Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 08. Feb. 2018 - L 7 AS 114/18 B PKH

bei uns veröffentlicht am08.02.2018
vorgehend
Sozialgericht München, S 45 AS 988/17, 19.12.2017

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 19.12.2017 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin (Bf) wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 19.12.2017, mit dem das Sozialgericht München seinen Beschluss vom 24.07.2017 zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Hauptsacheverfahren S 45 AS 988/17 „berichtigt“ hat.

Mit folgendem Beschluss vom 24.07.2017 hatte das Sozialgericht München in der Hauptsache S 45 AS 988/17 Prozesskostenhilfe bewilligt:

„Beschluss:

I.

Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht München ab Antragstellung Prozesskostenhilfe bewilligt und Frau Rechtsanwältin C.B.

B-Straße

B-Stadt beigeordnet.

II.

Die Klägerin hat zwei Monatsraten in Höhe von 39,00 Euro zu zahlen.

Der Klägerin wird aufgegeben, jede Verbesserung ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Situationen sowie ihre Wohnraumsituation unverzüglich und ohne weitere Aufforderung dem Gericht mitzuteilen.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieser Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG unanfechtbar".

Der Bf wurde dieser Beschluss ohne eine Anlage, aus der sich die Berechnung der Monatsraten ergeben könnte, zugestellt. In den Akten befindet sich lediglich eine Berechnung, wonach die Bf eine Monatsrate in Höhe von 39,00 Euro zu leisten habe.

Nachdem die Bevollmächtigte der Bf mit Schreiben vom 04.08.2017 gebeten hatte, zu erläutern, auf welcher Grundlage sich die zwei Monatsraten in Höhe von 39,00 Euro zusammensetzten, wurde der Bf mit gerichtlichem Schreiben vom 17.08.2017 mitgeteilt, dass versehentlich eine Ratenanzahl angegeben worden sei und dies berichtigt werde.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 09.11.2017 wurde der Bf mitgeteilt, dass Ziffer II des Beschlusses richtig lauten müsse "die Klägerin hat Monatsraten in Höhe von 39,00 Euro zu zahlen". Dem gerichtlichen Schreiben wurde eine PKH-Berechnung beigelegt, woraus sich die monatliche Ratenzahlung von 39,00 Euro ergibt. Zu den Bedingungen der Ratenzahlung (u.a. Anzahl der Monatsraten) erhalte die Bf gesondert Nachricht.

Am 19.12.2017 erließ das Sozialgericht München einen Beschluss, wonach die Ziffer II des Tenors des Beschlusses vom 24.07.2017 "berichtigt" werde und nunmehr folgende Fassung erhalte: "Die Klägerin hat Monatsraten in Höhe von 39,00 Euro zu zahlen". Es handle sich bei der Festlegung von zwei Monatsraten um eine offenkundige Unrichtigkeit im Tenor des Beschlusses, der von Amts wegen nach §§ 142 Abs. 1, 138 Sozialgerichtsgesetz (SGG) berichtigt werden könne. Im Bewilligungsbeschluss vom 24.07.2017 sei nur versehentlich verfügt worden, dass die Bf insgesamt nur zwei Raten zu leisten habe.

Hiergegen hat die Bf Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.

Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin bei ihrem Einkommen aus Grundsicherungsleistungen überhaupt Monatsraten in Höhe von 39,00 Euro zu zahlen habe.

II.

Die Beschwerde gegen den Berichtigungsbeschluss des Sozialgerichts München vom 19.12.2017 ist zulässig.

Insbesondere ist die Beschwerde statthaft und nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen. Denn der Anfechtbarkeit des Berichtigungsbeschlusses steht nicht entgegen, dass der berichtigte Beschluss wegen § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG selbst nicht anfechtbar ist. Die Beschwerde gegen den Berichtigungsbeschluss nach §§ 142, 138 SGG eröffnet nämlich kein zusätzliches Rechtsmittel zur Überprüfung der nicht mehr anfechtbaren Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Gegenstand der Beschwerde gegen den Berichtigungsbeschluss ist lediglich die Überprüfung, ob die Berichtigung zulässig war (vgl. BayOLG, Beschluss vom 13.12.1995, 3Z BR 328/95 Rz 10). Da es bei der Beschwerde gegen den Berichtigungsbeschluss demnach nicht um die inhaltliche Überprüfung der Richtigkeit der Prozesskostenhilfebewilligung im Beschluss vom 24.07.2017 geht, sondern ausschließlich um die Frage, ob die Voraussetzungen des § 138 SGG erfüllt sind (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 16.07.2014, 14 W 400/14 Rz 2), ist die Beschwerde ohne weiteres nach § 172 Abs. 1 SGG zulässig.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 138 SGG liegen nicht vor.

Nach § 138 Satz 1 SGG können von Amts wegen jederzeit berichtigt werden nur "Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten". Dabei können alle Teile einer Entscheidung berichtigt werden, auch im Tenor (LSG Schleswig-Holstein, SGb 1979, S. 34/35).

Unrichtigkeiten können nach § 138 SGG dabei nur berichtigt werden, wenn es sich um einen Fehler im Ausdruck des Willens des Gerichts handelt, nicht jedoch, wenn es um die Richtigkeit der Entscheidung an sich (Willensbildung) geht. Ob es sich um eine solche Unrichtigkeit lediglich beim Ausdruck des Willens des Gerichts handelt, ergibt sich aus den Akten nicht, nachdem das Sozialgericht im Vorfeld des Beschlusses vom 24.07.2017 lediglich eine Berechnung zur Höhe der monatlichen Rate vorgenommen hat. Im Hinblick auf die Festlegung von nur zwei Monatsraten ergibt sich eine solche Unrichtigkeit aus den Akten jedoch nicht.

Ob die Unrichtigkeit auf einem Fehler im Ausdruck des Willens des Gerichts beruht oder auf einem Fehler bei der Willensbildung, kann jedoch dahingestellt bleiben. Eine Unrichtigkeit muss "offenbar" sein, damit sie nach § 138 SGG korrigiert werden kann. Die Unrichtigkeit muss für den Betroffenen also auf der Hand liegen und auch für einen verständigen Außenstehenden klar erkennbar sein; sie muss durchschaubar, eindeutig und augenfällig sein (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 138 Rz 3a). Unrichtigkeiten fallen nur dann unter § 138 SGG, wenn sie versehentlich sind und sich diese versehentliche Unrichtigkeit aus dem Gesamtzusammenhang zwischen Tenor und Entscheidungsgründen ersehen lässt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 26.06.2000, 22 W 30/00 Rz. 10), nicht jedoch aus späteren Erklärungen des Gerichts nachvollziehbar werden. Die Unrichtigkeit eines Tenors muss sich aus den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. Keller, a.a.O.).).

Dies ist hier gerade nicht der Fall. Im Beschluss vom 24.07.2017 befinden sich keinerlei Ausführungen zur Höhe der Monatsraten und schon gar zur Anzahl der Monatsraten. Die Bf konnte sich daher nicht erschließen, warum der Tenor falsch sein sollte.

Da es sich um keine "offenbare" Unrichtigkeit handelt, ist der Berichtigungsbeschluss vom 19.12.2017 aufzuheben (vgl. hierzu OLG Koblenz, Beschluss vom 16.07.2017, 14 W 400/14).

Im Wege eines Berichtigungsbeschlusses ist der Beschluss vom 24.07.2017 nicht zu ändern und wirkt demgemäß in dieser Fassung fort. Nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Frage, inwieweit der Beschluss vom 24.07.2017 auf andere Art und Weise korrigiert werden kann.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar, § 177 SGG.

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Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 08. Feb. 2018 - L 7 AS 114/18 B PKH zitiert 5 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 172


(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. (2) Pro

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 142


(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend. (2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 138


Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil sind jederzeit von Amts wegen zu berichtigen. Der Vorsitzende entscheidet hierüber durch Beschluß. Der Berichtigungsbeschluß wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen verme

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(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Die Beschwerde ist ausgeschlossen

1.
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte,
2.
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn
a)
das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint,
b)
in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder
c)
das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist,
3.
gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193,
4.
gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.

(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und über einstweilige Anordnungen (§ 86b) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Ausfertigungen der Beschlüsse sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben.

Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil sind jederzeit von Amts wegen zu berichtigen. Der Vorsitzende entscheidet hierüber durch Beschluß. Der Berichtigungsbeschluß wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Die Beschwerde ist ausgeschlossen

1.
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte,
2.
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn
a)
das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint,
b)
in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder
c)
das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist,
3.
gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193,
4.
gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.

Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil sind jederzeit von Amts wegen zu berichtigen. Der Vorsitzende entscheidet hierüber durch Beschluß. Der Berichtigungsbeschluß wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.