Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2001 - 1 StR 41/01

bei uns veröffentlicht am07.03.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 41/01
vom
7. März 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Hehlerei u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. März 2001 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 22. August 2000 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen Betrugs verurteilt wurde und
b) der Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Der Angeklagte wurde wegen eines Waffendelikts, Fahrens ohne Fahrerlaubnis , Hehlerei und Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Seine auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision bleibt hinsichtlich des Schuldspruchs wegen des Waffendelikts, des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und der Hehlerei und der dafür verhängten Einzelstrafen erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO). Hinsichtlich der Verurteilung wegen Betrugs besteht jedoch ein Verfahrenshindernis.
1. Der Verurteilung wegen Betrugs liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde: Nachdem im Laufe der Hauptverhandlung bereits zuvor eine Nachtragsanklage erhoben und in das Verfahren einbezogen worden war (§ 266 StPO), erhob die Staatsanwaltschaft im Hauptverhandlungstermin vom 24. März 2000 auch hinsichtlich des Betrugsvorwurfs Nachtragsanklage und verlas den Anklagesatz. Der Verteidiger erklärte, er könne der Einbeziehung derzeit nicht zustimmen. Der Angeklagte äußerte sich zur Sache. Darüber hinaus ergibt die Niederschrift der Hauptverhandlung zu der Nachtragsanklage nichts. Nach anderweitigem Verfahrensgeschehen wurde die Hauptverhandlung unterbrochen und Termin zur Fortsetzung auf den 3. April 2000 bestimmt. Am 28. März 2000 ging ein Schreiben des Verteidigers ein, wonach er wegen der Nachtragsanklage "in die Gefahr der Doppelverteidigung" gekommen sei. Durch Beschluß vom gleichen Tag wurde im Hinblick darauf die Hauptverhandlung ausgesetzt; der Verteidiger wurde vom Vorsitzenden entpflichtet. Nach Bestellung eines anderen Verteidigers begann am 3. August 2000 eine neue Hauptverhandlung. Zu deren Beginn referierte der Vorsitzende über den bisherigen Verfahrensgang und erklärte, es seien zwei Nachtragsanklagen "mit entsprechendem Beschluß in das Verfahren miteinbezogen" worden. 2. Aus diesem Verfahrensgang ergibt sich jedoch, daß in der später ausgesetzten Hauptverhandlung weder die für eine Einbeziehung erforderliche Zustimmung des Angeklagten erteilt wurde (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 266 Rdn. 11 f. m.w.N.) - dies wäre im Revisionsverfahren allerdings nur auf entsprechende Verfahrensrüge zu beachten (vgl. Kleinknecht /Meyer-Goßner aaO Rdn. 14 m.w.N.) -, noch ein Einbeziehungsbeschluß ergangen ist. Dieser hat regelmäßig ausdrücklich zu erfolgen und ist als wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens in die Niederschrift der Hauptverhandlung aufzunehmen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO Rdn. 13, 17 m.w.N.).
Besonderheiten im Ablauf der später ausgesetzten Hauptverhandlung, die einen ausdrücklichen Einbeziehungsbeschluû entbehrlich machen könnten (vgl. BGH NJW 1990, 1055 m.w.N.; gegen diese Möglichkeit Gollwitzer in Löwe/ Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 266 Rdn. 21, Fuûn. 46), sind nicht ersichtlich. 3. Ob die bis dahin nicht einbezogene Anklage zum Zeitpunkt der erneuten Hauptverhandlung überhaupt noch als Nachtragsanklage im Sinne des § 266 StPO angesehen werden konnte, oder ob nicht vielmehr nach Aussetzung der ersten Hauptverhandlung ein Eröffnungs- und Verbindungsbeschluû (§ 203 StPO in Verbindung mit §§ 2 ff. StPO) erforderlich gewesen wäre, bedarf hier keiner Entscheidung. In der Erklärung des Vorsitzenden, in der ausgesetzten Hauptverhandlung sei ein Einbeziehungsbeschluû ergangen, liegt weder ein in der erneuten Hauptverhandlung ergangener Einbeziehungsbeschluû noch die Nachholung des zwischen den beiden Hauptverhandlungen nicht getroffenen Eröffnungs- und Verbindungsbeschlusses (vgl. hierzu Kleinknecht /Meyer-Goûner aaO Rdn. 3 m.w.N.). 4. Nach alledem liegt hinsichtlich der Anklage wegen Betrugs ein Verfahrenshindernis vor. Dies ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten und führt insoweit zur Einstellung des Verfahrens (Kleinknecht/ Meyer-Goûner aaO § 266 Rdn. 20 m.w.N.), ohne daû damit jedoch ein Strafklageverbrauch verbunden wäre (Kleinknecht/Meyer-Goûner aaO, Einl. Rdn. 154, § 260 Rdn. 48 m.w.N.).
Der Wegfall der Einzelstrafe wegen Betrugs führt zugleich zur Aufhebung der Gesamtstrafe (§ 349 Abs. 4 StPO). Schäfer Nack Wahl Boetticher Schluckebier

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Referenzen - Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 203 Eröffnungsbeschluss


Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

Strafprozeßordnung - StPO | § 266 Nachtragsanklage


(1) Erstreckt der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung die Anklage auf weitere Straftaten des Angeklagten, so kann das Gericht sie durch Beschluß in das Verfahren einbeziehen, wenn es für sie zuständig ist und der Angeklagte zustimmt. (2) Die Nac

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erstreckt der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung die Anklage auf weitere Straftaten des Angeklagten, so kann das Gericht sie durch Beschluß in das Verfahren einbeziehen, wenn es für sie zuständig ist und der Angeklagte zustimmt.

(2) Die Nachtragsanklage kann mündlich erhoben werden. Ihr Inhalt entspricht dem § 200 Abs. 1. Sie wird in das Sitzungsprotokoll aufgenommen. Der Vorsitzende gibt dem Angeklagten Gelegenheit, sich zu verteidigen.

(3) Die Verhandlung wird unterbrochen, wenn es der Vorsitzende für erforderlich hält oder wenn der Angeklagte es beantragt und sein Antrag nicht offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung des Verfahrens gestellt ist. Auf das Recht, die Unterbrechung zu beantragen, wird der Angeklagte hingewiesen.

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.