Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss, 18. Juli 2019 - 1 AR 37/19

published on 18/07/2019 00:00
Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss, 18. Juli 2019 - 1 AR 37/19
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Gericht

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Tenor

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

Gründe

I.

Mit Schriftsatz vom 28. Februar 2019 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beim Oberlandesgericht München gestellt, der auf ihren Antrag vom Oberlandesgericht München am 13. März 2019 an das Bayerische Oberste Landesgericht abgegeben worden ist.

Die Antragstellerin bringt vor, sie sei mit Architektenleistungen für ein Bauvorhaben (Erweiterung, Umbau und Generalsanierung eines Schulzentrums) des Landkreises M. im Gerichtsbezirk Aschaffenburg beauftragt worden. Die Antragsgegnerin zu 1) sei Herstellerin einer verwendeten Abdichtungsfolie. Außerdem habe sie eigenständige Beratungsleistungen in Bezug auf die Ausführung der Leistungen erbracht. Die Antragsgegnerin zu 2) sei mit der technischen Dämmung der Lüftungsinstallation beauftragt gewesen.

Die Antragsgegnerin zu 1) hat ihren Sitz in Bamberg, die Antragsgegnerin zu 2) in Münster.

Die Antragstellerin beantragt,

das Landgericht Aschaffenburg als das (örtlich) zuständige Gericht zu bestimmen. Nach Abschluss eines vom Landkreis Miltenberg wegen Mängeln am Bauvorhaben angestrengten Beweisverfahrens vor dem Landgericht Aschaffenburg, in dem sie den Antragsgegnerinnen den Streit verkündet habe, sei von den Antragsgegnerinnen kein Verjährungsverzicht hinsichtlich etwaig bestehender Gesamtschuldnerausgleichsansprüche abgegeben worden. Da Verjährung drohe, müsse sie zur Sicherung ihrer Ansprüche gegen die Antragsgegnerinnen Klage auf Feststellung der Verpflichtung auf Freistellung von Ansprüchen erheben, die gegebenenfalls vom Landkreis Miltenberg gegenüber ihr, der Antragstellerin, erhoben werden.

Mit Hinweis vom 2. Mai 2019 wurde der Antragstellerin aufgegeben mitzuteilen, welchen konkreten Antrag sie in Richtung gegen die Antragsgegnerinnen mit der beabsichtigten Klage stellen möchte. Hierauf teilte die Antragstellerin mit, sie würde gegen die Antragsgegnerinnen den Antrag stellen, diese zu verurteilen, sie von allen Ansprüchen des Landkreises Miltenberg wegen Mängeln freizustellen, die Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Aschaffenburg, Az. 32 OH 21/15 seien und die vom Landkreis ihr gegenüber geltend gemacht würden. Zugleich bringt sie vor, der Landkreis Miltenberg habe gegenüber den Baubeteiligten, auch gegenüber ihr, der Antragstellerin, und der Antragsgegnerin zu 2) Klage auf Schadensersatz und Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung erhoben. In diesem Verfahren sei den beiden Antragsgegnerinnen von ihr der Streit verkündet worden. Auf diese Weise sei eine Verjährungshemmung bewirkt worden. Eine Entscheidung sei vorerst somit nicht erforderlich. Es werde daher ausdrücklich das Ruhen des Verfahrens beantragt.

Die Antragsgegnerinnen wurden angehört. Die Antragsgegnerin zu 1) wendet ein, es werde unschlüssig vorgetragen, sie habe eigenständige Beratungsleistungen erbracht. Sie sei ausschließlich Herstellerin einer Abdichtungsbahn/Abdichtungsanlage. Anhaltspunkte für einen Fehler des Produkts gebe es nicht und diese seien sachverständigenseits auch nicht festgestellt worden. Dem Ruhen des Verfahrens könne nicht zugestimmt werden, ohne dass die Antragstellerin wenigstens eine Information über das Aktenzeichen bekannt gebe, unter dem der Landkreis Miltenberg die Antragstellerin in einem Hauptsacheverfahren in Anspruch nehme und nicht wenigstens glaubhaft gemacht werde, dass gegen die Antragstellerin Ansprüche (außergerichtlich oder gerichtlich) geltend gemacht würden. Die Antragsgegnerin zu 2) hat dem Antrag auf Ruhen des Verfahrens zugestimmt.

II.

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts hat keinen Erfolg.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nach § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für die Entscheidung über das Bestimmungsgesuch zuständig, weil die Antragsgegnerinnen ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 17 ZPO) in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken (Bamberg und Hamm) haben und das zuerst mit der Sache befasste Gericht in Bayern liegt.

2. Eine Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit eines Gerichts kommt nicht in Betracht, da dem Antrag das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

Für die Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO muss ein schutzwürdiges rechtliches Interesse vorliegen (BayObLG, Beschluss vom 17. Juli 2002, juris Rn. 4 m. w. N.; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 37 Rn. 6; Schultzky in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 37 Rn. 3; vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. November 1955, II ARZ 3/55, BGHZ 19, 108, juris, dort Rn. 6). Dieses ist zwar im Regelfall gegeben, wenn der Antragsteller behauptet, ein Verfahren vor den Zivilgerichten durchführen zu wollen (BayObLG, a. a. O. m. w. N.). Hier ist das jedoch nicht der Fall.

Vielmehr hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 15. Mai 2019 selbst vorgetragen, dass eine Entscheidung vorerst nicht (mehr) erforderlich sei. Das gleichzeitig beantragte Ruhen des Verfahrens kann bereits nicht angeordnet werden, weil die Antragsgegnerin zu 1) dem nicht zustimmt (§ 251 Satz 1 ZPO).

Aus den genannten Gründen kann offenbleiben, ob dem Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung nicht auch deswegen der Erfolg zu versagen wäre, weil die Antragstellerin nach wie vor nicht hinreichend mitteilt, welchen konkreten Antrag sie in Richtung gegen die Antragsgegnerinnen mit einer beabsichtigten Klage stellen will. Im Bestimmungsverfahren ist es erforderlich, dass neben den Parteien auch der Gegenstand der beabsichtigten Klage (Anträge) hinreichend genau dargestellt wird (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, § 37 Rn. 1; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Mai 2005, 5 Sa 134/04, OLGR Düsseldorf, 2005, 552 Rn. 14 f.). Einen Klageentwurf hat die Antragstellerin nicht vorgelegt. Der angekündigte Antrag ist hinsichtlich seiner Reichweite weiterhin unbestimmt.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Entscheidungen in Zuständigkeitsbestimmungsverfahren erfordern keine Kostengrundentscheidung. Dies gilt auch in den Fällen, in denen keine für die Parteien verbindliche Bestimmung des zuständigen Gerichts erfolgt (BayObLG, Beschluss vom 12. Juni 2019, 1 AR 12/18, juris).

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(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt: 1. wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;2. wenn es mit Rücksich

(1) Der allgemeine Gerichtsstand der Gemeinden, der Korporationen sowie derjenigen Gesellschaften, Genossenschaften oder anderen Vereine und derjenigen Stiftungen, Anstalten und Vermögensmassen, die als solche verklagt werden können, wird durch ihren

Das Gericht, bei dem eine Person ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, ist für alle gegen sie zu erhebenden Klagen zuständig, sofern nicht für eine Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist.
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published on 12/06/2019 00:00

Tenor 1) Der Antrag der Antragsgegnerin zu 1), den Antragstellern im Wege der Beschlussergänzung die Kosten des Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen. 2) Der Antrag, für das Zuständigkeitsbestimmun
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(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.

Das Gericht, bei dem eine Person ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, ist für alle gegen sie zu erhebenden Klagen zuständig, sofern nicht für eine Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist.

(1) Der allgemeine Gerichtsstand der Gemeinden, der Korporationen sowie derjenigen Gesellschaften, Genossenschaften oder anderen Vereine und derjenigen Stiftungen, Anstalten und Vermögensmassen, die als solche verklagt werden können, wird durch ihren Sitz bestimmt. Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird.

(2) Gewerkschaften haben den allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Bergwerk liegt, Behörden, wenn sie als solche verklagt werden können, bei dem Gericht ihres Amtssitzes.

(3) Neben dem durch die Vorschriften dieses Paragraphen bestimmten Gerichtsstand ist ein durch Statut oder in anderer Weise besonders geregelter Gerichtsstand zulässig.

(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.

Das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Anordnung hat auf den Lauf der im § 233 bezeichneten Fristen keinen Einfluss.