Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 14. Nov. 2017 - 9 ZB 16.30629

published on 14/11/2017 00:00
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 14. Nov. 2017 - 9 ZB 16.30629
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Gericht

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Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Kläger ist albanischer Staatsangehöriger und begehrt wegen der Gefahr einer Blutrache die Zuerkennung subsidiären Schutzes sowie die Feststellung, dass Abschiebungshindernisse bezüglich Albanien bestehen. Mit Urteil vom 26. September 2016 wies das Verwaltungsgericht seine Asylklage ab. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung des Klägers. Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird. Erforderlich ist die Formulierung einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage und das Aufzeigen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist, sowie weshalb dieser Frage eine allgemeine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 9 ZB 17.30994 – juris Rn. 2 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Diesen Anforderungen wird die Zulassungsbegründung des Klägers vom 7. November 2016 bereits nicht gerecht. Das Vorbringen beschränkt sich auf die Aussage, die „Behandlung der Blutrache in Albanien, die Frage einer inländischen Fluchtalternative in Albanien und die Frage, ob der albanische Staat tatsächlich effektiv in der Lage ist, Gefahren der Blutrache zu verhindern, sind ober- und höchstrichterlich nicht eindeutig geklärt“. Eine Entscheidungserheblichkeit und über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung wird damit nicht hinreichend dargelegt. Unabhängig davon hat der Antrag auch ansonsten keinen Erfolg.

1. Das Vorbringen des Klägers, er habe glaubhaft dargelegt, dass er von Blutrache bedroht sei und die von ihm vorgelegten Unterlagen belegten klar, dass die Blutracheproblematik tatsächlich bestehe, ist nicht entscheidungserheblich. Denn das Verwaltungsgericht hat in seinen Urteilsgünden offen gelassen, ob die behauptete Gefahr, Opfer einer Blutrachetat zu werden, beim Kläger hinreichend konkret ist. Es hat vielmehr darauf abgestellt, dass der albanische Staat die Blutrache ablehnt, sie bekämpft und Schutz vor ihr gewähren kann sowie dass nicht festgestellt werden kann, dass ein Schutzersuchen des Klägers bzw. eine Strafanzeige bei der (albanischen) Polizei von vornherein aussichtslos wäre (UA S. 7 f.).

2. Soweit der Kläger die Frage für klärungsbedürftig hält, ob der albanische Staat tatsächlich effektiv in der Lage ist, Gefahren der Blutrache zu verhindern, lässt sich diese Frage nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise ohne Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls beantworten. Denn auch wenn der albanische Staat grundsätzlich wirksamen Verfolgungsschutz vor Blutrache bietet, ist nicht auszuschließen, dass es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls für den Betroffenen unzumutbar sein kann, diesen Schutz im Heimatland auch in Anspruch zu nehmen (OVG NW, B.v. 25.4.2017 – 11 A 88/17.A – juris Rn. 8). Die sinngemäß daraus ableitbare Fragestellung, ob einem von Blutrache Betroffenem schon grundsätzlich kein innerstaatlicher Schutz zur Verfügung steht, bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren. Sie lässt sich auf der Grundlage der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen, vorliegenden und allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen sowie der obergerichtlichen Rechtsprechung zweifelsfrei beantworten. Danach ist davon auszugehen, dass der albanische Staat grundsätzlich willens und in der Lage ist, vor Übergriffen im Rahmen von Blutrachekonflikten Schutz zu bieten bzw. dagegen einzuschreiten oder solchen vorzubeugen (OVG NW, B.v. 25.4.2017 – 11 A 88/17.A – juris Rn. 9 ff. m.w.N.; BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 10 ZB 14.844 – juris Rn. 20). Selbst wenn es – wie der Kläger vorträgt – auch aktuell immer wieder Übergriffe im Rahmen der Blutracheproblematik gibt, ist nicht ersichtlich, dass eine im Einzelfall fehlende Schutzbereitschaft Ausdruck einer grundsätzlichen Schutzunwilligkeit oder Schutzunfähigkeit des albanischen Staates gegenüber solchen Gefahren wäre. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass ein Schutzersuchen an die albanischen Strafverfolgungsbehörden – welches der Kläger hier gar nicht angestrebt hat – von vornherein aussichtslos wäre (vgl. zum Ganzen: OVG NW, B.v. 25.4.2017 – 11 A 88/17.A – juris Rn. 13 ff.). Die lediglich anderweitige Bewertung der Erkenntnislage anderer Verwaltungsgerichte im jeweiligen Einzelfall ändert hieran nichts.

3. Gleiches gilt für die Frage einer inländischen Fluchtalternative in Albanien (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 10 ZB 14.844 – juris Rn. 20). Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass nur begrenzte inländische Fluchtalternativen bestehen. Dem tritt das Zulassungsvorbringen nicht entgegen, so dass es auf eine insoweit verallgemeinerungsfähige Frage nicht ankommt. Das Verwaltungsgericht hat beim Kläger auf individuelle Besonderheiten, insbesondere die Änderung des Vornamens und die Häufigkeit des Nachnamens, abgestellt (UA S. 9). Die vom Kläger geforderte anderweitige Bewertung der begrenzten inländischen Fluchtalterntive wegen einer Gefahr für Leib und Leben, begründet keine grundsätzliche Bedeutung. Die Zulassungsbegründung wendet sich damit vielmehr im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht. Ein solches Vorbringen ist kein im Asylverfahrensrecht vorgesehener Zulassungsgrund (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 9 ZB 17.30994 – juris Rn. 7).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen di
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published on 03/03/2016 00:00

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro fe
published on 08/08/2017 00:00

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag auf Zulassung der Ber
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published on 23/08/2018 00:00

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gründe I. Der Kläger, ein Staatsangehöriger der Republik Kosovo, wendet sich ge
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Annotations

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.