Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 22. März 2016 - L 7 R 924/15 RG

bei uns veröffentlicht am22.03.2016

Tenor

Auf die Anhörungsrüge wird der Beschluss des Senats vom 16.11.2015 aufgehoben und das Beschwerdeverfahren L 7 R 707/15 B ER fortgeführt.

Gründe

I.

Streitig ist im Hauptsacheverfahren eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen samt Säumniszuschlägen durch die Antragsgegnerin (Ag) von der Antragstellerin (Ast) in einer Gesamthöhe von 112.823,25 EUR für die Zeit vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2013.

Mit Beschluss vom 05.08.2015 ordnete das Sozialgericht München die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Ast gegen den Nachforderungsbescheid der Ag vom 24.06.2015 an. Über den Widerspruch ist bislang nicht entschieden.

Auf die Beschwerde der Ag änderte der Senat mit Beschluss vom 16.11.2015 die Entscheidung des Sozialgerichts dahingehend ab, dass es zwar bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs verbleibe, die Ast jedoch eine Sicherheitsleistung in Höhe des Nachforderungsbetrags zu leisten habe.

Gegen den Beschluss des Senats erhob die Ast Anhörungsrüge. Die Sicherheitsleistung sei überraschend. Die Ast habe sich im Vorfeld des Beschlusses des Senats nicht zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen äußern können. Aus den nunmehr vorgelegten Unterlagen ergäbe sich, dass die Ast die Sicherheitsleistung nicht erbringen könne.

Die Ag weist darauf hin, dass bei einem Eilverfahren stets mit einer Sicherheitsleistung zu rechnen sei.

II.

Die Anhörungsrüge ist zulässig und begründet.

Der gerügte Beschluss des Senats vom 16.11.2015 wird gemäß § 178a Abs. 5 Satz 4 SGG i. V. m. § 343 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) aufgehoben. Das Beschwerdeverfahren L 7 R 707/15 B ER wird fortgeführt.

Die Anhörungsrüge ist gemäß § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, weil gegen den Beschluss vom 16.11.2015 wegen § 177 SGG kein anderer Rechtsbehelf gegeben ist. Sie wurde gemäß § 178a Abs. 2 SGG schriftlich und innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Beschlusses vom 22.08.2014 erhoben. Die angegriffene Entscheidung wurde bezeichnet und das Vorliegen der in § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG genannten Voraussetzungen dargelegt.

Die Anhörungsrüge ist auch begründet, weil das Gericht im Ergebnis den Anspruch der Ast auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise unzureichend beachtet hat. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs besagt, dass der Beteiligte zum jeweiligen Verfahren herangezogen werden und Gelegenheit haben muss, sich vor Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu äußern und gehört zu werden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 62 Rn. 2). Für die Entscheidungserheblichkeit genügt, dass die Möglichkeit bestanden hat, dass die gerügte Entscheidung für den betroffenen Beteiligten günstiger ausgefallen wäre.

Zwar ist im Rahmen eines Eilverfahrens grundsätzlich damit zu rechnen, dass eine Sicherheitsleistung verlangt wird, wie auch die Ag meint. Jedoch ist aufgrund der besonderen Umstände (vgl. BSG Beschluss vom 11.11.2015, B 1233 KR 14/15 B Rz. 11) und den nachträglich glaubhaft vorgetragenem Versäumnis der Ast, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse im Eilverfahren darzulegen, hier davon auszugehen, dass bei entsprechender Anhörung durch das Gericht der Bevollmächtigte der Ast die Notwendigkeit, sich zur möglichen Sicherheitsleistung zu äußern, erkannt und mit einem entsprechenden Vortrag reagiert hätte (vgl. BVerfG Beschluss vom 20.01.2004, 2 BvR 2321/03 Rz. 10).

Die Entscheidung über die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 05.08.2015 ist im Ergebnis nach der erfolgreichen Anhörungsrüge einem weiteren Beschluss vorbehalten, bei dem abschließend auch über die Kosten der Anhörungsrüge entschieden wird.

Dieser Beschluss ist gemäß § 178a Abs. 4 Satz 3 SGG unanfechtbar.

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Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 22. März 2016 - L 7 R 924/15 RG zitiert 5 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 178a


(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn 1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2. das Gericht den Anspruch dieses

Zivilprozessordnung - ZPO | § 343 Entscheidung nach Einspruch


Insoweit die Entscheidung, die auf Grund der neuen Verhandlung zu erlassen ist, mit der in dem Versäumnisurteil enthaltenen Entscheidung übereinstimmt, ist auszusprechen, dass diese Entscheidung aufrechtzuerhalten sei. Insoweit diese Voraussetzung ni

Referenzen

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 175 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden.

Insoweit die Entscheidung, die auf Grund der neuen Verhandlung zu erlassen ist, mit der in dem Versäumnisurteil enthaltenen Entscheidung übereinstimmt, ist auszusprechen, dass diese Entscheidung aufrechtzuerhalten sei. Insoweit diese Voraussetzung nicht zutrifft, wird das Versäumnisurteil in dem neuen Urteil aufgehoben.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 175 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden.