Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 20. Okt. 2016 - L 19 R 515/16

bei uns veröffentlicht am20.10.2016
nachgehend
Bundessozialgericht, B 13 R 380/16 B, 21.02.2017

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.06.2016 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, in welcher Höhe der Kläger von der Beklagten die Erstattung geleisteter Beiträge verlangen kann.

Der 1954 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und am 21.07.2012 in die Türkei zurückgekehrt (offizielle Wohnsitznahme 24.07.2012).

Am 18.08.2013 wurde bei der Beklagten ein Kontenklärungsverfahren eingeleitet, aufgrund dessen wohl ein Feststellungsbescheid mit Datum 29.10.2013 ergangen sein dürfte. Dieser Bescheid befindet sich nicht bei der Akte.

Mit Schreiben vom 09.11.2013 beantragte die Prozessbevollmächtigte des Klägers „die Erstattung der im Bescheid vom 29.10.2013“ (aufgrund des Kontenklärungsverfahrens) „festgestellten Rentenbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 24.024,53 €“. Der beigefügte Formblattantrag war mit Datum 13.02.2014 von der Prozessbevollmächtigten des Klägers unterschrieben.

Mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 25.05.2014 wurde eine Bescheinigung des türkischen Rentenversicherungsträgers vom 22.07.2014 übersandt, wonach in der türkischen gesetzlichen Rentenversicherung keine Pflichtversicherung bestanden habe. Eine Pflichtversicherung in der türkischen Sozialversicherung habe zu keiner Zeit bestanden. Des Weiteren wurde eine Wohnsitzbescheinigung vorgelegt, wonach der Kläger am 24.07.2012 seinen ständigen Wohnsitz in der Türkei genommen hat.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 17.09.2014 erstattete die Beklagte dem Kläger Rentenversicherungsbeiträge für versicherungspflichtige Beschäftigungen seit 1983 in Höhe von 9.704,40 €. Aufgelistet waren in dem Bescheid erhebliche Zeiträume, in denen der Kläger zwar Versicherungszeiten zurückgelegt hatte, aber Beiträge von ihm nicht getragen wurden (vom 15.02.1980 bis 30.06.1981 wegen geringfügigem Entgelt, anschließend von November 1981 bis Dezember 1999 mit Unterbrechungen wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe).

Hiergegen legte die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 17.10.2014 Widerspruch ein und beantragte, „den Bescheid vom 19.09.2014 (gemeint sein dürfte der vom 17.09.2014) abzuändern und festzustellen, dass dem Kläger auch die Arbeitgeberanteile zu erstatten seien“. Zur Begründung wurde mit Schreiben vom 06.01.2015 darauf hingewiesen, dass kraft ausdrücklicher Regelung in § 210 Abs. 3 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bei Vereinbarung eines Nettolohnes dem Versicherten sein vom Arbeitgeber getragener Beitragsanteil zu erstatten sei. Unter Berücksichtigung dieser Regelung hätten dem Kläger die von seinen Arbeitgebern während seiner nichtselbständigen Beschäftigungen einbezahlten Beitragsanteile erstattet werden müssen, was nicht geschehen sei. Auf Nachfrage der Beklagten hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 01.03.2015 mitgeteilt, dass der Kläger Nettolohn während der gesamten Dauer seiner Beschäftigung als Arbeiter bei den nachfolgenden Firmen bezogen habe:

– Firma L., Stadt J., Landkreis K.

(Beschäftigungsdauer: 20.03.1990 bis 29.03.1991)

– S. AG Transformatorenwerk, K.

(Beschäftigungsdauer: 08.04.1991 bis 16.12.1991)

Ein Nachweis über die Vereinbarung eines Nettolohnes wurde trotz Aufforderung der Beklagten mit Schreiben vom 01.03.2015 und trotz mehrfacher Fristsetzungen durch die Beklagte nicht vorgelegt. Die Beklagte wies daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2016 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.09.2014 als unbegründet zurück. Nach § 210 Abs. 3 Satz 1 SGB VI könnten Beiträge nur in der Höhe erstattet werden, in der die Versicherten sie selbst getragen hätten. Erstattungsfähig sei demnach nur der tatsächliche Beitragsanteil des Versicherten. Auch bei einer Nettolohnvereinbarung sei die Erstattung des Arbeitgeberanteiles nicht vorgesehen. Nach § 210 Abs. 3 Satz 2 SGB VI werde in diesem Fall der vom Arbeitgeber getragene Beitragsanteil des Versicherten erstattet, nicht aber auch der Beitragsanteil des Arbeitgebers.

Zur Begründung der hiergegen am 29.02.2016 zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhobenen Klage hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 02.05.2016 darauf hingewiesen, dass der Kläger Anspruch auf vollständige Beitragserstattung einschließlich der Arbeitgeberanteile aufgrund der Diskriminierungsverbote des europäisch-türkischen Assoziationsrechts habe. Ein solcher Anspruch ergebe sich aus Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80. Der Kläger sei als türkischer Staatsangehöriger assoziationsrechtlich begünstigt. Mit dem Beschluss des Assoziationsrats 3/80 sei im Verhältnis der Mitgliedsstaaten zur Türkei ein System zur Koordinierung der Systeme sozialer Sicherheit geschaffen worden. Für die Durchführung und die Art und Weise der Koordinierung verweise ARB 3/80 auf die Verordnung (EWG) 1408/71 und die zu ihrer Durchführung ergangene Verordnung (EWG) 574/72 und übernehme damit alle für die innereuropäische Sozialrechtskoordinierung geltenden Grundsätze (EuGH, Slg. 1996, I-4085, Rn 27 ff Taflan-Met). In der näheren Ausgestaltung des in Art. 9 Assoziierungsabkommen EWG-Türkei verankerten Diskriminierungsverbots aus Gründen der Staatsangehörigkeit ordne Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 die Gleichbehandlung von Unionsbürgern und türkischen Staatsangehörigen in den Angelegenheiten der sozialen Sicherheit an. Art. 3 ARB i.V.m. Art. 9 des Assoziierungsabkommens statuiere ein Verbot unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. In einer neueren Entscheidung habe der EuGH die zur unmittelbaren Anwendung des Diskriminierungsverbots entwickelten Grundsätze auch auf das Gebot der Aufhebung von Wohnsitzklauseln nach Art. 6 ARB 3/80 übertragen. Das Verbot, Leistungen deshalb zu kürzen, zu entziehen, zu beschlagnahmen oder zum Ruhen zu bringen, weil sich der Berechtigte außerhalb des zuständigen Staats aufhalte, sei genauso eindeutig formuliert. Folglich seien alle Leistungen, auf welche ein türkischer Staatsangehöriger Anwartschaften erworben habe, uneingeschränkt zu exportieren, wenn dieser in die Türkei zurückkehre (EuGH vom 26.05.2011, C-485/07, Rn 69 ff (Akdas); zustimmend Schumacher, ZESAR 2011, 368, 371). Namentlich das deutsche Auslandsrentenrecht der §§ 112 bis 114 SGB VI sei für türkische Rückkehrer nicht anwendbar. Nach dieser eindeutigen Rechtsprechung des EuGH seien alle Rentenarten ungekürzt unter voller Berücksichtigung aller Entgeltpunkte ins Ausland zu leisten. Das Diskriminierungsverbot gelte für alle Rechte, welche der sachliche Anwendungsbereich des ARB 3/80 umfasse. Unmittelbar und evident benachteiligt sei der Kläger, weil er das Erreichen der Regelaltersgrenze zum Anlass genommen habe, in sein Heimatland zurückzukehren. Anknüpfungspunkt für die eingeschränkte Gewährung von Rentenbeiträgen nach § 210 SGB VI sei im vorliegenden Fall ausschließlich der Auslandsaufenthalt des Klägers. § 210 SGB VI habe vor diesem Hintergrund diskriminierenden Charakter. Die Anwendung des Art. 3 ARB 3/80 auf den vorliegenden Fall führe im Ergebnis zum Anspruch des Klägers auf vollständige Beitragserstattung. Der vollständigen Gewährung der Rentenbeiträge des Klägers komme vor dem Hintergrund der dem Kläger ansonsten drohenden Altersarmut besondere Brisanz zu. Der Kläger verfüge abgesehen von den ersparten Rentenansprüchen über keine sonstige Altersabsicherung, weder in Form von beweglichem noch unbeweglichem Vermögen. Als Beweis hierfür wurden Zeugen benannt, nämlich die Prozessbevollmächtigte des Klägers (Tochter) sowie deren Bruder. Hilfsweise werde beantragt, die Rentenbeiträge auf den türkischen Rentenversicherungsträger SGK Kahramanmaras zu übertragen.

Das SG hat sodann nach Anhörung der Beteiligten die Klage durch Gerichtsbescheid vom 17.06.2016 als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Erstattung der Arbeitgeberanteile. Ein Verstoß der Regelung des § 210 Abs. 3 Satz 1 SGB VI gegen Diskriminierungsverbote liege nicht vor, da diese Vorschrift unabhängig von der Staatsangehörigkeit oder dem Aufenthaltsort des Berechtigten anzuwenden sei. Ein anderes Ergebnis ergäbe sich im Übrigen auch nicht bei Vorliegen einer Nettolohnvereinbarung.

Zur Begründung der hiergegen am 25.07.2016 beim SG Bayreuth eingelegten Berufung, die am 29.07.2016 an das Bayer. Landessozialgericht weitergeleitet wurde, verweist die Prozessbevollmächtigte des Klägers nochmals auf die assoziationsrechtliche Begünstigung des Klägers als türkischer Staatsangehöriger und das im Assoziierungsabkommen enthaltene Diskriminierungsverbot. Der Kläger habe deshalb Anspruch auf vollständige Beitragserstattung einschließlich der Arbeitgeberanteile.

In der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2016 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers klargestellt, dass die Diskriminierung des Klägers ihrer Ansicht nach darin liege, dass ihm in der besonderen Lage als Türke aufgrund der Beitragserstattung durch die Entscheidung, Deutschland verlassen zu wollen, ein wirtschaftlicher Nachteil drohe. Mit der Beitragserstattung hätte man dem Kläger die Hälfte der hier erworbenen Rentenanwartschaften gekürzt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.06.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2016 zu verurteilen, dem Kläger entrichtete Beiträge in Höhe der Arbeitgeberanteile zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.06.2016 zurückzuweisen.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Sie ist jedoch unbegründet. Das SG Bayreuth hat zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 17.06.2016 die Klage gegen den Bescheid vom 17.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2016 als unbegründet abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Arbeitgeberanteile.

Einzige Rechtsgrundlage, auf die ein Anspruch auf Beitragserstattung gestützt werden kann, ist vorliegend § 210 SGB VI. Nach dieser Vorschrift werden Beiträge auf Antrag (unter anderem) erstattet an Versicherte, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben. Beiträge werden nach § 210 Abs. 2 SGB VI nur erstattet, wenn seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen sind und nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist. Der Kläger ist am 24.07.2012 in die Türkei zurückgekehrt und übt in der Bundesrepublik Deutschland keine Beschäftigung mehr aus. Damit ist er nicht mehr versicherungspflichtig und hat aufgrund seines dauerhaften Auslandsaufenthalts auch nicht mehr das Recht zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zwischenzeitlich sind auch zwei Kalenderjahre seit dem Ausscheiden aus der Versicherung abgelaufen und es ist nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten. Der Kläger hat damit dem Grunde nach Anspruch auf Beitragserstattung nach § 210 SGB VI. Die Höhe dieser Beitragserstattung richtet sich nach § 210 Abs. 3 SGB VI.

Gemäß § 210 Abs. 3 S. 1 SGB VI werden Beiträge in der Höhe erstattet, in der die Versicherten sie getragen haben.

Die Beklagte hat mit streitgegenständlichem Bescheid vom 17.09.2014 eine Beitragserstattung in Höhe der vom Kläger selbst getragenen Beiträge, d. h. seines Beitragsanteils, zuerkannt. Der Betrag beläuft sich auf 9.704,40 €. Gegen die Höhe dieses Erstattungsbetrages wurden keine Einwendungen erhoben. Weitere Versicherungszeiten, die der Kläger zurückgelegt hat, sind Zeiten einer geringfügigen Beschäftigung und überwiegend Zeiten mit Bezug von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe, bei denen der Kläger keine eigene Beitragsleistung erbracht hat. Hier liegen rentenrechtlich betrachtet zwar Beitragszeiten vor, dies aber aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung der Sozialleistungsträger zur Entrichtung pauschalierter Beiträge für arbeitslose bzw. nicht erwerbstätige bedürftige Versicherte. Insoweit besteht aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 210 Abs. 3 SGB VI kein Anspruch auf Erstattung, weil der Kläger als Versicherter diese (pauschalierten) Beiträge nicht selbst getragen hat.

Das SG hat bereits in seinem Gerichtsbescheid vom 17.06.2016 im Ergebnis zutreffend darauf hingewiesen, dass § 210 SGB VI auch mit höherrangigem Recht und auch mit bilateralem Recht vereinbar ist. Das SG hat zutreffend auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Begrenzung der Beitragserstattung auf die gesetzliche Hälfte (also des Arbeitnehmeranteils) hingewiesen. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung nach § 153 Abs. 2 SGG ab und verweist auf die Entscheidungsgründe des SG in seinem Gerichtsbescheid vom 17.06.2016.

Auch ein Verstoß gegen europarechtliche Vorschriften, die allenfalls über das deutsch-türkische Sozialversicherungsabkommen bzw. das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei Anwendung finden könnten, kann nicht gesehen werden. Das Sozialversicherungsabkommen mit der Türkei sieht keine weitergehenden Rechte vor als die, die in § 210 Abs. 3 SGB VI für alle Versicherten (unabhängig von Wohnsitz oder Staatsangehörigkeit) vorgesehen sind. Auch ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 6 bzw. 9 des Assoziierungsabkommens kann nicht gesehen werden, da eine Schlechterstellung des Klägers infolge seiner Staatsangehörigkeit oder seiner Wohnsitznahme im Ausland nicht erfolgt. Ein Anspruch auf Beitragserstattung besteht nach § 210 SGB VI für Versicherte, die im Inland leben, auch nur dann, wenn sie die Regelaltersgrenze erreicht haben und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt wurde und sie deshalb eigentlich nicht mehr versicherungspflichtig sind oder nicht mehr das Recht zur freiwilligen Versicherung besteht. Im Falle einer Erstattung sieht § 210 SGB VI in Abs. 3 eine Erstattung nur des Arbeitnehmeranteils vor, unabhängig davon, welche Staatsangehörigkeit der Versicherte hat und wo er seinen Wohnsitz nimmt. Im Gegenteil kommt ein türkischer Staatsangehöriger frühzeitiger zu einer Beitragserstattung als ein deutscher Versicherter, wenn er dauerhaft aus dem deutschen Arbeitsmarkt ausscheidet und mit seinem Antrag auf Beitragserstattung auch deutlich macht, dass er sein Versicherungsverhältnis in der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung beendet hat und auch beenden will. Wenn aber ein deutscher Arbeitnehmer mit Wohnsitz im Inland lediglich Anspruch auf die Erstattung seines Arbeitnehmeranteils zur gesetzlichen Rentenversicherung hat - was das Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß bezeichnet hat - kann ein türkischer Staatsangehöriger schon denknotwendig nicht diskriminiert sein, wenn er die gleiche Beitragserstattung erhält wie ein deutscher Arbeitnehmer. Auch dieser bekommt nie den für ihn vom Arbeitgeber aufgewandten Beitragsanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung.

Insoweit ist die Argumentation der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht nachvollziehbar. Sie verkennt grundlegend, dass zwischen einer Beitragserstattung, die zur vollständigen Auflösung des bisherigen Versicherungsverhältnisses führt (§ 210 Abs. 6 Satz 2 SGB VI) und einem Leistungsanspruch auf Gewährung einer Rente aufgrund selbst erworbener Anwartschaften aus einem noch bestehenden Versicherungsverhältnis streng zu differenzieren ist. Der Kläger ist in seiner Entscheidungsfreiheit, welche der beiden Möglichkeiten er in Anspruch nehmen möchte, wenn er dauerhaft in sein Heimatland zurückkehrt, nicht eingeschränkt und auch nicht diskriminiert. Die Entscheidung, in sein Heimatland zurückzukehren, löst keine wirtschaftliche oder sonstige Benachteiligung aus. Eine Auswirkung ergibt sich erst aufgrund der Antragstellung auf Beitragserstattung. Eine Diskriminierung aufgrund Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz ist damit aber - wie oben aufgezeigt - ebenfalls nicht verbunden, weil deutsche und ausländische Versicherte hier gleich behandelt werden.

Die Entscheidung des EuGH vom 26.05.2011 in der Rechtssache C-485/07, auf die die Prozessbevollmächtigte des Klägers Bezug nimmt, begründet ebenfalls kein anderes Ergebnis. Vorliegend geht es gerade nicht um die Gewährung einer Rente in das Ausland, was selbstverständlich aufgrund der Regelungen der §§ 110 - 112 SGB VI möglich gewesen wäre. Der Kläger hat aber gerade keine Rentengewährung in die Türkei beantragt, sondern die Beitragserstattung gewünscht, die ihm auch bewilligt wurde. Mit Durchführung der Beitragserstattung erlischt das Versicherungsverhältnis in seiner Gesamtheit.

Auch eine Nachversicherung des Klägers in der türkischen Rentenversicherung ist nicht möglich, nachdem laut vorliegender Erklärung des türkischen Rentenversicherungsträgers niemals eine Pflichtmitgliedschaft in der türkischen Sozialversicherung bestanden hat. Insoweit bestand keine Möglichkeit, die Beiträge an die türkischen Sicherungssysteme weiterzuleiten oder - wie sich dies die Prozessbevollmächtigte des Klägers offenbar vorstellt - einen fiktiven Arbeitgeberanteil trotz Beendigung des Versicherungsverhältnisses an den türkischen Rentenversicherungsträger zu übertragen um dort dann eine neue, eigenständige Anwartschaft zu begründen.

Nach alledem war die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 17.06.2016 als unbegründet zurückzuweisen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG).

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts ab. Auch ein Abweichen von der Rechtsprechung des EuGH ist nicht ersichtlich. Die Entscheidung des EuGH vom 26.05.2011 in der Rechtssache C-485/07 ist mangels vergleichbaren Sachverhalts nicht maßgebend.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 20. Okt. 2016 - L 19 R 515/16 zitiert 8 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 210 Beitragserstattung


(1) Beiträge werden auf Antrag erstattet 1. Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben,2. Versicherten, die die Regelaltersgrenze erreicht und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt hab

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 110 Grundsatz


(1) Berechtigte, die sich nur vorübergehend im Ausland aufhalten, erhalten für diese Zeit Leistungen wie Berechtigte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. (2) Berechtigte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, erhalten

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 112 Renten bei verminderter Erwerbsfähigkeit


Berechtigte erhalten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eine Rente nur, wenn der Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht. Für eine Rente für Bergleute ist zusätzlich erforderlich, dass die Berechtigten auf diese Rente bereits

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(1) Beiträge werden auf Antrag erstattet

1.
Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben,
2.
Versicherten, die die Regelaltersgrenze erreicht und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben,
3.
Witwen, Witwern, überlebenden Lebenspartnern oder Waisen, wenn wegen nicht erfüllter allgemeiner Wartezeit ein Anspruch auf Rente wegen Todes nicht besteht, Halbwaisen aber nur, wenn eine Witwe, ein Witwer oder ein überlebender Lebenspartner nicht vorhanden ist. Mehreren Waisen steht der Erstattungsbetrag zu gleichen Teilen zu.

(1a) Beiträge werden auf Antrag auch Versicherten erstattet, die versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind, wenn sie die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben. Dies gilt nicht für Personen, die wegen Geringfügigkeit einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind. Beiträge werden nicht erstattet,

1.
wenn während einer Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht von dem Recht der freiwilligen Versicherung nach § 7 Gebrauch gemacht wurde oder
2.
solange Versicherte als Beamte oder Richter auf Zeit oder auf Probe, Soldaten auf Zeit, Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst versicherungsfrei oder nur befristet von der Versicherungspflicht befreit sind.
Eine freiwillige Beitragszahlung während einer Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht im Sinne des Satzes 3 Nummer 2 ist für eine Beitragserstattung nach Satz 1 unbeachtlich.

(2) Beiträge werden nur erstattet, wenn seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen sind und nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist.

(3) Beiträge werden in der Höhe erstattet, in der die Versicherten sie getragen haben. War mit den Versicherten ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, wird der von den Arbeitgebern getragene Beitragsanteil der Arbeitnehmer erstattet. Beiträge aufgrund einer Beschäftigung nach § 20 Abs. 2 des Vierten Buches, einer selbständigen Tätigkeit oder freiwillige Beiträge werden zur Hälfte erstattet. Beiträge der Höherversicherung werden in voller Höhe erstattet. Erstattet werden nur Beiträge, die im Bundesgebiet für Zeiten nach dem 20. Juni 1948, im Land Berlin für Zeiten nach dem 24. Juni 1948 und im Saarland für Zeiten nach dem 19. November 1947 gezahlt worden sind. Beiträge im Beitrittsgebiet werden nur erstattet, wenn sie für Zeiten nach dem 30. Juni 1990 gezahlt worden sind.

(4) Ist zugunsten oder zulasten der Versicherten ein Versorgungsausgleich durchgeführt, wird der zu erstattende Betrag um die Hälfte des Betrages erhöht oder gemindert, der bei Ende der Ehezeit oder Lebenspartnerschaftszeit als Beitrag für den Zuschlag oder den zum Zeitpunkt der Beitragserstattung noch bestehenden Abschlag zu zahlen gewesen wäre. Dies gilt beim Rentensplitting entsprechend.

(5) Haben Versicherte eine Sach- oder Geldleistung aus der Versicherung in Anspruch genommen, können sie nur die Erstattung der später gezahlten Beiträge verlangen.

(6) Der Antrag auf Erstattung kann nicht auf einzelne Beitragszeiten oder Teile der Beiträge beschränkt werden. Mit der Erstattung wird das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Beiträge werden auf Antrag erstattet

1.
Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben,
2.
Versicherten, die die Regelaltersgrenze erreicht und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben,
3.
Witwen, Witwern, überlebenden Lebenspartnern oder Waisen, wenn wegen nicht erfüllter allgemeiner Wartezeit ein Anspruch auf Rente wegen Todes nicht besteht, Halbwaisen aber nur, wenn eine Witwe, ein Witwer oder ein überlebender Lebenspartner nicht vorhanden ist. Mehreren Waisen steht der Erstattungsbetrag zu gleichen Teilen zu.

(1a) Beiträge werden auf Antrag auch Versicherten erstattet, die versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind, wenn sie die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben. Dies gilt nicht für Personen, die wegen Geringfügigkeit einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind. Beiträge werden nicht erstattet,

1.
wenn während einer Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht von dem Recht der freiwilligen Versicherung nach § 7 Gebrauch gemacht wurde oder
2.
solange Versicherte als Beamte oder Richter auf Zeit oder auf Probe, Soldaten auf Zeit, Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst versicherungsfrei oder nur befristet von der Versicherungspflicht befreit sind.
Eine freiwillige Beitragszahlung während einer Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht im Sinne des Satzes 3 Nummer 2 ist für eine Beitragserstattung nach Satz 1 unbeachtlich.

(2) Beiträge werden nur erstattet, wenn seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen sind und nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist.

(3) Beiträge werden in der Höhe erstattet, in der die Versicherten sie getragen haben. War mit den Versicherten ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, wird der von den Arbeitgebern getragene Beitragsanteil der Arbeitnehmer erstattet. Beiträge aufgrund einer Beschäftigung nach § 20 Abs. 2 des Vierten Buches, einer selbständigen Tätigkeit oder freiwillige Beiträge werden zur Hälfte erstattet. Beiträge der Höherversicherung werden in voller Höhe erstattet. Erstattet werden nur Beiträge, die im Bundesgebiet für Zeiten nach dem 20. Juni 1948, im Land Berlin für Zeiten nach dem 24. Juni 1948 und im Saarland für Zeiten nach dem 19. November 1947 gezahlt worden sind. Beiträge im Beitrittsgebiet werden nur erstattet, wenn sie für Zeiten nach dem 30. Juni 1990 gezahlt worden sind.

(4) Ist zugunsten oder zulasten der Versicherten ein Versorgungsausgleich durchgeführt, wird der zu erstattende Betrag um die Hälfte des Betrages erhöht oder gemindert, der bei Ende der Ehezeit oder Lebenspartnerschaftszeit als Beitrag für den Zuschlag oder den zum Zeitpunkt der Beitragserstattung noch bestehenden Abschlag zu zahlen gewesen wäre. Dies gilt beim Rentensplitting entsprechend.

(5) Haben Versicherte eine Sach- oder Geldleistung aus der Versicherung in Anspruch genommen, können sie nur die Erstattung der später gezahlten Beiträge verlangen.

(6) Der Antrag auf Erstattung kann nicht auf einzelne Beitragszeiten oder Teile der Beiträge beschränkt werden. Mit der Erstattung wird das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr.

(1) Berechtigte, die sich nur vorübergehend im Ausland aufhalten, erhalten für diese Zeit Leistungen wie Berechtigte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.

(2) Berechtigte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, erhalten diese Leistungen, soweit nicht die folgenden Vorschriften über Leistungen an Berechtigte im Ausland etwas anderes bestimmen.

(3) Die Vorschriften dieses Abschnitts sind nur anzuwenden, soweit nicht nach über- oder zwischenstaatlichem Recht etwas anderes bestimmt ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.