Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Apr. 2010 - 1 StR 124/10

bei uns veröffentlicht am27.04.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 124/10
vom
27. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. April 2010 gemäß §§ 154
Abs. 2, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 26. November 2009 wird auf Antrag des Generalbundesanwalts das Verfahren vorläufig eingestellt, soweit der Angeklagte im Komplex D Tat 1 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Rechtsmittels. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte trägt die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe:

1
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 17. März 2010 unter anderem ausgeführt:
2
"Bedenklich erscheint die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall D 1. Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts (BGHSt 51, 219, 221). Es bedarf insoweit einer wertenden Betrachtung aller von der Vorstellung der Beteiligten umfassten Umstände. Dabei können wesentliche Kriterien das eigene Interesse am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille hierzu sein.
3
Nach diesen Maßstäben bestehen erhebliche Zweifel, die Tathandlung des Angeklagten im Fall D 1 als täterschaftliches Handeltreiben und nicht lediglich als Beihilfe hierzu zu werten. Zwar könnten die Feststellungen mit der Formulierung 'zahlte sie G. … jedenfalls die zur Verfügung gestellten 300,- € zurück' (UA S. 46/47) einen Hinweis auf ein eigennütziges Handeln des Angeklagten bieten; die Kammer hat jedoch nicht konkret festgestellt, dass der Beschwerdeführer über seinen hingegebenen Betrag von 300,- € hinaus zur Finanzierung der Drogen einen Erlös erzielt hat. Folglich entfaltete er keine erhebliche , über die Gewährung eines 'Darlehens' hinausgehende Tätigkeit. In das eigentliche Umsatzgeschäft war er nach den Feststellungen nicht eingebunden. Täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten standen ihm insoweit nicht zu.
4
Zur Vereinfachung bietet sich hier an, das Verfahren bezüglich dieser Tat gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig einzustellen. Der Schuldvorwurf der einzustellenden Tat hat im Vergleich zu der Vielzahl der weiteren verfahrensgegenständlichen Taten nur geringes Gewicht. Die hierfür ausgesprochene Freiheitsstrafe von einem Jahr fällt neben den anderen ausgesprochenen Einzelfreiheitsstrafen nicht beträchtlich ins Gewicht (§ 154 Abs. 1, 2 StPO)."
5
Dem schließt sich der Senat an und hat hinsichtlich des Tatvorwurfs D Fall 1 der Urteilsgründe das Verfahren insoweit nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt.
6
Unter Berücksichtigung dieses Umstandes und der vielfachen weiteren, zur Aburteilung gekommenen Straftaten kann der Senat ausschließen, dass die Strafkammer eine niedrigere Gesamtstrafe als sieben Jahre ausgesprochen hätte, wenn die Tat D 1 mit einer festgesetzten Einzelstrafe von einem Jahr nicht in die Gesamtstrafenbildung vom Landgericht einbezogen worden wäre; denn auch nach der Einstellung verbleiben 88 Einzelstrafen zwischen neun Monaten und drei Jahren sechs Monaten.
7
Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund des Revisionsvorbringens keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Nack Rothfuß Hebenstreit Elf Graf

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Apr. 2010 - 1 StR 124/10 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Referenzen

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.