Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 18. Sept. 2014 - L 20 R 680/14 B ER

18.09.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 01.07.2014 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Sozialgericht (SG) Nürnberg.

In der beim SG seit dem 23.06.2011 anhängig gewesenen Hauptsache S 12 R 751/11 war zunächst die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente streitig. Mit der Klage vom 23.06.2011 hatte der Kläger und Antragsteller den Bescheid der Beklagten und Antragsgegnerin vom 21.07.2009 in der Fassung des Bescheides vom 19.08.2011 sowie in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2011 angefochten. Im Widerspruchsverfahren waren die Zuerkennung des Eintritts der vollen Erwerbsminderung und der Zeitpunkt des Rentenbeginns streitig.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung des SG am 14.05.2014 hat der Antragsteller die Anträge unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 13.05.2014 gestellt. Diesem Schreiben sind die Anträge wie folgt zu entnehmen.

1. Er beantragt, den Termin am 14.05.2014 zu vertagen und ihm Einsicht in die Akten des Klageverfahrens S 12 R 751/11 und der unter den Az S 14 AL 329/12, S 2 U 22/13, S 8 V 2/80 sowie S 2 U 308/05 anhängig gewesenen Klageverfahren zu gewähren.

Auch werde erneut der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt (wie bereits mit Schreiben vom 07.12.2011 zur Abwehr einer Notsituation, da er seine Rechte nur bei Kenntnis der Akten durchsetzen könne). Im Laufe des Klageverfahrens habe die Kammervorsitzende willkürlich das Recht auf Akteneinsicht verweigert. Es sei als Aktenfledderei zu bezeichnen, dass aufgrund seiner Klageschriften weitere Aktenzeichen gebildet worden seien. Es sei ihm kein einziger Schriftsatz der jew. Beklagten zugeleitet worden. Die Klageschriftsätze seit dem 23.06.2011 seien unterschlagen worden.

2. Er beantragt, das ihm zustehende Recht auf Akteneinsicht zu genehmigen.

3. „Der Kläger rügt die Vorsitzende Richterin Frau K., der Kläger beantragte seit 2011 die Herbeiziehung der Regressakte der DRV Bund und der Akte der Amtsrätin Frau Sch. in A-Stadt“.

Durch Urteil im Termin vom 14.05.2014 hat das SG die Klage im Verfahren S 12 R 751/11 zurückgewiesen. Der Antragsteller sei zum Termin erschienen und habe sich zur Sache eingelassen. Dem Antrag auf Beiziehung der Akten der Klageverfahren S 14 AL 329/12, S 2 U 22/13, S 8 V 2/80 und S 2 U 308/05 sei nicht stattzugeben. Die Beiziehung der Akten sei im vorliegenden Rechtsstreit nicht sachdienlich. Im vorliegenden Verfahren sei dem Antragsteller insgesamt dreimal Einsicht in die Gerichtsakte und in die Akten der Antragsgegnerin gewährt worden. Im Übrigen seien die Bescheide der Antragsgegnerin rechtmäßig.

Mit Beschluss vom 01.07.2014 hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 13.05.2014 zurückgewiesen (S 12 R 605/14 ER). Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Sicherung der Rechte des Antragstellers bzw. zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis sei § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Es sei aber bereits kein Grund ersichtlich, der die Eilbedürftigkeit einer Anordnung rechtfertigen könne. Aus dem Vorbringen des Antragstellers sei nicht ersichtlich, welche schwerwiegenden Nachteile ihm drohen würden.

Am 04.08.2014 hat der Antragsteller sowohl Berufung gegen das Urteil vom 14.05.2014 (L 20 R 690/14) als auch Beschwerde gegen den Beschluss vom 01.07.2014 eingelegt (L 20 R 680/14 B ER). Zur Begründung der Berufung und der Beschwerde wiederholt er im Wesentlich sein bisheriges Klagevorbringen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Antragsgegnerin, der Akten des SG (S 12 R 605/14 ER, S 12 R 605/14 ER, S 16 R 1081/ER) und der Akten des Landessozialgerichts (L 20 R 680/14 B ER, L 20 R 690/14) Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. In der Sache hat es das SG zutreffend abgelehnt, eine einstweilige Anordnung zu erlassen, weil der Antragsteller eine Notsituation nicht dargelegt hat.

Allerdings erweist sich der Antrag vom 13.05.2014 auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bereits als nicht statthaft und daher als unzulässig. Denn eine einstweilige Anordnung zur Regelung der vom Antragsteller begehrten Akteneinsicht kann nicht gegenüber dem Gericht ausgesprochen werden.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Vornahmesachen ist § 86b Abs. 2 S 1 SGG. Hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Gemäß § 86b Abs. 2 S 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung).

Sowohl die Sicherungsanordnung als auch die Regelungsanordnung setzen ein bestehendes oder ein zu regelndes Rechtsverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner voraus. Der Antragsteller streitet aber vorliegend nicht um ein zwischen ihm und der Antragsgegnerin bestehendes Rechtsverhältnis. Dies wäre anzunehmen, wenn es um die Regelung ginge, die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller Einsicht in ihre Akten zu geben. Vorliegend ist lediglich der prozessuale Anspruch des Antragstellers auf Gewährung von Akteneinsicht durch das SG in die Akten des Gerichts streitig. Hierfür bestimmt § 120 SGG die maßgeblichen Voraussetzungen. Über die Gewährung von Akteneinsicht nach § 120 SGG entscheidet der Vorsitzende. Diese Vorschrift ist abschließend. Ein Antrag auf einstweilige Anordnung gegen das Gericht auf Akteneinsicht ist ausgeschlossen.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem vom Antragssteller angeführten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.10.1990 (1 BvR 1028/90). Das Bundesverfassungsgericht hatte in jenem Verfahren über die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Verwehrung von Akteneinsicht durch den Verwaltungsträger in einem Verwaltungsverfahren zu entscheiden, also nicht gegen die Verwehrung von Akteneinsicht durch ein Gericht in einem Klageverfahren.

Darüber hinaus wäre zu berücksichtigen, dass Rechtmittel also auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Beschwerde zum Landessozialgericht allein wegen der Nichtgewährung von Akteneinsicht ausgeschlossen sind. Denn gegen die Versagung oder die Beschränkung der Akteneinsicht durch den Vorsitzenden kann lediglich das Gericht, d. h. das Ausgangsgericht, angerufen werden, das dann in Kammerbesetzung endgültig entscheidet. Dies ergibt sich aus der Vorschrift § 120 Abs. 3 S 2 SGG. Diese lautet: Gegen die Versagung oder die Beschränkung der Akteneinsicht kann das Gericht angerufen werden; es entscheidet endgültig.

Nach alldem ist die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das SG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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Referenzen - Gesetze

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 86b


(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungskla

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 120


(1) Die Beteiligten haben das Recht der Einsicht in die Akten, soweit die übermittelnde Behörde dieses nicht ausschließt. Beteiligte können sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen las

Referenzen

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Die Beteiligten haben das Recht der Einsicht in die Akten, soweit die übermittelnde Behörde dieses nicht ausschließt. Beteiligte können sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen. Für die Versendung von Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente und die Gewährung des elektronischen Zugriffs auf Akten werden Kosten nicht erhoben, sofern nicht nach § 197a das Gerichtskostengesetz gilt.

(2) Werden die Prozessakten elektronisch geführt, wird Akteneinsicht durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übermittlungsweg gewährt. Auf besonderen Antrag wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. Ein Aktenausdruck oder ein Datenträger mit dem Inhalt der Akten wird auf besonders zu begründenden Antrag nur übermittelt, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse darlegt. Stehen der Akteneinsicht in der nach Satz 1 vorgesehenen Form wichtige Gründe entgegen, kann die Akteneinsicht in der nach den Sätzen 2 und 3 vorgesehenen Form auch ohne Antrag gewährt werden. Über einen Antrag nach Satz 3 entscheidet der Vorsitzende; die Entscheidung ist unanfechtbar. § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(3) Werden die Prozessakten in Papierform geführt, wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. Die Akteneinsicht kann, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, auch durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übermittlungsweg gewährt werden. Nach dem Ermessen des Vorsitzenden kann einem Bevollmächtigten, der zu den in § 73 Absatz 2 Satz 1 und 2 Nummer 3 bis 9 bezeichneten natürlichen Personen gehört, die Mitnahme der Akten in die Wohnung oder Geschäftsräume gestattet werden. § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(4) Der Vorsitzende kann aus besonderen Gründen die Einsicht in die Akten oder in Aktenteile sowie die Fertigung oder Erteilung von Auszügen und Abschriften versagen oder beschränken. Gegen die Versagung oder die Beschränkung der Akteneinsicht kann das Gericht angerufen werden; es entscheidet endgültig.

(5) Die Entwürfe zu Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen, die zu ihrer Vorbereitung angefertigten Arbeiten sowie die Dokumente, welche Abstimmungen betreffen, werden weder vorgelegt noch abschriftlich mitgeteilt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.