Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Aug. 2011 - 1 StR 276/11

bei uns veröffentlicht am24.08.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 276/11
vom
24. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Verteidigers am 24. August 2011 beschlossen:
1. Das Verfahren wird eingestellt. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens; jedoch wird davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Verurteilten der Staatskasse aufzuerlegen. 3. Die Staatskasse ist nicht verpflichtet, den Verurteilten für eventuell erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen zu entschädigen.

Gründe:

1
Das Landgericht Stuttgart hat am 1. Dezember 2010 den Angeklagten wegen versuchten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion unter Einbeziehung der Strafen aus einer weiteren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet; die Vollstreckung der Freiheitsstrafe als auch der Unterbringung wurden dabei zur Bewährung ausgesetzt. Nach Einlegung der Revision durch den Angeklagten gegen diese Entscheidung verstarb er am 27. Juni 2011.
2
Das Verfahren ist gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen (BGH, Beschluss vom 8. Juni 1999 - 4 StR 595/97, NJW 1999, 3644). Das angefochtene Urteil ist damit gegenstandslos, ohne dass es einer Aufhebung bedarf (BGH, Beschluss vom 5. August 1999 - 4 StR 640/98, BGHR StPO § 467 Abs. 3 Verfahrenshindernis 2; Senat, Beschluss vom 10. Juli 2001 - 1 StR 235/01).
3
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO, die Entscheidung über die notwendigen Auslagen auf § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO. Das Rechtsmittel des Angeklagten erschien nicht aussichtsreich. Es wäre deshalb unbillig, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen.
4
Eine Entschädigung für die durchgeführten Strafverfolgungsmaßnahmen (insbesondere Untersuchungshaft) ist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG ausgeschlossen. Nack Rothfuß Elf Graf Sander

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Aug. 2011 - 1 StR 276/11

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Aug. 2011 - 1 StR 276/11

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Aug. 2011 - 1 StR 276/11 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

Strafprozeßordnung - StPO | § 206a Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis


(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 5 Ausschluß der Entschädigung


(1) Die Entschädigung ist ausgeschlossen 1. für die erlittene Untersuchungshaft, eine andere Freiheitsentziehung und für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, soweit deren Anrechnung auf die verhängte Strafe unterbleibt,2. für eine Freiheitsen

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Aug. 2011 - 1 StR 276/11 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Aug. 2011 - 1 StR 276/11 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2001 - 1 StR 235/01

bei uns veröffentlicht am 10.07.2001

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 235/01 vom 10. Juli 2001 in der Strafsache gegen wegen Raubes Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juli 2001 gemäß § 206 a Abs. 1 StPO beschlossen: Das Verfahren wird eingestellt. Die Staatskasse
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Aug. 2011 - 1 StR 276/11.

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Nov. 2018 - 1 StR 140/18

bei uns veröffentlicht am 07.11.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 140/18 vom 7. November 2018 in der Strafsache gegen wegen Betrugs ECLI:DE:BGH:2018:071118B1STR140.18.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Verurteilten am

Referenzen

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 235/01
vom
10. Juli 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juli 2001 gemäß § 206 a
Abs. 1 StPO beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens. Es wird jedoch davon abgesehen, ihr die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen. Sie ist auch nicht verpflichtet, erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen zu entschädigen.

Gründe:


Das Landgericht Tübingen hat den Angeklagten am 31. Januar 2001 wegen Raubes zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Nach Einlegung der Revision verstarb der Angeklagte.
Das Verfahren ist gemäß § 206 a Abs. 1 StPO einzustellen (BGH NJW 1999, 3644). Das angefochtene Urteil ist damit gegenstandslos, ohne daß es einer Aufhebung bedarf (BGHR StPO § 467 Abs. 3 Verfahrenshindernis 2).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO, die Entscheidung über die notwendigen Auslagen auf § 467 Abs. 3 Satz 2 StPO. Erfolgsaussichten des Rechtsmittels sind nicht erkennbar. Es wäre deshalb unbillig, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen.
Eine Entschädigung für die durchgeführten Strafverfolgungsmaßnahmen (insbesondere Untersuchungshaft) ist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG bereits
deshalb ausgeschlossen, weil er diese Maßnahmen zumindest grob fahrlässig verursacht hat. Im übrigen wäre eine Entschädigung auch nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG zu versagen.
Schäfer Nack Boetticher Hebenstreit Schaal

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

(1) Die Entschädigung ist ausgeschlossen

1.
für die erlittene Untersuchungshaft, eine andere Freiheitsentziehung und für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, soweit deren Anrechnung auf die verhängte Strafe unterbleibt,
2.
für eine Freiheitsentziehung, wenn eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet oder von einer solchen Anordnung nur deshalb abgesehen worden ist, weil der Zweck der Maßregel bereits durch die Freiheitsentziehung erreicht ist,
3.
für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und das vorläufige Berufsverbot, wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis oder das Berufsverbot endgültig angeordnet oder von einer solchen Anordnung nur deshalb abgesehen worden ist, weil ihre Voraussetzungen nicht mehr vorlagen,
4.
für die Beschlagnahme und den Vermögensarrest (§§ 111b bis 111h der Strafprozeßordnung), wenn die Einziehung einer Sache angeordnet ist.

(2) Die Entschädigung ist auch ausgeschlossen, wenn und soweit der Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahme vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Die Entschädigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Beschuldigte sich darauf beschränkt hat, nicht zur Sache auszusagen, oder daß er unterlassen hat, ein Rechtsmittel einzulegen.

(3) Die Entschädigung ist ferner ausgeschlossen, wenn und soweit der Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahme dadurch schuldhaft verursacht hat, daß er einer ordnungsgemäßen Ladung vor den Richter nicht Folge geleistet oder einer Anweisung nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 3 der Strafprozeßordnung zuwidergehandelt hat.