Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Nov. 2013 - 1 AZR 628/12

bei uns veröffentlicht am12.11.2013

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 4. Juni 2012 - 17 Sa 1420/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des Vergütungsabzugs anlässlich einer Streikteilnahme.

2

Die Kläger sind bei der Beklagten als Flugzeugführer angestellt. Am 22. Februar 2010 rief die zuständige Gewerkschaft, die Vereinigung Cockpit, die Piloten der Beklagten in der Zeit von 0:00 Uhr bis 23:59 Uhr zu einem Streik auf, an dem sich die Kläger beteiligten.

3

Auf die Arbeitsverhältnisse der Parteien findet der Manteltarifvertrag Nr. 1a für das Cockpitpersonal der Lufthansa Cargo Aktiengesellschaft (MTV) vom 8. Juni 2001 Anwendung. In §§ 4 und 5 MTV ist Folgendes bestimmt:

㤠4 Einsatzbedingungen

6. Abschnitt - Freie Tage am dienstlichen Wohnsitz

(1) Den Mitarbeitern stehen in jedem Quartal 35 freie Kalendertage am dienstlichen Wohnsitz zu. Die Zahl der freien Tage im Quartal kann um bis zu fünf Kalendertage reduziert werden. Die hierdurch fehlenden freien Tage werden innerhalb eines Jahres nachgewährt, es sei denn, sie werden mit Einverständnis des Mitarbeiters pro Tag mit 1/20 der Monatsvergütung abgegolten.

§ 5 Anspruch auf Vergütung

(1) Die Mitarbeiter erhalten eine auf monatlicher Grundlage errechnete Vergütung, die sich wie folgt zusammensetzt:

(2) Ein Mitarbeiter, der nicht den ganzen Monat hindurch beschäftigt wird, erhält eine nach Kalendertagen bemessene Vergütung. Dabei ist für jeden Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Vergütung zugrunde zu legen.

(3) Besteht während des Beschäftigungsverhältnisses im Laufe eines Kalendermonats für einen oder mehrere Kalendertage kein Vergütungsanspruch, so gilt folgende Regelung:

a) Bei Arbeitsunfähigkeit ohne Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung ist für jeden Kalendertag des Bestehens der Arbeitsunfähigkeit 1/30 der monatlichen Vergütung in Abzug zu bringen. Ist hiernach die Vergütung um mehr als 15/30 zu kürzen, ist sinngemäß nach Absatz (2) zu verfahren.

b) Bei Fehltagen wegen Arbeitsbefreiung ohne Fortzahlung der Vergütung oder unentschuldigten Fehlens (Kalendertage ohne Vergütungsanspruch) wird für jeden Fehltag 1/30 der monatlichen Vergütung in Abzug gebracht. Dabei bleibt die Anzahl der auf den jeweiligen Monat anfallenden Kalendertage außer Betracht. Sind hiernach mehr als 15/30 der monatlichen Vergütung in einem Monat in Abzug zu bringen, ist sinngemäß nach Absatz (2) zu verfahren.

…“

4

Die Beklagte zog den Klägern für den streikbedingten Arbeitsausfall am 22. Februar 2010 1/20 der monatlichen Grundvergütung ab.

5

Die Kläger haben geltend gemacht, die Beklagte sei nach § 5 Abs. 3 MTV nur berechtigt gewesen, für den Streiktag ein 1/30 der monatlichen Grundvergütung in Abzug zu bringen. Sie könnten daher die Differenz zwischen dem erfolgten Abzug von 1/20 und 1/30 der monatlichen Grundvergütung verlangen.

6

Der Kläger zu 1. hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 267,02 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. März 2010 zu zahlen.

7

Der Kläger zu 2. hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 198,31 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. März 2010 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Abweisungsantrags ausgeführt, § 5 Abs. 3 MTV regele den Vergütungsabzug bei einem streikbedingten Arbeitsausfall nicht. Daher sei nach § 4 6. Abschnitt Abs. 1 MTV für jeden Streiktag ein Lohnabzug in Höhe von 1/20 der monatlichen Grundvergütung vorzunehmen.

9

Das Arbeitsgericht hat den Klagen entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt diese ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Die Kläger haben gegen die Beklagte nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 5 Abs. 1 MTV Anspruch auf Zahlung der noch begehrten Arbeitsvergütung für den Monat Februar 2010. Die Monatsvergütung der Kläger ist infolge der eintägigen Streikteilnahme am 22. Februar 2010 um 1/30 und nicht um 1/20 zu kürzen. Dies ergibt die Auslegung des MTV.

11

1. Tarifliche Inhaltsnormen sind wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck der tariflichen Regelung zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Regelungswerk ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelung, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern kann. Bleiben im Einzelfall gleichwohl Zweifel, können die Gerichte ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge auf weitere Kriterien zurückgreifen, wie etwa auf die Entstehungsgeschichte und die bisherige Anwendung der Regelung in der Praxis. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 16. August 2011 - 1 AZR 314/10 - Rn. 15).

12

2. Hiernach hat die Kürzung der monatlichen Grundvergütung bei einem streikbedingtem Arbeitsausfall nicht nach § 4 6. Abschnitt Abs. 1 MTV zu erfolgen. Diese Tarifnorm enthält keine allgemeine Regelung zur Berechnung der Arbeitsvergütung bei Fehltagen. Wortlaut und systematischer Zusammenhang machen vielmehr deutlich, dass es sich hierbei um eine Sonderregelung handelt, die im Zusammenhang mit den tariflichen Arbeitszeitvorschriften steht. Danach können die freien Kalendertage am dienstlichen Wohnsitz in einem Quartal um bis zu fünf Kalendertage reduziert und innerhalb eines Jahres nachgewährt werden. Mit Einverständnis des Arbeitnehmers kommt auch eine Abgeltung in Betracht. Nur für diesen Fall ist der Abgeltungsbetrag auf 1/20 der Monatsvergütung festgesetzt.

13

3. Der Anspruch auf Arbeitsvergütung und deren Berechnung im Falle von Fehltagen ergibt sich aus § 5 MTV.

14

a) § 5 Abs. 3 MTV bestimmt, in welchem Umfang die Monatsvergütung zu kürzen ist, wenn ein Arbeitnehmer während des Beschäftigungsverhältnisses im Laufe eines Kalendermonats für einzelne Kalendertage keinen Vergütungsanspruch hat. Im ersten Unterabsatz ist unter dem Buchst. a der Fall der Arbeitsunfähigkeit ohne Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung geregelt, im zweiten Unterabsatz unter dem Buchst. b die Rechtsfolge von Fehltagen wegen Arbeitsbefreiung ohne Fortzahlung der Vergütung oder unentschuldigten Fehlens (Kalendertage ohne Vergütungsanspruch). In beiden Fallgestaltungen werden für jeden Kalendertag 1/30 der monatlichen Vergütung in Abzug gebracht.

15

b) § 5 Abs. 3 Buchst. b MTV ist auf den streikbedingten Arbeitsausfall anwendbar (so bereits zu der gleichlautenden Regelung im Manteltarifvertrag Nr. 5a für das Cockpitpersonal der Deutschen Lufthansa AG BAG 30. Oktober 2012 - 1 AZR 794/11 - Rn. 14 ff.). Hierbei handelt es sich um Kalendertage ohne Vergütungsanspruch während des Beschäftigungsverhältnisses. Dem steht nicht entgegen, dass § 5 Abs. 3 Buchst. b MTV tatbestandlich Fehltage wegen „Arbeitsbefreiung“ ohne Fortzahlung der Vergütung voraussetzt. Entgegen der Auffassung der Revision kann es hierzu nicht nur durch einen gestaltenden Akt des Arbeitgebers kommen, wie bei der Gewährung von Sonderurlaub, sondern auch durch einseitige Erklärungen des Arbeitnehmers. Dies betrifft etwa die Inanspruchnahme von Elternzeit nach § 16 Abs. 1 BEEG, die einseitig durch das schriftliche Verlangen des Arbeitnehmers zu einer Arbeitsbefreiung ohne Fortzahlung der Vergütung führt. Entsprechendes gilt für die Geltendmachung von Pflegezeit nach § 3 Abs. 1 PflegeZG. Ebenso wie in diesen Fallgestaltungen werden durch die einseitige Erklärung eines Arbeitnehmers, an einem Streik teilzunehmen, die gegenseitigen Hauptleistungspflichten aufgehoben (ErfK/Dieterich 13. Aufl. Art. 9 GG Rn. 172). Für die Zeit der Streikteilnahme verliert der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch (BAG 26. Juli 2005 - 1 AZR 133/04 - zu II 1 der Gründe, BAGE 115, 247). Für die daraus resultierenden Fehltage pauschaliert § 5 Abs. 3 Buchst. b MTV wie in anderen Fällen des Vergütungsausfalls den abzugsfähigen Teil des Monatsentgelts. Der MTV enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien den Ausfall von Arbeitstagen infolge eines Streiks abweichend oder gar nicht regeln wollten.

        

    Linck    

        

    Koch    

        

    Spelge    

        

        

        

    T. Klebe    

        

    Hann    

                 

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Referenzen - Gesetze

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Pflegezeitgesetz - PflegeZG | § 3 Pflegezeit und sonstige Freistellungen


(1) Beschäftigte sind von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freizustellen, wenn sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen (Pflegezeit). Der Anspruch nach Satz 1 besteht nicht gegenüber Arbeitgebern mit

Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG | § 16 Inanspruchnahme der Elternzeit


(1) Wer Elternzeit beanspruchen will, muss sie 1. für den Zeitraum bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes spätestens sieben Wochen und2. für den Zeitraum zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes spät

Referenzen

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Wer Elternzeit beanspruchen will, muss sie

1.
für den Zeitraum bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes spätestens sieben Wochen und
2.
für den Zeitraum zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes spätestens 13 Wochen
vor Beginn der Elternzeit schriftlich vom Arbeitgeber verlangen. Verlangt die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer Elternzeit nach Satz 1 Nummer 1, muss sie oder er gleichzeitig erklären, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll. Bei dringenden Gründen ist ausnahmsweise eine angemessene kürzere Frist möglich. Nimmt die Mutter die Elternzeit im Anschluss an die Mutterschutzfrist, wird die Zeit der Mutterschutzfrist nach § 3 Absatz 2 und 3 des Mutterschutzgesetzes auf den Zeitraum nach Satz 2 angerechnet. Nimmt die Mutter die Elternzeit im Anschluss an einen auf die Mutterschutzfrist folgenden Erholungsurlaub, werden die Zeit der Mutterschutzfrist nach § 3 Absatz 2 und 3 des Mutterschutzgesetzes und die Zeit des Erholungsurlaubs auf den Zweijahreszeitraum nach Satz 2 angerechnet. Jeder Elternteil kann seine Elternzeit auf drei Zeitabschnitte verteilen; eine Verteilung auf weitere Zeitabschnitte ist nur mit der Zustimmung des Arbeitgebers möglich. Der Arbeitgeber kann die Inanspruchnahme eines dritten Abschnitts einer Elternzeit innerhalb von acht Wochen nach Zugang des Antrags aus dringenden betrieblichen Gründen ablehnen, wenn dieser Abschnitt im Zeitraum zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes liegen soll. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin die Elternzeit zu bescheinigen. Bei einem Arbeitgeberwechsel ist bei der Anmeldung der Elternzeit auf Verlangen des neuen Arbeitgebers eine Bescheinigung des früheren Arbeitgebers über bereits genommene Elternzeit durch die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer vorzulegen.

(2) Können Arbeitnehmerinnen aus einem von ihnen nicht zu vertretenden Grund eine sich unmittelbar an die Mutterschutzfrist des § 3 Absatz 2 und 3 des Mutterschutzgesetzes anschließende Elternzeit nicht rechtzeitig verlangen, können sie dies innerhalb einer Woche nach Wegfall des Grundes nachholen.

(3) Die Elternzeit kann vorzeitig beendet oder im Rahmen des § 15 Absatz 2 verlängert werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt. Die vorzeitige Beendigung wegen der Geburt eines weiteren Kindes oder in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei Eintritt einer schweren Krankheit, Schwerbehinderung oder Tod eines Elternteils oder eines Kindes der berechtigten Person oder bei erheblich gefährdeter wirtschaftlicher Existenz der Eltern nach Inanspruchnahme der Elternzeit, kann der Arbeitgeber unbeschadet von Satz 3 nur innerhalb von vier Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich ablehnen. Die Elternzeit kann zur Inanspruchnahme der Schutzfristen des § 3 des Mutterschutzgesetzes auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers vorzeitig beendet werden; in diesen Fällen soll die Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber die Beendigung der Elternzeit rechtzeitig mitteilen. Eine Verlängerung der Elternzeit kann verlangt werden, wenn ein vorgesehener Wechsel der Anspruchsberechtigten aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann.

(4) Stirbt das Kind während der Elternzeit, endet diese spätestens drei Wochen nach dem Tod des Kindes.

(5) Eine Änderung in der Anspruchsberechtigung hat der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen.

(1) Beschäftigte sind von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freizustellen, wenn sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen (Pflegezeit). Der Anspruch nach Satz 1 besteht nicht gegenüber Arbeitgebern mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten.

(2) Die Beschäftigten haben die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen durch Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachzuweisen. Bei in der privaten Pflege-Pflichtversicherung versicherten Pflegebedürftigen ist ein entsprechender Nachweis zu erbringen.

(3) Wer Pflegezeit beanspruchen will, muss dies dem Arbeitgeber spätestens zehn Arbeitstage vor Beginn schriftlich ankündigen und gleichzeitig erklären, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang die Freistellung von der Arbeitsleistung in Anspruch genommen werden soll. Wenn nur teilweise Freistellung in Anspruch genommen wird, ist auch die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit anzugeben. Enthält die Ankündigung keine eindeutige Festlegung, ob die oder der Beschäftigte Pflegezeit oder Familienpflegezeit nach § 2 des Familienpflegezeitgesetzes in Anspruch nehmen will, und liegen die Voraussetzungen beider Freistellungsansprüche vor, gilt die Erklärung als Ankündigung von Pflegezeit. Beansprucht die oder der Beschäftigte nach der Pflegezeit Familienpflegezeit oder eine Freistellung nach § 2 Absatz 5 des Familienpflegezeitgesetzes zur Pflege oder Betreuung desselben pflegebedürftigen Angehörigen, muss sich die Familienpflegezeit oder die Freistellung nach § 2 Absatz 5 des Familienpflegezeitgesetzes unmittelbar an die Pflegezeit anschließen. In diesem Fall soll die oder der Beschäftigte möglichst frühzeitig erklären, ob sie oder er Familienpflegezeit oder eine Freistellung nach § 2 Absatz 5 des Familienpflegezeitgesetzes in Anspruch nehmen wird; abweichend von § 2a Absatz 1 Satz 1 des Familienpflegezeitgesetzes muss die Ankündigung spätestens drei Monate vor Beginn der Familienpflegezeit erfolgen. Wird Pflegezeit nach einer Familienpflegezeit oder einer Freistellung nach § 2 Absatz 5 des Familienpflegezeitgesetzes in Anspruch genommen, ist die Pflegezeit in unmittelbarem Anschluss an die Familienpflegezeit oder die Freistellung nach § 2 Absatz 5 des Familienpflegezeitgesetzes zu beanspruchen; sie ist abweichend von Satz 1 dem Arbeitgeber spätestens acht Wochen vor Beginn schriftlich anzukündigen.

(4) Wenn nur teilweise Freistellung in Anspruch genommen wird, haben Arbeitgeber und Beschäftigte über die Verringerung und die Verteilung der Arbeitszeit eine schriftliche Vereinbarung zu treffen. Hierbei hat der Arbeitgeber den Wünschen der Beschäftigten zu entsprechen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.

(5) Beschäftigte sind von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freizustellen, wenn sie einen minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher oder außerhäuslicher Umgebung betreuen. Die Inanspruchnahme dieser Freistellung ist jederzeit im Wechsel mit der Freistellung nach Absatz 1 im Rahmen der Gesamtdauer nach § 4 Absatz 1 Satz 4 möglich. Absatz 1 Satz 2 und die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend. Beschäftigte können diesen Anspruch wahlweise statt des Anspruchs auf Pflegezeit nach Absatz 1 geltend machen.

(6) Beschäftigte sind zur Begleitung eines nahen Angehörigen von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freizustellen, wenn dieser an einer Erkrankung leidet, die progredient verläuft und bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht hat, bei der eine Heilung ausgeschlossen und eine palliativmedizinische Behandlung notwendig ist und die lediglich eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten erwarten lässt. Beschäftigte haben diese gegenüber dem Arbeitgeber durch ein ärztliches Zeugnis nachzuweisen. Absatz 1 Satz 2, Absatz 3 Satz 1 und 2 und Absatz 4 gelten entsprechend. § 45 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt.

(6a) Beschäftigte von Arbeitgebern mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten können bei ihrem Arbeitgeber den Abschluss einer Vereinbarung über eine Pflegezeit nach Absatz 1 Satz 1 oder eine sonstige Freistellung nach Absatz 5 Satz 1 oder Absatz 6 Satz 1 beantragen. Der Arbeitgeber hat den Antrag innerhalb von vier Wochen nach Zugang zu beantworten. Eine Ablehnung des Antrags ist zu begründen. Wird eine Pflegezeit oder sonstige Freistellung nach Satz 1 vereinbart, gelten die Absätze 2, 3 Satz 4 und 6 erster Halbsatz, Absatz 4 Satz 1 sowie Absatz 6 Satz 2 und 4 entsprechend.

(7) Ein Anspruch auf Förderung richtet sich nach den §§ 3, 4, 5 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 sowie den §§ 6 bis 10 des Familienpflegezeitgesetzes.