Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 27. Juli 2016 - L 19 R 395/14

bei uns veröffentlicht am27.07.2016
vorgehend
Sozialgericht Würzburg, S 4 R 348/13, 09.04.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 09.04.2014 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 01.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2013 abgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger gegen die Beklagte aufgrund seines Antrags vom 27.11.2012 einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.

Der 1956 geborene Kläger hat den Beruf eines Bauschlossers erlernt und war in diesem Beruf auch versicherungspflichtig beschäftigt. Zuletzt war er als Qualitätskontrolleur bei der Firma F. GmbH & Co. KG tätig. Das Arbeitsverhältnis besteht wohl noch fort. Seit Januar 2008 ist dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 zuerkannt, der mit Änderungsbescheid vom 20.02.2013 des Zentrum Bayern Familie und Soziales - Versorgungsamt Würzburg - auf 70 erhöht wurde (Einzel-GdB für psychische Leiden von 50).

In der Zeit vom 31.07.2012 bis 04.09.2012 befand sich der Kläger in einer stationären medizinischen Reha-Maßnahme im Klinikum Bad B., Abteilung Psychosomatik, aus der er als arbeitsfähig sowie mit einem Leistungsbild von mehr als sechs Stunden täglich sowohl für die letzte Tätigkeit als Qualitätskontrolleur als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen entlassen wurde. Empfohlen wurde die Fortführung der ambulanten Psychotherapie, bei Bedarf Physiotherapie sowie das selbstständige Fortführen des Entspannungstrainings und der erlernten krankengymnastischen Übungen, dosierte sportliche Betätigung und Bewegung, weitere Gewichtsreduktion.

Am 27.11.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente wegen Depressionen, Asthma, Prostataerkrankung, Rücken-, Hüft- und Knieschmerzen. Er habe sehr viel Stress und stehe immer unter Druck (Angst, Versagen, Selbstmordgedanken - könne seine Schulden und laufende Zahlungen nicht mehr schaffen). Er sei immer müde und niedergeschlagen. Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. M. ein, der am 08.01.2013 zu dem Ergebnis gelangte, dass der Kläger sowohl seine letzte Tätigkeit als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen verrichten könne. Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 01.02.2013 eine Rentengewährung ab.

Der hiergegen am 28.02.2013 eingelegte Widerspruch wurde nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen mit Widerspruchsbescheid vom 03.04.2013 als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung der hiergegen am 18.04.2013 zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass die zahlreichen gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers sehr wohl zu einer quantitativen Leistungsminderung führen würden. Ebenso seien die Kriterien der Berufsunfähigkeit nach § 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - erfüllt. Aus dem Änderungsbescheid des ZBFS Unterfranken vom 20.02.2013 ergebe sich eindrucksvoll, dass beim Kläger Erkrankungen auf den unterschiedlichsten Fachgebieten vorlägen. Es erscheine nicht möglich, dass der Kläger seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Qualitätskontrolleur noch dauerhaft über sechs Stunden je Arbeitstag ausüben könne. Diese Tätigkeit setze gute bis sehr gute kognitive Fähigkeiten sowie ein erhöhtes Konzentrationsvermögen voraus. Gerade diese beiden Dinge seien beim Kläger deutlich reduziert. Adäquate Verweisungstätigkeiten könnten nicht verrichtet werden.

Das SG hat die Unterlagen des ZBFS, Region Unterfranken, sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers beigezogen, nämlich vom Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P., von Dipl.-Psych. W., des Orthopäden Dr. H., des Psychologischen Psychotherapeuten S. und von der Fachärztin für Allgemeinmedizin C.. Sodann hat das SG ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. K. eingeholt, der den Kläger am 06.02.2014 untersucht hat. Dr. K. ist in seinem Gutachten vom 03.03.2014 zu folgenden Diagnosen gelangt:

1. Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome

2. Abgelaufene posttraumatische Belastungsstörung Typ 2 mit den typischen Symptomen einer andauernden Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung

3. Nachweis einer Polyneuropathie der unteren Extremität mit Hinterstrangstörungen.

Aufgrund dieser Diagnosen bestehe beim Kläger ein aufgehobenes Leistungsvermögen, d. h. er könne nur noch eine weniger als dreistündige Tätigkeit verrichten. Der Kläger sei aus ärztlicher Sicht auch nicht mehr in der Lage, den Beruf eines Qualitätskontrolleurs durchzuführen. In den bislang vorliegenden Sachverständigengutachten bzw. Befunden sei ein wesentlicher Teilaspekt der schweren seelischen Erkrankung nicht adäquat berücksichtigt worden. Die von Dr. M. und auch der Klinik Bad B. dargelegte sozialmedizinische Wertung sei nicht nachvollziehbar, da in diesen Befunden wichtige Aspekte der seelischen Erkrankungen des Klägers nicht berücksichtigt seien. Der gesamte Krankheitsverlauf sei chronifiziert. Trotz leitliniengerechter ambulanter und stationärer psychiatrischer Behandlung und auch einer umfassenden Psychotherapie sei es zu keiner durchgreifenden Besserung des gesamten Krankheitsbildes gekommen. Es bestehe eine rezidivierende depressive Störung, derzeit eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome. Neben dieser schweren Depression habe sich beim Kläger zusätzlich eine Traumafolgestörung entwickelt. Bei massiven Misshandlungen im Kindesalter durch den alkoholkranken Vater habe sich eine posttraumatische Belastungsstörung Typ 2 entwickelt, infolge der es zu einer andauernden Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung gekommen sei. Die Symptome dieser Persönlichkeitsänderung seien ebenfalls bereits seit über zehn Jahren bekannt. Der Kläger zeige eine misstrauische Haltung gegenüber der Umwelt, ein sozialer Rückzug zeige sich an, es bestehe das Gefühl der Leere und Hoffnungslosigkeit. Er sei ständig angespannt, fühle sich bedroht. Diese psychologischen Symptome würden natürlich in hohem Maße moduliert durch die schwere depressive Erkrankung. Es bestünden keine internen oder externen Inkonsistenzen hinsichtlich der psychischen Erkrankung des Klägers. Sowohl in der Selbst- als auch in der Fremdbeurteilung sei eine schwere depressive Symptomatik deutlich geworden. Die leichten Auffälligkeiten im Rahmen der Beschwerdevalidierungstests seien Ausdruck der Überforderung des Klägers. Die Störungen im Rahmen der Leistungstests seien durch die schwere Depression bedingt im Sinne einer pseudodementiellen Symptomatik. Das aufgehobene Leistungsvermögen des Klägers sei seit der Rentenantragstellung am 28.11.2012 anzunehmen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27.03.2014 eine prüfärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 26.03.2014 übersandt, in der ausgeführt wurde, dass die sozialmedizinische Beurteilung von Dr. K. nicht gänzlich nachvollzogen werden könne. Entgegen seinen Ausführungen sei bereits im Reha-Entlassungsbericht vom 29.10.2012 eine vergleichbare Diagnose gestellt und sozialmedizinisch gleichwohl ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen festgestellt worden. Auch das psychiatrische Vorgutachten von Dr. M. vom 08.01.2013 würde hier sowohl die depressive Verstimmung als auch die Persönlichkeitsstruktur des Klägers würdigen. Der Kläger habe im Juli 2012 arbeitsfähig die medizinische Reha-Maßnahme angetreten, wobei der Kläger durchgängig seit 1985 bis zum Reha-Antritt 07/2012, also 27 Jahre lang, als Kontrolleur und Verpacker von Flugzeuglagern gearbeitet habe. Unstrittig sei die Kindheit des Klägers belastend gewesen. Es sei aus prüfärztlicher Sicht jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb nach der belastenden Kindheit des Klägers eine andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung nach vergleichsweise guter sozialer Integration nun seit Rentenantragstellung im November 2012 eine sozialmedizinische Relevanz innehaben solle. Aus prüfärztlicher Sicht sei auf das psychosoziale Funktionsniveau des Klägers hinzuweisen. Vor einem Jahr habe der Kläger eine neue Partnerschaft eingehen und aufrechterhalten können. Des Weiteren pflege er regelmäßige Kontakte zu seinem Sohn, er pflege seine Tiere (Hund, zwei Schweine, Katzen), schaue sich gelegentlich Fußballspiele sonntags im Dorf an und pflege engen Kontakt zu seiner Kirchengemeinde. Testpsychologisch werde gemäß dem Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI) eine geringe Offenheit sowie eine negative Antwortverzerrung attestiert.

Das SG hat sodann durch Urteil vom 09.04.2014 die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 01.02.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2013 mit Leistungsfall Antragstellung Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren und die entsprechenden gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Aufgrund des Gutachtens von Dr. K. sei davon auszugehen, dass der Kläger nur noch über ein unter dreistündiges Leistungsvermögen verfüge und eine Restleistungsfähigkeit auch für die Zukunft nicht mehr ersichtlich sei. Die Prognose sei ungünstig. Es handele sich um ein chronifiziertes Beschwerdebild. Die schwere seelische Erkrankung des Klägers habe die Fähigkeit zur Willensanpassung aufgehoben. Der persönliche Eindruck des Klägers in der mündlichen Verhandlung habe das Bild, welches sich aus dem Sachverständigengutachten von Dr. K. ergebe, ohne Zweifel widergespiegelt.

Zur Begründung der hiergegen am 05.05.2014 zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung weist die Beklagte mit Schriftsatz vom 24.07.2014 darauf hin, dass die von Dr. K. gestellten Diagnosen sowohl auf neurologischem Fachgebiet (Polyneuropathie) als auch die psychiatrischen Diagnosen (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome) nicht nachvollzogen werden könnten. Hinsichtlich der Polyneuropathie sei eine elektrophysiologische Untersuchung der unteren Extremität nicht durchgeführt worden. Sowohl die SEP-Diagnostik der oberen Extremitäten wie auch die magnetevozierten Potentiale hätten unauffällige Befunde ergeben. Im EEG hätte sich keine Gehirnfunktionsstörung ergeben. Hinsichtlich der rezidivierenden depressiven Störung sei darauf hinzuweisen, dass diese Diagnose bereits im Reha-Entlassungsbericht vom 29.10.2012 gestellt und trotzdem ein vollschichtiges Leistungsvermögen beim Kläger angenommen worden sei. Ebenfalls nicht nachvollziehbar sei die Diagnose einer abgelaufenen posttraumatischen Belastungsstörung Typ 2 mit den typischen Symptomen einer andauernden Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung. Der Kläger habe 27 Jahre lang seine Arbeit als Kontrolleur und Verpacker von Flugzeuglagern verrichten können. Das psychosoziale Funktionsniveau des Klägers stehe offensichtlich im Gegensatz zu dem persönlichen Eindruck, den das erkennende Gericht in der mündlichen Verhandlung vom Kläger habe gewinnen können.

Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 07.08.2014 die Vollstreckung aus dem Urteil des SG Würzburg vom 09.04.2014 im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz vorläufig ausgesetzt (Az. L 19 R 657/14 ER).

Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte und Psychologen des Klägers beigezogen (Hausärztin C., Dr. D., Facharzt für Dr. P., Dipl.-Psychologe F.) und sodann ein neurologischpsychiatrisches Gutachten von Dr. G. eingeholt, der den Kläger am 02.09.2015 untersucht hat. Dr. G. ist in seinem Gutachten vom 23.10.2015 zu folgenden Diagnosen gelangt:

1. Kombinierte Persönlichkeitsstörung

2. Rezidivierende depressive Störung

3. Verdacht auf Polyneuropathie, leichtgradig

4. degeneratives Wirbelsäulensyndrom ohne radikuläre Symptomatik

5. Schlafapnoe-Syndrom.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die Persönlichkeitsstörungen des Klägers im Kern konstitutionell angelegt seien und überdauernd bestehen blieben, somit auch das Risiko zu assoziierten psychischen Gesundheitsstörungen bestehen bleiben werde. Dennoch könne derzeit keineswegs davon ausgegangen werden, dass wesentliche Erscheinungsbilder und Symptome der psychischen Gesundheitsstörungen und des Verhaltens des Klägers nicht durch zumutbare Willensanspannung aus eigener Kraft oder mit fremder Hilfe überwunden werden könnten. Die Ergebnisse der Untersuchung hätten erhebliche Zweifel an der Validität der Angaben des Klägers erbracht und belegten keinesfalls den vermeintlich schweren Ausprägungsgrad der Störung. Insbesondere hätten sich erhebliche Zweifel hinsichtlich einer konsequenten und regelmäßigen Umsetzung von Therapiemaßnahmen ergeben. Trotz der genannten Gesundheitsstörungen könne der Kläger die Tätigkeit eines Qualitätskontrolleurs und auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch vollschichtig verrichten. Es könnten noch leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen oder in wechselnder Stellung ohne schweres Heben und Tragen in geschlossenen Räumen ausgeübt werden. Aufgrund der im Kern vorhandenen Persönlichkeitsstörung mit daraus resultierender Einschränkung der psychophysischen Belastbarkeit sollten nervlich belastende Tätigkeiten vermieden werden. Tätigkeiten unter erheblichem Zeitdruck, in der Nachtschicht, im Akkord, am Fließband, mit besonderer Verantwortung sowie in Gefahrenbereichen sollten nicht ausgeübt werden. Ebenso wenig sollten Tätigkeiten aufgrund der Einschränkungen des Bewegungs- und Stützsystems in regelmäßigen Zwangshaltungen oder mit dem regelmäßigen und häufigen Heben von mittelschweren und schweren Lasten ohne Hilfsmittel ausgeübt werden. Tätigkeiten in Gefahrenbereichen, beispielsweise mit Absturzgefahr oder im ständigen Gehen oder Stehen oder an laufenden Maschinen seien ebenfalls nicht geeignet.

Aufgrund der Befunde sei davon auszugehen, dass eine bewusstseinsnahe Einschränkung der Leistungsmotivation durchaus vorhanden sei. Aufgrund der im Kern sicherlich vorhandenen psychischen Gesundheitsstörungen sei die Ausdauer, die Anpassungsfähigkeit an den technischen Wandel und die praktische Anstelligkeit und Findigkeit eingeschränkt. Die Ergebnisse könnten darüber hinaus jedoch nicht belegen, dass relevante Einschränkungen der Merk- und Konzentrationsfähigkeit, des Verantwortungsbewusstseins und der Gewissenhaftigkeit, der Selbstständigkeit des Denkens und Handelns, des Unterscheidungs- und Beurteilungsvermögens sowie des Reaktionsvermögens vorhanden seien. Die Umstellungsfähigkeit sei sicherlich ebenfalls eingeschränkt. Die Wegefähigkeit des Klägers sei zweifellos gegeben. Es sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger selbst angegeben habe, nach wie vor ein Auto zu steuern. Würde man die Ergebnisse der psychologischen Tests als valide zugrunde legen, wäre die Fahrtauglichkeit zweifellos nicht mehr gegeben. Auch hier ergäben sich deutliche Zweifel an der Validität der Testergebnisse. Da diese Zweifel in relevantem Ausmaß vorhanden seien, könnten sie eine fehlende Fahrtauglichkeit nicht bestätigen. Der Gesundheitszustand des Klägers habe sich im Grunde seit November 2012 nicht verändert. Die Ergebnisse und Befunde, die im Rahmen der stationären Behandlung in der Abteilung Psychosomatik des Klinikums Bad B. gewonnen und von Dr. M. bestätigt worden seien, hätten nach wie vor Bestand. Trotz der Befunde von Dr. K. sei von keiner wesentlichen Änderung im Verlauf auszugehen. Eine vermeintliche Verschlechterung lasse sich weder aufgrund der Befunde noch der tatsächlich durchgeführten Therapie und insbesondere einer externen Überprüfung der therapeutischen Maßnahmen bestätigen. Sollten sich vor Ort tatsächlich Hinweise für eine Verschlechterung des psychischen Zustandes ergeben, wären zunächst ambulante Maßnahmen mit konsequenter Überprüfung der Therapie erforderlich. Ggf. könnte in einem weiteren Schritt eine Behandlung in einer akutpsychiatrischen Einrichtung durchgeführt werden, beispielsweise einer Tagesklinik oder einer psychiatrischen Akutklinik. Aufgrund der aktuellen Befunde lasse sich dies jedoch derzeit noch nicht empfehlen. Es sei unwahrscheinlich, dass die qualitativen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit behoben werden könnten, da zumindest der Anteil der Persönlichkeitsstörung zeitüberdauernd sei und als Risikofaktor für die Entwicklung psychischer Gesundheitsstörungen bei inadäquaten Anforderungen angesehen werden müsse.

Zum Gutachten Dr. G. hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 19.11.2015 Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass der Kläger einen Freund habe, der letztendlich sein Anwesen in Schuss halte und den Kläger des Öfteren besuche. Bis vor kurzem habe der Kläger auch noch eine Lebensgefährtin gehabt, so dass der Umstand, dass der Kläger vollständig alleine zurechtkomme, so nicht gehalten werden könne, insbesondere was die latent vorhandenen Depressionen betreffe.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 04.12.2015 eine prüfärztliche Stellungnahme von Frau Dr. B. vom 01.12.2015 übersandt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 09.04.2014 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 01.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2013 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 09.04.2014 zurückzuweisen.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Würzburg ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Sie ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab Rentenantragstellung verurteilt. Ein Nachweis einer dauerhaften, einer Behandlung nicht mehr zugänglichen quantitativen Leistungsminderung, die einen Rentenanspruch nach § 43 SGB VI begründen könnte, ist noch nicht gegeben. Ebenso wenig besteht Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI.

Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise erwerbsgemindert sind,

2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbei-

träge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und

3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Zur Überzeugung des Senats ist gegenwärtig davon auszugehen, dass der Nachweis eines Absinkens des quantitativen Leistungsvermögens des Klägers auf unter sechs Stunden täglich noch nicht gelungen ist, sondern der Kläger sowohl seine letzte Tätigkeit als Qualitätskontrolleur als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bei Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann und insbesondere ausreichende Behandlungsoptionen der psychischen Erkrankung des Klägers gegeben sind.

Der Schwerpunkt der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers liegt unzweifelhaft auf psychiatrischem Fachgebiet. Der Kläger hat zur Begründung seines Rentenantrages vom 27.11.2012 auf bestehende Depressionen wegen des zunehmenden beruflichen Stresses sowie wegen finanzieller Probleme hingewiesen. Aus dem Reha-Entlassungsbericht der Klinik Bad B. ist das Vorliegen einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode sowie eine Dysthymia zu entnehmen, obwohl der Kläger arbeitsfähig zur Rehamaßnahme aus eigener Initiative angetreten ist und von dort auch als arbeitsfähig sowie mit einem Leistungsbild von mehr als 6 Stunden täglich sowohl für die letzte Tätigkeit als auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde. Ausdrücklich festgehalten ist in dem Reha-Entlassungsbericht, dass die Einschätzung der Reha-Klinik auch der Einschätzung des Klägers entspricht. Es bestünden vielfältige Einschränkungen, so seien Nachtschicht und Spätschichten sowie häufig wechselnde Arbeitszeiten zu vermeiden, des Weiteren bestehe eine eingeschränkte Stressbelastbarkeit, auf reguläre, kontinuierliche Arbeitsabläufe sei zu achten bei eingeschränktem Umstellungsvermögen. Des Weiteren seien andauernde wirbelsäulenbelastende Zwangshaltungen ebenso wie schweres Heben, Tragen und Bewegen von Lasten zu vermeiden. Dieses Leistungsbild sei mit der bisherigen Tätigkeit des Klägers stimmig, er werde arbeitsfähig entlassen. Dringend erforderlich sei die Fortführung der ambulanten Psychotherapie, bei Bedarf Physiotherapie sowie das selbstständige Fortführen des Entspannungstrainings und der erlernten krankengymnastischen Übungen, dosierte sportliche Betätigung und Bewegung, weitere Gewichtsreduktion.

Dr. M., der im Verwaltungsverfahren der Beklagten als Sachverständiger tätig geworden ist und den Kläger am 08.01.2013 untersucht hat, ist ebenfalls zu einem über sechsstündigen Leistungsvermögen sowohl für die letzte Tätigkeit als Qualitätskontrolleur als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen gekommen. Dr. M. hat in seinem Gutachten den Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit rezidivierenden Anpassungsstörungen sowie eine chronifizierte depressive Verstimmung beschrieben. Ihm gegenüber hat der Kläger angegeben, schon seit seiner Kindheit psychisch belastet gewesen zu sein, speziell durch seine Familie, er habe seither auch ein vermindertes Selbstwertgefühl bei Abwertung. Manifest depressiv sei er seit ca. 1990, bei vermehrter Arbeitsbelastung und wiederkehrend bei vermehrtem Stress.

Demgegenüber ist Dr. K. in seinem im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten vom 03.03.2014 zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen des Klägers gekommen, wobei er eine rezidivierende depressive Störung und eine Persönlichkeitsakzentuierung sieht, aber auch eine dauerhafte Persönlichkeitsveränderung aufgrund eines in der Kindheit erlittenen posttraumatischen Belastungssyndroms, das durch eine ärztliche Intervention wieder aufgelebt sein soll. Er geht von einer Retraumatisierung aus, die beim Kläger zu schwersten psychischen Beeinträchtigungen geführt habe.

Der vom Senat beauftragte Sachverständige Neurologe und Psychiater Dr. G. beschäftigt sich in seinem Gutachten vom 23.10.2015 sehr intensiv mit der Fragestellung, ob beim Kläger eine massive psychische Beeinträchtigung vorliegt, die Dr. K. festgestellt hat und die dieser für nicht mehr überwindbar erachtet. Dr. G. kommt aber nach Durchführung ausführlicher Testverfahren und nach Kontrolle des Medikamentenspiegels im Blut zu dem Ergebnis, dass das Leistungsvermögen des Klägers keineswegs so gravierend eingeschränkt ist, wie dies Dr. K. angenommen hat. Festzuhalten ist dabei, dass sowohl Dr. M. als auch Dr. K. in ihren Gutachten jeweils Anhaltspunkte für eine mögliche Aggravation bzw. für eine bewusstseinsnahe Umschreibung des Gesundheitszustandes des Klägers gesehen haben. Dr. K. erklärt dies aber damit, dass der Kläger durch ein akutes depressives Geschehen in seiner Leistungsfähigkeit bei der Testung massiv beeinträchtigt gewesen sei und die erzielten Testergebnisse der Überforderung des Klägers geschuldet seien.

Dr. G. hält in seinem Gutachten ausdrücklich fest, dass aufgrund der Erlebnisse in der Kindheit beim Kläger die Annahme einer defizitären und dysfunktionalen Persönlichkeitsentwicklung und daraus resultierender Persönlichkeitsstörung nachvollziehbar und insgesamt auch plausibel ist. Narzistische und histrionische Persönlichkeitszüge, die bereits seit 1999 dokumentiert seien, ließen sich aufgrund der aktuellen Untersuchung durchaus bestätigen. Gleichwohl lasse sich eine psychische Gesundheitsstörung von Relevanz bis in das fortgeschrittene Erwachsenenalter im Grunde nicht nachvollziehen. Es lägen auch keine Anhaltspunkte für eine Retraumatisierung im engeren Sinne vor. Die Vermutung einer Retraumatisierung, die durch eine ärztliche Exploration hervorgerufen worden sein solle, sei mehr als zweifelhaft. Auch die Diagnose einer andauernden Persönlichkeitsveränderung sei nicht haltbar, weil diese eine abgeschlossene und in der Regel funktionale Persönlichkeitsentwicklung voraussetze. Der Kläger habe aber bereits in seiner Kindheitsentwicklung traumatisierende Erlebnisse gehabt, so dass diese bereits zu einer defizitären und ausgesprochen devianten Persönlichkeit geführt hätten. Es sei deshalb die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung zu stellen.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger durchaus bei der Untersuchung durch die im Verfahren tätig gewordenen Sachverständigen zu einer bewusstseinsnahen Darstellung seiner gesundheitlichen Beschwerden geneigt hat, die bei Dr. G. in einem Ausmaß gezeigt wurden, dass dieser von einer massiven Intelligenzminderung auszugehen gehabt hätte, die bislang aber noch von keinem behandelnden Arzt und auch von keinem der Sachverständigen gesehen wurde. Die Fahrtauglichkeit wäre nicht mehr gegeben, gleichwohl fährt der Kläger noch selbst Auto und ist weiterhin im Besitz seines Führerscheins. Bei Hinterfragen der Testergebnisse hat Dr. G. zahlreiche Inkonsistenzen festgestellt und hat auch die fehlende Compliance des Klägers hinsichtlich der Behandlung seiner Erkrankung konstatiert. Obwohl der Kläger angegeben hat, mit Psychopharmaka in doch nennenswertem Umfang behandelt zu werden, waren diese Medikamente zwar im Blut nachzuweisen, jedoch weit außerhalb des therapierelevanten Spektrums. Eine regelmäßige Überprüfung des Medikamentenspiegels wird weder durch die behandelnden Ärzte des Klägers berichtet noch hat eine solche Kontrolle bei Dr. K. stattgefunden. In der Reha-Klinik Bad B. hat der Kläger angegeben, in den vorausgegangenen 12 Monaten maximal 1 Woche krank gewesen zu sein, was ebenfalls ein Indiz dafür wäre, dass die Funktionseinschränkungen des Klägers infolge der psychischen Erkrankung in seinem Erwerbsleben noch nicht gravierend ausgeprägt waren. Die in den Akten vorhandenen Berichte über stationäre und ambulante Behandlungsmaßnahmen lassen erkennen, dass besondere Belastungssituationen vorlagen und der Kläger durchaus relativ gut auf entsprechend intensive Behandlungsmaßnahmen in der Vergangenheit reagieren und sein Funktionsniveau privat wie beruflich aufrechterhalten konnte.

Entscheidend ist für den Senat auch, dass der vom Kläger bei den jeweiligen Begutachtungen geschilderte Tagesablauf zuerst vielseitige Aktivitäten des Klägers aufzeigt, die jedoch während des laufenden Rechtsstreits deutlich abzunehmen scheinen.

Im Reha-Entlassungsbericht Bad B. vom 29.10.2012 ist festgehalten, dass der Kläger in den letzten zwölf Monaten ca. eine Woche arbeitsunfähig gewesen sei. Zum psychischen Befund ist festgehalten, dass der Kläger wach, bewusstseinsklar und allseits orientiert sei, Auffassung, Aufmerksamkeit, Konzentration, mnestische Fähigkeiten seien weitestgehend intakt, wobei es ihm schwer falle, die Aufmerksamkeit über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten, Antrieb und Psychomotorik leichtgradig reduziert. Stimmung situativ sehr bedrückt, affektive Schwingungsfähigkeit deutlich reduziert. Intelligenz grob orientierend im Durchschnittsbereich. Durch die Reha-Maßnahme hat der Kläger offenbar eine deutliche psychische Entlastung und Entspannung erreichen können.

Im Gutachten von Dr. M. vom 08.01.2013 ist festgehalten, dass der Kläger im eigenen Haus mit Mietern im Obergeschoss lebe. Er stehe in der Freizeit zwischen 7.00 Uhr und 8.00 Uhr auf, kümmere sich um Haus und Garten, gehe spazieren, fahre Rad, gehe ein- bis zweimal pro Woche schwimmen, fahre Pkw, mache Gymnastik, sehe fern, lese Zeitschriften zwei bis drei Stunden täglich, surfe im Internet, habe eine Nebenerwerbslandwirtschaft mit 10 ha, die von einem Nachbarn bewirtschaftet werde. Er arbeite dort kaum noch. Er treffe Freunde, er sei auch in der Kirchengemeinde aktiv. Die Stimmung sei schwankend, der Antrieb reduziert, Konzentration und Gedächtnis seien nachlassend, Schlaf sei unter Medikation gut, er trage eine Atemmaske, der Appetit sei wechselhaft.

Aus dem Befundbericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin C. geht hervor, dass der Kläger sich bei ihr in Behandlung befindet und sich sein Zustand ab dem 01.03.2013 verschlechtert habe. Eine Arbeitsunfähigkeit sei von ihr nicht ausgestellt worden. In dem Behandlungsprotokoll vom 01.03.2013 ist festgehalten, dass der Kläger bei einem Arzt vom Versorgungsamt gewesen sei, der ihn auf die Kindheit angesprochen hätte. Dabei sei klar geworden, dass der Kläger in seiner gesamten Kindheit schon als Kleinkind von seinem Vater misshandelt worden sei, seine Mutter sei regelmäßig verprügelt und einmal sogar mit einer Mistgabel aufgespießt worden. Die beiden Schwestern seien ebenfalls misshandelt worden. Der Kläger habe lauthals geweint, sei hilflos, völlig fertig gewesen, schäme sich, habe auch Angst gehabt, in die Praxis zu kommen. Er habe das nun zum ersten Mal mit einem anderen Menschen besprochen außer mit seinen Geschwistern, der Kläger sei drei Stunden in der Praxis verblieben. Er habe versichert, keine Suizidgedanken oder -pläne zu haben, er nehme seine Medikamente regelmäßig ein. Er bitte darum, seinem Psychiater und seinem Psychologen davon zu berichten, die bisher ahnungslos seien. Er habe Schuldgefühle unter anderem seiner Mutter gegenüber, die er nicht habe beschützen können. Festzuhalten ist hierbei aber, dass der Kläger bereits im Januar 2013 von Dr. M. untersucht wurde und dort bereits von seinen Kindheitserlebnissen berichtet hatte. Die Begutachtung im Rahmen des Schwerbehindertenrechtsstreits erfolgte demgegenüber erst im Februar 2013, so dass nicht nachvollziehbar ist, weshalb die Exploration bei Dr. M. kein Ereignis gewesen sein soll, was zu einer Retraumatisierung führen konnte, sondern erst die ärztliche Exploration im Februar 2013 im Rahmen des Schwerbehindertenverfahrens - wie von Dr. K. angenommen.

Bei Dr. K. hat der Kläger an Aktivitäten angegeben, dass er meistens gegen 6.00 Uhr aufstehe, dann Kaffee trinke, Zeitung lese und er sich dann meist noch einmal auf die Couch lege, weil er müde und erschöpft sei. Jeden Dienstag gehe er zu seiner Psychotherapeutin. Er habe häufig auch andere Arzttermine, er fahre an guten Tagen mit dem Auto zum Einkaufen oder zum Arzt. Er gehe mit dem Hund täglich für eine halbe bis eine Stunde spazieren, danach müsse er sich ausruhen. Er kümmere sich auch noch um seine zwei Schweine und die Katzen. Er versuche den Haushalt regelmäßig zu erledigen, aber er schaffe dies oft nicht, er müsse sich dazwischen immer wieder hinlegen. An schlechten Tagen gelinge es ihm nicht, sich aufzuraffen und die anfallenden Arbeiten im Haushalt anzugehen. Er versuche trotz seiner Ängste aktiv zu bleiben und mal rauszugehen, gelegentlich schaue er sich am Sonntag im Dorf ein Fußballspiel an. Engeren Kontakt habe er aber noch zu seiner Kirchengemeinde, das gebe ihm Halt.

Dem gegenüber hat der Kläger bei Dr. G. einen deutlich eingeschränkteren Tagesablauf angegeben: Er lasse bei der Versorgung des Haushaltes vieles liegen, sei häufig erschöpft, räume dann einfach nicht auf. Er gehe auch zum Einkaufen, meist koche er aber nur Dosenfutter und manchmal gehe er zu seiner Schwester zum Essen. Seit einem Jahr habe er keine Tiere mehr. Er habe noch einen Hund, dieser werde jedoch von einem Kameraden versorgt. Dieser komme jeden Tag vorbei, kümmere sich um den Hund, gebe ihm essen und gehe mit ihm spazieren. Dies sei ein Arbeitskollege. Gelegentlich schaue er in die Zeitung, das gehe jedoch auch nicht immer. Früher sei er sehr am Fußball interessiert gewesen, habe auch Fußballspiele als Zuschauer besucht, beispielsweise in E-Stadt. In diesem Jahr sei er jedoch nicht dort gewesen, er schaffe das nicht mehr. Die neue Beziehung sei beendet.

Mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19.11.2015 wurde ausdrücklich nochmals darauf hingewiesen, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, seinen Tagesablauf zu strukturieren. Ein Freund des Klägers halte das Anwesen in Schuss und bis vor kurzem hätte er auch noch seine Lebensgefährtin gehabt. Nach den Aktenunterlagen handelt es sich bei dem Anwesen des Klägers um ein Mehrfamilienhaus mit vermietetem Obergeschoss, einer Nebenerwerbslandwirtschaft und die Lebensgefährtin hat wohl nicht bei ihm gewohnt, sondern lebte weiter entfernt, so dass er sie nach seinen eigenen Angaben nur am Wochenende besuchte.

Aus der Zusammenschau der vom Kläger geschilderten Tagesabläufe und den in allen Gutachten enthaltenen Hinweisen auf ein gewisses Aggravations- oder Tendenzverhalten, die nachgewiesenen niedrigen Serenspiegel der verordneten Medikamente und des weiteren Umstandes, dass eine intensive ambulante, teilstationäre oder gar stationäre psychiatrische Behandlung seit 2012 nicht stattgefunden hat, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der notwendige Nachweis eines bereits eingetretenen dauerhaften Absinkens des quantitativen Leistungsvermögens des Klägers auf unter 6 Stunden täglich noch nicht geführt wurde. Es bestehen offenbar erhebliche Behandlungspotentiale für die psychische Erkrankung des Klägers, die bislang nicht ausgeschöpft wurden. Allein der Umstand, dass der Kläger seit 2009 stützende Gespräche mit Psychologen und Psychotherapeuten führt und durch seine Hausärztin Frau C. psychiatrisch betreut wird, vermag eine nicht nur vorübergehende Erwerbsminderung infolge der psychischen Erkrankung noch nicht zu rechtfertigen. Zum einen müsste die Compliance des Klägers hinsichtlich der verordneten Medikation intensiv überwacht und der weitere Verlauf der Erkrankung beobachtet werden. Dr. G. hat darüber hinaus darauf hingewiesen, dass ambulante, teilstationäre oder gar stationäre psychiatrische Behandlungen noch nicht in Anspruch genommen wurden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Senats können psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant werden, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant oder stationär) davon auszugehen ist, dass der Versicherte die psychischen Einschränkungen weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe dauerhaft überwinden kann (BSG Urteil vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89; BSG Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 31/05 R - jeweils zitiert nach juris; BayLSG Urteil vom 12.10.2011 - L 19 R 738/08; BayLSG Urteil vom 30.11.2011 - L 20 R 229/08; BayLSG Urteil vom 18.01.2012 - L 20 R 979/09; BayLSG Urteil vom 15.02.2012 - L 19 R 774/06; BayLSG Urteil vom 21.03.2012 - L 19 R 35/08; BayLSG Urteil vom 26.03.2015 - L 19 R 1043/11 -; BayLSG Urteil vom 18.03.2015 - L 19 R 956/11 - ).

Aus den Akten und den beigezogenen Befundberichten geht zwar hervor, dass der Kläger in der Vergangenheit immer wieder massive psychische Probleme hatte, die auch akutstationär behandelt wurden. Eine rezidivierende depressive Störung zeichnet sich dadurch aus, dass es sich um keinen Dauerzustand handelt und ihr Ausmaß entsprechenden Schwankungen unterliegt. Die massiven psychischen Dekompensationen des Klägers lassen jeweils äußere Umstände erkennen, die Auslöser hierfür gewesen sein könnten. Bei einem derartigen Zustand ist aber von einer akuten Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung, nicht jedoch von einer eingeschränkten quantitativen Leistungsminderung im rentenrechtlichen Sinn auszugehen.

Die übrigen gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers im Bereich der Wirbelsäule bzw. möglicherweise Polyneuropathie, sofern diese überhaupt bereits nachgewiesen wäre, führen lediglich zu qualitativen Leistungseinschränkungen und vermögen einen Rentenanspruch nach § 43 SGB VI nicht zu begründen.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI. Zwar fällt der Kläger unter den Anwendungsbereich dieser Vorschrift, weil er vor dem 01.01.1961 geboren ist und als Facharbeiter (Ausbildung zum Bauschlosser, aufgegeben wohl aus gesundheitlichen Gründen, weitere Tätigkeit als Qualitätskontrolleur ebenfalls als Facharbeiter, vgl. Arbeitgeberauskunft) auch Berufsschutz nach § 240 SGB VI genießt. Der Kläger kann aber nach den für den Senat überzeugenden Ausführungen von Dr. G., Dr. M. und dem Reha-Entlassungsbericht der Klinik Bad B. seinen zuletzt ausgeübten Beruf noch mindestens 6 Stunden täglich ausüben. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die beim Kläger zu berücksichtigenden qualitativen Einschränkungen auch in seinem konkreten - wohl ruhenden - Arbeitsverhältnis umsetzbar wären. Es ist vielmehr auf vergleichbare Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt abzustellen. Zum anderen ist die Frage eines zumutbaren Verweisungsberufs bislang nicht geprüft worden. Grundsätzlich wäre hier aber sicherlich an die Tätigkeit eines qualifizierten Registrators zu denken.

Ein weiteres Gutachten von Amts wegen war nach Überzeugung des Senats nicht einzuholen. Es bestehen zwar divergierende Einschätzungen der im Verfahren tätig gewordenen Sachverständigen, die allerdings der Wertung durch den Senat zugänglich sind. Die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen, die rentenrechtlich relevant werden könnten, wurden aufgeklärt. Ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG war nicht einzuholen, nachdem dem Kläger hierzu die Gelegenheit - trotz erheblicher zeitlicher Differenz zum erstellten Gutachten von Dr. G. gegeben worden war. Der innerhalb der vom Senat gesetzten Frist benannte Sachverständige war jedoch bereits vor 2 Jahren verstorben. Die im Schriftsatz vom 05.07.2016 erfolgte Benennung eines anderen Sachverständigen erfolgte erst nach der erneuten Ladung zur mündlichen Verhandlung und würde zu einer vermeidbaren Verfahrensverzögerung führen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 109 SGG, Rdnr. 11 m. w. N.).

Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten hin das Urteil des SG Würzburg vom 09.04.2014 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 01.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2013 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 27. Juli 2016 - L 19 R 395/14 zitiert 8 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 43 Rente wegen Erwerbsminderung


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 109


(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 240 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit


(1) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die 1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und2. berufsunfähigsind. (2) Berufsunfähig

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 26. März 2015 - L 19 R 1043/11

bei uns veröffentlicht am 26.03.2015

Tenor I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.10.2011 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. März 2015 - L 19 R 956/11

bei uns veröffentlicht am 18.03.2015

Tenor I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.07.2011 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand

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(1) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die

1.
vor dem 2. Januar 1961 geboren und
2.
berufsunfähig
sind.

(2) Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die

1.
vor dem 2. Januar 1961 geboren und
2.
berufsunfähig
sind.

(2) Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

Tenor

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.10.2011 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin aufgrund ihres Rentenantrags vom 03.04.2009 gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.

Die 1951 geborene Klägerin hat keine Berufsausbildung absolviert. Eine Lehre zur Verkäuferin wurde abgebrochen. Von April 1967 bis August 1994 war die Klägerin als Näherin sozialversicherungspflichtig beschäftigt, anschließend ab Januar 1995 bis zum 20.07.2004 als Polsternäherin.

Im Jahr 2004 erlitt die Klägerin ein Carotis-Aneurysma, das operativ versorgt werden musste. Aus einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Zeit vom 20.04.2005 bis 18.05.2005 in der Rheumaklinik Bad A. wurde die Klägerin als arbeitsunfähig, jedoch mit einem mehr als 6stündigen Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes entlassen. Ihre letzte Tätigkeit als Polsternäherin im Akkord könne sie nicht mehr verrichten.

Ein erster Rentenantrag vom 16.09.2005, der wegen Beschwerden in der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie wegen des Carotis-Aneurysma gestellt worden war, führte zur Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente auf Zeit vom 01.04.2006 bis 30.09.2007. Am 19.03.2007 stellte die Klägerin einen Antrag auf Verlängerung ihrer Zeitrente, der nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. B. vom 16.07.2007 sowie eines internistischen Gutachtens von Dr. B. vom 04.06.2007 mit Bescheid vom 26.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2007 abgelehnt wurde. Die hiergegen zum Sozialgericht (SG) Bayreuth erhobene Klage, die unter dem Az. S 7 R 593/07 geführt wurde, wurde nach Einholung eines Terminsgutachtens von Prof. Dr. S. vom 28.10.2008 sowie nach Anhörung des Sachverständigen im Termin durch Klagerücknahme beendet.

Am 03.04.2009 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Erwerbsminderungsrente wegen einer Halbseitenlähmung, atypischen Gesichtsschmerzen, Niere, Depressionen, Bandscheibenschäden und Wirbelsäulenbeschwerden. Der Klägerin war zwischenzeitlich mit Bescheid des Versorgungsamtes Bayreuth vom 29.03.2006 ein Grad der Behinderung von 60 zuerkannt worden. Die Beklagte holte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. F. ein, die am 29.05.2009 zu dem Ergebnis gelangte, dass die Klägerin zwar nicht mehr als Polsternäherin im Akkord tätig sein könne, für den allgemeinen Arbeitsmarkt jedoch noch ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen vorliege. Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag der Klägerin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.08.2009 ab.

Zur Begründung der hiergegen am 27.08.2009 zum SG Bayreuth erhobenen Klage hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf deren schwere gesundheitlichen Einschränkungen hingewiesen. Sie leide unter schweren depressiven Episoden, unter motorischen Einschränkungen beim Laufen und Greifen hinsichtlich der Fein- und Grobmotorik. Sie könne keine Tasse mehr halten. Ferner ergebe sich aus dem Bericht der Praxis Dr. K., dass neurologisch nach wie vor eine kompensierte Situation vorliege. Der behandelnde Facharzt für Neurologie Dr. S. halte die Klägerin ebenfalls für nicht mehr arbeitsfähig.

Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. R., Dr. D., Dr. G., Dr. K. sowie von Dipl.Med. D. beigezogen und sodann ein neurologisch-psychiatrisches Terminsgutachten von Dr. R. eingeholt. Diese ist am 11.08.2010 zu folgenden Diagnosen gelangt:

1. Leichte bis mittelgradige Einschränkungen der BWS und LWS nach zweimaliger Bandscheiben-OP mit anhaltender Schmerzsymptomatik, diskrete Fußheberschwäche rechts und genannten anhaltenden Gefühlsstörungen ohne schwere Störungen der Abrollfunktion.

2. Bewegungsschmerz der HWS ohne nennenswerte funktionelle Einschränkung bei bildgebend dargestelltem Bandscheibenvorfall HWK 5/6.

3. Chronisch wiederkehrender Erschöpfungszustand mit depressiver Verstimmung, Somatisierungsstörung.

4. Halbseitenschwäche rechts nach Ausschaltung eines Gefäßaneurysmas der linken Halsschlagader.

Trotz der genannten gesundheitlichen Einschränkungen sei die Klägerin noch mindestens 6 Stunden täglich einsatzfähig. Zu vermeiden seien taktgebundene Arbeiten, ständig hoher Zeitdruck, Nachtschicht, andauernde Zwangshaltungen, häufige Überkopfarbeit, häufiges Bücken, Klettern und Steigen, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr, Hocken und Knien, langanhaltende Vibrationen und Erschütterungen, Tätigkeiten mit hoher Anforderung an Konzentration und rasches Reaktionsvermögen. Die Klägerin sei für körperlich leichte, gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch einsetzbar, die Wegefähigkeit sei gegeben. Als neue Erkrankung war ein Bandscheibenvorfall im Bereich HWK 5/6 festgehalten.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG - hat das SG sodann ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Prof. Dr. M. vom Bezirksklinikum O. eingeholt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 03.02.2011 zu folgenden Diagnosen gelangt:

1. Ausgeprägtes hirnorganisches Psychosyndrom.

2. Mittelschwere depressive Episode.

3. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen.

Die Klägerin könne aufgrund dieser gesundheitlichen Einschränkungen nur noch unter dreistündig täglich tätig werden. Es bestünden ausgeprägte qualitative Veränderungen der Erwerbsfähigkeit bezüglich der psychischen Belastbarkeit, der Umstellungsfähigkeit, der Fähigkeiten neue Arbeitsabläufe zu erlernen, der absoluten Unfähigkeit zur Wahrnehmung von Kontroll- und Steuerungsfunktionen, aber eben auch im emotionalen Bereich (Arbeitsumgebung), bezüglich Integration in Arbeitsabläufe für Teams und hierarchische Systeme. Ferner bestünden auch Einschränkungen in quantitativer Hinsicht aufgrund der emotionalen (depressiven) und kognitiven ausgeprägten Beeinträchtigung. Die Klägerin sei auch nicht mehr wegefähig, auch nicht als Fußgängerin, da mit einer massiv erhöhten störungsbedingten Unfallgefahr zu rechnen sei. Eine Fahrtauglichkeit im engeren Sinn bestehe bei ihr nicht mehr. Im Gutachten vom 11.08.2010 (Dr. R.) seien 2 Diagnosen aus dem psychiatrischen Bereich nicht aufgeführt, die jedoch entscheidend seien, nämlich die mittelschwere depressive Episode und das ausgeprägte hirnorganische Psychosyndrom.

Des Weiteren wurde ein psychologisches Zusatzgutachten von Dipl. Psych. M. erstellt, der am 20.01.2011 zu dem Ergebnis gelangte, dass das psychometrisch erfasste aktuelle Persönlichkeitsprofil der Klägerin besonders in den Bereichen „Lebenszufriedenheit“, „körperliche Beschwerden“ und „Extraversion“ sehr deutlich von der Norm abweiche. Im Vordergrund stehe eine sehr deutlich reduzierte allgemeine Lebenszufriedenheit mit depressiven Gedankeninhalten und geringer Zuversicht. Weiterhin bestünden zahlreiche körperliche Allgemeinbeschwerden und psychovegetative Beschwerden. Es finde sich eine starke Introvertiertheit mit geringer Energie und geringem Geselligkeitsbedürfnis. In Kombination dazu zeige sich eine geringgradige Belastbarkeit im Alltag, ein reduziertes Selbstwertgefühl mit Unsicherheiten, eine emotionale Labilität und eine reduzierte Leistungsfähigkeit. Insgesamt sei festzustellen, dass die Klägerin über eine leichte überdurchschnittliche soziale Orientierung verfüge. Es gäbe keine Hinweise auf hypochondrische Neigungen. Insgesamt sei vom Vorliegen eines mittelgradigen bis schweren depressiven Syndroms auszugehen.

In einer prüfärztlichen Stellung von Dr. F. vom 04.03.2011 wies diese darauf hin, dass bei der Klägerin bislang auch aus den ärztlichen Befund- und Klinikberichten lediglich Depressionen und leichte hirnorganische Beeinträchtigungen zu entnehmen seien, die zu qualitativen Leistungseinschränkungen führten. Die von Prof. Dr. M. festgestellten schwerwiegenden hirnorganischen Einschränkungen seien bislang nicht feststellbar gewesen.

Das SG holte daraufhin ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten nach § 106 SGG von Dr. O. ein, die am 13.05.2011 zu folgenden Diagnosen gelangt ist:

1. Dysthymia mit Somatisierungsneigung.

2. Zustand nach Coiling eines Aneurysma der Arteria carotis interna am Mediaabgang links.

3. Allenfalls sehr leichtgradige kognitive Störung.

4. Zustand nach Bandscheibenoperation im unteren Lendenwirbelsäulenbereich ohne gravierende motorische Ausfallserscheinungen und ohne Anhalt für akuten Wurzelkontakt mit allenfalls geringgradigen sensiblen Ausfällen etwa entsprechend der Wurzel L5.

5. Leichtgradiges sensibles Carpaltunnelsyndrom beidseits.

6. Vorbeschriebene Schwerhörigkeit beidseits.

Die Klägerin könne trotz der festgestellten Gesundheitsstörungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens 6 Stunden täglich tätig sein. Sie könne noch leichte körperliche Tätigkeiten im Wechselrhythmus ohne Zwangshaltungen, ohne häufige Überkopfarbeiten, ohne häufiges Bücken und ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg ohne Hilfsmittel ausüben. Nicht zumutbar seien Arbeiten in lärmbelasteter Umgebung, Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen und besonderer Verantwortung für Personen und Maschinen sowie an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen. Arbeiten unter Zeitdruck, geistig anspruchsvollere Tätigkeiten oder Schichtarbeiten seien nicht leidensgerecht. Die Wegefähigkeit der Klägerin sei gegeben. Die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten der depressiven Erkrankung seien nicht ausgeschöpft.

Mit Schriftsatz vom 30.06.2011 wies die Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf ihrer Meinung nach erheblichen Mängel im Gutachten von Dr. O. hin und beantragte die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. M. durch das SG. Das SG holte daraufhin noch eine ergänzende Stellungnahme von Dr. O. ein, die am 11.07.2011 bei ihrer getroffenen Leistungseinschätzung verblieben ist.

Mit Schriftsatz vom 27.07.2011 teilte die Beklagte mit, dass der Klägerin mit Bescheid vom 25.07.2011 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 01.10.2011 bewilligt worden sei.

Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage am 20.09.2011 und Gewährung rechtlichen Gehörs hat das SG sodann mit Gerichtsbescheid vom 25.10.2011 die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente stehe der Klägerin nicht zu, sie sei trotz der festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen in der Lage, noch mindestens 6 Stunden täglich Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen zu verrichten. Dies ergebe sich in erster Linie aus dem eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. O., die nur ein leichtes kognitives Defizit sowie leichte Depressionen der Klägerin festgestellt habe. Dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. M. werde nicht gefolgt. Eine Erhebung der Tagestruktur der Klägerin fehle in diesem Gutachten. In der von Dr. O. durchgeführten ausführlichen Anamnese bezüglich der Tagesgestaltung habe sich kein Anhalt dafür ergeben, dass die Klägerin mit der Führung ihres Haushalts überfordert sei. Sie sei in alltagspraktischen Belangen sehr gut informiert und orientiert, könne auch Daten und Fakten relativ rasch reproduzieren. Somit könne allenfalls eine sehr geringe kognitive Leistungseinschränkung vermutet werden. Ein aufgehobenes Leistungsvermögen lasse sich aus den neuro-psychiatrischen Befunden sicherlich nicht ableiten. Die Einschätzung von Dr. O. sei aufgrund der beigezogenen Befunde überzeugend und nachvollziehbar und fände ihre Bestätigung durch die Beurteilungen von Frau Dr. F. im Verwaltungsverfahren und Frau Dr. R. im Klageverfahren.

Zur Begründung der hiergegen am 23.11.2011 zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung trägt die Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor, dass das SG entsprechend ihrem Antrag vom 30.06.2011 das Gutachten von Dr. O. Herrn Prof. Dr. M. zur ergänzenden Stellungnahme hätte vorlegen müssen. Dies sei unterblieben. Prof. Dr. M. habe ein ausgeprägtes hirnorganisches Psychosyndrom der Klägerin und mittelschwere bis schwere depressive Episoden bestätigt und ein unter 3-stündiges Leistungsvermögen angenommen. Dies sähen die behandelnden Ärzte der Klägerin ebenso. Die Klägerin beziehe zwar Altersrente seit 01.10.2011, habe aber hiergegen Widerspruch eingelegt, so dass die Regelung des § 34 Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) einer Entscheidung nicht im Wege stehe.

Der Senat hat einen Befundbericht des Klinikums B-Stadt vom 10.08.2012 über einen stationären Aufenthalt der Klägerin in der Zeit vom 19.05.2012 bis 23.05.2012 wegen eines Taubheitsgefühls der rechten Gesichtshälfte und einem Multiinfarktsyndrom beigezogen. Ferner wurden Befundberichte von Dr. D., Dr. R. und Dipl. Med. D. eingeholt.

Mit Schreiben vom 01.09.2014 hat der Senat darauf hingewiesen, dass der eingelegte Widerspruch hinsichtlich der Altersrente nicht ausreiche, um die Frage der Erwerbsfähigkeit bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung prüfen zu können. Es werde um Mitteilung gebeten, ob angesichts des Umstands des Bezugs der Altersrente ab 01.10.2011 und der gegebenen Gutachtenslage die Berufung weiterhin aufrechterhalten werde. Mit Schriftsatz vom 02.10.2014 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen, dass die schwere Krebserkrankung, unter der die Klägerin seit Herbst 2013 leide, wohl keine Berücksichtigung finden könne. Sie kämpfe jedoch um die Vergangenheit bis zum Tag des Bezuges der Altersrente.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.10.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom 03.04.2009 hin Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum 30.09.2011 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.10.2011 zurückzuweisen.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten, die Akten des Klageverfahrens S 7 R 593/07 des SG Bayreuth sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 25.10.2011 die Klage gegen den Bescheid vom 08.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2009 als unbegründet abgewiesen. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin war bis zum Eintritt des Altersrentenbezuges am 01.10.2011 nicht in einem rentenrechtlich relevanten quantitativen Ausmaß gemindert.

Vorab ist festzuhalten, dass die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 25.07.2011 ab dem 01.10.2011 Altersrente für schwerbehinderte Menschen zuerkannt hat. Die Klägerin bezieht nach Angaben ihrer Prozessbevollmächtigten tatsächlich seit dem 01.10.2011 laufend die monatliche Rente in Höhe von 1.004,12 €. Gemäß § 34 Abs. 4 SGB VI ist ein Wechsel in eine Erwerbsminderungsrente nach Beginn des Bezuges der Altersrente nicht mehr möglich (vgl. Urteil BayLSG vom 16.10.2013, Az. L 19 R 935/12; Urteil BayLSG vom 20.07.2011, Az. L 20 R 259/11; Urteil vom 17.08.2011, Az. L 20 R 548/10). Der für die Beurteilung des Eintritts eines Leistungsfalles der Erwerbsminderung relevante Zeitraum umfasst deshalb nur die Zeit von Rentenantragstellung, dem 03.04.2009, bis zum Beginn (und tatsächlichem Bezug) der Altersrente am 01.10.2011. Wesentliche Veränderungen im Gesundheitszustand der Klägerin, die nach September 2011 erstmals aufgetreten sind, können deshalb nicht mehr berücksichtigt werden, somit auch nicht die im Herbst 2013 offenbar aufgetretene schwere Krebserkrankung der Klägerin sowie der stationäre Aufenthalt der Klägerin im Klinikum B-Stadt im Mai 2012 wegen atypischer Gesichtslähmungen und einem „Multiinfarktsyndrom“.

Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise erwerbsgemindert sind,

2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und

3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

In dem hier relevanten Zeitraum vom 03.04.2009 bis 30.09.2011 ist nach Überzeugung des Senats das Leistungsvermögen der Klägerin für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zwar qualitativ, nicht jedoch quantitativ eingeschränkt. Der Senat stützt seine Überzeugung auf die eingeholten Gutachten von Dr. F., Dr. R. und Dr. O. Dr. F. hatte am 29.05.2009 noch ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen gesehen. Es liege keine dauerhafte quantitative Leistungsminderung vor, sondern nur vorübergehende, immer wiederkehrende depressive Störungen, z. Zt. leicht- bis mittelgradig; zusätzlich wurde eine Somatisierungsstörung sowie ein chronisches Wirbelsäulensyndrom beschrieben. Im sozialgerichtlichen Verfahren kam zunächst Frau Dr. R. am 11.08.2010 ebenfalls zu einem mindestens 6-stündigen Leistungsvermögen der Klägerin für den allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen bei wiederkehrenden Erschöpfungszuständen mit depressiver Verstimmung, Somatisierungsstörung. Sie wies darauf hin, dass auch die behandelnden Ärzte der Klägerin, Dipl. Med. D. und Dr. S. eine schwerwiegende Depression der Klägerin verneint hätten. Frau Dr. O. sah in ihrem Sachverständigengutachten vom 13.05.2011 sogar nur eine Dysthymie mit Somatisierungsneigung sowie allenfalls sehr leichtgradige kognitive Störungen. Demgegenüber kam allein der auf Antrag der Klägerin eingesetzte Sachverständige Prof. Dr. M. im Gutachten vom 03.02.2011 sowie Dipl. Psych. M. in dem psychologischen Zusatzgutachten vom 20.01.2011 zu einem unter dreistündigen Leistungsvermögen der Klägerin und verneinte sogar die Wegefähigkeit der Klägerin sowohl hinsichtlich ihrer Eignung zur Führung eines Kfz, aber auch als Fußgängerin. Zur Begründung hat Prof. Dr. M. ausgeführt, dass Frau Dr. R. zwei entscheidende Diagnosen übersehen habe, nämlich dass die Klägerin unter einer mittelschweren depressiven Episode leide und ein ausgeprägtes hirnorganisches Psychosyndrom vorliege. Sie habe durch die OP im Jahr 2004 eine dauerhafte Hirnschädigung erlitten, die nicht rechtzeitig rehabilitativ behandelt worden sei. Die fehlende rehabilitative Behandlung habe binnen 2 Jahren zu dauerhaften kognitiven Schädigungen geführt.

Das SG hat bereits in seinem Gerichtsbescheid vom 25.10.2011 zutreffend darauf hingewiesen, dass Frau Dr. O. im Rahmen ihrer Begutachtung der Klägerin eine Verdeutlichungstendenz sowie eine bewusste Verfälschung wahrgenommen hat. Bei der kognitiven Testung wurde ein sehr hoher Wert für die depressive Erkrankung gefunden, der von der Sachverständigen jedoch als in deutlichem Widerspruch zum klinischen Befund und zu dem geschilderten Tagesablauf der Klägerin stehend gesehen wurde.

Für den Senat erscheint die von Prof. Dr. M. festgestellte massive Einschränkung der Klägerin in Form eines schweren hirnorganischen Psychosyndroms nicht nachvollziehbar. Dieser Befund wird von den behandelnden Ärzten der Klägerin nicht beschrieben, vielmehr findet sich in den Akten seit vielen Jahren, auch bereits in einem Reha-Entlassungsbericht von Februar 1977, ein stets wiederkehrender Erschöpfungszustand und eine depressive Verstimmtheit wohl wegen Überforderung der Klägerin mit beruflichen und familiären Belastungen und Verantwortung. Die Operation des im Jahr 2004 erlittenen Carotis-Aneurysmas verlief laut OP-Bericht komplikationslos, es zeigte sich ein unkomplizierter Heilungsverlauf. Aus neurologischer Sicht konnte laut Bericht Dr. K. ein kompensierter neurologischer Zustand erreicht werden. Die von der Klägerin im Anschluss mit zeitlicher Unterbrechung geschilderten Empfindungsstörungen am rechten Unterarm, den Fingern rechts und schließlich auch in der rechten Gesichtshälfte konnten trotz intensiver Abklärung keinen neurologischen Erkrankungen zugeordnet werden. Im Reha-Entlassungsbericht der Klinik Bad A. vom 27.05.2005 konnten weder eine kognitive Beeinträchtigung noch eine relevante Depression dokumentiert werden. Zu beachten ist ferner, dass Prof. Dr. M. nach seiner Begründung spätestens Anfang des Jahres 2007 von massiven und dauerhaften Hirnleistungsstörungen der Klägerin ausgehen müsste. Diese konnten aber in dem Verfahren über den Antrag vom 19.03.2007 auf Weitergewährung der Zeitrente von den dortigen Sachverständigen Dr. B., Dr. B. und Prof. Dr. S. nicht festgestellt werden. Vielmehr wurde nur eine zunehmend dringliche Behandlungsbedürftigkeit der sich entwickelnden Depression bei vorbestehendem bekanntem rezidivierendem Erschöpfungssyndrom.

Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit der Klägerin im Alltag lässt sich zur Überzeugung des Senats aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen ebenso wenig ableiten wie aus den eigenen Schilderungen der Klägerin über ihren Tagesablauf, ihre Hobbies und ihre sozialen Kontakte. Die Klägerin bewohnt ihr Eigenheim (Einfamilienhaus), ist in der Lage ihren Haushalt im Wesentlichen selbst zu verrichten, einkaufen zu gehen, sie fährt im Nahbereich noch Auto, obwohl ihr Prof. Dr. M. infolge der vermeintlich massiven kognitiven Einschränkungen die „Fahrtüchtigkeit im engeren Sinn“ und sogar die Wegefähigkeit als Fußgängerin abgeschrieben hat. Sie beschäftigt sich mit Stricken, strickt für die Männer der Familie zahlreiche Socken. Gleichzeitig gibt die Klägerin jedoch an, dass sie ihre gesamte rechte Körperhälfte nicht mehr im Griff habe und Gegenstände willentlich festhalten müsse, damit sie ihr nicht aus der Hand fielen. Fraglich ist dann aber, wie sie mit einer solchen deutlichen Einschränkung, nämlich einem Ausfall der rechten Körperhälfte, in der Lage sein kann, eine feinmotorisch erheblich anspruchsvolle Tätigkeit des Sockenstrickens zu verrichten, die auch kognitiv planend und konzentriert verrichtet werden muss, was bei Vorliegen eines derart massiven hirnorganischen Psychosyndroms - wie von Prof. Dr. M. beschrieben - sicherlich nur sehr schwer möglich sein dürfte. Die Klägerin ist auch in der Lage ihre Enkelkinder über mehrere Stunden zu betreuen. In ihr Haus (das sie nicht verkaufen will und weshalb sie keine Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erhält) ist ein Neffe mit eingezogen, mit der Begründung, dass sie jemanden habe, auf den sie aufpassen müsse und dass jemand da sei, der auch nach ihr schaue. Der Neffe helfe auch bei der Gartenarbeit, was wiederum bedeutet, dass die Klägerin diese auch noch verrichtet und auch verrichten kann. Die Klägerin gibt an, dass sie noch einen Freundeskreis habe und die Kontakte auch noch pflege.

Wesentlich ist für den Senat aber vor allem, dass in mehreren Gutachten, selbst im Gutachten von Prof. Dr. M., festgehalten ist, dass die Klägerin bestehende Behandlungsoptionen ihrer psychischen Erkrankung nicht wahrgenommen hat und die verordnete Medikation wohl nicht ausreichend ist, um die psychische Befindlichkeit der Klägerin ausreichend zu stabilisieren. Bereits in dem im Verfahren S 7 R 593/07 eingeholten Terminsgutachten von Prof. Dr. S. vom 28.10.2008 hatte dieser dringend eine Psychotherapie der Klägerin angemahnt. Prof. Dr. S. hatte damals darauf hingewiesen, dass sich aus den beigezogenen Befundberichten ergab, dass das Carotis-Aneurysma vollständig ausgeräumt habe werden können und insoweit organische Ursachen nicht mehr bestünden. Die Klägerin habe aber ihre Beschwerden betont klagsam vorgetragen und benötige dringend Psychotherapie. In dem der Klagebegründung hier mit überreichten Bericht der Praxis Dr. K. und Kollegen vom 14.10.2009 wurde ausgeführt, dass bei der Klägerin ein depressives Erschöpfungssyndrom vorbekannt sei, zwischenzeitlich aber eine psychiatrische Mitbehandlung der Klägerin bei Frau Dipl. Med. D., D-Stadt, erfolge, die Gesprächstherapie laufe weiter. Im Gespräch habe sich eine affektiv nivellierte Patientin mit einfacher Struktur gezeigt, Hinweise für eine schwerwiegende Depression hätten sich auch heute nicht gefunden. Die allgemeine Befindlichkeit sei reduziert, nach wie vor gelegentlich Kopfschmerzen posttraumatischer Genese. Hinweise für eine endogene Depression oder Psychose hätten sich nach wie vor nicht gefunden. Neurologisch liege nach wie vor eine kompensierte Situation vor. Die im Befundbericht der Dipl. Med. D. vom 01.07.2010 mitgeteilten Behandlungstermine waren allerdings nicht engmaschig, sondern in weitem Abstand. Es wurde am 31.05.2010 ein stützendes psychiatrisches Gespräch durchgeführt und die Medikation auf Doxepin 50 mg abends umgestellt. Zuvor war die Klägerin von der Psychosomatischen Klinik Bad N. mit Mirtazapin 15 mg einmal täglich rezeptiert worden, obwohl diese als Entlassungsdiagnose im Mai 2009 eine schwere depressive Episode feststellte. Während des Aufenthalts in der Neurologischen Klinik Bad N. im Mai 2009 wurde trotz der von der Klägerin geschildeten massiven Gefühlsstörungen der rechten Gesichts-/Körperhälfte ein unauffälliger neurologischer Befund festgestellt. Die Neurologische Klinik hielt eine Somatisierungsstörung für möglich, sozialmedizinische Einflussfaktoren seien zu berücksichtigen. Aus der Psychosomatischen Klinik Bad N., in die die Klägerin anschließend wieder überstellt wurde, wurde diese als arbeitsunfähig entlassen, unter Berücksichtigung der aktuellen sozialmedizinischen Einflussfaktoren sowie der weiterhin bestehenden depressiv-disphorischen Symptomatik mit derzeit fehlenden „Cobbing“-Strategien seitens der Klägerin. In dem Bericht der psychosomatischen Klinik Bad N. vom 02.07.2009 an den behandelnden Facharzt für Psychotherapie W. D. ist festgehalten, dass sich die Klägerin wegen einer mittelgradigen depressiven Episode in die Behandlung begeben hatte. Auslöser sei eine Gerichtsverhandlung Ende Oktober 2008 über ihren Widerspruch gegen die Aberkennung der Erwerbsunfähigkeitsberentung gewesen. Die Untersuchung durch den gerichtlich bestellten Gutachter sei eine große Kränkung gewesen. Die Aberkennung der Erwerbsunfähigkeit belaste sie stark, da sie jetzt finanziell auf die Unterstützung der Kinder angewiesen sei und keine Perspektiven für die Zukunft habe. Die Aneurysma-OP im September 2004 sei ein belastendes Ereignis gewesen, ebenso die Ehescheidung im Jahr 2001 mit heftigen Konflikten mit dem Ehemann vorausgehend. Die Symptomatik der Klägerin sei ausgelöst worden im Rahmen einer Bilanzkrise vor dem Hintergrund der oben beschriebenen psychosozialen und körperlichen Belastungsfaktoren. Auch diese Beschreibung der psychosomatischen Klinik spricht für eine Reihe von wiederkehrenden depressiven Episoden unterschiedlichen Ausmaßes, aber gerade nicht für ein schwerwiegendes hirnorganisches Psychosyndrom mit schwerwiegenden Kognitionsstörungen.

Nach Auffassung des Senats kann aufgrund der vorliegenden ärztlichen Befunde und insbesondere dem Gutachten von Dr. O. davon ausgegangen werden, dass die Klägerin infolge der Aneurysma-OP oder nach der Operation Gefühlsstörungen erlitten haben könnte, auch wenn sich hierfür oder für größere neurologische Störungen keine somatischen Befunde finden. Die Praxis Dr. K. (Dipl. Med. D.) spricht insoweit von einer kompensierten Situation, ebenso der behandelnde Nervenarzt Dr. D. und die Klinik Bad N. Leichte Kognitionsstörungen sind nach übereinstimmender Einschätzung sämtlicher Gutachter sicherlich vorhanden, jedoch führen diese nur zu qualitativen Leistungseinschränkungen hinsichtlich der Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit der Klägerin. Frau Dr. O. hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die einfach strukturierte Klägerin durchaus in der Lage ist, ihren Alltag zu bewältigen und auch praktische Erfahrungen zielsicher umzusetzen. Eine Überlagerung infolge einer depressiven Erkrankung, die nur unzureichend in der Vergangenheit behandelt wurde (sowohl psychotherapeutisch als auch medikamentös) liegt sicherlich vor, aber das Ausmaß dieser depressiven Erkrankung ist wohl zweifelhaft. Frau Dr. O. hat zu Recht darauf hingewiesen, dass im Gutachten von Prof. Dr. M. und der psychologischen Zusatzbegutachtung von Herrn M. der Widerspruch zwischen dem erreichten Wert in der BDI-Testung (Wert 23) mit dem tatsächlichen Erscheinungsbild der Klägerin nicht aufgelöst wurde und dass die Klägerin bei Dr. O. selbst einen deutlich höheren Wert (46) erzielt hat, der in keiner Weise mit dem klinischen Erscheinungsbild der Klägerin in Einklang zu bringen war. Zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin in dem hier streitigen Zeitraum eine intensive, leitliniengerechte Therapie ihrer psychischen Erkrankung nicht hat durchführen lassen, u. a. mit der Begründung, dass die Krankenkasse die Behandlung in größerem Umfang nicht übernehme. Im Jahr 2012 fanden deshalb überhaupt keine Behandlungen auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet statt, was ebenfalls gegen einen hohen Leidensdruck bei der Klägerin spricht. Solange aber Behandlungsmethoden (medikamentös, therapeutisch, ambulant oder stationär) noch bestehen und nach Lage der ärztlichen Befundberichte und Sachverständigengutachten davon auszugehen ist, dass der Versicherte hierdurch in absehbarer Zeit durch zumutbare eigene Willensanstrengung oder mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe seine psychische Krankheit überwinden kann, kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Senats ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente noch nicht in Betracht (BSG Urteil vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89; BSG Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 31/05 R - jeweils zitiert nach juris; BayLSG Urteil vom 12.10.2011 - L 19 R 738/08; BayLSG Urteil vom 30.11.2011 - L 20 R 229/08; BayLSG Urteil vom 18.01.2012 - L 20 R 979/09; BayLSG Urteil vom 15.02.2012 - L 19 R 774/06; BayLSG Urteil vom 21.03.2012 - L 19 R 35/08).

Soweit die Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hinweist, dass das SG zwingend eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. M. einzuholen gehabt hätte, nachdem das Gutachten von Dr. O. auf Widersprüchlichkeiten in seinem Gutachten hingewiesen hat, ist dem nicht zu folgen. Das SG hat sich in seinem Gerichtsbescheid unter Berücksichtigung sämtlicher Vorgutachten und Befundberichte, die von ihm eingeholt worden waren, mit der Frage auseinandergesetzt, ob und inwieweit dem Gutachten von Prof. Dr. M. gefolgt werden kann. Eine Verpflichtung zur Einholung einer weiteren ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. M. musste sich dem SG nicht aufdrängen.

Auch die vom Senat beigezogenen Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin haben keine Anhaltspunkte für eine abweichende Einschätzung ergeben. Insoweit sah sich der Senat nicht veranlasst, ein weiteres Gutachten von Amts wegen einzuholen, insbesondere im Hinblick auf den eingeschränkten Prüfungszeitraum. Ein weiterer Antrag nach § 109 SGG wurde von der Klägerin nicht gestellt.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 25.10.2011 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.07.2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.

Der 1961 geborene Kläger erlernte von 1981 bis 1983 den Beruf eines Steinmetzes und übte diesen - mit witterungsbedingten Unterbrechungen in den Wintermonaten - in der Folgezeit bis Dezember 2007 aus.

Ein erster Rentenantrag des Klägers vom 26.05.2008 blieb erfolglos und eine sich anschließende Klage beim Sozialgericht Würzburg (S 8 R 721/08) wurde durch Klagerücknahme vom 07.07.2009 beendet.

Im Schwerbehindertenrecht wurde dem Kläger im Gefolge des beim Sozialgericht Würzburg durchgeführten Rechtsstreites S 3 SB 1039/08 mit Bescheid vom 05.11.2009 ein Grad der Behinderung (GdB) von 20 zuerkannt.

Mit Schreiben vom 08.11.2009 beantragte der Kläger am 10.11.2009 erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Er habe einen dauerhaften Schaden im Bereich des Schultergürtels für den ein Einzel-GdB von 10 festgestellt worden sei und er könne deshalb seinen Beruf als Steinmetz nur noch unter drei Stunden ausüben. Es handele sich um eine dauerhafte Einschränkung.

Beim Kläger bestand seit April 2009 Arbeitslosigkeit. Ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wurde zurückgestellt, weil vorrangig eine medizinische Rehabilitation zu prüfen sei. Die Anregung der Beklagten zur Durchführung einer suchttherapeutischen Rehabilitation hielt der Kläger nicht für angezeigt.

Der Beklagten lagen ein Gutachten des Chirurgen Dr. G. vom 23.06.2008, ein Gutachten des Orthopäden Dr. H. vom 26.05.2009 und ein Gutachten des Internisten und Sozialmediziners Dr. F. vom 21.10.2009 vor. Die Beklagte ging in Ansehung der dort enthaltenen Feststellungen davon aus, dass beim Kläger folgende Erkrankungen bestehen würden:

1. Bluthochdruck mit psychovegetativen Störungen.

2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, Nervenwurzelreizerscheinungen.

3. Funktionseinschränkungen linkes Kniegelenk bei degenerativen Veränderungen.

4. Alkoholkrankheit.

5. Chronische Schulterschmerzen.

6. Sulcus ulnaris-Syndrom beidseits.

Eine zeitliche Einschränkung des Einsatzvermögens des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ergebe sich hierdurch jedoch nicht.

Dementsprechend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.12.2009 den Rentenantrag des Klägers ab.

Auf den Widerspruch des Klägers vom 03.01.2010 hin holte die Beklagte ein orthopädisches Gutachten bei Frau Dr. B. und ein psychiatrisches Gutachten bei Dr. M. ein. Zusammengefasst wurden dort folgende Gesundheitsstörungen beschrieben:

1. Bewegungs- und Belastungseinschränkung im linken Schultergelenk nach Rekonstruktion der Rotatorenmanschette 2003; chronisches Impingement-Syndrom der rechten Schulter bei Nachweis einer Rotatorenmanschettenruptur 2008.

2. Wirbelsäulensyndrom (HWS und LWS) bei degenerativer Veränderung ohne akute Wurzelreizsymptomatik.

3. Kniebeschwerden bei beginnenden degenerativen Veränderungen.

4. Beginnende Abnutzungserscheinungen der Hüftgelenke bei Coxa vara mit Beschwerden links und Trochanter-Enthesopathie links.

5. Wechselnde Polyarthralgien im Bereich der Gelenke der oberen und unteren Gliedmaßen.

6. Gefühlsstörungen am 4. und 5. Finger beidseits - Sulcus ulnaris Syndrom.

7. Krampfaderleiden.

8. Bluthochdruck.

9. Verdacht auf Sarkoidose der Lungen ohne Verschlechterung der Lungenparameter bei Ausschluss einer Obstruktion.

10. Verdacht auf leichten Alkoholmissbrauch.

Unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsstörungen könne der Kläger leichte körperliche Arbeiten täglich mehr als sechs Stunden verrichten. Vermieden werden müssten belastende Tätigkeiten für die Schultergelenke wie Arbeiten über der Horizontalen, Haltearbeiten mit den Armen, schwere und mittelschwere Tragearbeiten, monotone Tätigkeiten; ebenso müssten vermieden werden Arbeiten unter Absturzgefahr, Einwirkung von Kälte und Nässe, häufiges Bücken, häufige Kniebeugebelastungen, Gehen auf unebenem Gelände, Klettern und Steigen. Für die erlernte und ausgeübte Tätigkeit als Steinmetz sei der Kläger auf Dauer nur noch unter drei Stunden täglich einsatzfähig.

Im April 2010 endete der Anspruch des Klägers auf Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III); Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) kamen wegen fehlender Bedürftigkeit nicht in Betracht. Der Kläger blieb weiter arbeitsuchend gemeldet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück, da der Kläger nach wie vor auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne zeitliche Einschränkungen einsatzfähig sei.

Am 16.06.2010 hat der Kläger per Telefax Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte M. G., Dr. A., Dr. C. und Dr. K. beigezogen. Die AOK Bayern - Die Gesundheitskasse - hat angegeben, dass für den Kläger ab dem Jahr 2010 keine Arbeitsunfähigkeitszeiten mehr verzeichnet seien. Die Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsagentur H., hat bestätigt, dass der Kläger vom 27.04.2009 bis 20.06.2010 sowie erneut vom 15.07.2010 bis 25.10.2010 arbeitslos gemeldet gewesen sei. Eine Integration habe bisher trotz Intensivbetreuung im Projekt für "Interne ganzheitliche Unterstützung zur Integration im SGB III" nicht erreicht werden können.

Das Sozialgericht hat vor dem Verhandlungstermin vom 25.01.2011 ein Gutachten durch die Internistin, Kardiologin und Sozialmedizinerin Dr. H. erstellen lassen. Darin sind als Gesundheitsstörungen des Klägers festgehalten:

1. Bewegungs- und Belastungseinschränkung der Schultergelenke mit Rekonstruktion der Rotatorenmanschette links 2003 und chronischem Impingement-Syndrom bei Rotatorenmanschettenruptur rechts 2008.

2. Degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit mittel- bis endgradigen Funktionseinschränkungen in HWS und LWS und Deckplattenimpressionsfraktur BWK 1/2 ohne neurologische Ausfälle.

3. Gefühlsstörungen der Finger 3 bis 5 der linken Hand ohne sicheren Nachweis einer C8-Nervenwurzelläsion oder eines Sulcus-ulnaris-Syndroms.

4. Belastungseinschränkung der Hüft- und Kniegelenke bei degenerativen Veränderungen mit beginnender Bewegungseinschränkung im linken Hüftgelenk.

5. Sarkoidose der Lunge ohne relevante Lungenfunktionseinschränkung in Ruhe.

6. Beginnende Nierenfunktionseinschränkung bei arterieller Hypertonie und langjährigem Schmerzmittelgebrauch.

7. Reaktive depressive Verstimmung.

8. Varikosis.

Der Kläger könne mindestens sechs Stunden täglich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen oder in wechselnder Stellung überwiegend in geschlossenen Räumen ausüben. Zu vermeiden seien besondere nervliche Belastungen wie Akkord- und Fließbandarbeit und Nachtschicht, unfallgefährdete Arbeitsplätze wie auf Leitern und Gerüsten oder an laufenden Maschinen, besondere Belastung des Bewegungs- und Stützsystems wie häufiges Bücken, Heben und Tragen von Lasten über 10 bis 15 kg, häufige Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, überwiegendes Stehen oder Gehen, häufiges Klettern oder Steigen, häufiges Knien und Hocken, Gehen auf unebenem Gelände und ungünstige äußere Bedingungen mit häufigen Einflüssen von Kälte, Nässe, Zugluft und starken Temperaturschwankungen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist ein Gutachten durch den Chirurgen Dr. I eingeholt worden. Im Gutachten vom 28.03.2011 sind die Gesundheitsstörungen des Klägers folgendermaßen beschrieben worden:

1. Halswirbelsäulensyndrom mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung bei degenerativen Veränderungen.

2. Kalksalzminderung der Knochen bei Vitamin-D-Mangel mit Verdacht auf Deckplattenimpression BWK 1/2.

3. Periarthritis humero-scapularis beidseits mit hochgradig konzentrischer schmerzhafter Bewegungseinschränkung im Bereich beider Schultergelenke.

4. Verdacht auf Sulcus-ulnaris-Syndrom beidseits.

5. Polyarthrosen beider Handgelenke und der Finger beider Hände.

6. Degeneratives LWS-Syndrom mit pseudoradikulärer Schmerzsymptomatik.

7. Coxarthrose beidseits.

8. Retropatellararthrose beider Kniegelenke.

9. Spreizfuß mit Hallux valgus.

10. Krampfaderleiden.

11. Bluthochdruck.

12. Niereninsuffizienz.

13. Sarkoidose der Lunge mit COPD.

14. Depressive Verstimmung.

Gegenüber den Vorgutachten sei keine wesentliche Verschlechterung eingetreten. Es bestehe für den Beruf eines Steinmetzes Berufsunfähigkeit. Die Vielzahl der Gesundheitsstörungen würde außerdem dazu führen, dass eine vollschichtige Erwerbstätigkeit nicht mehr möglich sei. Der Kläger sei in seiner körperlichen Leistungsfähigkeit vielmehr auf weniger als sechs Stunden tägliche Einsatzzeit beschränkt. Aufgrund der Dauerschmerzen im Bereich der Wirbelsäule und der großen Gelenke könnten selbst leichte körperliche Arbeiten nur noch unter entsprechender zeitlicher Begrenzung ausgeführt werden. Zudem sei auch ein annähernd regelmäßiger Nachtschlaf aus diesen Gründen nicht mehr möglich. Die vielfältigen klinischen und bildgebenden Befunde seien bisher in ihrer Konsequenz nicht hinreichend gewürdigt worden, so dass die Summierung von Erkrankungen eine normale Teilhabe am Erwerbsleben nicht mehr zulasse.

Zu diesem Gutachten hat Dr. G. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten am 19.04.2011 Stellung genommen: Danach sei im Gutachten des Dr. I keine Angabe zu klinischen Tests in Bezug auf die Rotatorenmanschette enthalten. Ein Fallarm sei nicht aufgeführt; die Halswirbelsäule sei mittelgradig eingeschränkt, das übrige Achsenorgan allenfalls endgradig. Die großen Gelenke beider Beine seien altersentsprechend normal beweglich und es würden keine neurologischen Ausfälle vorliegen. Ein kompletter Rückzug aus dem Erwerbsleben lasse sich auch unter Würdigung aller Gesundheitsstörungen nicht überzeugend rechtfertigen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 05.07.2011 die Klage abgewiesen. Eine zeitliche Einschränkung der Einsatzfähigkeit des Klägers sei nicht nachgewiesen und der Kläger müsse sich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen. Das Gericht folge dem nachvollziehbaren widerspruchsfreien Gutachten der Dr. H.; die von Dr. I gegen dieses Gutachten erhobenen Einwände seien dagegen nicht nachvollziehbar. So sei hinsichtlich der Sarkoidose vom behandelnden Pneumologen ein recht stabiles Bild ausdrücklich benannt worden. Hinsichtlich der Angabe einer chronischen Niereninsuffizienz mit hypertensiver Nephropathie sei von Dr. I bei der Übernahme der Diagnosen die vom Facharzt nur als Verdachtsdiagnose bezeichnete Erkrankung als vollständig vorhanden angenommen worden. Dass der Facharzt dieser Diagnose keine besondere erwerbsmindernde Bedeutung beigemessen habe, ergebe sich schon daraus, dass eine Kontrolluntersuchung erst in einem Abstand von einem Jahr vorgeschlagen worden sei. Da das Gutachten des Dr. I die vorliegenden Befunde nur in rudimentären Auszügen wiedergegeben habe und beachtet habe, sei es nicht nachvollziehbar. Es verbleibe bei der von Dr. H. festgestellten Einsatzfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger mit Schreiben vom 27.10.2011 am 28.10.2011 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Er hat geltend gemacht, dass insbesondere das Zusammenspiel der Erkrankungen auf internistischem, orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet nicht hinreichend berücksichtigt worden sei.

Der Senat hat Befundberichte bei dem behandelnden Arzt M. G. eingeholt und ärztliche Unterlagen beigezogen. Hierzu hat Frau Dr. B. vom Ärztlichen Prüfdienst der Beklagten am 17.07.2012 Stellung genommen: Die Phase einer Arbeitsunfähigkeitsepisode vom 16.04. bis 11.06.2012 sei bestätigt worden; hinsichtlich der Niereninsuffizienz sei keine Verschlechterung festzustellen gewesen. Im Bereich der arteriellen Hypertonie hätten sich die gemessenen Blutdruckwerte überwiegend im Normbereich befunden.

Der Kläger hat ein Attest des Allgemeinmediziners M. G. vom 07.11.2012 vorgelegt, worin zusätzlich zu den bekannten Diagnosen ein chronifiziertes Schmerzsyndrom angegeben worden ist und in der Zusammenschau der internistischen, orthopädischen und psychischen Erkrankungen die Leistungsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als deutlich eingeschränkt angesehen worden ist. Das chronifizierte Schmerzsyndrom ist auch im Attest des Orthopäden Dr. A. vom 26.10.2012 aufgeführt.

Der Senat hat ein Gutachten beim Orthopäden und Rheumatologen Dr. E. eingeholt, der den Kläger am 28.01.2013 untersucht hat. Im Gutachten vom 27.03.2013 sind die Gesundheitsstörungen des Klägers folgendermaßen beschrieben worden:

1. Schmerzsymptomatik und Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule bei degenerativen Veränderungen.

2. Schmerzsymptomatik der Lendenwirbelsäule mit Bewegungseinschränkung bei leichten degenerativen Veränderungen und Zustand nach kernspintomografisch nachgewiesener Deckplattenimpression BWK 1/2 (2010).

3. Leichte Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke bei engem Raum unter dem Schulterdach (Impingementsyndrom), Verdacht auf Rotatorenmanschettenruptur rechts und erneute Ruptur der Rotatorenmanschette links nach einer Rekonstruktion 2003.

4. Schmerzsymptomatik beider Kniegelenke links mehr als rechts, ohne wesentliche funktionelle Einbußen.

5. Schmerzsymptomatik in der Becken- und Hüftregion beidseits ohne wesentliche funktionelle Einbußen.

6. Schmerzsymptomatik beider Füße bei degenerativen Veränderungen der Fußwurzel links ohne wesentliche funktionelle Einbußen.

7. Schmerzsymptomatik beider Hände ohne wesentliche funktionelle Einbußen, subjektiv angegebene Pelzigkeit über der Außenseite beider Hände in den Versorgungsgebieten des Nervus ulnaris beidseits ohne motorische Ausfälle.

8. Krampfaderleiden.

Als Diagnosen sind fachfremd übernommen worden:

9. Sarkoidose der Lunge ohne wesentliche Funktionseinschränkungen in Ruhe.

10. Beginnende Nierenfunktionseinschränkung bei arterieller Hypertonie, langjähriger Schmerzmittelgebrauch.

11. Reaktive depressive Verstimmung.

Im Vordergrund würden die seit 10 Jahren bestehenden Schmerzen in beiden Schultern stehen. Dabei seien im Bereich der beiden Schultergelenke und auch im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule Funktionseinschränkungen durchaus nachvollziehbar, ohne dass aber eine vollständige Funktionslosigkeit vorliege. Die Funktion sei trotz der degenerativen Veränderungen relativ gut: Selbst Überkopfbewegungen seien sowohl aktiv als auch passiv möglich, wenn auch mit Schmerzsymptomatik verbunden. Eine wesentliche Verschlechterung gegenüber den Vorgutachten sei nicht festzustellen.

Zudem hat der Gutachter Hinweise dafür gesehen, dass von einer Verdeutlichung der Einschränkungen durch den Kläger auszugehen sei. Die im Gutachten des Dr. I geäußerte Verdachtsdiagnose der Osteoporose lasse sich aus seiner Sicht nicht bestätigen. Die von Dr. I angenommenen ständigen Schmerzen und dadurch bedingten Schlafstörungen würden sich nicht in vollem Umfang nachvollziehen lassen. Der Schweregrad der Einschränkungen führe insgesamt nicht dazu, dass die Leistungsfähigkeit selbst für leichte körperliche Tätigkeiten so eingeschränkt wäre, dass diese keine sechs Stunden täglich mehr ausgeübt werden könnten. Dem Kläger seien vielmehr leichte und kurzzeitig auch mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, aber auch in wechselnder Position in geschlossenen Räumen vollschichtig zumutbar. Zu vermeiden seien jedoch besondere nervliche Belastungen wie Wechselschicht, Nachtschicht, Fließbandtätigkeiten, sowie überwiegendes Gehen oder Stehen, überwiegendes Heben und Tragen von Lasten mit mehr als 10 kg, überwiegende Überkopfarbeiten, Arbeiten in Zwangshaltungen wie gebeugte oder kniende Positionen, unfallgefährdete Arbeitsplätze auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr und unter ungünstigen äußeren Witterungsbedingungen.

Der Kläger hat hiergegen eingewandt, dass nach dem Hinzutreten des neuen linksseitigen Schulterbefundes die Schmerz- und Schlafstörungen noch zugenommen hätten und durch den Schmerzmittelgebrauch sich die Nierenfunktion weiter verschlechtert habe. Auch sei wegen der bestehenden Depressivität weitere ärztliche Begutachtung erforderlich.

Die Prüfärztin B. vom ärztlichen Dienst der Beklagten hat sich am 11.07.2013 dazu geäußert, dass der Kernspintomografiebefund vom 13.05.2013 zwar eine hochgradige Teilruptur des Supraspinatus links und ein erneutes Impingement unter dem Acromyoclavikulargelenk zeige. Dies sei jedoch vom Gutachter Dr. E. bereits als Verdachtsdiagnose in seinem Gutachten vom 28.01.2013 berücksichtigt worden. Der zusätzlich mitgeteilte leicht progrediente Nierenfunktionswert habe keine Auswirkungen auf die bestehende sozialmedizinische Beurteilung.

Der Senat hat im August 2013 einen weiteren Befundbericht beim behandelnden Facharzt für Neurologie und Nervenheilkunde Dr. C. eingeholt. Danach ist beim Kläger eine Dysthymie mit rezidivierender depressiver Episode anzunehmen; eine Arbeitsunfähigkeit sei von ihm nicht festgestellt worden. In einem vom Kläger vorgelegten ärztlichen Attest vom 16.09.2013 hat Dr. C. ausgeführt, dass es dem Kläger aufgrund der körperlichen Einschränkungen trotz anhaltender Bemühungen nicht möglich sei, eine adäquate Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bekommen, was zu einem erheblichen Leidensdruck führe. Es handele sich um eine langanhaltende mittelgradige depressive Symptomatik, die ihrerseits die Belastbarkeit auf dem Arbeitsmarkt einschränke.

Aufgrund eines Glatteisunfalles hat der Kläger Ende November/Anfang Dezember 2013 stationär behandelt werden müssen; es hatte eine Mehrfragmentfraktur des linken Sprunggelenks vorgelegen.

Der Senat hat ein Gutachten bei der Neurologin und Psychiaterin Dr. I. eingeholt, die den Kläger am 24.02.2014 untersucht hat. Danach sind auf dem neuropsychiatrischem Fachgebiet

1. eine anhaltende depressive Reaktion, derzeit leichtgradig,

2. ein leichtes Karpaltunnelsyndrom links,

3. ein sehr geringes Sulcus-Ulnaris-Syndrom links,

4. ein Halswirbelsäulensyndrom ohne neurologische Ausfallserscheinungen und

5. ein Lendenwirbelsäulenschmerz ohne Anhalt für einen akuten Wurzelkontakt und ohne neurologische Funktionseinbußen

vorhanden. Es seien verschlechterte testpsychologische Ergebnisse festzustellen gewesen, ohne dass sicher hätte abgegrenzt werden können, ob dies auf verminderte Ausdauer oder verminderte Motivation zurückzuführen gewesen sei. Insgesamt sei davon auszugehen, dass der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich leichte bis zeitweise mittelschwere Tätigkeiten im Sitzen oder im Wechselrhythmus verrichten könne. Auszuschließen seien besondere nervliche Belastungen wie Akkord- oder Fließbandarbeit, Zeitdruck und Nachtschicht und außerdem überwiegendes Stehen und Gehen, häufiges Auftreten von Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten, Bücken, Überkopfarbeiten, Zwangshaltungen und Steigen. Vermieden werden sollten auch unfallgefährdete Arbeitsplätze. Die ambulanten Möglichkeiten des psychiatrischen und psychotherapeutischen Fachgebiets seien bisher noch nicht ausgeschöpft worden.

Seitens der nervenärztlichen Gutachterin ist ergänzend die Einholung eines internistischen Gutachtens empfohlen worden. Der Kläger hat im Weiteren noch das Vorliegen einer Schilddrüsenerkrankung geltend gemacht.

Der Senat hat ein Gutachten durch den Internisten und Sozialmediziner Dr. F. erstellen lassen, der den Kläger am 07.07.2014 untersucht hat und die Gesundheitsstörungen des Klägers auf seinem Fachgebiet folgendermaßen beschrieben hat:

1. Chronische Niereninsuffizienz im Stadium der kompensierten Retention, derzeit weitgehend stabile Nierenfunktion.

2. Medikamentös nicht vollständig kompensierter arterieller Bluthochdruck, kein Anhalt für eine Einschränkung der Pumpleistung des linken Herzens.

3. Leichtgradige chronische Atemwegserkrankung sowie anamnestisch Sarkoidose ohne Behandlungsbedürftigkeit.

4. Adipositas 1. Grades.

5. Typ-2 Diabetes mellitus mit ausgeglichener Stoffwechsellage ohne spezielle Behandlung.

6. Krampfaderleiden der unteren Extremitäten mit beginnenden Komplikationen.

7. Struma nodosa mit euthyreoter Stoffwechsellage.

Aus internistischer Sicht hätten sich gegenüber dem fachbezogenen Vorgutachten der Dr. H. keine wesentlichen Änderungen ergeben. Der Kläger könne nach wie vor leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung - unter Überwiegen des Sitzens - ausüben. Auszuschließen seien ungünstige äußere Witterungsbedingungen wie Kälte oder Nässe, Einwirkungen von Bronchialreizstoffen, übermäßige nervliche Belastungen sowie dauerndes Stehen.

Die Klägerseite hat geltend gemacht, dass Dr. F. ausschließlich internistische Diagnosen berücksichtigt habe. In der orthopädischen Begutachtung des Dr. E. sei die zwischenzeitlich eingetretene Mehrfachfraktur des linken Sprunggelenkes noch nicht berücksichtigt worden. Es sei weitere Sachaufklärung geboten.

Der Senat hat daraufhin eine weitere ergänzende orthopädische Begutachtung bei Dr. E. in Auftrag gegeben. Dieser hat nach nochmaliger Untersuchung des Klägers in seinem Gutachten vom 21.11.2014 ausgeführt, dass der Kläger nach wie vor leichte und kurzzeitig mittelschwere körperliche Arbeiten überwiegend sitzend oder in wechselnder Stellung bei zeitlicher Einschränkung verrichten könne. Er sei auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Aus ärztlicher Sicht sei auch noch eine Besserung der Beschwerden hinsichtlich Funktion und Schwellneigung des linken Sprunggelenkes zu erwarten. Eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit habe in der Zeit vom 28.11.2013 bis 31.07.2014 bestanden.

Die Klägerseite hat hiergegen vorgebracht, dass die ausgeprägte Schmerz- und Befundsymptomatik in den Schultergelenken sowie im Bereich des linken Sprunggelenkes eine Erwerbstätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich ausschließe und auch der Auffassung des Dr. E. hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit nicht gefolgt werden könne, da Arbeitsunfähigkeit nur bei kurzfristigen Erkrankungen vorliege und der Kläger mehr als sechs Monate auf dem Arbeitsmarkt nicht einsatzfähig gewesen sei, was schon als - zeitlich begrenzte - Erwerbsminderung hätte eingeordnet werden müssen.

Aus einem Versicherungsverlauf vom 24.03.2014 ist eine Lücke in den rentenrechtlichen Zeiten im Dezember 1985 und Januar 1986 ersichtlich - angeblich wegen einer Sperrzeit. Zusätzliche freiwillige Beiträge sind für November 2010 bis Januar 2011 ausgewiesen. Vom Kläger sind fortlaufende Zeiten der Arbeitslosmeldung geltend gemacht worden, für die er über Nachweise verfüge. Die Beklagte hat solche Zeiten bisher nur bis 2013 erfasst. Nach den Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung lässt sich aus den Unterlagen für den verlängerten 5-Jahreszeitraum (01.09.2006 bis 02.03.2015) aktuell eine Belegung von 44 Kalendermonaten mit Pflichtbeiträgen ersehen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.07.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 28.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.07.2011 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Akte der Beklagten und der ebenfalls beigezogenen Akte des Zentrums Bayern Familie und Soziales - - Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Ein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung setzt nach § 43 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) voraus, dass ein Versicherter voll erwerbsgemindert ist, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit aufzuweisen hat und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die in gleicher Weise für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gelten, hat der Kläger derzeit erfüllt, weil nach der Auskunft der Beklagten im nach § 43 Abs. 4 SGB VI verlängerten 5-Jahreszeitraum, der die Zeit vom 01.09.2006 bis 02.03.2015 umfasst, 44 Kalendermonate ( 3 Jahre und 8 Monate) mit Pflichtbeiträgen vorliegen. Ein Verzicht auf diese besonderen Anforderungen unter Anwendung von § 241 Abs. 2 SGB VI würde allerdings nicht in Betracht kommen, da der Kläger zum 01.01.1984 zwar die allgemeine Wartezeit erfüllt gehabt hatte, in der Folgezeit jedoch nicht alle Kalendermonate mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt sind, nachdem in den Monaten Dezember 1985 und Januar 1986 eine Lücke vorliegt - außer man würde eine Fernwirkung einer Sperrzeit auf das Rentenrecht verneinen.

Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die medizinischen Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI erfordern, dass ein Versicherter nicht mindestens 6 Stunden täglich einsatzfähig ist. Ergänzend führt § 43 Abs. 3 SGB VI aus, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Sämtliche im Verfahren beteiligten Ärzte, einschließlich der den Kläger behandelnden Ärzte, haben keine Bedenken gegen die Ausübung einer Teilzeittätigkeit im Umfang von täglich 3 Stunden geäußert. Für ein Herabsinken der Leistungsfähigkeit des Klägers an geeigneten Arbeitsplätzen des allgemeinen Arbeitsmarktes auf weniger als 3 Stunden täglich gibt es keinerlei Belege. Eine volle Erwerbsminderung liegt somit mit Sicherheit nicht vor.

Auch die hilfsweise geltend gemachte teilweise Erwerbsminderung liegt zur Überzeugung des Senats beim Kläger nicht vor. Der Senat folgt dabei den Gutachten des Dr. E., der Dr. I. und des Dr. F.. Dabei wird deutlich dass im Vordergrund die Einschränkungen der Schulterbeweglichkeit stehen, die Schmerzen auslösen, was im weiteren Gefolge depressive Störungen und Nierenbeschwerden im Gefolge des Schmerzmittelkonsums verstärkt. Aus Sicht des Senats sind die medizinischen Zusammenhänge in den Gutachten erfasst und herausgearbeitet worden. Sie führen dazu, dass der Kläger bei den ihm zumutbaren Arbeitsbedingungen in qualitativer Hinsicht umfangreich eingeschränkt ist. So sind auf Grund der Gesundheitsstörungen besondere nervliche Belastungen wie Wechselschicht, Nachtschicht, Akkordarbeit, Fließbandtätigkeiten und Zeitdruck zu vermeiden. Auch darf das Bewegungs- und Stützsystem nicht durch überwiegendes Heben und Tragen von Lasten mit mehr als 10 kg, überwiegende Überkopfarbeiten, Arbeiten in Zwangshaltungen, gebeugte oder kniende Positionen, häufiges Steigen und überwiegendes Gehen oder Stehen überbeansprucht werden. Vermieden werden sollten auch unfallgefährdete Arbeitsplätze und der Einfluss ungünstiger äußerer Witterungsbedingungen.

Bei Beachtung dieser Einschränkungen kann der Kläger noch täglich mindestens 6 Stunden erwerbstätig sein. Er kann dabei leichte und kurzzeitig auch einmal mittelschwere körperliche Arbeiten in vorwiegend sitzender Arbeitshaltung mit der Möglichkeit zum Wechsel der Körperhaltung verrichten. Die von Dr. I und M. G. geäußerte sozialmedizinische Einschätzung, dass wegen des Zusammenspiels der verschiedenen Erkrankungen die Beachtung der Einschränkungen der Arbeitsbedingungen nicht ausreiche und der Kläger nicht mehr 6 Stunden täglich, sondern nur noch weniger einsatzfähig sei, hat den Senat nicht überzeugen können. Wenn die Tätigkeit so gestaltet ist, dass sie nicht zu einem belastungsinduzierten Schmerzgeschehen beim Kläger führt - also die körperlichen Anforderungen eher gering gehalten sind - gibt es keine überzeugenden Gründe dafür, dass eine derartige Aktivität nur 5 Stunden täglich und nicht etwa auch 6 Stunden täglich ohne Gefährdung der Restgesundheit ausgeübt werden könnte.

Hinsichtlich der psychischen Belastungsdimension ist zudem darauf hinzuweisen, dass es einhellige Auffassung der fachspezifisch kundigen Ärzte ist, dass beim Kläger bisher die ambulanten Möglichkeiten des psychiatrischen und psychotherapeutischen Fachgebiets noch nicht ausgeschöpft sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (z.B. Urteil vom 21.03.2012, Az. L 19 R 35/08) ergibt sich aus den Entscheidungen des Bundessozialgerichts (so Urteile vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89 - und vom 29.02.2006 - B 13 RJ 31/05 R - jeweils zitiert nach juris), dass bei psychischen Erkrankungen eine Rentengewährung nur dann in Betracht kommt, wenn belegt ist, dass sämtliche Behandlungsoptionen ausgeschöpft sind und auch mit leitliniengerechter ärztlicher oder therapeutischer Hilfe eine Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit zumindest zur Ausübung einer leichten Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes für täglich 6 Stunden nicht mehr möglich ist. Auch aus diesem Grund ist ein Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen Erwerbsminderung derzeit nicht zu begründen.

Der Kläger kann zur Überzeugung des Senats auch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig werden. Dass vom Kläger die Voraussetzungen für einen von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Ausnahmefall (sog. Katalogfall) erfüllt würden, ist nicht belegt. Nur unter besonderen Voraussetzungen ist trotz des Fehlens einer Einschränkung der quantitativen Leistungsfähigkeit ein Einsatz im Erwerbsleben nicht möglich und wird das Vorliegen von Erwerbsminderung im rentenrechtlichen Sinn anerkannt (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand August 2012, § 43 SGB VI Rn 37 mwN). Die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen schließen typische Verrichtungen für einfache Arbeitsplätze wie z.B. Zureichen, Kleben, Sortieren, Verpacken nicht vollständig aus (BSG, Urteil v. 09.05.2012, Az. B 5 R 68/11 R, zitiert nach juris). Sie sind auch nicht als schwere spezifische Behinderung wie etwa eine - ggf. funktionale - Einarmigkeit oder als Summierung von ungewöhnlichen Einschränkungen einzuordnen. Eine solche Summierung würde voraussetzen, dass zu den Einschränkungen der Belastbarkeit, wie sie üblicherweise bei physisch und teilweise psychisch geschwächten Erwerbsfähigen zu beobachten sind, besondere Einschränkungen hinzutreten, was beim Kläger nicht der Fall ist. Die beim Kläger festgestellten Einschränkungen sind gerade nicht so weitgehend. Insbesondere sind die Einschränkungen der Sinneswahrnehmung eher moderat. Deshalb musste die Prüfung der Einsatzfähigkeit des Klägers auch nicht an Hand einer konkreten, von der Beklagten zu benennenden, Verweisungstätigkeit erfolgen.

Unbeachtlich für eine Rentengewährung im Rahmen des SGB VI bleiben nach den gesetzlichen Vorschriften die Zeiten, in denen der Kläger wegen Arbeitsunfähigkeit vorübergehend nicht arbeiten konnte. Hierbei sind Zeiten der Nichteinsatzfähigkeit von weniger als 6 Monaten am Stück regelmäßig als Arbeitsunfähigkeit einzuordnen. Aber auch darüber hinaus kann - wie im Fall der beim Kläger vorliegenden unfallbedingten Sprunggelenksfraktur - eine planmäßige Behandlung einer vorübergehenden Gesundheitsstörung erfolgen, die noch nicht als befristete Erwerbsminderung eingeordnet werden muss. Der Auffassung der Klägerseite, dass eine über 6 Monate andauernde Arbeitsunfähigkeit automatisch das Vorliegen einer befristeten vollen Erwerbsminderung zur Folge hätte, folgt der Senat nicht. Er teilt die von Dr. E. geäußerte Einschätzung, dass in der Zeit vom 28.11.2013 bis 31.07.2014 Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe.

Eine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ist nicht geltend gemacht worden; eine darauf gestützte Rentenantragstellung würde trotz der gesundheitlich bedingten Situation, dass der Kläger nicht mehr als Steinmetz berufstätig sein kann, ohnehin nicht in Betracht kommen, da der Kläger auf Grund seines Geburtsjahrgangs nicht zu dem von § 240 Abs. 1 SGB VI erfassten Personenkreis gehört.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten und die hierzu ergangene erstinstanzliche Entscheidung sind nicht zu beanstanden und die Berufung ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die

1.
vor dem 2. Januar 1961 geboren und
2.
berufsunfähig
sind.

(2) Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.