Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 03. Mai 2019 - 11 C 19.632

bei uns veröffentlicht am03.05.2019
vorgehend
Verwaltungsgericht München, M 27 K 18.3613, 17.01.2019

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Der Nichtabhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts München vom 21. März 2019 wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Abhilfe der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 17. Januar 2019 an das Verwaltungsgericht München zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Verwaltungsgericht München hat mit Urteil vom 17. Januar 2019 der Klage der Klägerin gegen die Rücknahme ihrer Zulassung zur Fahrlehrerprüfung stattgegeben und zugleich durch Beschluss den Streitwert auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 15. März 2019 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss. Er bat darum, eine auskömmliche Frist zur Begründung festzusetzen.

Ohne eine weitere Begründung abzuwarten und ohne dem Bevollmächtigten des Klägers eine Frist zur Einreichung einer Beschwerdebegründung zu setzen, erließ das Verwaltungsgericht München am 21. März 2019 einen Nichtabhilfebeschluss. Mit Schreiben vom gleichen Tag legte es die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof vor. Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2019 begründete der Prozessbevollmächtigte seine Beschwerde. Dabei wies er auf verschiedene gerichtliche Entscheidungen hin, mit denen für einen Antrag auf Zulassung zur Fahrlehrerprüfung ein Streitwert bis zu 15.000,- Euro festgesetzt worden ist.

II.

Die Beschwerde führt zur Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses und zur Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht, weil das Abhilfeverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist.

Das in § 148 VwGO geregelte Abhilfeverfahren begründet die Pflicht des Verwaltungsgerichts, im Falle der Anfechtung seiner Entscheidung zunächst zu prüfen, ob die Beschwerde begründet ist, und ihr in diesem Fall abzuhelfen. Das Abhilfeverfahren dient dabei der Selbstkontrolle des Gerichts und soll auch im Interesse der Verkürzung der Verfahren eine kostenverursachende Befassung des Beschwerdegerichts mit der Sache vermeiden und dieses entlasten. Werden mit der Beschwerde neue Tatsachen vorgetragen, ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, diese zu berücksichtigen und sich damit auseinanderzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 10.2.2015 - 5 C 15.81; OVG Berlin-Bbg, B.v. 1.7.2014 - OVG 10 M 65.13 - juris Rn. 6). Ist die Beschwerde ohne Begründung eingelegt worden, so ist der Beschwerdeführer mit Fristsetzung zur Begründung aufzufordern (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 148 Rn. 6; zur Wartepflicht des VG bei angekündigter Begründung auch NdsOVG, B.v. 20.5.2014 - 11 PA 186/13 - juris Rn. 6; OVG Berlin-Bbg, B.v. 4.12.2014 - OVG 9 M 21.14 - BeckRS 2014, 59619).

Im vorliegenden Fall wurde das Abhilfeverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Dem Beschwerdeschreiben war zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer beabsichtigte, die Beschwerde zu begründen. Er wollte es nur dem Verwaltungsgericht überlassen, ihm dafür eine angemessene Frist zu setzen. Ohne eine solche Frist zu setzen, legte das Verwaltungsgericht die Beschwerde aber bereits am 21. März 2019 dem Verwaltungsgerichtshof vor.

Der Senat macht von dem ihm eingeräumten Ermessen Gebrauch, dem Verwaltungsgericht die erneute Entscheidung über die Abhilfe der Beschwerde gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO zu übertragen (Happ in Eyermann, a.a.O. Rn. 8a). Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerdebegründung auf Entscheidungen verwiesen, die für die Annahme eines höheren Streitwerts sprechen könnten. Dem Verwaltungsgericht wird Gelegenheit gegeben, sich mit diesen Entscheidungen auseinanderzusetzen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 173


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Zivilprozessordnung - ZPO | § 572 Gang des Beschwerdeverfahrens


(1) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. § 318 bleibt unberührt.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 148


(1) Hält das Verwaltungsgericht, der Vorsitzende oder der Berichterstatter, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so ist ihr abzuhelfen; sonst ist sie unverzüglich dem Oberverwaltungsgericht vorzulegen. (2) Das Verwa

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Feb. 2015 - 5 C 15.81

bei uns veröffentlicht am 11.02.2015

Tenor I. Der Nichtabhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 5. Januar 2015 wird aufgehoben. II. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Abhilfe der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgericht

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(1) Hält das Verwaltungsgericht, der Vorsitzende oder der Berichterstatter, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so ist ihr abzuhelfen; sonst ist sie unverzüglich dem Oberverwaltungsgericht vorzulegen.

(2) Das Verwaltungsgericht soll die Beteiligten von der Vorlage der Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht in Kenntnis setzen.

Tenor

I.

Der Nichtabhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 5. Januar 2015 wird aufgehoben.

II.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Abhilfe der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2014 an das Verwaltungsgericht Regensburg zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Verwaltungsgericht Regensburg hat mit Beschluss vom 15. Dezember 2014 einen Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage abgelehnt. Mit dieser beabsichtigten Klage will der Kläger die Verurteilung der Beklagten erreichen, die Behauptung zu unterlassen, der Kläger habe im Zusammenhang mit einer von dem Amtsgericht Regensburg - Betreuungsgericht - festgesetzten Aufwandsentschädigung einen Sozialbetrug begangen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts wurde den Bevollmächtigten des Klägers am 18. Dezember 2014 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2014, beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangen am 23. Dezember 2014, erhob der Bevollmächtigte des Klägers hiergegen Beschwerde. Dabei wies er darauf hin, dass die Beschwerdeeinlegung wegen der bevorstehenden Feiertage einstweilen zur Fristwahrung erfolge. Ohne eine weitere Begründung abzuwarten und ohne dem Bevollmächtigten des Klägers eine Frist zur Einreichung einer Beschwerdebegründung zu setzen erließ das Verwaltungsgericht Regensburg am 5. Januar 2015 einen Nichtabhilfebeschluss. Mit Schreiben vom gleichen Tag legte es die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof vor. Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2015, beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangen am 13. Januar 2015, begründete der Bevollmächtigte des Klägers seine Beschwerde. Dabei wies er insbesondere darauf hin, dass den Erwägungen des Verwaltungsgerichts zum Fehlen einer Wiederholungsgefahr entgegenzuhalten sei, dass die ehrverletzende Äußerung gegenüber dem Kläger erst nach der Protokollierung des Anerkenntnisses im Verfahren vor dem Sozialgericht Regensburg erfolgt sei. Weiter verwies er auf Rechtsprechung zur Vermutung einer Wiederholungsgefahr.

II.

Die Beschwerde führt zur Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses und zur Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 572 Abs. 3 ZPO, weil das Abhilfeverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist.

Das in § 148 VwGO geregelte Abhilfeverfahren begründet die Pflicht des Verwaltungsgerichts, im Falle der Anfechtung seiner Entscheidung zunächst zu prüfen, ob die Beschwerde begründet ist, und ihr in diesem Fall abzuhelfen. Das Abhilfeverfahren dient dabei der Selbstkontrolle des Gerichts und soll auch im Interesse der Verkürzung der Verfahren eine kostenverursachende Befassung des Beschwerdegerichts mit der Sache vermeiden und dieses entlasten. Werden mit der Beschwerde neue Tatsachen vorgetragen, ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, diese zu berücksichtigen und sich damit auseinanderzusetzen (vergleiche OVG Berlin-Bbg B. v. 1.7.2014 - OVG 10 M 65.13 - juris Rn. 6). Ist die Beschwerde ohne Begründung eingelegt worden, so ist der Beschwerdeführer mit Fristsetzung zur Begründung aufzufordern (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 148 Rn. 6; zur Wartepflicht des VG bei angekündigter Begründung auch NdsOVG, B. v. 20.5.2014 - 11 PA 186/13 - juris Rn. 6; OVG Berlin-Bbg, B. v. 4.12.2014 - OVG 9 M 21.14 - BeckRS 2014, 59619).

Im vorliegenden Fall wurde das Abhilfeverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Dem Beschwerdeschreiben war zu entnehmen, dass wegen der bevorstehenden Weihnachtsfeiertage die Einlegung der Beschwerde zunächst fristwahrend erfolgen sollte. Mit einer solchen Einlassung lässt sich ein Rechtsanwalt üblicherweise zwei Optionen offen. Er kann nach vertiefter Prüfung der Angelegenheit seine Beschwerde wieder zurücknehmen oder aber eine Begründung für die bereits eingelegte Beschwerde abgeben. Mit einem weiteren Tätigwerden des Anwalts ist jedenfalls zu rechnen. Ohne das abzuwarten und auch ohne dem Anwalt vorher eine Frist zur Abgabe der Beschwerdebegründung (in der nicht besonders eilbedürftigen Sache) zu setzen, legte das Verwaltungsgericht die Beschwerde aber bereits am 5. Januar 2015 dem Verwaltungsgerichtshof vor.

Der Senat macht von dem ihm eingeräumten Ermessen Gebrauch, dem Verwaltungsgericht die erneute Entscheidung über die Abhilfe der Beschwerde zu übertragen (Happ in Eyermann, a. a. O. Rn. 8a). Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerdebegründung gewichtige Argumente vorgetragen, die für die Annahme einer Wiederholungsgefahr sprechen könnten. Dem Verwaltungsgericht wird Gelegenheit gegeben, sich mit diesen Argumenten auseinanderzusetzen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. § 318 bleibt unberührt.

(2) Das Beschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Erachtet das Beschwerdegericht die Beschwerde für begründet, so kann es dem Gericht oder Vorsitzenden, von dem die beschwerende Entscheidung erlassen war, die erforderliche Anordnung übertragen.

(4) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht durch Beschluss.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.