Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juni 2013 - 1 StR 168/13

bei uns veröffentlicht am05.06.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 168/13
vom
5. Juni 2013
in der Strafsache
gegen
wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Juni 2013 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 11. Januar 2013 wird auf seine Kosten verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine dagegen gerichtete Revision ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

I.


2
1. Gegen das am 11. Januar 2013 in Anwesenheit des Angeklagten verkündete Urteil haben für diesen Rechtsanwalt E. am 17. Januar 2013 (Bl. 4151 der Sachakten) sowie Rechtsanwalt Dr. En. am 18. Januar 2013 (Bl. 4155 der Sachakten) Revision eingelegt. Beide Revisionsschriften rügen die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Nachdem das schriftliche Urteil am 6. Februar 2013 der den Angeklagten vor dem Landgericht verteidigenden Rechtsanwältin C. zugestellt worden war (Bl. 4227 der Sachakten), hat Rechtsanwalt E. die Sachrüge mit einem am 5. März 2013 eingegangenen Schriftsatz näher ausgeführt (Bl. 4295 der Sachakten).
3
2. Damit ist die Revision des Angeklagten zulässig eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel ist nicht durch einen am 13. März 2013 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz von Rechtsanwalt Dr. En. (Bl. 4305 der Sachakten) wirksam zurückgenommen worden. Zum Zeitpunkt der Rücknahmeerklärung fehlte diesem die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten zur Rücknahme der Revision.
4
a) Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob Rechtsanwalt Dr. En. ursprünglich im Rahmen der Mandatserteilung aufgrund des Inhalts der von dem Angeklagten unter dem Datum vom 18. Juli 2011 unterzeichneten Vollmachtsurkunde (dort Ziffer 11; Bl. 795 der Sachakten) eine solche ausdrückliche Ermächtigung eingeräumt worden war. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine - wie hier - bei Übernahme des Mandats im Rahmen der Vollmachtserteilung eingeräumte allgemeine Ermächtigung zur Rücknahme von Rechtsmitteln als ausdrückliche Ermächtigung gemäß § 302 Abs. 2 StPO nicht für genügend erachtet worden (BGH, Beschluss vom 2. August 2000 - 3 StR 284/00, NStZ 2000, 665; näher auch zu abweichenden Auffassungen Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, 2011, § 302 Rn. 51 mwN).
5
b) Selbst wenn aber eine solche formularmäßig und vor Ergehen der später angefochtenen Entscheidung erklärte Ermächtigung den gesetzlichen Anforderungen genügen sollte, hat der Angeklagte die Ermächtigung gegenüber Rechtsanwalt Dr. En. wirksam und rechtzeitig widerrufen, bevor die Rücknahmeerklärung bei dem Landgericht eingegangen ist. Dem liegt folgendes Geschehen zugrunde:
6
aa) Unter dem Datum vom 25. Februar 2013 richtete Dr. En. ein Schreiben an den Angeklagten, in dem der Verteidiger mitteilte, auftragsgemäß Revision eingelegt zu haben (Bl. 4335 der Sachakten). Weiterhin wies Dr. En. auf eine Zusage des Angeklagten hin, 1.500 Euro als Honorar zu entrichten, was bislang nicht geschehen sei. Der Verteidiger kündigte in dem Schreiben unter Hinweis auf die ausgebliebene Zahlung und die fehlende Reaktion des Angeklagten an, innerhalb der nächsten vier Tage die Revision zurücknehmen zu wollen. Mit einem weiteren, auf den 1. März 2013 datierten Schreiben an den Angeklagten führte Dr. En. aus, ein Telefonat mit dem Angeklagten mit äußerster Verärgerung zur Kenntnis genommen zu haben, weil jener in dem Telefongespräch bestritten habe, ihn (Dr. En. ) mit der Einlegung der Revision beauftragt und die Zahlung von 1.500 Euro zugesagt zu haben (Bl. 4337 der Sachakten). Wörtlich heißt es in dem Schreiben:
7
„… so gehe ich davon aus, dass es sich um ein Missverständ- nis handelt. Ich werde daher die Revision am 6. März 2013, 16.00 Uhr gegenüber dem Landgericht in Heidelberg zurücknehmen, sollte bis dahin dieses Missverständnis nicht dadurch geklärt werden, indem Sie mir die für den Fall der Einlegung der Revision zugesagten € 1.500,-- überwiesen haben“.
8
Rechtsanwalt Dr. En. hat in einem Telefonat mit dem Berichterstatter des Senats (vgl. Vermerk Bl. 4339 und 4341 der Sachakten) diesen Ablauf bestätigt und weiter erklärt, eine Zahlung des Angeklagten sei ausgeblieben, so dass er (Dr. En. ) mit Schriftsatz vom 7. März 2013 die Revision zurückgenommen habe.
9
bb) Bei dieser Sachlage hat der Angeklagte eine etwaige, in der Vollmachtsurkunde vom 18. Juli 2011 erklärte ausdrückliche Ermächtigung widerrufen. Ein solcher Widerruf ist dem Angeklagten grundsätzlich jederzeit und unabhängig von dem Fortbestehen des Mandatsverhältnisses gestattet (BGH, Beschluss vom 15. November 2006 - 2 StR 429/06, NStZ-RR 2007, 151; Cirener in Graf, StPO, 2. Aufl., 2012, § 302 Rn. 28 mwN). Da eine bestimmte Form für die Widerrufserklärung im Gesetz nicht vorgesehen ist, kommt ein solcher auch durch schlüssiges Verhalten in Betracht (OLG München, NStZ 1987, 342). Adressaten des Widerrufs können sowohl das Gericht als auch der Verteidiger sein (BGH aaO). Der Widerruf hebt die zuvor erteilte ausdrückliche Ermächtigung auf, wenn die entsprechende Widerrufserklärung zeitlich vor dem Eingang der Rücknahmeerklärung bei dem zuständigen Gericht den Adressaten erreicht (BGH aaO; BGH, Beschluss vom 8. März 2005 - 4 StR 573/04, NStZ-RR 2005, 211; vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt auch BGH, Beschluss vom 19. Juni 2012 - 3 StR 190/12, NStZ-RR 2012, 318). So verhält es sich hier.
10
Das Gesamtverhalten des Angeklagten mit dem von Rechtsanwalt Dr. En. selbst berichteten Bestreiten, diesen überhaupt mit der Einlegung des Rechtsmittels beauftragt und ein Honorar versprochen zu haben, sowie das Ausbleiben einer Zahlung selbst nach der Ankündigung des Verteidigers, die Revision zurückzunehmen, stellen sich als konkludente Widerrufserklärung dar. Das gilt jedenfalls angesichts des weiteren Umstandes, dass der Angeklagte nach dem Ergehen des landgerichtlichen Urteils Rechtsanwalt E. mit der Einlegung der Revision beauftragt hatte (vgl. Bl. 4329 und Bl. 4331 der Sachakten ), die dieser dementsprechend auch am 17. Januar 2013 erhoben und am 5. März 2013 zur Sachrüge näher begründet hat. Angesichts dessen kommt dem Schweigen des Angeklagten (vgl. dazu auch im Zusammenhang mit § 302 Abs. 2 StPO OLG Oldenburg StraFo 2010, 347) auf die mit der Ankündigung der Rücknahme verbundene Aufforderung zur Zahlung des Pauschalhonorars ein eindeutiger, den Widerruf der Ermächtigung beinhaltender Aussagegehalt zu. Es kann deshalb offen bleiben, ob bereits allein der Umstand der Mandatierung eines anderen Verteidigers (hier: Rechtsanwalt E. ) als Widerruf der dem früheren Verteidiger erteilten ausdrücklichen Ermächtigung zu werten ist (vgl. Frisch in Systematischer Kommentar zur StPO, 3. Aufl. 16. Lfg., § 302 Rn. 75). Der konkludente Widerruf der Ermächtigung hat Rechtsanwalt Dr. En. auch vor dem erst am 13. März 2013 erfolgenden Eingang der Rücknahmeerklärung bei dem Landgericht erreicht. Denn der Widerruf liegt gerade in dem dem Verteidiger sogar vor dem Absenden der Rücknahmeerklärung bekannt gewordenen Gesamtverhalten des Angeklagten.
11
3. Da die Revision des Angeklagten nicht wirksam zurückgenommen worden ist, erweist sich der Beschluss des Landgerichts Heidelberg vom 13. März 2013, mit dem ihm wegen der durch Rechtsanwalt Dr. En. (unwirksam ) erklärten Rücknahme des Rechtsmittels die dafür entstandenen Kosten auferlegt worden sind, als gegenstandslos. Da die Rücknahme unwirksam war, ist die Sache bei dem Senat anhängig (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2009 - 1 StR 61/09), so dass dieser mit der Gegenstandslosigkeit des landgerichtlichen Beschlusses befasst ist.
12
4. Wegen der zulässig erhobenen und nicht wirksam zurückgenommenen Revision sind der Antrag des Angeklagten vom 2. April 2013 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur sofortigen Beschwerde gegen den genannten Beschluss des Landgerichts sowie die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ebenfalls gegenstandslos (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2011 - 1 StR 381/10, wistra 2011, 315).

II.


13
In der Sache bleibt die Revision des Angeklagten ohne Erfolg. Aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwaltes vom 6. Mai 2013 genannten Gründen enthält das angefochtene Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
Wahl Rothfuß Graf
Radtke Zeng

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Strafprozeßordnung - StPO | § 302 Zurücknahme und Verzicht


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(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 573/04
vom
8. März 2005
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. März 2005 beschlossen:
Die als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts anzusehende "Beschwerde" des Angeklagten gegen den Beschluß des Landgerichts Halle vom 26. Oktober 2004 wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung , vorsätzlicher Körperverletzung in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz, sowie wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen.
Nachdem die Staatsanwaltschaft ihre zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision zurückgenommen hatte, hat der Pflichtverteidiger des Angeklagten mit Schriftsatz vom 26. August 2004 "in Vollmacht handelnd" die form- und fristgerecht gegen das Urteil eingelegte Revision des Angeklagten zurückgenommen. Dieser Schriftsatz ist dem Landgericht per Fax übermittelt worden und dort am 27. August 2004 um 8.35 Uhr eingegangen. Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 23. September 2004 "die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Wiederzulassung der Revision mit Revisionsbegründung" beantragt. Sein Verteidiger hat dazu ausgeführt : Bei einem Gespräch in der Justizvollzugsanstalt am 26. August 2004
habe der Angeklagte mündlich einer Revisionsrücknahme zugestimmt. Davon, daß der Angeklagte anschließend noch an demselben Tage versucht habe, ihn über einen Bekannten zu veranlassen, die "abgegebene Revisionsbegründung und damit die Revision bestehen zu lassen", habe er erst nach seiner Rückkehr aus einem Auslandsurlaub Kenntnis erlangt. Als der Bekannte des Angeklagten ihn am 27. August 2004 in der Kanzlei habe aufsuchen wollen, habe er sich bereits auf der Fahrt in den Urlaub befunden. Seine Sekretärin habe deshalb nichts veranlassen können, zumal die Rücknahmeerklärung bereits an das Landgericht abgesandt worden war.
Das Landgericht hat den Antrag des Angeklagten mit Beschluß vom 26. Oktober 2004 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, daß die Revision wirksam zurückgenommen wurde. Gegen diesen Beschluß, der seinem Verteidiger am 12. November 2004 zugestellt wurde, hat der Angeklagte mit Schreiben vom 5. November 2004, das an demselben Tage beim Landgericht eingegangen ist, "Beschwerde" eingelegt. Die als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts anzusehende "Beschwerde" hat keinen Erfolg.
1. Wird die Wirksamkeit einer Revisionsrücknahme von einem Verfahrensbeteiligten in Zweifel gezogen, so ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Sache des Revisionsgerichts, hierüber eine feststellende Erklärung zu treffen (vgl. nur BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 8 m.w.N.; BGH NStZ 2001, 104 sowie hierzu Kuckein in KK 5. Aufl. § 346 Rdn. 3). Zwar wird die Auffassung vertreten, daß bis zum Eingang der Akten beim Rechtsmittelgericht insoweit die Zuständigkeit des judex a quo gegeben ist (vgl. Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 302 Rdn. 76; ebenso wohl auch Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 302 Rdn. 11 a; vgl. auch BGHSt
12, 217, 219). Ob dies auch dann gelten kann, wenn von einem Verfahrensbeteiligten die Wirksamkeit der Rücknahme bereits in Zweifel gezogen worden war, mag dahinstehen. Jedenfalls ist das Rechtsmittelgericht nach einer Entscheidung durch den judex a quo und bei Fortbestehen des Streites zur abschließenden Entscheidung über die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme berufen (vgl. BGH, Beschluß vom 20. Juli 2004 - 4 StR 249/04). Ob eine solche Entscheidung im Revisionsverfahren in analoger Anwendung des § 346 Abs. 2 StPO einen entsprechenden (fristgebundenen) Antrag voraussetzt oder aber die Entscheidung des Revisionsgerichts formlos und ohne Einhaltung einer Frist herbeigeführt werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung, weil die "Beschwerde" des Angeklagten beim Landgericht bereits vor der förmlichen Zustellung des Beschlusses eingegangen ist.
2. Die Revision ist wirksam zurückgenommen.
Der Verteidiger hatte die gemäß § 302 Abs. 2 StPO zur Zurücknahme eines Rechtsmittels erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten , als er die Absendung des von ihm unterzeichneten Schriftsatzes vom 26. August 2004 veranlaßte, mit dem die Rücknahme der Revision erklärt wurde. Seine bei der Besprechung mit seinem Verteidiger erklärte Zustimmung reicht hierfür aus. Eine bestimmte Form ist für die Ermächtigung nicht vorgeschrieben (vgl. Meyer-Goßner aaO § 302 Rdn. 32 m.N.). Für den Nachweis der Ermächtigung, der noch nach Abgabe der Erklärung geführt werden kann (vgl. BGHSt 36, 259, 260 f.), genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers (vgl. Meyer-Goßner aaO Rdn. 33 m.N.).
Der Verteidiger war auch zum Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes vom 26. August 2004 beim Landgericht noch zur Zurücknahme der Revision ermächtigt. Zwar ist der Widerruf einer solchen Ermächtigung zulässig und wird schon dann wirksam, wenn ihn der Angeklagte mündlich oder fernmündlich dem Gericht oder seinem Verteidiger gegenüber erklärt (vgl. Meyer-Goßner aaO Rdn. 34 m.N.). Der Widerruf führt zum Erlöschen der dem Verteidiger erteilten Ermächtigung (vgl. BGHSt 10, 245, 246), zur Unwirksamkeit auch der Rücknahmeerklärung jedoch nur dann, wenn er vor der Rücknahmeerklärung bei dem Gericht eingegangen ist. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Als der Bekannte des Angeklagten die Kanzlei aufsuchte, um dem Verteidiger des Angeklagten mitzuteilen, daß die Revision durchgeführt werden solle, war die Rücknahmeerklärung bereits per Fax bei dem Landgericht eingegangen. Ein Fall, in dem ausnahmsweise die Unwirksamkeit einer von einem hierzu ermächtigten Verteidiger erklärten Zurücknahme des Rechtsmittels angenommen werden könnte (vgl. Ruß in KK 5. Aufl. § 302 Rdn. 13), liegt ersichtlich nicht vor.
An die danach wirksame Rücknahme der Revision ist der Angeklagte gebunden, denn die Rücknahme eines Rechtsmittels ist unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 8; BGH, Beschluß vom 13. Mai 2003 - 4 StR 135/03; BGH, Beschluß vom 28. Juli 2004 – 2 StR 199/04). Es kann dahinstehen, ob der Antrag auf „Wiederzulassung der Revision mit Revisionsbegründung“ entgegen seinem Wortlaut dahin auszulegen ist, daß erneut Revision eingelegt und insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wird. Die erneute Einlegung und auch ein entsprechender Wiedereinsetzungsantrag wären jedenfalls unzulässig (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 7 m. N.). In der Zurücknahme eines Rechtsmittels liegt regelmäßig der Verzicht auf die Wiederholung des Rechtsmittels
(BGHSt 10, 245, 247). Zudem war die zurückgenommene Revision zunächst form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden. Sind aber keine Fristen im Sinne
des § 44 StPO versäumt, ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 2 und 7).
VRi'inBGH Dr. Tepperwien ist Maatz Athing krankheitshalber verhindert zu unterschreiben. Maatz
Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 190/12
vom
19. Juni 2012
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Juni 2012

beschlossen:
Es wird festgestellt, dass die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 13. Dezember 2011 wirksam zurückgenommen ist.
Der Antrag des Beschuldigten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat gegen den Beschuldigten die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die vom Verteidiger rechtzeitig eingelegte Revision hat dieser mit Schriftsatz vom 23. Februar 2012 zurückgenommen. Hiergegen hat sich der Beschuldigte mit Schreiben vom 28. Februar 2012 gewandt und vorgetragen, er habe "die Revision nicht … einstellen lassen und auch nicht über den Pflichtverteidiger" …, weil er "mit ihm diesbezüglich keine Absprachen getroffen habe". Außerdem bitte er "um Wiedereinsetzung in den alten Stand, d.h. Unterbringung gemäß § 126a StPO". Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 14. März 2012 erklärt, dass er bei dem letzten Gespräch mit dem Beschuldigten "aufgrund der Diskussion über die Erfolgsaussichten der Revision und der daraufhin von Herrn S. getätigten Aussagen unmissverständlich davon ausgehen" musste, dass "die Revision nicht durchgeführt werden soll".
2
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt : "Wird die Wirksamkeit einer Rechtsmittelrücknahme von einem Verfahrensbeteiligten bestritten, ist in der Regel eine feststellende Klärung durch förmliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts angezeigt (BGH NStZ 2001, 104; BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 8). Diese führt hier zur deklaratorischen Feststellung, dass die Revision des Beschuldigten vom 16. Dezember 2011 am 23. Februar 2012 durch seinen Verteidiger, Rechtsanwalt V. , wirksam zurückgenommen wurde. 1. Der Verteidiger war zur Rechtsmittelrücknahme wirksam ermächtigt. Dies ergibt sich schlüssig aus seinem Vortrag mit Schriftsatz vom 14. März 2012 (Bl. 97, Band II d. A.). Danach musste der Verteidiger unmissverständlich nach einer Diskussion der Erfolgsaussichten davon ausgehen, dass die Revision nicht durchgeführt werden soll. Zweifel an der Darstellung des Verteidigers bestehen nicht und ergeben sich auch nicht daraus, dass sich der Beschuldigte von der Revisionsrücknahme überrascht zeigt und eine Ermächtigung in Abrede stellt. Für die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung ist eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben. Sie kann auch mündlich erfolgen und braucht nicht ausdrücklich erklärt zu werden (BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 6). Für den Nachweis der Ermächtigung, der noch nach Abgabe der Erklärung geführt werden kann, genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers (BGH NStZ-RR 2010, 55; NStZ-RR 2005, 211, 212; NStZ 2001, 104; BGH, Beschluss vom 13. September 2007 - 4 StR 394/07).
Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit der Ermächtigung ergeben sich nicht deshalb, weil die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten nach den Urteilsfeststellungen im Tatzeitpunkt nicht sicher ausschließbar vollständig aufgehoben war (UA S. 14). Eine wirksame Ermächtigung setzt lediglich voraus, dass der Ermächtigende bei Abgabe seiner Erklärung verhandlungsfähig im Sinne des Strafverfahrensrechts und in der Lage ist, die Bedeutung von Prozesserklärungen zu erkennen (BGH NStZ 83, 280). Weder die Urteilsgründe noch das Hauptverhandlungsprotokoll ergeben einen Hinweis darauf , dass der Beschuldigte verhandlungsunfähig war. Er hat aktiv an der Verhandlung mitgewirkt und sich zum Tatvorwurf eingelassen. Hatte das Tatgericht - wie hier - keine Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten, so kann diese grundsätzlich auch vom Revisionsgericht bejaht werden (Senat NStZ-RR 2002, 101 f.; BGH NStZ 1984, 181; NStZ 1996, 297). Hinzu kommt, dass die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten ausweislich der Urteilsfeststellungen zum Tatzeitpunkt weder erheblich vermindert noch aufgehoben war, und der Beschuldigte trotz seiner wahnhaften Erkrankung moralische Normen und Werte nennen und begründen konnte (UA S. 13). Anhaltspunkte dafür, dass sich nach der Hauptverhandlung Änderungen im psychischen Zustand des Beschuldigten ergeben haben, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten , liegen nicht vor. Die am 5. März 2012 beim Landgericht Oldenburg eingegangene und als Widerruf anzusehende Erklärung des Beschuldigten, wonach er mit seinem Verteidiger keine Absprache betreffend die Rücknahme der Revision getroffen habe und Rechtsanwalt V. keine 'Auftragsbestätigung hinsichtlich der Aufhebung der Revision' erhalte, vermag nicht zum Erlöschen der dem Verteidiger erteilten Ermächtigung zu führen, weil sie nicht vor der Rücknahmeerklärung bei Gericht eingegangen ist (vgl. Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. § 303 Rdnr. 35 mwN). 2. An die danach wirksame Rücknahme der Revision ist der Beschuldigte gebunden; sie ist unwiderruflich und unanfechtbar (BGH NStZ 1983, 280, 281). Der Wiedereinsetzungsantrag des Beschuldigten ist unzulässig. Das Revisionsverfahren ist durch die wirksame Rücknahme des Rechtsmittels abgeschlossen (BGH NStZ-RR 2010, 55; NStZ 2001, 104).
3. Im Übrigen wäre die Revision bei unterstellter Unwirksamkeit der Rücknahme unzulässig, weil sie entgegen § 344 StPO nicht begründet worden ist (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 3). Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist lägen mangels formgerechtem Antrag (§§ 45 Abs. 2 Satz 2, 344 Abs. 1, 2 Satz 1, 345 Abs. 2 StPO) nicht vor."
3
Dem schließt sich der Senat an.
Becker Pfister Hubert Mayer Spaniol

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 61/09
vom
3. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. März 2009 beschlossen:
Der Angeklagte hat die Kosten der von ihm eingelegten und rechtswirksam zurückgenommenen Revision gegen das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 14. Oktober 2008 und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen (§ 473 Abs. 1 StPO). Über die sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung im vorbezeichneten Urteil hat das Oberlandesgericht zu entscheiden.

Gründe:


1
Das Revisionsgericht ist für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen die dort getroffene Kostenentscheidung gemäß § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO unzuständig. Es ist nur zuständig, solange es mit der Revision befasst ist. Nach erfolgter Rücknahme der Revision hat über die sofortige Beschwerde das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 121 Abs. 1 Nr. 2 GVG). Nack Kolz Hebenstreit Elf Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 381/10
vom
20. Mai 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt u.a.
hier: Anhörungsrüge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Mai 2011 beschlossen:
1. Die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen den Senatsbeschluss vom 16. November 2010 wird auf seine Kosten als unzulässig zurückgewiesen. 2. Die Anträge des Verurteilten, ihm gegen die Versäumung der Frist (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO) zur Antragstellung auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 356a Satz 2 StPO und gegen die Versäumung der Frist des § 356a Satz 2 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, sind gegenstandslos.

Gründe:

1
Mit Urteil des Landgerichts Landshut vom 19. März 2010 wurde C. wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 31 Fällen und wegen Erschleichens einer Aufenthaltsgenehmigung in elf Fällen zu der Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen zu jeweils 20 € verurteilt. Gegen dieses Urteil legten sowohl der Angeklagte wie auch die Staatsanwaltschaft Revision ein. Das Rechtsmittel des Angeklagten verwarf der Senat mit Beschluss vom 16. November 2010 als unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO. Die Entscheidung wurde von der Geschäftsstelle des Senats am 18. November 2010 auch an den Angeklagten zur Übermittlung auf dem Postweg abgeschickt. Die Staatsanwaltschaft nahm ihre Revision zurück. Über die Kosten dieses Rechtsmittels entschied der Senat mit Beschluss vom 2. Dezember 2010.
2
Mit Schriftsatz vom 3. Januar 2011 erhob der Verteidiger für den Angeklagten Gegenvorstellung gegen den Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2010.
3
Der Berichterstatter richtete dazu folgendes Schreiben an den Verteidiger : "Nach der Begründung der Gegenvorstellung soll sich diese wohl gegen den Senatsbeschluss vom 16. November 2010 richten, mit dem die Revision des Verurteilten verworfen wurde. Die Gegenvorstellung wäre dann in eine - befristete - Anhörungsrüge gemäß § 356a StPO umzudeuten (§ 300 StPO). Dies ist bei der Geltendmachung der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs bei Revisionsentscheidungen die speziellere Regelung. Die an keine Frist gebundene Gegenvorstellung ist deshalb daneben ebenso wenig statthaft wie die ebenfalls unbefristete Beanstandung der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß § 33a StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2009 - 1 StR 444/08). Die Gehörsrüge dürfte aber verspätet sein (vgl. § 356a Satz 2 StPO). Der Zeitpunkt der Kenntnisnahme von der Senatsentscheidung (vgl. § 356a Satz 3) ist bislang auch nicht glaubhaft gemacht.
Sollte eine über die Frage der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hinausgehende nochmalige rechtliche Überprüfung des Verwerfungsbeschlusses und dessen Abänderung begehrt werden, ist darauf hinzuweisen, dass dem Senat eine Abänderung seiner Entscheidung verwehrt ist. Die Rechtskraft kann nur unter den Voraussetzungen des § 356a StPO durchbrochen werden. Darüber hinausgehende Rechtsbehelfe sind nicht statthaft."
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Der Verteidiger reagierte hierauf mit Schreiben vom 25. Januar 2011. Er beantragte, seinem Mandanten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 356a Satz 2 StPO, als auch gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO zu gewähren. Den Mandanten treffe an der Säumnis keine Schuld. Der Verteidiger trage hierfür die Verantwortung, wie von ihm im Einzelnen dargelegt wird. Wann der Beschluss des Senats vom 16. November 2010 bei ihm eingegangen sei, wisse er nicht, da er versehentlich keinen Eingangsstempel angebracht habe und der Posteingang bei ihm auch nicht anderweitig erfasst werde. Am 29. November 2010 habe er den Senatsbeschluss seinem Mandanten per E-mail übersandt und darüber auch mit diesem telefoniert. Wann sein Mandant die an diesen von der Geschäftsstelle des Senats am 18. November 2010 abgeschickte Entscheidung erhalten hat, teilt der Verteidiger nicht mit und wird dementsprechend auch nicht glaubhaft gemacht. Er sei von der Möglichkeit einer fristunabhängigen Gegendarstellung ausgegangen; so habe er seinen Mandanten auch informiert. Die Regelung des § 356a StPO habe er übersehen. Das Schreiben des Senats vom 7. Januar 2011 habe er am 10. Januar 2011 erhalten. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen habe er weder die Wiedereinsetzungsfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO, noch eine Wiedervorlagefrist notiert.
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Die Gehörsrüge ist schon deshalb unzulässig, weil nicht mitgeteilt sowie nicht glaubhaft gemacht wird und auch sonst nicht ersichtlich ist, wann der Verurteilte vom Verwerfungsbeschluss des Senats vom 16. November 2010, der an diesen am 18. November 2010 abgeschickt wurde, Kenntnis erlangt hat.
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Auf die Wiedereinsetzungsanträge wegen eventueller Fristversäumnisse kommt es daher nicht mehr an. Sie sind gegenstandslos.
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Ein etwaiges Verschulden des Verteidigers an der Versäumung einer Frist wäre seinem Mandanten im Verfahren über die Gehörsrüge allerdings zuzurechnen. Zwar sind im Strafverfahren schwerwiegende Verteidigerfehler, wie etwa die Unkenntnis von der Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels, die zur Fristversäumung führen, dem Beschuldigten in aller Regel nicht anzulasten. Dies gilt jedoch entsprechend § 93 Abs. 2 Satz 6 BVerfGG nicht bei der Frage, ob die Versäumung der Wochenfrist des § 356a Satz 2 StPO unverschuldet war (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2008 - 1 StR 162/08, Rn. 17 f.).
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Sollte der Verurteilte - wofür allerdings nichts spricht - doch erst am 29. November 2010 über seinen Verteidiger von der Erfolglosigkeit seines Rechtmittels Kenntnis erlangt haben, wäre die in einen Antrag nach § 356a StPO umzudeutende (§ 300 StPO) Gegenvorstellung seines Verteidigers noch innerhalb der Frist des § 356a Satz 2 StPO beim Senat eingegangen. Die Wiedereinsetzungsanträge wären deshalb auch dann gegenstandslos.
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Der Anhörungsrüge bliebe aber gleichwohl der Erfolg versagt. Denn eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Der Senat hat bei seiner Entscheidung zum Nachteil des Verurteilten weder Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen dieser nicht gehört worden wäre, noch hat er bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen.
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