Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2016 - 10 CE 15.2640

bei uns veröffentlicht am26.01.2016
vorgehend
Verwaltungsgericht Augsburg, Au 1 E 15.1649 , 17.11.2015

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Unter Abänderung der Nr. I. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. November 2015 wird der Antragsgegnerin untersagt, aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegenüber dem Antragsteller einzuleiten und durchzuführen, bis über seine Anträge auf Erteilung einer Duldung von der zuständigen Ausländerbehörde entschieden ist.

II.

Unter Abänderung der Nr. II. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. November 2015 trägt die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren10 CE 15.2640 wird auf 1.250 Euro festgesetzt.

IV.

Unter Abänderung der Nr. IV. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. November 2015 wird dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Verfahren Au 1 E 15.1649 bewilligt und sein Bevollmächtigter Eberhard Bofinger, Augsburg, beigeordnet.

V.

Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren10 CE 15.2640 Prozesskostenhilfe bewilligt und sein Bevollmächtigter M. R., M1, beigeordnet.

Gründe

I.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag, der Antragsgegnerin im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nach § 123VwGO vorläufig zu untersagen, weitere aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn zu ergreifen, und ihm für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weiter.

Der Antragsteller ist iranischer Staatsangehöriger (geb. 13.10.1993) und hält sich seit 1991 im Bundesgebiet auf. Von 1997 bis 2006 war er im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Nach dem Widerruf seiner Anerkennung als Flüchtling war er bis Mai 2010 im Besitz von Duldungen. Danach wurden ihm wegen der fortlaufend von ihm begangenen Straftaten nur Grenzübertrittsbescheinigungen ausgestellt. Zuletzt war er im September 2014 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden. Aus der Strafhaft ist er am 15. Mai 2015 entlassen worden. Zuletzt hatte die Antragsgegnerin dem Antragsteller am 26. August 2014 eine bis 4. Mai 2015 gültige Duldung ausgestellt und ihm die Aufnahme einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit gestattet.

Der Antragsteller ist Vater einer Tochter mit deutscher Staatsangehörigkeit, zu der er keinen Kontakt hat, und zweier Töchter mit türkischer Staatsangehörigkeit (A. und Z.). Zu den beiden letztgenannten Mädchen (geb. 2011 und 2013) hat er seit seiner Haftentlassung im Mai 2015 wieder regelmäßig Kontakt. Zuletzt verbrachten sie jedes Wochenende bei ihm.

Mit Bescheid vom 25. März 2015 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller wegen seiner zahlreichen Straftaten aus dem Bundesgebiet aus, lehnte seine Anträge vom 2. April 2013 und vom 25. Juni 2014 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab und drohte die Abschiebung in sein Heimatland an.

Die Anträge auf Wiederaufgreifen seines Asylverfahrens lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheiden vom 7. August 2012 und 21. April 2015 ab. Diese Entscheidungen sind rechtskräftig.

Gegen den Bescheid vom 25. März 2015 erhob der Antragsteller Klage (Au 1 K 15.559). Zugleich beantragte er, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm eine Duldung für sechs Monate zu erteilen (Au 1 K 15.746). Der Antragsteller verzog während des laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aus dem Stadtgebiet der Antragsgegnerin in den Landkreis A.-F. und meldete sich dort beim Einwohnermeldeamt an (Bl. 2383 der Akten der Antragsgegnerin). Mit Schreiben vom 22. Oktober 2015 erklärte das Landratsamt A.-F. deshalb gegenüber der Antragsgegnerin das Einverständnis zur Fortführung des Verwaltungsverfahrens durch die Antragsgegnerin gemäß Art. 3 Abs. 3BayVwVfG wegen der bevorstehenden mündlichen Verhandlung über die Ausweisung und die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, weil sich durch den Umzug des Antragstellers die örtliche Zuständigkeit geändert habe.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Augsburg am 27. Oktober 2015 nahm der Bevollmächtigte des Antragstellers die Klage im Verfahren Au 1 K 15.746 zurück. Im Verfahren Au 1 K 15.559 beschränkte er seinen Klageantrag auf die Aufhebung der Ausweisungsverfügung (dann Au 1 K 15.1594). Mit Urteil vom 27. Oktober 2015 hob das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg die im Bescheid vom 25. März 2015 verfügte Ausweisung und die diesbezügliche Befristungsentscheidung auf. Bezüglich der Abschiebungsandrohung wies es die Klage ab.

Nach der mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 2015 übergab die Antragsgegnerin dem Bevollmächtigten des Antragstellers ein Schreiben, in dem sie die Abschiebung des Antragstellers in den Iran für den 6. November 2015 ankündigte und ihm aufgab, sich an diesem Tag ab 7.30 Uhr vor dem Anwesen L.-weg ... in O., seiner neuen Adresse, zur Abholung durch die Polizei bereit zu halten.

Aufgrund dieses Schreibens beantragte der Antragsteller am 28. Oktober 2015 beim Landratsamt A.-F. die Erteilung einer Duldung für zunächst sechs Monate, um den Kontakt zu seinen Töchtern A. und Z. aufrechterhalten zu können. Diesen Antrag lehnte das Landratsamt mit Bescheid vom 4. November 2015 wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit ab. Es berief sich auf § 50 Abs. 4 und § 61 Abs. 1dAufenthG.

Die für den 6. November 2015 geplante Abschiebung des Antragstellers konnte die Antragsgegnerin nicht durchführen, weil er sich nicht an seinem Wohnort aufhielt. Auch in der Wohnung der Mutter seiner beiden Töchter und der Wohnung seiner ehemaligen Verlobten wurde er nicht angetroffen.

Am selben Tag beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Duldung und erhob eine diesbezügliche Verpflichtungsklage (Au 1 K 15.1648). Zugleich beantragte er beim Verwaltungsgericht Augsburg, es der Antragsgegnerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage zu untersagen, weitere aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn zu ergreifen (Au 1 E 15.1649). Er macht geltend, dass die beabsichtigte Abschiebung wegen des Verhältnisses zu seinen beiden Töchtern A. und Z. rechtswidrig sei.

Das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg lehnte den Antrag auf einstweilige Aussetzung der Abschiebung mit Beschluss vom 17. November 2015 ab. Der Antrag sei bereits wegen des Untertauchens des Antragstellers unzulässig. Der Antrag sei auch unbegründet, es fehle an einem Anordnungsgrund, weil der Antragsteller nicht abgeschoben werden könne, solange er untergetaucht und damit für die zuständige Behörde nicht erreichbar sei. Gerichtlicher Eilrechtsschutz gegen eine Abschiebung könne in diesen Fällen erst dann in Anspruch genommen werden, wenn der Antragsteller wieder auftauche und der zuständigen Behörde den tatsächlichen Aufenthalts- und Wohnort mitteile. Eilrechtsschutz könne auch nach dem Bekanntwerden seines Aufenthaltsorts noch rechtzeitig erlangt werden. Dem Antragsteller wurde insoweit auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt.

Gegen den Beschluss vom 17. November 2015 erhob der Antragsteller Beschwerde mit den Anträgen:

Unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. November 2015 wird es der Antragsgegnerin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache untersagt, aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten bzw. durchzuführen.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Unterfertigten gewährt.

Zur Begründung berief er sich wiederum auf die Beziehung zu seinen beiden Töchtern und die inzwischen von der Mutter der Töchter abgegebene Sorgerechtserklärung. Er gehe davon aus, dass das Landratsamt A.-F. für den Antrag auf Erteilung einer Duldung zuständig sei. Es könne nicht unbeachtlich bleiben, aus welchen Gründen der Antragsteller untergetaucht sei. Der Antragsteller besitze nach wie vor ein Sachbescheidungsinteresse, weil er die Beziehung zu seinen Töchtern aufrechterhalten wolle. Es sei zu befürchten, dass dann, wenn der Antragsteller auftauche, er sofort in Abschiebehaft genommen und abgeschoben werde. Rechtsschutz sei dann nicht mehr rechtzeitig zu erreichen. Ergänzend wird mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2015 ausgeführt, dass zweifelhaft sei, ob der Antragsteller überhaupt untergetaucht sei. Dass der Antragsteller am Tag der geplanten Abschiebung weder an seinem Wohnort noch bei der Mutter seiner Kinder noch bei seiner ehemaligen Verlobten aufgefunden worden sei, bedeute noch nicht, dass er untergetaucht sei. Für die Annahme, dass er noch ein Interesse an der gerichtlichen Entscheidung habe, spreche, dass er mit seinem Prozessbevollmächtigten in Kontakt stehe und einen Duldungsanspruch wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung geltend machen wolle.

Die Antragsgegnerin äußerte sich nicht.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten, auch in den Verfahren10 C 15.2641 und10 ZB 15.2656 verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. November 2015 ist abzuändern, weil der Antragsteller für seinen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Abschiebung ein Rechtsschutzbedürfnis hat (1.) und einen Anordnungsgrund (2.) glaubhaft gemacht hat. Im Wege der Interessenabwägung ist ihm bis zur Entscheidung über seinen Duldungsantrag Abschiebungsschutz gegenüber der Antragsgegnerin (3.) zu gewähren (4.). Folglich ist dem Antragsteller sowohl für das Ausgangsverfahren als auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und sein jeweiliger Bevollmächtigter beizuordnen (5.).

1. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts besteht aktuell ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung, obwohl er am Tag der beabsichtigten Abschiebung nicht an seiner Wohnadresse zu erreichen war. Das Erstgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass in Einklang mit Art. 19 Abs. 4GG jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt. Nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, hat einen Anspruch auf gerichtliche Sachentscheidung. Fehlt es daran, so ist das prozessuale Begehren als unzulässig abzuweisen (BVerfG, B.v. 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95 - juris Rn. 16 m. w. N.). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Verhalten eines rechtsschutzsuchenden Verfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet, dass ihm an der Sachentscheidung des Gerichts nicht mehr gelegen ist (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.2014 - 10 C 14.1523 - juris Rn. 17). Der Antragsteller war zwar am Tag der geplanten Abschiebung trotz der mit Schreiben vom 27. Oktober 2015 erfolgten Ankündigung der Abschiebung und der Aufforderung, sich an seinem Wohnort zur Abholung durch die Polizei bereit zu halten, nicht auffindbar. In der Beschwerdebegründung ist jedoch hinreichend dargelegt, dass der Antragsteller gleichwohl nicht „untergetaucht“ ist. Er hat sich zwar am Tag der Abschiebung nicht - wie von der Antragsgegnerin gefordert - an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort aufgehalten. Er ist aber nach wie vor für seinen Prozessbevollmächtigten, seine Eltern und seine beiden Töchter erreichbar. Auch hat er am 9. Dezember 2015 vor einem Notar in Augsburg die gemeinsame Sorgerechtserklärung entgegengenommen und dort als Wohnort ebenfalls die der Antragsgegnerin bekannte Adresse angegeben. Insoweit unterscheidet sich der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt von den Gegebenheiten, die der Entscheidung des Senats im Beschluss vom 22. Januar 2016 (10 CE 15.2799) zugrunde lagen, und der darin zitierten ständigen Rechtsprechung (BayVGH, B.v. 29.7.2014 - 10 CE 14.1523 - juris; B.v. 24.2.3.2010 - 10 CE 10.462 - juris Rn. 8), wonach ein untergetauchter ausreisepflichtiger Ausländer kein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Aussetzung der Abschiebung geltend machen kann. Dort war der Ausländer tatsächlich mit unbekanntem Aufenthalt untergetaucht.

2. Bezüglich des Anordnungsgrundes ist das Verwaltungsgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass grundsätzlich ein Anordnungsgrund nicht besteht, wenn der betreffende Antragsteller tatsächlich auf unabsehbare Zeit untergetaucht ist und für die Behörde, die die Abschiebung vornimmt, somit nicht erreichbar ist (BayVGH, B.v. 24.3.2010 - 10 CE 10.462 - juris Rn. 8). Gerichtlicher Eilrechtsschutz gegen die Abschiebung kann in diesen Fällen in der Regel in Anspruch genommen werden, sobald der Antragsteller wieder auftaucht und der zuständigen Behörde den tatsächlichen Aufenthalts- und Wohnort mitteilt (BVerfG, B. v. 25.7.2001 - 2 BvR 1043/01 - juris Rn. 1; B.v. 31.8.1999 - 2 BvR 1523/99 - juris LS. 2). Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller auf unabsehbare Zeit nicht auffindbar ist, liegen jedoch nicht vor. Insoweit wird zunächst auf das Vorbringen des Bevollmächtigten im Beschwerdeverfahren verwiesen. Die Antragsgegnerin hat auch nicht vorgetragen, dass sie versucht hätte, den Antragsteller erneut abzuschieben oder in Abschiebehaft zu nehmen und ihn wiederholt nicht an seinem Wohnort angetroffen hätte. Die Erlangung effektiven Rechtsschutzes ist zudem durch die Neuregelung (Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes am 24. Oktober 2015) in § 59 Abs. 1 Satz 8AufenthG erschwert, wonach nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht mehr angekündigt wird. Erlangt die Ausländerbehörde vom aktuellen Aufenthaltsort Kenntnis, kann sie ihn ohne weitere Ankündigung abschieben, so dass die rechtzeitige Befassung der Gerichte unter Umständen nicht mehr gewährleistet ist.

3. Die Antragsgegnerin ist für den Antrag auf Untersagung aufenthaltsbeendender Maßnahmen bis zur Entscheidung über die Duldungsanträge derzeit auch passivlegitimiert, da sie offensichtlich die Vollstreckung der bestandkräftigen Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid vom 25. März 2015 betreibt. Nicht entschieden werden braucht daher insoweit, ob die Antragsgegnerin nach dem Umzug des Antragsstellers für die Anordnung der Abschiebung durch die Polizei noch zuständig ist. Hinzuweisen ist lediglich darauf, dass die Erklärung des Landratsamtes A.-F. vom 22. Oktober 2015, mit der es sein Einverständnis zur Fortführung des Verwaltungsverfahrens nach Art. 3 Abs. 3BayVwVfG bezüglich der Ausweisung und der Versagung der Aufenthaltserlaubnis erklärte, die Vollstreckung der Abschiebungsandrohung jedenfalls nach ihrem Wortlaut nicht umfasste.

4. Der Senat kommt im Wege der Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass die Abschiebung des Antragstellers bis zur Entscheidung über seine Anträge auf Erteilung einer Duldung auszusetzen ist. Zwar ist die im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gebotene summarische Prüfung auf den glaubhaft gemachten bzw. ermittelten Sachverhalt beschränkt, während rechtliche Fragen nicht anhand eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs entschieden werden (Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Okt. 2015, § 123 Rn. 122a). Wegen der komplexen und im Eilverfahren nicht ohne weiteres zu klärenden Rechtsfragen in Bezug auf die für die Entscheidung über die Duldung zuständige Ausländerbehörde (a.), die unvollständige Sachverhaltsermittlung betreffend einen etwaigen Duldungsanspruch des Antragstellers aus § 60a Abs. 2AufenthG i. V. m. Art. 6 Abs. 1GG (b.) und der Dringlichkeit wegen der jederzeit möglichen Abschiebung entscheidet der Senat ausnahmsweise anhand einer Interessenabwägung. Maßstab für diese Interessenabwägung ist die Schwere der sich aus der Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes ergebenden Belastungen und die Möglichkeit, dass sie im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache wieder rückgängig gemacht werden können (vgl. zum Ganzen Kuhla in Beck´scher Online-Kommentar, VwGO, Stand: 1.4.2015, § 123 Rn. 76). Mit der Abschiebung in den Iran ist für den Antragsteller eine über längere Zeit nicht mehr rückgängig zu machende, unter Umständen sogar dauerhafte Unterbrechung seiner glaubhaft gemachten, von Art. 6 Abs. 1GG geschützten familiären Lebensgemeinschaft mit seinen Töchtern verbunden. Daher besteht ein überwiegendes Interesse an einer vorläufigen Regelung, die dem Antragsteller die Möglichkeit gibt, von der zuständigen Behörde klären zu lassen, ob er einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung wegen der Beziehung zu seinen Töchtern hat.

a. Bezogen auf die Zuständigkeit für die Erteilung einer Duldung stellen sich folgende Rechtsfragen: Der Antragsteller hat seinen Wohnsitz im Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes A.-F. begründet, so dass nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ZuStVAuslR grundsätzlich das Landratsamt A.-F. die örtlich zuständige Ausländerbehörde ist. Die Zustimmung des Landratsamtes A.-F. zur Fortführung des Verwaltungsverfahrens nach Art. 3 Abs. 3BayVwVfG vom 22. Oktober 2015 kann sich nicht auf den erst am 6. November 2015 gestellten neuen Antrag auf Erteilung einer Duldung beziehen. Die Vorschrift des § 50 Abs. 4AufenthG, wonach ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechselt und den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen hat, führt nicht zu einer Perpetuierung der örtlichen Zuständigkeit der Antragsgegnerin für den vollziehbar ausreisepflichtigen Antragsteller. Ein Verstoß gegen diese Anzeigepflicht hat gegebenenfalls die Überwachung der Ausreise zur Folge (Kluth/Heusch, Beck’scher Online-Kommentar AuslR, Stand: 1.1.2015, § 50 Rn. 10). § 50 Abs. 4AufenthG soll der Ausländerbehörde die Möglichkeit geben, die freiwillige Ausreise zu überwachen bzw. die bestehende Ausreisepflicht zwangsweise durchzusetzen (Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, Stand: Oktober 2015, § 50 Rn. 60). Eine Sonderregelung über die örtliche Zuständigkeit für die Erteilung von Duldungen an ausreisepflichtige Ausländer liegt darin nicht. Für die Beantwortung der Frage, ob sich die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin aus § 5 Abs. 1 Satz 2 ZuStVAuslR i. V. m. § 61 Abs. 1dAufenthG ergibt, ist zunächst zu klären, ob der Lebensunterhalt des Antragstellers nicht gesichert ist. Derzeit bezieht er, soweit aus den vorliegenden Akten und dem PKH-Antrag ersichtlich, keine Sozialleistungen, weil er von seiner Familie unterstützt wird. Der Wortlaut der Vorschrift (§ 61 Abs. 1d Satz 2AufenthG) und der Gesetzeszweck der gerechten Verteilung der Sozialkosten deuten zudem daraufhin, dass dem betreffenden Ausländer tatsächlich eine Aussetzung der Abschiebung gewährt worden sein muss und nicht nur, wie das Landratsamt A.-F. meint, negativ über den Antrag auf Aussetzung der Abschiebung entschieden worden ist (offen gelassen: BayVGH, B.v. 1.9.2015 - 21 C 15.30131 - juris Rn. 8). Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller, soweit ersichtlich, letztmals im August 2014 eine Duldung erteilt. Ob zu diesem Zeitpunkt sein Lebensunterhalt gesichert war, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Zu bedenken ist weiterhin, dass die Vorschrift des § 61 Abs. 1dAufenthG erst am 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist (Art. 1 Nr. 2 c des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern vom 23.12.2014, BGBlI S. 2439) und damit zum Zeitpunkt der letztmaligen Erteilung der Duldung seitens der Antragsgegnerin noch keine Gültigkeit besaß.

b. Den materiellen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1AufenthG i. V. m. Art. 6GG betreffend, ist festzustellen, dass das Verwaltungsgericht imUrteil vom 27. Oktober 2015 (Au 1 K 15.1594) aufgrund der Aussagen der Mutter der beiden Töchter des Antragstellers davon ausgegangen ist, es bestehe eine nach Art. 6GG schützenswerte familiäre Lebensgemeinschaft des Antragstellers mit seinen Töchtern. Inzwischen hat deren Mutter auch eine Erklärung dahingehend abgegeben, dass sie bereit ist, mit dem Antragsteller gemeinsam die elterliche Sorge auszuüben. Die Antragsgegnerin ist dem vom Antragsteller glaubhaft gemachten Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft zu seinen Töchtern nicht entgegengetreten. Die Pflicht des Staates zum Schutz der Familie überwiegt aber regelmäßig gegenüber einwanderungspolitischen Belangen, wenn die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden kann. Dies ist hier wohl der Fall, weil die Kinder und deren Mutter nicht die iranische Staatsangehörigkeit besitzen und hier in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Berühren aufenthaltsrechtliche Entscheidungen den Umgang mit einem Kind, so ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen. Im Einzelfall muss untersucht werden, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Ein hohes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist (vgl. BVerfG, B. v. 1.12.2008 - 2 BvR 1830/08 - juris Rn. 14). Tragende Sachverhaltsfeststellungen zur Beeinträchtigung des Kindeswohls bei einer längeren Trennung der Kinder vom Antragsteller wurden bislang nicht getroffen.

5. Da der Antrag auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz auch im Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte, war der Beschwerde auch insoweit stattzugeben und dem Antragsteller für das erstinstanzliche Verfahren, in dem er beantragte, der Antragsgegnerin zu untersagen, bis zur Entscheidung in der Hauptsache aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten, Prozesskostenhilfe zu bewilligen und sein damaliger Prozessbevollmächtigter beizuordnen (§ 166 Abs. 1 Satz 1VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1ZPO i. V. m. § 121 Abs. 2ZPO). Aus den oben dargelegten Gründen ist dem Antragsteller auch Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.

Die Kostenfolge für das Verfahren bezüglich des Antrags nach § 123VwGO in beiden Rechtszügen ergibt sich aus § 154 Abs. 1VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2GKG.

Einer Kostenentscheidung für die Beschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren bedarf es nicht, da Gerichtskosten nicht erhoben (Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2GKG) und Kosten nicht erstattet werden (§ 127 Abs. 4ZPO). Daher ist auch eine Streitwertfestsetzung insoweit entbehrlich.

Das Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist ebenfalls gerichtskostenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 118 Abs. 1 Satz 4ZPO).

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Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der Rechtsanwaltsbeiordnung für ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht.

Dort war ihr Antrag, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin nach Niedersachsen/Delmenhorst umzuverteilen, hilfsweise der Antragstellerin eine Duldungsbescheinigung ohne Wohnsitzauflage zu erteilen, mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. Mai 2015 abgelehnt worden, weil ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden sei. Gleichzeitig wurde der ebenfalls gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung für das Eilverfahren mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt.

Gegen die ablehnende Prozesskostenhilfeentscheidung des Verwaltungsgerichts ließ die Antragstellerin mit Telefax ihrer Bevollmächtigten vom 1. Juni 2015 Beschwerde erheben. Der Antragstellerin hätte wegen der Klärung schwieriger Rechtsfragen Prozesskostenhilfe bewilligt werden müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakten Bezug genommen.

II.

1. Die erhobene Beschwerde (§ 146 Abs. 1, § 147 VwGO) ist zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung für das betreffende Eilverfahren zu Recht abgelehnt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bot mangels hinreichender Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs im maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinn des § 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Senat bezieht sich auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), soweit in den ergänzenden Ausführungen davon nicht abgewichen wird.

Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung. Soweit die Antragstellerin vortragen lässt, dass schon angesichts des 23 Seiten umfassenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts davon ausgegangen werden müsse, dass vorliegend eine Vielzahl schwieriger und obergerichtlich bisher nicht entschiedener Rechtsfragen zu klären gewesen sei, fehlt gerade die Substantiierung, warum dies der Fall sein soll. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Verwaltungsgericht die Unvollständigkeit der mit Schriftsatz vom 15. Februar 2015 vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (erst) mit Schreiben vom 23. März 2015 beanstandet hat. Ebenso nicht relevant für die Erfolgsaussicht des Eilantrags ist schließlich die vom Verwaltungsgericht problematisierte Frage, ob (bereits) der Schriftsatz vom 4. März 2015 eine wirksame Rücknahme des Asylfolgeantrags vom 2. Juni 2014 beinhaltet, da das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Schreiben vom 10. April 2015 hiervon - soweit ersichtlich unwidersprochen - ausging und die Begründetheit des gestellten Eilantrags entscheidungserheblich hiervon ebenfalls nicht abhängt.

Ergänzend wird noch folgendes ausgeführt: Soweit im Hauptantrag die begehrte länderübergreifende Umverteilung nach dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts auf § 51 AsylVfG gestützt wurde, ist zweifelhaft, ob die Beschwerde insoweit statthaft ist. Diese Rechtsgrundlage ist (nur) dann nicht anwendbar, wenn die Ausländerbehörde einem Ausländer nach unanfechtbarer Ablehnung seines Asylantrags eine Duldung erteilt hat (GK AsylVfG, Loseblatt Stand August 2012, § 51 Rn. 2), was hier nicht der Fall ist. Insoweit läge eine Rechtsstreitigkeit nach dem AsylVfG vor, die nach § 80 AsylVfG vorbehaltlich des - hier nicht vorliegenden - § 133 Abs. 1 VwGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden könnte (GK AsylVfG a. a. O. § 51 Rn. 7, OVG NRW, B.v. 10.3.2015 - 18 B 1316/14 - juris Rn. 10), wobei dieser Beschwerdeausschluss auch die Beschwerde gegen einen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (und Rechtsanwaltsbeiordnung) ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts umfassen würde (BayVGH, B.v. 4.12.2014 - 21 C 14.30446 - juris, Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 80 Rn. 4). Entsprechendes - nämlich Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylVfG - würde gelten, wenn dem Verwaltungsgericht zu folgen wäre, dass sich das Begehren auf Umverteilung aus einer Gesamtschau von §§ 56 bis 59b AsylVfG bzw. direkt aus § 59a oder § 59b AsylVfG ergeben könnte.

Hinsichtlich des Hilfsantrags auf Verpflichtung zur Erteilung einer Duldungsbescheinigung ohne Wohnsitzauflage wurde ein Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Ob das Begehren auf dauerhafte und endgültige Umverteilung in ein anderes Bundesland auf diesem Verfahrensweg in rechtlich zulässiger Weise überhaupt erreicht werden kann (hierzu GK AufenthG, Loseblatt Stand März 2015, § 61 Rn. 48 ff. und 57 ff.), kann dahinstehen, da jedenfalls die Voraussetzungen der einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht vorliegen. Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Duldungsbescheinigung ist § 60a Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Danach ist über die Aussetzung der Abschiebung dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die in diesem Zusammenhang stehende und von der Antragstellerin ausdrücklich bezeichnete Wohnsitzauflage ist - soweit nicht § 60 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG einschlägig wäre mit der Folge des Beschwerdeausschlusses nach § 80 AsylVfG bzw. der abweichenden Behördenzuständigkeit nach § 60 Abs. 3 Satz 3, § 51 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG - in § 61 Abs. 1d Satz 1 AufenthG geregelt, eingefügt durch Art. 1 Nr. 2 c) des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern vom 23. Dezember 2014, BGBl I S. 2439 und mangels Übergangsregelung nach seinem Art. 4 Abs. 1 am 1. Januar 2015 in Kraft getreten. Danach ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen, wobei nach Satz 3 dieses Absatzes die Ausländerbehörde diese Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag des Ausländers ändern kann und hierbei die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen sind. Damit wird eine einen bestimmten Ort betreffende Wohnsitzauflage kraft Gesetzes vorgesehen (GK AufenthG a. a. O. Rn. 40), die von der Ausländerbehörde zu konkretisieren ist. Unabhängig von der Frage, ob diese Vorschrift die vorherige Erteilung einer Duldung voraussetzt, kann jedenfalls entgegen dem Hilfsbegehren der Antragstellerin weder von der Anordnung einer Wohnsitzauflage abgesehen werden, noch steht der Ausländerbehörde eine Aufhebungsbefugnis zu, ohne dass zugleich ein anderer Wohnsitz bestimmt wird. Schließlich konnte die begehrte Duldungsbescheinigung, die vom Verwaltungsakt der Duldung zu unterscheiden ist (GK AufenthG a. a. O. § 60a Rn. 115), schon deshalb nicht ausgestellt werden, weil wegen der vorgesehenen Unterschrift auf der Duldungsbescheinigung grundsätzlich die persönliche Vorsprache des Ausländers bei der Ausländerbehörde erforderlich ist, was die Antragstellerin aktenkundig unterlassen hat, obwohl sie mehrmals hierzu aufgefordert worden war. Denn nach § 78a Abs. 7 AufenthG und § 58 Nr. 2 AufenthV ist diese Bescheinigung auf einem einheitlichen Vordruckmuster zu erteilen, wozu insbesondere die Unterschrift des Inhabers der Duldungsbescheinigung gehört (vgl. auch GK AufenthG a. a. O. Rn. 116). Erfolgt mangels persönlicher Vorsprache keine Unterschriftsleistung, kann auch die Duldungsbescheinigung nicht ausgestellt werden (OVG NRW, B.v. 10.3.2015 - 18 B 1316/14 - juris). Dass der Antragstellerin eine persönliche Vorsprache bei der Ausländerbehörde unzumutbar wäre, wurde weder vorgetragen, noch ist dies ersichtlich. Im Übrigen hat die Antragstellerin auch die von der Ausländerbehörde genannten Voraussetzungen, unter denen auf eine persönliche Vorsprache ausnahmsweise verzichtet worden wäre, aktenkundig nicht vollständig erfüllt.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als im Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz fallen im Beschwerdeverfahren Gerichtskosten an, wobei allerdings Kosten nicht erstattet werden (§ 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.

Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 152 Abs. 1 VwGO).