Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 13. Juni 2017 - L 19 R 86/17

13.06.2017
nachgehend
Bundessozialgericht, B 5 R 236/17 B, 09.08.2017

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 03.01.2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf eine Nachzahlung aus seiner Altersrente für weiter zurückliegende Zeiträume hat.

Der 1942 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und am 21.08.1979 aus Polen nach Deutschland zugezogen. Er verfügt über einen Vertriebenenausweis A.

Im Jahr 2005 begann die Beklagte mit einer Kontenklärung, die im Jahr 2007 abgeschlossen wurde. Am 24.08.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 11.12.2007 ab 01.09.2007 Regelaltersrente in Höhe von 698,19 Euro zuzüglich eines Zuschusses zum Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 48,53 Euro, mithin 746,72 Euro. Im Rentenbescheid wurden Hinweise zur Berücksichtigung von Zeiten gegeben und insbesondere die Zeiten in Polen nach dem deutsch-polnischen Rentenversicherungsabkommen 1975 berücksichtigt. Dabei wurden einzelne Zeiten als nachgewiesen angesehen, andere nur als glaubhaft gemacht angesehen und mit nicht erhöhten Tabellenwerten, d.h. zu 5/6 berücksichtigt. In einem Neufeststellungsbescheid vom 22.01.2008 wurde die Rente von Rentenbeginn an neu festgestellt, nunmehr mit dem erhöhten Zahlbetrag von 774,34 Euro, wobei 27,5607 persönliche Entgeltpunkte und ein Rentenartfaktor von 1,0 zugrunde gelegt worden waren.

Ein anschließendes Widerspruchsverfahren ist ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid vom 13.07.2009). Die Kürzung der ermittelten Entgeltpunkte für die glaubhaft gemachten Beitragszeiten vom 30.06.1960 bis 30.10.1962 und vom 16.10.1964 bis 07.11.1975 sei nicht zu beanstanden.

Mit einem auf den 17.01.2016 datierten Schreiben beantragte der Kläger am 22.01.2016 die Überprüfung seiner Rente nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Er begehrte eine höhere Qualifikationsgruppe für die Zeiten in Polen. Außerdem habe er eine Bescheinigung des Militärarchivs in O. vom 25.11.2015, aus der sich - fehlende - Krankheitszeiten für die Zeit der Beschäftigung vom 01.06.1966 bis 31.03.1972 ergeben würden.

Die Beklagte kam im Überprüfungsverfahren zum Ergebnis, dass für die Zeit vom 01.06.1966 bis 29.02.1976 und vom 17.03.1978 bis 22.08.1979 ein entsprechender Nachweis geführt sei und die Zeiten nicht nur glaubhaft gemacht seien. Sie stellte mit Bescheid vom 30.03.2016 die Altersrente des Klägers rückwirkend neu fest. Die monatliche Rente betrage 884,17 Euro, der Zuschuss zur Krankenversicherung 64,55 Euro, so dass sich ein monatlicher Zahlbetrag von 948,72 Euro ergebe. Im Bescheid wurde ausgeführt, dass die höhere Leistung längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme des Bescheides erbracht werde. Dabei werde der Zeitpunkt der Rücknahme vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen werde oder der Antrag auf Rücknahme des Bescheides gestellt worden sei. Im Fall des Klägers ergab sich eine Nachzahlung aus dem Differenzbetrag zwischen der erhöhten und der bisher bereits gezahlten Altersrente für die Zeit ab 01.01.2012 in Höhe von 4.201,38 Euro.

Mit einem undatierten Schreiben, das am 29.04.2016 bei der Beklagten einging, legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, eine Nachzahlung nur für die letzten vier Jahre seiner Rente erhalten zu haben, obwohl er seit neun Jahren Rentner sei. Zur Begründung gab er an, es habe lange gedauert, die Arbeitszeugnisse aus der Militärzeit zu erhalten. Es sei nicht sein Verschulden, dass er sie erst so spät erhalten habe. Das sei erst nach Eintritt Polens in die EU möglich gewesen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.2016 zurück. Im Fall des Klägers käme § 44 Abs. 4 SGB X zur Anwendung. Das Überprüfungsverfahren sei im Januar 2016 eingeleitet worden und der Neuberechnungsbescheid im März 2016 erteilt worden. Der 4-Jahres-Zeitraum belaufe sich somit auf die Zeit ab 01.01.2012. Bei dieser 4-Jahres-Frist handele es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, die stets und selbst dann gelten würde, wenn den Rentenversicherungsträger ein Verschulden treffen würde (BSG, Urteil vom 15.12.1995, Az. 10 RKg 11/92).

Mit Schreiben vom 15.07.2016 hat sich der Kläger am 28.07.2016 an das Sozialgericht Bayreuth (SG) gewandt und geltend gemacht, auch in strengen Gesetzen gebe es Ausnahmen und er hoffe auf eine für ihn positive Entscheidung. Dies sei im Hinblick auf seinen Lebenslauf gerechtfertigt. Er habe sich seit Jahren immer wieder bemüht, die Arbeitszeiten nachzuweisen, leider immer wieder Absagen und keine konkreten Informationen erhalten. Die Regelaltersrente sei deshalb ab 01.09.2007 erhöht nachzuzahlen. Das Sozialgericht hat auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07.02.2012 (Az. B 13 R 40/11 R) hingewiesen. Danach sei es mit höherrangigem Recht vereinbar, dass die rückwirkenden Zahlungen auf vier Jahre begrenzt seien.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entschieden. Es hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 03.01.2017 abgewiesen. Das BSG habe wiederholt entschieden, dass die Anwendung von § 44 Abs. 4 SGB X rechtskonform sei. Ausnahmen seien dem Gericht nicht bekannt.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 06.02.2017 beim Bayer. Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er hat auf einen Schreibfehler im Gerichtsbescheid hingewiesen und deutlich gemacht, dass er die Nachzahlung seiner Rente für den Zeitraum vom 01.09.2007 bis 01.01.2012 beantragt. Er hat im Weiteren betont, dass es bei ihm nicht um eine komplette Rentennachzahlung gehe, sondern nur um die Zahlung einer erhöhten Rente.

Der Senat hat in einem Erörterungstermin vom 03.05.2017 mit dem Kläger die Rechtslage erörtert.

Mit Beschluss vom 04.05.2017 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 03.01.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 30.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2016 ihm die Rentenerhöhung bereits ab Rentenbeginn zu bewilligen und für die Zeit vom 01.09.2007 bis 31.12.2011 eine entsprechende Nachzahlung vorzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 03.01.2017 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf weitere Nachzahlungen aus der bewilligten höheren Altersrente hat.

Zwischen den Beteiligten ist unstrittig, dass die Beklagte - aus heutiger Sicht, d.h. nach Kenntnis und Auswertung der vom Kläger neu vorgelegten Unterlagen - bei der Berechnung der Altersrente des Klägers im Bescheid vom 11.12.2007 in der Fassung des Neufeststellungsbescheids vom 22.01.2008 von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen war. Gleichwohl war der Bescheid rechtskräftig geworden, nachdem der Kläger seinerzeit mit seinen Rechtsmitteln keinen Erfolg gehabt hatte.

Die Beklagte hat deshalb entsprechend § 44 Abs. 1 SGB X den Rentenbescheid des Klägers rückwirkend abgeändert.

Strittig ist zwischen den Beklagten allein die Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X, der in Satz 1 vorschreibt, dass Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht werden. Die rückwirkende Leistungserbringung steht damit also unter einer doppelten Bedingung nämlich, dass rückwirkend der Anspruch schon bestanden hat und zusätzlich dass die hier genannte Vierjahresfrist nicht überschritten wird. Ist der rückwirkende Abänderungszeitraum länger als vier Jahre entfällt der Anspruch nicht vollständig, sondern wird auf den anteiligen Zeitraum gekappt.

§ 44 Abs. 4 SGB X enthält zwei gesetzliche Ausgestaltungsregeln für die Berechnung der 4-Jahresfrist, die im Falle des Klägers beide zur Anwendung kommen. Da das Überprüfungsverfahren auf Antrag des Klägers erfolgt ist, wird zu seinen Gunsten nicht das Rücknahmedatum vom 30.03.2016 der Fristberechnung zugrunde gelegt, sondern das Antragsdatum vom 22.01.2016 - maßgeblich ist der Antragseingang - (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X). Dies wirkt sich im Fall des Klägers aber nicht weiter aus, da zusätzlich zu seinen Gunsten durch § 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X auf den Jahresbeginn, d.h. auf den 01.01.2016 abgestellt wird.

Damit berechnet sich, was zwischen den Beteiligten ebenfalls unstrittig ist, die rückwirkende 4-Jahresfrist auf den 01.01.2012 zurück. Ab diesem Zeitpunkt hat die Beklagte den Nachzahlungsbetrag für die Differenz zwischen der bereits gezahlten und der dem Kläger zustehenden Rente berechnet und die Nachzahlung veranlasst.

Die Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X entfällt - entgegen der vom Kläger angedeuteten Auffassung - auch nicht etwa deshalb, weil der Kläger die Sozialleistung „Altersrente“ schon länger, d.h. ab 01.09.2007, bezogen hatte und „nur“ einen erhöhten Zahlbetrag geltend macht. Gegenstand der rückwirkenden Abänderung ist ja nur der über den bisherigen Rentenanspruch hinausgehende Anspruch, so dass dieser für sich genommen als Sozialleistung im Sinne dieser Vorschrift zu betrachten ist. Dass die Beklagte hier nicht eine vollständige Rücknahme und Neugewährung vorzunehmen hat, wirkt sich für den Kläger ja durchaus positiv aus, weil sonst womöglich eine komplette Rückforderung der gezahlten Leistungen Thema sein könnte, während die Nachzahlung komplett auf die Zeit ab Jahresbeginn 2011 begrenzt wäre.

Die Frage, ob der Kläger sich hinreichend darum bemüht hat, Nachweise für die Berechnung der höheren Altersrente vorzulegen, stellt die Beklagte zu recht nicht. Ein Verschulden oder Nichtverschulden ist für die Anwendung von § 44 Abs. 4 SGB X ohne Belang. Vielmehr ist die Vorschrift generell und von Amts wegen und ohne die Möglichkeit zur Ermessensausübung anzuwenden (vgl. von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 44 Rn. 28; Steinwedel in: Kasseler Kommentar, Stand Dezember 2015, § 44 SGB X, Rn. 54). Der Gesetzgeber hat dies wohl v.a. unter dem Gesichtspunkt der Unterhaltsfunktion einer Sozialleistung so geregelt (vgl. zu den Motiven der Vorschrift: BT-Drs. 8/2034, S. 34). Insofern ist es auch ohne Belang, dass Polen bereits seit 01.05.2004 - und damit einige Jahre vor der Stellung des Altersrentenantrages des Klägers - Mitglied der EU ist, sodass der Hinweis des Klägers auf ein zuvor bestehendes Zugangshindernis für seine Unterlagen ins Leere läuft.

Der Senat hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung dieser Vorschrift, nachdem die obergerichtliche Rechtsprechung die Verfassungsgemäßheit bestätigt hat (vgl. BSG, Beschluss des Großen Senats vom 15.12.1982, Az. GS 2/80; BSG, Urteil vom 23.07.1986, Az. 1 RA 31/85 - jeweils nach juris).

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten und die hierzu ergangene erstinstanzliche Entscheidung sind somit nicht zu beanstanden und die Berufung ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 143


Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.