach § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB rechtsfehlerhaft nicht zu Gunsten der Angeklagten in den Blick genommen und sein durch § 46b Abs. 1 und 2 StGB eröffnetes Ermessen nicht erkennbar ausgeübt. Zu einer Auseinandersetzung mit dem Strafmilderungsgrund des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB hätte Veranlassung bestanden, nachdem die Angeklagte unmittelbar nach ihrer Festnahme freiwillig Angaben zur Tatbegehung durch den Mitangeklagten , zum Fundort der Leichen und zu den ihr vom Mitangeklagten erteilten Informationen zum Tathergang gemacht hat, die zur Aufklärung des Tatgeschehens beigetragen haben.
7
3. Die Feststellungen haben Bestand, weil es sich bei dem zur Aufhebung führenden Rechtsfehler um einen reinen Wertungsfehler handelt und die vom Landgericht getroffenen Feststellungen hiervon nicht berührt sind.
Raum Jäger Bellay Hohoff Pernice
Vorinstanz:
Nürnberg-Fürth, LG, 11.04.2019 ‒ 112 Js 29/18 5 Ks

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 46b Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten


(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, 1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs.

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.