Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2016 - 1 StR 200/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juli 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 StPO beschlossen:
a) im Fall 1 der Urteilsgründe im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass die Angeklagten der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig sind,
b) im Fall 2 der Urteilsgründe im jeweiligen Schuldspruch mit den zugehörigen Feststellungen und
c) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die beiden Angeklagten wie folgt verurteilt: die Angeklagte D. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitstrafe von vier Jahren und neun Monaten, den nichtrevidierenden Mitangeklagten P. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten. Zudem hat die Kammer den Verfall von Wertersatz in Höhe von 3.000 Euro gegen beide Angeklagte als Gesamtschuldner und beim Mitangeklagten P. die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
- 2
- Die mit der Sachrüge geführte Revision der Angeklagten D. führt zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet. Soweit die Revision Erfolg hat, ist die Entscheidung auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten nach § 357 StPO zu erstrecken.
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- 1. Die jeweils täterschaftliche Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verdrängt in Fall 1 der Urteilsgründe den dazu tateinheitlich aus- geurteilten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; der Besitz tritt in solchen Fällen als Auffangtatbestand hinter der vollendeten Einfuhr zurück (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 3. September 2015 – 1 StR 322/15 mwN). Dieser Teil des Schuldspruchs hatte deshalb entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts zu entfallen. Der Senat schließt aus, dass sich der Wegfall des tateinheitlichen Schuldspruchs auf die Bemessung der in diesem Fall verhängten Einzelstrafen ausgewirkt hätte, zumal das Landgericht an keiner Stelle der Strafzumessung auf den wegfallenden Schuldspruch Bezug genommen hat.
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- 2. Im Fall 2 der Urteilsgründe tragen die Feststellungen des Landgerichts den Schuldspruch der (mittäterschaftlichen) Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch die beiden Angeklagten nicht, wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt hat. Denn anders als im Fall 1 der Urteilsgründe hatten beide Angeklagte keinerlei konkreten Einfluss auf die Fahrt des von ihnen beauftragten Kuriers (vgl. zu den Anforderungen BGH, Beschluss vom 31. März 2015 – 3 StR 630/14, StV 2015, 632). Ob in diesem Fall anstelle von Täterschaft eine (Ketten-)Anstiftung des Kuriers durch beide Angeklagte hinsichtlich der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Frage kommt, wird der neue Tatrichter klären müssen. Dem Senat ist insoweit eine eigene Änderung des Schuldspruchs verwehrt (vgl. § 265 StPO). Um dem neuen Tatrichter hierzu umfassende widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat die zu diesem Fall getroffenen Feststellungen insgesamt auf.
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- 3. Der Wegfall der in Fall 2 verhängten Einzelstrafen, die zugleich jeweils die Einsatzstrafen sind, führt zur Aufhebung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen.
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- 4. Da die aufgezeigten Rechtsfehler beide Angeklagten gleichermaßen betreffen, war die Entscheidung gemäß § 357 StPO auch auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten P. zu erstrecken.
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.