Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 15. März 2016 - L 5 KR 82/16
Gericht
Principles
Tenor
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München
II.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
III.
Der Streitwert wird auf 2.151,71 festgesetzt.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Strittig ist die Vergütungshöhe einer Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin betreibt das in den Krankenhausplan des Freistaates Bayern aufgenommene Kreiskrankenhaus A-Stadt. Für die dortige stationäre Geburtsbehandlung des bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten C. vom 1. bis 6.September 2010 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten mit am 3.11.2010 eingegangener Rechnung eine Vergütung iHv 5.450,05 € geltend. Die Beklagte zahlte diesen zunächst vollständig. Nach Einschaltung des MDK gelangte die Beklagte zur Auffassung, die Abrechnung sei unzutreffend kodiert und deshalb überhöht. Mit Zahlungsavis vom 17.11.2011 verrechnete die Beklagte die geleistete Zahlung mit anderen unstreitigen Forderungen und zahlte schließlich auf die gegenständliche Forderung einen Teilbetrag von 3.298,34 €.
Mit Klage vom 10.06.2013 (Aktenzeichen Sozialgericht München: S 3 KR 639/13) hat die Klägerin den Differenzbetrag von 2.151,71 € geltend gemacht.
Die Beklagte hat für den Fall der Unwirksamkeit der Verrechnung/Aufrechnung mit Eventualwiderklage vom 24.4.2014 Rückzahlung iHv 2.151,71 € beantragt. Das Sozialgericht hat ein Sachverständigengutachten des Dr. L. mit zwei ergänzenden Stellungnahmen eingeholt. Zur Erstellung eines weiteren Sachverständigengutachtens gemäß gerichtlicher Beweisanordnung vom 13.5.2015 ist es nicht gekommen. Mit Schreiben vom 19.11.2015 hat das Sozialgericht die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid angehört.
Die Widerklage hatte das Sozialgericht von der Klage abgetrennt und dem Verfahren das Aktenzeichen S 3 KR 610/14 zugewiesen. Ohne weitere Sachaufklärung hat das Sozialgericht mit Schreiben vom 19.11.2015 die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung des Rechtsstreits - also der Widerklage - durch Gerichtsbescheid und mit weiterem Schreiben vom 14.1.2016 zur beabsichtigten Anordnung des Ruhens des Verfahrens gehört. Die Beteiligten haben sich nicht geäußert. Mit Beschluss vom 22.2.2016 hat das Sozialgericht gleichwohl „aufgrund der übereinstimmenden Anträge der Beteiligten ...“ das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Mit Gerichtsbescheid vom
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt zur Weiterverfolgung ihres Zahlungsbegehrens und beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte S 3 KR 610/14. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist begründet im Sinne einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Danach kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Hierüber entscheidet das LSG nach eigenem Ermessen von Amts wegen, ein Antrag des Berufungsklägers ist nicht erforderlich (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 159 Rdnr. 5; Bayer. LSG, Urteil vom 5. Februar 2014 - L 2 U 406/13, Rn. 19, zitiert nach juris).
1. Das Sozialgericht hat elementare Verfahrensregeln missachtet und das verfassungsrechtliche Gebot des gesetzlichen Richters außer Acht gelassen. Die Behandlung der wirtschaftlich und rechtlich mit der Hauptsache aufs engste in Zusammenhang stehenden Eventualwiderklage vom 24.4.2014 war verfahrensrechtlich nicht zulässig sowie willkürlich. Denn die vorgenommene Verfahrens-Abtrennung ist nicht zulässig (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 100 Rdnr. 7), weil durch die Abtrennung der Widerklägerin die prozessualen Privilegien der Widerklage entzogen werden und weil ein weiteres gerichtskostenpflichtiges Verfahren mit Verdopplung der Kostenrisiken für die Beteiligten eröffnet wird. Das abgetrennte Verfahren wird dem gesetzlich nach § 100 SGG zugewiesenen Richter der Hauptsache entzogen. Es wird die Möglichkeit divergierender Gerichtsentscheidungen eröffnet. Zudem war sich das Sozialgericht nach den Ausführungen im Gerichtsbescheid vom 4.1.2016 augenfällig nicht im Klaren, wie es die Widerklage behandelt, weil es im Tatbestand auf die Widerklage Bezug genommen hat - andererseits in der Kostenentscheidung einheitlich über Klage und Widerklage befunden hat. Daneben fällt es nicht wesentlich ins Gewicht, dass das Sozialgericht die Widerklage ohne Antrag der Beteiligten „auf Antrag der Beteiligten“ zum Ruhen gebracht hat.
2. Das Sozialgericht durfte nicht durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache Schwierigkeiten rechtlicher Art aufwies und der Sachverhalt keineswegs geklärt war, so dass die Entscheidung gegen zwingende Regelungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG verstößt.
a) Das Sozialgericht hat beiseite gelassen, dass auf die gegenständliche stationäre Behandlung die Bestimmungen der im Behandlungsjahr 2010 geltenden Pflegesatzvereinbarung Anwendung finden und dass dort die besonderen Regelungen zu Zahlung und Fälligkeit einer Vergütung zwingend zu beachten sind. Das Sozialgericht hat eine Aufrechnung angenommen, obgleich die Beklagte nur ein Zahlungsavis übersandt, nicht aber eine Aufrechnung erklärt hatte; die somit vorliegende Verrechnung erlaubt § 52 SGB I nicht. Sonderregelungen dazu finden sich nicht in einem - nicht existenten - Landesvertrag nach § 112 SGB V und auch nicht in der gültigen Pflegesatzvereinbarung.
b) Auch tatsächlich war der Sachverhalt keineswegs geklärt, denn auf die gerichtliche Beweisanordnung vom 13.5.2015 hin ist kein Sachverständigengutachten erstellt worden.
Der Senat macht von dem ihm in § 159 SGG eröffneten Ermessen, die Sache zurückzuverweisen, Gebrauch, weil eine Kombination mehrerer massiver Rechts- und Verfahrensverstöße vorliegt und weil nur durch die Zurückverweisung eine zutreffende Sachbehandlung der Eventualwiderklage durch den gesetzlichen Richter sicherzustellen ist.
Der Berufungsstreitwert entspricht dem Wert der geltend gemachten Forderung sowie der erstinstanzlichen Festsetzung.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch weicht das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
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(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn
- 1.
dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, - 2.
das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.
(2) Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
Bei dem Gericht der Klage kann eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln zusammenhängt.
(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.
(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.
(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.
(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist.
(1) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam schließen mit der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigungen der Krankenhausträger im Land gemeinsam Verträge, um sicherzustellen, daß Art und Umfang der Krankenhausbehandlung den Anforderungen dieses Gesetzbuchs entsprechen.
(2) Die Verträge regeln insbesondere
- 1.
die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung einschließlich der - a)
Aufnahme und Entlassung der Versicherten, - b)
Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte, Berichte und Bescheinigungen,
- 2.
die Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung einschließlich eines Kataloges von Leistungen, die in der Regel teilstationär erbracht werden können, - 3.
Verfahrens- und Prüfungsgrundsätze für Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen, - 4.
die soziale Betreuung und Beratung der Versicherten im Krankenhaus, - 5.
den nahtlosen Übergang von der Krankenhausbehandlung zur Rehabilitation oder Pflege, - 6.
das Nähere über Voraussetzungen, Art und Umfang der medizinischen Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1.
(3) Kommt ein Vertrag nach Absatz 1 bis zum 31. Dezember 1989 ganz oder teilweise nicht zustande, wird sein Inhalt auf Antrag einer Vertragspartei durch die Landesschiedsstelle nach § 114 festgesetzt.
(4) Die Verträge nach Absatz 1 können von jeder Vertragspartei mit einer Frist von einem Jahr ganz oder teilweise gekündigt werden. Satz 1 gilt entsprechend für die von der Landesschiedsstelle nach Absatz 3 getroffenen Regelungen. Diese können auch ohne Kündigung jederzeit durch einen Vertrag nach Absatz 1 ersetzt werden.
(5) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger gemeinsam sollen Rahmenempfehlungen zum Inhalt der Verträge nach Absatz 1 abgeben.
(6) Beim Abschluß der Verträge nach Absatz 1 und bei Abgabe der Empfehlungen nach Absatz 5 sind, soweit darin Regelungen nach Absatz 2 Nr. 5 getroffen werden, die Spitzenorganisationen der Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen zu beteiligen.
(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn
- 1.
dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, - 2.
das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.
(2) Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen.