Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2003 - 1 StR 380/03

published on 18/12/2003 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2003 - 1 StR 380/03
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 380/03
vom
18. Dezember 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes mit Todesfolge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2003 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 21. März 2003 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes mit Todesfolge, wegen Bedrohung in vier Fällen und wegen unerlaubten Erwerbs von Munition zur Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf lediglich die Verfahrensrüge, mit der die Revision ein Verwertungsverbot hinsichtlich der Einlassung des Angeklagten bei seiner polizeilichen Vernehmung am 15. Mai 2002 geltend macht, weil das Recht des Angeklagten auf Zuziehung eines Verteidigers beschränkt worden sei (§ 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO; siehe auch § 141 Abs. 3 StPO).
Auf der Grundlage der Rechtsansicht des Senats in BGHSt 47, 172 (anders jedoch nach der Rechtsprechung des 5. Strafsenats, vgl. dessen Beschl. v. 17. Dezember 2003 - 5 StR 501/03) kann in Betracht gezogen werden, es als verfahrensfehlerhaft zu erachten, daß die Staatsanwaltschaft im Anschluß an die richterliche Vernehmung des Angeklagten und die Haftbefehlseröffnung am 30. April 2002 keinen Antrag auf Beiordnung eines Verteidigers gestellt hat. Ob die Fortsetzung der polizeilichen Vernehmung am 15. Mai 2002 deshalb und
trotz des Einwandes des Angeklagten auf zwei der gestellten Fragen, diese zu- nächst mit seinem Rechtsanwalt besprechen zu wollen, und die anschließende Stellung weiterer Fragen dem Recht auf Verteidigerkonsultation noch in jeder Hinsicht entsprachen, kann offenbleiben. Das gilt insbesondere, soweit der Angeklagte nichts mehr über "G. " sagen wollte, die nächste, freilich andere Frage sich aber dennoch mit dieser Person befaßte und der Angeklagte darauf inhaltlich geantwortet hat. Jedenfalls ist bei der hier gegebenen Verfahrensgestaltung in keinem Falle aufgrund der vorzunehmenden Abwägung ein Beweisverwertungsverbot begründet (vgl. zur Abwägung in diesem Zusammenhang nur: BGHSt 47, 172, 179, 180 m.w.N.). Dabei ist das Gewicht des - hier hinsichtlich der Befragung am 15. Mai 2002 zu unterstellenden - Rechtsverstoßes mit in Betracht zu ziehen und ebenso ins Auge zu fassen, ob und inwieweit der damalige Beschuldigte in besonderem Maße des Schutzes bedurfte (vgl. BGHSt 42, 170, 174; 47, 172, 180). Das führt hier zu folgendem Ergebnis:
Die Vernehmung des Angeklagten am 15. Mai 2002 unterscheidet sich schon im Ansatz von demjenigen Sachverhalt, der der Senatsentscheidung BGHSt 47, 172 zugrunde lag: Die dem Angeklagten hier eingangs erteilte Belehrung entsprach uneingeschränkt der Strafprozeßordnung; namentlich enthielt sie erneut einen Hinweis auf das Recht zur Verteidigerkonsultation und das Schweigerecht. Sie war also - anders als im Fall BGHSt 47, 172 - vollständig und korrekt und daher uneingeschränkt geeignet, dem Angeklagten seine Rechte aktuell ins Bewußtsein zu rufen. Der zum Zeitpunkt der Vernehmung bereits seit einigen Tagen inhaftierte Angeklagte stand nicht mehr unter dem unmittelbaren Eindruck seiner Festnahme; er hatte zuvor Gelegenheit, sich gedanklich auf seine weitere Verteidigung einzustellen. Er führte schon zu Beginn der Vernehmung einen Zettel mit sich, auf dem Name, Anschrift und Telefonnummer einer ihm zuvor empfohlenen Rechtsanwältin verzeichnet waren und
deren Beiziehung er jederzeit, auch schon vor dem Beginn der weiteren Ver- nehmung hätte verlangen können. Davon hat er jedoch abgesehen und solches erst gefordert, als die Vernehmung einen bestimmten Punkt erreichte und er deren endgültigen Abbruch begehrte. Dies, aber auch die vorherigen Reaktionen auf einzelne Fragen, die er vor Beantwortung erst mit seinem Rechtsanwalt besprechen wollte, verdeutlicht, daß er seine Rechte nicht nur kannte, sondern bewußt differenziert damit umging. Gerade das spätere Verlangen des Abbruchs der Vernehmung wie auch die vorherige Ablehnung einer Antwort auf einzelne, bestimmte Fragen kennzeichnet die freie Entschließung des Angeklagten über das Maß des Gebrauchmachens von seinen Beschuldigtenrechten. Hinzu kommt, daß die Vernehmung sich bis zu ihrem Abbruch noch nicht mit dem Kern des Tatgeschehens befaßt hatte.
Soweit ein Polizeibeamter nach dem vom Angeklagten geforderten Abbruch der Vernehmung versucht hat, doch noch weitere Angaben von ihm zu erlangen, erweist sich das freilich als Mißachtung und Verletzung des Schweigerechts ; der Angeklagte hatte sich zu jenem Zeitpunkt zweifelsfrei und umfassend darauf berufen. Da er jedoch auf die nochmalige gezielte Nachfrage keinerlei Angaben mehr gemacht und auf seinem Recht zu schweigen beharrt hat, kann auf diesem Rechtsmangel des Ermittlungsverfahrens das Urteil des Landgerichts nicht beruhen.
Keine rechtlichen Bedenken bestehen indessen gegen die Verwertung der nach der Vernehmung erfolgten Äußerungen des Angeklagten im Gespräch , während einer der Kriminalbeamten mit der von ihm benannten Rechtsanwältin telefonierte, die dann herbei eilte. Auch bei diesen - nicht protokollierten - Äußerungen kannte der Angeklagte seine Rechte; er hatte das schon während der Vernehmung in einer in der Bedeutung der jeweiligen Frage
zum Ausdruck kommenden Weise durch sein Verhalten bestätigt. Die Äußerungen fielen - wie der Zusammenhang ergibt - in Kenntnis dessen, daß die von ihm benannte Rechtsanwältin herbeigerufen wurde.
In Ansehung all dieser Umstände vermag der Senat ein Beweisverwertungsverbot für die Angaben des Angeklagten bei seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung am 15. Mai 2002 nicht anzunehmen. Es bedarf daher auch keiner abschließenden Klärung der unterschiedlichen Auffassungen des 5. Strafsenats und des 1. Strafsenats zum Zeitpunkt des Erfordernisses einer Verteidigerbestellung.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

(1) Der Beschuldigte ist spätestens vor dem Abschluß der Ermittlungen zu vernehmen, es sei denn, daß das Verfahren zur Einstellung führt. In einfachen Sachen genügt es, daß ihm Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zu äußern.

(2) Beantragt der Beschuldigte zu seiner Entlastung die Aufnahme von Beweisen, so sind sie zu erheben, wenn sie von Bedeutung sind.

(3) Der Beschuldigte ist verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen. Die §§ 133 bis 136a und 168c Abs. 1 und 5 gelten entsprechend. Über die Rechtmäßigkeit der Vorführung entscheidet auf Antrag des Beschuldigten das nach § 162 zuständige Gericht. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar.

(4) Bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Im übrigen sind bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes § 136 Absatz 1 Satz 2 bis 6, Absatz 2 bis 5 und § 136a anzuwenden. § 168c Absatz 1 und 5 gilt für den Verteidiger entsprechend.

(5) Die §§ 186 und 187 Absatz 1 bis 3 sowie § 189 Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes gelten entsprechend.

(1) In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. Über den Antrag ist spätestens vor einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm zu entscheiden.

(2) Unabhängig von einem Antrag wird dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, in den Fällen der notwendigen Verteidigung ein Pflichtverteidiger bestellt, sobald

1.
er einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorgeführt werden soll;
2.
bekannt wird, dass der Beschuldigte, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist, sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
3.
im Vorverfahren ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte, insbesondere bei einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm, nicht selbst verteidigen kann, oder
4.
er gemäß § 201 zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert worden ist; ergibt sich erst später, dass die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, so wird er sofort bestellt.
Erfolgt die Vorführung in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 zur Entscheidung über den Erlass eines Haftbefehls nach § 127b Absatz 2 oder über die Vollstreckung eines Haftbefehls gemäß § 230 Absatz 2 oder § 329 Absatz 3, so wird ein Pflichtverteidiger nur bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 kann die Bestellung unterbleiben, wenn beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen und keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder die Beiziehung von Urteilen oder Akten vorgenommen werden sollen.