Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 05. Mai 2017 - L 20 SF 72/17 AB

bei uns veröffentlicht am05.05.2017

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

Der Antrag der Klägerin im Schreiben vom 28.03.2017 auf Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. A. wegen Besorgnis der Befangenheit wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Im zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren begehrt die Klägerin Versorgung nach dem Impfschadensrecht gemäß §§ 60 ff. Infektionsschutzgesetz (IfSG).

Vorliegend geht es um die Ablehnung des im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen Prof. Dr. A. wegen Besorgnis der Befangenheit durch die Klägerin.

Mit Bescheid vom 16.01.2014 (Widerspruchsbescheid vom 16.05.2014) lehnte der Beklagte den Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem IfSG ab.

In dem anschließend durchgeführten Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Bayreuth erstellte der Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie Prof. Dr. A. im Auftrag des SG am 01.12.2015 ein Gutachten. Darin kam er zu der Einschätzung, dass bei der Klägerin eine Impfreaktion, die über das übliche Maß hinausgehe, nicht vorliege. Zu diesem Gutachten teilten die Bevollmächtigten der Klägerin dem SG mit Schreiben vom 15.04.2016 mit, dass die Klägerin das Gutachten des Prof. Dr. A. mittlerweile aus verschiedenen Blickwinkeln (Erfahrungen einer Selbsthilfegruppe, medizinisch, Selbstrecherchen) betrachten habe können, und beantragten ein Gutachten gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der von der Klägerin benannte Arzt Dr. B. kam im Gutachten vom 19.08.2016 zu der Einschätzung, dass bei der Klägerin eine immunvermittelte chronisch-inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie/Polyneuritis als Impfschaden vorliege.

Mit Urteil vom 06.12.2016 wies das SG die Klage ab, wogegen die Klägerin am 04.01.2017 beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) Berufung einlegte.

Mit Schriftsatz vom 28.03.2017 haben die Bevollmächtigten der Klägerin die Berufung begründet und zudem darauf hingewiesen, dass die Klägerin den Antrag stelle, den gerichtsärztlichen Sachverständige Prof. Dr. A. nachträglich wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Begründet worden ist der Befangenheitsantrag damit, dass der Sachverständige von 2007 bis 2011 Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO) gewesen sei und im Fachbeirat für „Forum Impfen“, welches von vier Impfstoffherstellern finanziert werde, publiziere. Es liege die Annahme nahe, dass er den Vertrieb von Impfstoffen, u.a. auch den des der Klägerin verabreichten Impfstoffs, unterstütze und bewerbe und deshalb nicht neutral werte.

II.

Die Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. A. wegen Besorgnis der Befangenheit durch die Klägerin ist bereits unzulässig.

Der Senat ist zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nicht zuständig, da der Sachverständige im Berufungsverfahren weder ernannt noch angehört worden ist.

Gemäß § 406 Abs. 2 und 4 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG ist das Gericht, von dem der Sachverständige ernannt worden ist, für die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch zuständig, also in der Regel das Prozessgericht erster Instanz, auch wenn ein Urteil bereits ergangen und Rechtsmittel eingelegt ist (so auch OLG Köln, Beschluss vom 15.12.2006 - 22 U 93/06; Bayer. ObLG, Beschluss vom 09.04.1997 - 3Z BR 75/97, 3Z BR 85/97 - m.w.N.; Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 406 Rdnrn. 12, 15; Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 406, Rdnr. 10; Baumbach/Lauterbach/Albers/B., ZPO, 74. Aufl. 2016, § 406, Rdnr. 21; a.A. OLG Koblenz, Beschluss vom 07.01.2000 - 1 U 1644/98; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2013 - I-23 U 185/11, 23 U 185/11).

Die Anhängigkeit in der Rechtsmittelinstanz ändert weder die Zuständigkeit des Gerichts, bei dem das Ablehnungsgesuch anzubringen ist, noch nimmt es diesem die Befugnis zur Entscheidung darüber (§ 406 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG) (vgl. Beschluss des Senats vom 22.02.2017 - L 20 SF 209/16 AB; OLG Köln, Beschluss vom 15.12.2006 - 22 U 93/06).

Der Vollständigkeit halber weist der Senat auf Folgendes hin:

Selbst dann, wenn entgegen den obigen Ausführungen zur Zuständigkeit und im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass nach einer instanzabschließenden Entscheidung ein Befangenheitsantrag gegen eine Gerichtsperson wegen prozessualer Überholung nicht mehr gestellt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 27.01.1993 - 6 RKa 2/91, und Beschluss vom 06.06.2007 - B 8 KN 8/07 B; BVerwG, Urteil vom 30.10.1969 - VIII CB 129, 130.67, VIII CB 129.67, VIII CB 130.67; BFH, Beschluss vom 17.08.1989 - VII B 70/89; BGH, Urteil vom 08.02.2001 - III ZR 45/00, und Beschluss vom 11.07.2007 - IV ZB 38/06), von einer inhaltlichen Entscheidungsbefugnis des Senats ausgegangen würde, könnte der Befangenheitsantrag keinen Erfolg haben. Denn eine für einen zulässigen Befangenheitsantrag erforderliche unverzügliche - jedenfalls nach einem Zeitraum von einem Monat kann nicht mehr von unverzüglich ausgegangen werden (vgl. Bayer LSG, Beschluss vom 04.07.2016 - L 15 SF 179/16 AB - m.w.N.) - Geltendmachung läge nicht vor. Nach dem klägerischen Vortrag im Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 15.04.2016 hat sich die Klägerin bereits damals umfassend „aus verschiedenen Blickwinkeln (Erfahrungen einer Selbsthilfegruppe, medizinisch, Selbstrecherchen)“ mit dem Gutachten des Prof. Dr. A. beschäftigt. Es spricht daher alles dafür, dass der Klägerin bereits im April 2016 die Tätigkeit des Sachverständigen in der STIKO und seine Publikationen bekannt waren. Jedenfalls ist von der Klägerin nicht glaubhaft gemacht worden, dass ihr die jetzt als Befangenheitsgrund geltend gemachten Umstände erst im letzten Monat vor Stellung des Befangenheitsantrags im klägerischen Schreiben vom 28.03.2017 bekannt geworden wären. Insofern wäre der Befangenheitsantrag im Schreiben vom 28.03.2017 verschuldet zu spät gestellt worden, was zu seiner Unzulässigkeit führen würde.

Zudem wäre die Begründung des Befangenheitsantrags auch nicht dazu geeignet, bei einem Beteiligten von seinem Standpunkt aus vernünftigerweise Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu wecken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.1966 - 2 BvE 2/64). Die Eigenschaft als gemäß § 20 Abs. 2 Satz 4 IfSG vom Bundesministerium für Gesundheit im Benehmen mit den obersten Landesgesundheitsbehörden berufenes Mitglied in der STIKO beim Robert-Koch-Institut als einer gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 IfSG vom Gesetzgeber eingerichteten Institution könnte nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen. Ebenso könnte aus einer publizistischen Tätigkeit keine Besorgnis der Befangenheit abgeleitet werden, wenn nicht zusätzliche, eine Voreingenommenheit auch nur entfernt nahelegende Umstände dargetan sind (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 11.10.2011 - 2 BvR 1010/10, 2 BvR 1219/10). Allein die von der Klägerin behauptete Tatsache, dass das Veröffentlichungsmedium auch von Impfstoffherstellen mitfinanziert werde, würde dafür nicht ausreichen. Die „Annahme“ der Klägerin, der von ihr als befangen abgelehnte Sachverständige unterstütze und bewerbe daher den Vertrieb auch des ihr verabreichten Impfstoffs und sei daher nicht unvoreingenommen, ist als rein spekulative Unterstellung nicht dazu geeignet, aus der Sicht eines vernünftig denkenden Verfahrensbeteiligten die Unvoreingenommenheit des Prof. Dr. A. in Frage zu stellen.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 406 Ablehnung eines Sachverständigen


(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist. (2) Der A

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 118


(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprech

Infektionsschutzgesetz - IfSG | § 20 Schutzimpfungen und andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe


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Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Juli 2007 - IV ZB 38/06

bei uns veröffentlicht am 11.07.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZB 38/06 vom 11. Juli 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 42 Für ein Ablehnungsgesuch, das sich im Tatbestandsberichtigungsverfahren gegen sämtliche Richter des Spruchkörpers richte

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Feb. 2001 - III ZR 45/00

bei uns veröffentlicht am 08.02.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 45/00 Verkündet am: 8. Februar 2001 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja -----------

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(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.

(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.

(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung nach § 387 der Zivilprozeßordnung ergeht durch Beschluß.

(2) Zeugen und Sachverständige werden nur beeidigt, wenn das Gericht dies im Hinblick auf die Bedeutung des Zeugnisses oder Gutachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits für notwendig erachtet.

(3) Der Vorsitzende kann das Auftreten eines Prozeßbevollmächtigten untersagen, solange die Partei trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens unbegründet ausgeblieben ist und hierdurch der Zweck der Anordnung vereitelt wird.

(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.

(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.

(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung nach § 387 der Zivilprozeßordnung ergeht durch Beschluß.

(2) Zeugen und Sachverständige werden nur beeidigt, wenn das Gericht dies im Hinblick auf die Bedeutung des Zeugnisses oder Gutachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits für notwendig erachtet.

(3) Der Vorsitzende kann das Auftreten eines Prozeßbevollmächtigten untersagen, solange die Partei trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens unbegründet ausgeblieben ist und hierdurch der Zweck der Anordnung vereitelt wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 45/00
Verkündet am:
8. Februar 2001
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
------------------------------------
Zur Frage, ob der absolute Revisionsgrund des § 551 Nr. 3 ZPO vorliegen
kann, wenn der die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigende
Grund erst nach Fällung, Absetzung und Unterzeichnung, aber noch vor
der Verkündung des Berufungsurteils entsteht.
BGH, Urteil vom 8. Februar 2001 - III ZR 45/00 - OLG Düsseldorf
LG Duisburg
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dr. Kapsa

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 2000 wird zurückgewiesen , soweit die Stufenklage hinsichtlich der in Nr. I. 1. Buchst. b, f, g, h, i und n der Berufungsanträge bezeichneten Bauvorhaben abgewiesen worden ist.
Im übrigen wird das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges , an den 21. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Klägerin ist Maklerin, der Beklagte Architekt. Sie trägt vor, ihr Ehemann habe mit dem Beklagten vereinbart, diesem als freier Mitarbeiter ihres Maklerbüros und in ihrer Vertretung Architektenaufträge zu vermitteln. Als Provision habe der Beklagte 10 % des Architektenhonorars an sie zahlen sollen, fällig nach Abschluß des jeweiligen Bauvorhabens. Die Klägerin verlangt im Wege der Stufenklage von dem Beklagten Auskunft über die Architektenhonorare für 14 im einzelnen bezeichnete, nach ihrer Behauptung vereinbarungsgemäß vermittelte Bauvorhaben sowie Zahlung der sich aus der Auskunft ergebenden Provisionen. Der Beklagte hat die von der Klägerin behauptete Vereinbarung bestritten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im ersten Berufungsverfahren hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der Senat durch Urteil vom 18. März 1999 (III ZR 93/98 = NJW 1999, 2360) das erste Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Durch das nunmehr angefochtene Berufungsurteil hat das Berufungsgericht nach Beweisaufnahme die Berufung erneut zurückgewiesen. Nach Schluß der mündlichen Berufungsverhandlung, aber noch vor der Urteilsverkündung hat die Klägerin den Berichterstatter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieses Ablehnungsgesuch wurde durch einen zugleich mit dem Urteil verkündeten Beschluß des Berufungsgerichts für begründet erklärt. An der Verkündung beider Entscheidungen hatte der abgelehnte Richter nicht mitgewirkt.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin die Stufenklage weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision führt in dem aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen Umfang zur teilweisen Aufhebung auch des zweiten Berufungsurteils; im übrigen hat sie keinen Erfolg.

I.


Der absolute Revisionsgrund des § 551 Nr. 3 ZPO liegt nicht vor.
1. Das Berufungsgericht erblickt den Grund für die Befangenheit des Berichterstatters nicht etwa in dessen möglicher Voreingenommenheit gegen den Ehemann der Klägerin selbst, sondern in der Reaktion dieses Richters auf das Ablehnungsgesuch. Die das Ablehnungsverfahren einleitende Anfrage der Klägerin datiert vom 8. Dezember 1999, fällt also, ebenso wie die Ä ußerungen des abgelehnten Richters, in die Zeit zwischen dem Schluß der mündlichen Verhandlung (18. November 1999) und der Verkündung des Berufungsurteils (12. Januar 2000).
2. Das Berufungsurteil ist indessen noch im Laufe des Monats November 1999 gefällt, abgefaßt und unterzeichnet worden. Dies ergibt sich daraus, daß
an ihm und an seiner Unterzeichnung noch der Vorsitzende Richter Sch. mitgewirkt hat, der mit Ablauf des 30. November 1999 in den Ruhestand getreten ist. Er wurde mit Wirkung vom 1. Dezember 1999 durch den Vorsitzenden Richter K. abgelöst, der auch bei der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch den Vorsitz geführt hat. Diese Daten entnimmt der Senat - wie in der mündlichen Revisionsverhandlung erörtert - aus den Handbüchern der Justiz für 1996 und 2000 (jeweils S. 243). Der von der Revision angeregten weiteren Sachaufklärung über den Verfahrensgang bedarf es daher nicht.
3. Das Institut der Richterablehnung und das Institut des Ausgeschlossenseins eines Richters dienen demselben Ziel: die Richterbank freizuhalten von Richtern, die dem rechtlich zu würdigenden Sachverhalt und den daran Beteiligten nicht mit der erforderlichen Distanz des unbeteiligten und deshalb am Ausgang des Verfahrens uninteressierten "Dritten" gegenüberstehen; gleichwohl unterscheiden sie sich deutlich voneinander: Der Unterschied liegt zunächst darin, daß im einen Fall der Ausschluß eines Richters von der Mitwirkung bei einer Entscheidung kraft Gesetzes eintritt; im Streitfall stellt das Gericht nur deklaratorisch fest, daß der Richter ausgeschlossen ist. Im Falle der Befangenheit ist die Entscheidung des Gerichts konstitutiv; erst die Entscheidung führt zum Ausschluß des Richters von der Mitwirkung bei einer Entscheidung. Auch die Tatbestände, die einerseits zum Ausschluß, andererseits zur Besorgnis der Befangenheit führen, sind deutlich verschieden. Dem Fall des Ausgeschlossenseins liegen objektivierbare Tatsachen und Vorgänge, die jederzeit zuverlässig und eindeutig nachprüfbar sind, zugrunde; ob eine Besorgnis der Befangenheit zu bejahen ist, hängt von vielfältigen Wertungen und damit von subjektiven Elementen ab. Damit hängt zusammen, daß der Ausschluß von Amts wegen festgestellt werden kann (und dann auch von Amts wegen
berücksichtigt werden muß), während die Entscheidung über die Befangenheit eines Richters eines Anstoßes bedarf (der Geltendmachung) durch diejenigen, die sich durch die eine Besorgnis begründenden Vorgänge unmittelbar betroffen fühlen (BVerfGE 46, 35, 37). Dementsprechend trifft den abgelehnten Richter erst mit der Stellung (Anbringung) des Ablehnungsantrags die Amtspflicht , nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten, oder - anders ausgedrückt - Amtshandlungen, die nicht unaufschiebbar sind, zu unterlassen (Zöller/Vollkommer ZPO 22. Aufl. 2001 § 47 Rn. 3 m.w.N.). Vor Stellung des Ablehnungsantrags vorgenommene Amtshandlungen des später mit Erfolg abgelehnten Richters bleiben wirksam (Zöller/Vollkommer aaO Rn. 4).
4. Im vorliegenden Fall war die Urteilsfällung (§ 309 ZPO), einschließlich der Unterzeichnung (§ 315 Abs. 1 Satz 1 ZPO), schon vor Anbringung des Ablehnungsgesuches und schon vor dem Entstehen des Ablehnungsgrundes vollendet gewesen. Der nachträgliche Eintritt der Handlungsunfähigkeit des abgelehnten Richters (§ 47 ZPO) stand daher der bloßen Verkündung des bereits abgesetzten Urteils nicht entgegen. Denn § 309 ZPO bestimmt, daß ein Urteil nur von denjenigen Richtern "gefällt" werden kann, welche der dem Urteil zugrundeliegenden mündlichen Verhandlung beigewohnt haben. Diese Vorschrift ist aus dem Grundsatz der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit der Verhandlung zu verstehen. Nur die Richter, die an der für das Urteil allein maßgeblichen mündlichen Verhandlung teilgenommen haben, dürfen die Sachentscheidung treffen. Dagegen brauchen sie an dem formalen Akt der Verkündung nicht mitzuwirken. Denn durch die Verkündung wird das Urteil nicht etwa ein Urteil der verkündenden Richter. Es bleibt vielmehr die Entscheidung der
Richter, die es beschlossen haben und die es nach § 315 ZPO unterzeichnen müssen (BGHZ 61, 369, 370).
5. Hiergegen wendet die Revision ein, das Urteil sei vor seiner Verkündung nicht existent und könne jederzeit erneut Gegenstand einer Beratung und Abstimmung der Mitglieder des Senats oder der Kammer sein. Die Bedeutung dieser Möglichkeit erschließe sich gerade im Streitfall, so daß in der "Aufrechterhaltung" der etwa schon gefällten Entscheidung eine unzulässige Mitwirkung eines abgelehnten Richters zu sehen sei. Darin kann der Revision nicht gefolgt werden. Der abgelehnte Richter hatte hier nichts anderes getan, als das, was nach § 47 ZPO seines Amtes gewesen war: Er hatte sich jeder weiteren Tätigkeit enthalten. Es würde dem Wortlaut und Sinn der gesetzlichen Regelung zuwiderlaufen, dieses vom Gesetz gebotene Untätigbleiben in eine positive "Mitwirkung" umzudeuten. Im übrigen liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, daß das angefochtene Urteil nach dem 30. November 1999 Gegenstand erneuter Beratung gewesen sein könnte. Der Umstand, daß der an diesem Tag in den Ruhestand getretene Vorsitzende Richter Sch. das Urteil mit unterzeichnet hat, spricht vielmehr dafür, daß die endgültige Urteilsfassung spätestens Ende November 1999 vorgelegen hatte. Die bloße Möglichkeit einer erneuten Beratung und Beschlußfassung ist der Mitwirkung selbst, auf die das Gesetz entscheidend abstellt, nicht gleichzusetzen. Auch das weitere Argument, es sei für eine Prozeßpartei nur schwer nachvollziehbar, wenn ihr Ablehnungsgesuch zwar zulässig und begründet sei, sie aber dennoch eine Sachentscheidung des abgelehnten Richters hinnehmen müsse, greift jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden nicht durch, wo positiv feststeht, daß der geltend gemachte Ablehnungsgrund erst nach der Beendigung der Amtstätigkeit des abgelehnten Richters überhaupt entstanden ist.

II.


1. Der Senat war im ersten Revisionsurteil von der tatsächlichen Feststellung des Landgerichts ausgegangen, etwa im Jahre 1984 oder 1985 sei zwischen dem Beklagten und dem Ehemann der Klägerin eine Vereinbarung dahingehend zustande gekommen, daß der Ehemann sich für den Beklagten um die Vermittlung von Architektenverträgen bemühen sollte und dafür an die Klägerin 10 % des jeweils anfallenden Architektenhonorars abgeführt werden sollten. Offengeblieben war, ob diese Vereinbarung unmittelbar zwischen der Klägerin, vertreten durch ihren Ehemann, und dem Beklagten oder zwischen dem Ehemann selbst und dem Beklagten getroffen worden war. In beiden Fällen hatte der Senat einen Direktanspruch der Klägerin gegen den Beklagten für möglich gehalten; für die zweite Fallvariante bedeutete dies, daß Grundlage für einen solchen Anspruch ein zwischen dem Ehemann und dem Beklagten geschlossener Vertrag zugunsten der Klägerin als "Dritter" in Betracht kam.
2. Diese tatsächliche und rechtliche Ausgangssituation hatte sich - wie die Revision mit Recht geltend macht - auch im weiteren Verfahren vor dem Berufungsgericht nach der Zurückverweisung nicht geändert. Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß danach allenfalls erheblich ist, ob ein Architektenvertrag infolge einer Nachweis- oder Vermittlungstätigkeit des Ehemanns der Klägerin zustande gekommen ist, wobei Mitursächlichkeit genügt. Als weitere Voraussetzung für den Vergütungsanspruch ist zu fordern, daß der Beklagte von der Tätigkeit des Ehemanns und von der möglichen Provisionsforderung der Klägerin so rechtzeitig Kenntnis erlangt haben mußte, daß er diesen Umstand beim Abschluß seiner eigenen Architektenverträge mit berücksichtigen konnte (vgl. dazu OLG München NJW 1968, 894). Hingegen ist es unerheblich, ob die
Klägerin im fraglichen Zeitpunkt schon ein Gewerbe als Maklerin angemeldet hatte und im Besitz einer Erlaubnis nach § 34 c GewO gewesen war (BGHZ 78, 269). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es auch nicht darauf an, ob der Ehemann der Klägerin diese zu Maklerdiensten gegen Honorar verpflichten und ob "der Beklagte gerade eine Maklertätigkeit der Klägerin honorieren wollte".
3. Die weitere Verfahrensrüge der Revision, der Berufungssenat habe die vom Einzelrichter durchgeführte Beweisaufnahme nicht verwerten dürfen, greift - wie der Senat geprüft hat - nicht durch; von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 565 a ZPO). Danach halten die Feststellungen des Berufungsgerichts , daß sich bei den im Berufungsantrag unter Buchstabe b, f, g, h, i und n bezeichneten Bauvorhaben eine Vermittlungsleistung des Ehemanns der Klägerin nicht feststellen lasse, der revisionsgerichtlichen Nachprüfung stand. Anders ist es indessen bei den übrigen Bauvorhaben, bei denen das Berufungsgericht im wesentlichen auf den (fehlenden) Vertretungswillen des Ehemanns der Klägerin sowie auf den - rechtlich unzutreffenden - Gesichtspunkt abgestellt hat, es sei für den Vergütungsanspruch der Klägerin erheblich, ob sie in den fraglichen Zeiträumen bereits im Besitz einer Maklergewerbeerlaubnis war. Vielmehr wird es insoweit darauf ankommen, ob die bestrittene Behauptung der Klägerin über die Provisionsvereinbarung zutrifft und ob die Aufträge dem Beklagten durch den Ehemann der Klägerin aufgrund dieser Absprache vermittelt worden sind.
4. Hinsichtlich der Bauvorhaben a, c, d, e, j, k, l und m kann das Berufungsurteil somit keinen Bestand haben. Die Sache ist vielmehr zurückzuver-
weisen, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht.
Rinne Wurm Streck Schlick Kapsa

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 38/06
vom
11. Juli 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Für ein Ablehnungsgesuch, das sich im Tatbestandsberichtigungsverfahren
gegen sämtliche Richter des Spruchkörpers richtet, besteht kein Rechtsschutzinteresse.
BGH, Beschluss vom 11. Juli 2007 - IV ZB 38/06 - OLG München
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke
am 11. Juli 2007

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. Oktober 2006 in Verbindung mit dem Ergänzungsbeschluss vom 9. November 2006 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Gründe:


1
Der 1. Kläger nimmt den Beklagten im Rahmen erbrechtlicher Streitigkeiten wegen Verletzung einer Verfügungsunterlassungsverpflichtung auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Nach Zustellung des seine Berufung zurückweisenden Urteils am 18. September 2006 beantragte er mit Schriftsatz vom 28. September 2006 Tatbestandsberichtigung und lehnte mit Schriftsatz vom 29. September 2006 die drei erkennenden Richter des Berufungssenats wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
3
Durch Beschluss vom 12. Oktober 2006 hat das Berufungsgericht in der Besetzung mit drei weiteren Senatsmitgliedern das Ablehnungsgesuch ohne Einholung dienstlicher Äußerungen der abgelehnten Richter als unzulässig verworfen. Es fehle trotz des noch anhängigen Tatbestandsberichtigungsverfahrens am Rechtsschutzbedürfnis. Bei Begründetheit des Ablehnungsgesuchs käme die begehrte Tatbestandsberichtigung nicht mehr in Betracht, da bei der Entscheidung darüber gemäß § 320 Abs. 4 Satz 2 ZPO nur die Richter mitwirken könnten, die bei dem Urteil mitgewirkt haben. Für ein Ablehnungsgesuch, das darauf abziele, die künftige Verfahrenstätigkeit aller dieser Richter zu unterbinden, sei daher das Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr gegeben. Auf die mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2006 erhobene Gegenvorstellung hat das Berufungsgericht mit Ergänzungsbeschluss vom 9. November 2006 die Rechtsbeschwerde zugelassen.
4
2. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Sie ist insbesondere auf die rechtzeitig erhobene Gegenvorstellung im Ergänzungsbeschluss wirksam zugelassen worden (vgl. BGHZ 150, 133, 136 f.; BGH, Beschluss vom 19. Mai 2004 - IXa ZB 182/03 - juris Tz. 7-9 = NJW 2004, 2529 unter III 3). In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
5
Nachvollständigem Abschluss einer Instanz ist ein Ablehnungsgesuch grundsätzlich nicht mehr zulässig, weil damit die beteiligten Richter ihre richterliche Tätigkeit im konkreten Verfahren beendet haben; die getroffene Entscheidung kann von dem Gericht, dem die im Anschluss daran abgelehnten Richter angehören, nicht mehr geändert werden (allgemeine Meinung, vgl. nur BGH, Urteil vom 8. Februar 2001 - III ZR 45/00 - NJW 2001, 1502 unter I 4, 5; BFHE 157, 494, 495 f. = BB 1990, 271 = ju- ris Tz. 10 ff.; BVerwG MDR 1970, 442; Musielak/Heinrich, ZPO 5. Aufl. § 44 Rdn. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 65. Aufl. § 42 Rdn. 6, jeweils m.w.N.).
6
Das ist hier der Fall. Das Ablehnungsgesuch ist erst nach der Urteilsverkündung gestellt worden.
7
Zwar ist die beantragte Tatbestandsberichtigung noch nicht beschieden worden. Die Vorschriften der §§ 42 ff. ZPO gelten grundsätzlich für alle Verfahrensabschnitte, in denen eine Ausübung des Richteramtes in Betracht kommt, mithin auch für das Tatbestandsberichtigungsverfahren (BGH, Urteil vom 3. Oktober 1962 - V ZR 212/60 - NJW 1963, 46 unter I; Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl. § 44 Rdn. 11 m.w.N.). Das vermittelt dem Kläger aber hier für seinen Ablehnungsantrag nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Entscheidung über seinen Antrag auf Ablehnung aller Richter hätte im Streitfall bei begründeter Ablehnung zur Folge, dass die von ihm angestrebte Tatbestandsberichtigung überhaupt nicht mehr möglich wäre. Ist aber bei Begründetheit des Ablehnungsgesuchs eine weitere richterliche Tätigkeit im Tatbestandsberichtigungsverfahren ausgeschlossen, besteht an der Entscheidung darüber auch kein Rechtsschutzinteresse (BFH aaO; vgl. ferner BFH, Beschlüsse vom 10. April 1991 - II B 150/90 - BFH/NV 1992, 518 = juris Tz. 5 und vom 17. Februar 1999 - IV B 41/98 - BFH/NV 1999, 962 f. = juris Tz. 12 zur Unzulässigkeit bei noch ausstehender Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigungserklärung; OLGR Frankfurt 1997, 154 zur Unzulässigkeit bei noch anhängiger Gegenvorstellung; OLG Karlsruhe FamRZ 2007, 55 = juris Tz. 3 zur Unzulässigkeit bei noch vorzunehmender Abgabe des Rechtsstreits).
8
Ohne Erfolg hält die Beschwerde dem entgegen, dass noch nicht feststehe, ob das Ablehnungsgesuch insgesamt Erfolg haben werde; bei nur teilweisem Erfolg bliebe die Tatbestandsberichtigung noch möglich.
9
Abzustellen ist dagegen auf das Ablehnungsgesuch, das auf den Ausschluss aller beteiligten Berufungsrichter abzielt. Über dieses kann denkgesetzlich auch nur einheitlich entschieden werden, weil jeder der drei Richter in demselben Maß für den Inhalt des Urteils verantwortlich ist, zumal der Kläger hier allen Richtern gleichermaßen vorhält und sie deswegen auch für befangen hält, wesentliches Vorbringen - wie etwa die Berufungsgründe - insgesamt nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Unterschiedliche Entscheidungen hinsichtlich der einzelnen abgelehnten Richter sind daher ausgeschlossen (vgl. OLG Frankfurt MDR 1979, 940). Richterliche Hinweise gemäß § 139 ZPO durch das Berufungsgericht oder durch den Senat waren nicht veranlasst.
10
Ebenso wenig lässt sich - entgegen der Auffassung der Beschwerde - ein Rechtsschutzbedürfnis daraus ableiten, dass das Berufungsgericht bislang den Streitwert noch nicht abschließend festgesetzt hat. Es ist bereits zweifelhaft, ob diese Nebenentscheidung - vor allem auch angesichts des hier bestehenden Zusammenhangs des Ablehnungsgesuchs mit der vom Kläger angestrebten Tatbestandsberichtigung - überhaupt geeignet sein kann, ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers zu begründen. Der Senat hat mit seiner Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers vom heutigen Tage auch den Streitwert für die Tatsacheninstanzen festgesetzt.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanz:
OLG München, Entscheidung vom 12.10.2006 - 8 U 1670/06 -

(1) Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die obersten Landesgesundheitsbehörden und die von ihnen beauftragten Stellen sowie die Gesundheitsämter informieren die Bevölkerung zielgruppenspezifisch über die Bedeutung von Schutzimpfungen und andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten. Bei der Information der Bevölkerung soll die vorhandene Evidenz zu bestehenden Impflücken berücksichtigt werden.

(2) Beim Robert Koch-Institut wird eine Ständige Impfkommission eingerichtet. Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung des Bundesministeriums für Gesundheit bedarf. Die Kommission gibt Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen und zur Durchführung anderer Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten und entwickelt Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung. Die Mitglieder der Kommission werden vom Bundesministerium für Gesundheit im Benehmen mit den obersten Landesgesundheitsbehörden berufen. Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit, der obersten Landesgesundheitsbehörden, des Robert Koch-Institutes und des Paul-Ehrlich-Institutes nehmen mit beratender Stimme an den Sitzungen teil. Weitere Vertreter von Bundesbehörden können daran teilnehmen. Die Empfehlungen der Kommission werden von dem Robert Koch-Institut den obersten Landesgesundheitsbehörden übermittelt und anschließend veröffentlicht.

(2a) Empfehlungen der Ständigen Impfkommission zur Durchführung von Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 haben sich insbesondere an folgenden Impfzielen auszurichten:

1.
Reduktion schwerer oder tödlicher Krankheitsverläufe,
2.
Unterbindung einer Transmission des Coronavirus SARS-CoV-2,
3.
Schutz von Personen mit besonders hohem Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf,
4.
Schutz von Personen mit besonders hohem behinderungs-, tätigkeits- oder aufenthaltsbedingtem Infektionsrisiko,
5.
Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen, von Kritischen Infrastrukturen, von zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge und des öffentlichen Lebens.
Die auf Grund des § 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe f sowie des § 20i Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a, auch in Verbindung mit Nummer 2, des Fünften Buches Sozialgesetzbuch erlassenen Rechtsverordnungen haben sich an den in Satz 1 genannten Impfzielen im Fall beschränkter Verfügbarkeit von Impfstoffen bei notwendigen Priorisierungen auszurichten.

(3) Die obersten Landesgesundheitsbehörden sollen öffentliche Empfehlungen für Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe auf der Grundlage der jeweiligen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission aussprechen.

(4) Zur Durchführung von Schutzimpfungen ist jeder Arzt berechtigt. Fachärzte dürfen Schutzimpfungen unabhängig von den Grenzen der Ausübung ihrer fachärztlichen Tätigkeit durchführen. Die Berechtigung zur Durchführung von Schutzimpfungen nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften bleibt unberührt.

(5) Die obersten Landesgesundheitsbehörden können bestimmen, dass die Gesundheitsämter unentgeltlich Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe gegen bestimmte übertragbare Krankheiten durchführen. Die zuständigen Behörden können mit den Maßnahmen nach Satz 1 Dritte beauftragen. Soweit die von der Maßnahme betroffene Person gegen einen anderen Kostenträger einen Anspruch auf entsprechende Leistungen hat oder einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für entsprechende Leistungen hätte, ist dieser zur Tragung der Sachkosten verpflichtet. Wenn Dritte nach Satz 2 beauftragt wurden, ist der andere Kostenträger auch zur Tragung dieser Kosten verpflichtet, soweit diese angemessen sind.

(6) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anzuordnen, dass bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist. Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht an Schutzimpfungen oder an anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilnehmen können, können durch Rechtsverordnung nach Satz 1 nicht zu einer Teilnahme an Schutzimpfungen oder an anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe verpflichtet werden. § 15 Abs. 2 gilt entsprechend.

(7) Solange das Bundesministerium für Gesundheit von der Ermächtigung nach Absatz 6 keinen Gebrauch macht, sind die Landesregierungen zum Erlass einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 ermächtigt. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die obersten Landesgesundheitsbehörden übertragen.

(8) Folgende Personen, die nach dem 31. Dezember 1970 geboren sind, müssen entweder einen nach den Maßgaben von Satz 2 ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder ab der Vollendung des ersten Lebensjahres eine Immunität gegen Masern aufweisen:

1.
Personen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut werden,
2.
Personen, die bereits vier Wochen
a)
in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nummer 4 betreut werden oder
b)
in einer Einrichtung nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 untergebracht sind, und
3.
Personen, die in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig sind.
Ein ausreichender Impfschutz gegen Masern besteht, wenn ab der Vollendung des ersten Lebensjahres mindestens eine Schutzimpfung und ab der Vollendung des zweiten Lebensjahres mindestens zwei Schutzimpfungen gegen Masern bei der betroffenen Person durchgeführt wurden. Satz 1 gilt auch, wenn zur Erlangung von Impfschutz gegen Masern ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die auch Impfstoffkomponenten gegen andere Krankheiten enthalten. Satz 1 gilt nicht für Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können.

(9) Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig werden sollen, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung vor Beginn ihrer Betreuung oder ihrer Tätigkeit folgenden Nachweis vorzulegen:

1.
eine Impfdokumentation nach § 22 Absatz 1 und 2 oder ein ärztliches Zeugnis, auch in Form einer Dokumentation nach § 26 Absatz 2 Satz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, darüber, dass bei ihnen ein nach den Maßgaben von Absatz 8 Satz 2 ausreichender Impfschutz gegen Masern besteht,
2.
ein ärztliches Zeugnis darüber, dass bei ihnen eine Immunität gegen Masern vorliegt oder sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können oder
3.
eine Bestätigung einer staatlichen Stelle oder der Leitung einer anderen in Absatz 8 Satz 1 genannten Einrichtung darüber, dass ein Nachweis nach Nummer 1 oder Nummer 2 bereits vorgelegen hat.
Wenn der Nachweis nach Satz 1 von einer Person, die auf Grund einer nach Satz 8 zugelassenen Ausnahme oder nach Satz 9 in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 beschäftigt oder tätig werden darf, nicht vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann bestimmen, dass
1.
der Nachweis nach Satz 1 nicht der Leitung der jeweiligen Einrichtung, sondern dem Gesundheitsamt oder einer anderen staatlichen Stelle gegenüber zu erbringen ist,
2.
die Benachrichtigung nach Satz 2 nicht durch die Leitung der jeweiligen Einrichtung, sondern durch die nach Nummer 1 bestimmte Stelle zu erfolgen hat,
3.
die Benachrichtigung nach Satz 2 nicht gegenüber dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, sondern gegenüber einer anderen staatlichen Stelle zu erfolgen hat.
Die Behörde, die für die Erteilung der Erlaubnis nach § 43 Absatz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch zuständig ist, kann bestimmen, dass vor dem Beginn der Tätigkeit im Rahmen der Kindertagespflege der Nachweis nach Satz 1 ihr gegenüber zu erbringen ist; in diesen Fällen hat die Benachrichtigung nach Satz 2 durch sie zu erfolgen. Eine Benachrichtigungspflicht nach Satz 2 besteht nicht, wenn der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder der anderen nach Satz 3 Nummer 2 oder Satz 4 bestimmten Stelle bekannt ist, dass das Gesundheitsamt oder die andere nach Satz 3 Nummer 3 bestimmte Stelle über den Fall bereits informiert ist. Eine Person, die ab der Vollendung des ersten Lebensjahres keinen Nachweis nach Satz 1 vorlegt, darf nicht in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 beschäftigt werden. Eine Person, die über keinen Nachweis nach Satz 1 verfügt oder diesen nicht vorlegt, darf in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 nicht tätig werden. Die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann allgemeine Ausnahmen von den Sätzen 6 und 7 zulassen, wenn das Paul-Ehrlich-Institut auf seiner Internetseite einen Lieferengpass zu allen Impfstoffen mit einer Masernkomponente, die für das Inverkehrbringen in Deutschland zugelassen oder genehmigt sind, bekannt gemacht hat; parallel importierte und parallel vertriebene Impfstoffe mit einer Masernkomponente bleiben unberücksichtigt. Eine Person, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt, darf in Abweichung von Satz 6 in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 3 betreut werden.

(9a) Sofern sich ergibt, dass ein Impfschutz gegen Masern erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist oder vervollständigt werden kann oder ein Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 Nummer 2 seine Gültigkeit auf Grund Zeitablaufs verliert, haben Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut werden oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig sind, der Leitung der jeweiligen Einrichtung einen Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 innerhalb eines Monats, nachdem es ihnen möglich war, einen Impfschutz gegen Masern zu erlangen oder zu vervollständigen, oder innerhalb eines Monats nach Ablauf der Gültigkeit des bisherigen Nachweises nach Absatz 9 Satz 1 Nummer 2 vorzulegen. Wenn der Nachweis nach Satz 1 nicht innerhalb dieses Monats vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Absatz 9 Satz 3 gilt entsprechend.

(10) Personen, die am 1. März 2020 bereits in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut wurden und noch werden oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig waren und noch sind, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung einen Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 bis zum Ablauf des 31. Juli 2022 vorzulegen. Wenn der Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 nicht bis zum Ablauf des 31. Juli 2022 vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Absatz 9 Satz 3 und 4 findet entsprechende Anwendung.

(11) Personen, die bereits vier Wochen in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 4 betreut werden oder in Einrichtungen nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 untergebracht sind, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung einen Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 wie folgt vorzulegen:

1.
innerhalb von vier weiteren Wochen oder,
2.
wenn sie am 1. März 2020 bereits betreut wurden und noch werden oder untergebracht waren und noch sind, bis zum Ablauf des 31. Juli 2022.
Wenn der Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 nicht innerhalb von vier weiteren Wochen oder in den Fällen von Satz 1 Nummer 2 nicht bis zum Ablauf des 31. Juli 2022 vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Absatz 9 Satz 3 findet entsprechende Anwendung.

(12) Folgende Personen haben dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 vorzulegen:

1.
Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut werden,
2.
Personen, die bereits acht Wochen
a)
in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 4 betreut werden oder
b)
in Einrichtungen nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 untergebracht sind und
3.
Personen, die in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig sind.
Bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, so kann das Gesundheitsamt eine ärztliche Untersuchung dazu anordnen, ob die betroffene Person auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen Masern geimpft werden kann; Personen, die über die Echtheit oder inhaltliche Richtigkeit des vorgelegten Nachweises Auskunft geben können, sind verpflichtet, auf Verlangen des Gesundheitsamtes die erforderlichen Auskünfte insbesondere über die dem Nachweis zugrundeliegenden Tatsachen zu erteilen, Unterlagen vorzulegen und Einsicht zu gewähren; § 15a Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Wenn der Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 nicht innerhalb einer angemessenen Frist vorgelegt wird, kann das Gesundheitsamt die zur Vorlage des Nachweises verpflichtete Person zu einer Beratung laden und hat diese zu einer Vervollständigung des Impfschutzes gegen Masern aufzufordern. Das Gesundheitsamt kann einer Person, die trotz der Anforderung nach Satz 1 keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt oder der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nach Satz 2 nicht Folge leistet, untersagen, dass sie die dem Betrieb einer in Absatz 8 Satz 1 genannten Einrichtung dienenden Räume betritt oder in einer solchen Einrichtung tätig wird. Einer Person, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt, kann in Abweichung von Satz 4 nicht untersagt werden, die dem Betrieb einer Einrichtung nach § 33 Nummer 3 dienenden Räume zu betreten. Einer Person, die einer Unterbringungspflicht unterliegt, kann in Abweichung von Satz 4 nicht untersagt werden, die dem Betrieb einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nummer 4 oder einer Einrichtung nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 dienenden Räume zu betreten. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine vom Gesundheitsamt nach Satz 1 oder Satz 2 erlassene Anordnung oder ein von ihm nach Satz 4 erteiltes Verbot haben keine aufschiebende Wirkung. Sobald ein Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 vorgelegt wird, ist die Maßnahme nach Satz 4 aufzuheben und das Verwaltungszwangsverfahren mit sofortiger Wirkung einzustellen.

(13) Wenn eine nach den Absätzen 9 bis 12 verpflichtete Person minderjährig ist, so hat derjenige für die Einhaltung der diese Person nach den Absätzen 9 bis 12 treffenden Verpflichtungen zu sorgen, dem die Sorge für diese Person zusteht. Die gleiche Verpflichtung trifft den Betreuer einer von Verpflichtungen nach den Absätzen 9 bis 12 betroffenen Person, soweit die Erfüllung dieser Verpflichtungen zu seinem Aufgabenkreis gehört.

(14) Durch die Absätze 6 bis 12 wird das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.