Amtsgericht Viersen Beschluss, 10. Nov. 2016 - 27 F 169/16
Gericht
Tenor
I.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin Auskunft zu erteilen:
Über sein Einkommen
a)
aus nicht selbstständiger Arbeit im Zeitraum vom August 2015 bis Juli 2016 durch Vorlage eines spezifizierten und nach Monaten systematisch geordneten Verzeichnisses, in dem das gesamte lohnsteuerpflichtige und nicht lohnsteuerpflichtige, laufende oder einmalige Arbeitsentgelt einschließlich aller Zulagen, Zuschläge, Sonderleistungen, geldwerter Vorteile sowie Auslösen und Spesen und auf der Ausgabeseite je als gesonderte Posten die einzelnen steuerlichen Abzugsbeträge unter Angabe der verwendeten Steuerklasse und steuerliche Freibeträge sowie die einzelnen Abzugsbeträge (Arbeitnehmeranteile) für die gesetzliche Sozialversicherung angegeben sind,
b)
das keiner einkommensteuerlichen Einkunftsart unterfällt, wie beispielsweise Lohnersatzleistungen aller Art und Sozialleistungen für den vorgenannten Zeitraum
c)
und diesbezügliche selbst getragene Aufwendungen für die soziale Sicherung für den gleichen Zeitraum; spezifiziert nach Monaten und die einzelnen Aufwendungen. Mögliche Arbeitgeberzuschüsse sind gesondert aufzuführen.
d)
aus anderen Einkunftsarten im Sinne des Einkommenssteuergesetzes (selbstständige Arbeit, Gewerbe, Land- und Forstwirtschaft, Kapital, Vermietung und Verpachtung und sonstige Einkünfte) für die fünf Kalenderjahre 2011 bis 2015 durch Vorlage eines spezifizierten und nach Jahren und Einkaufsquellen systematisch geordneten Verzeichnisses, in dem alle Einnahmen und Ausgaben angegeben sind.
e)
bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist die steuerliche Gebäudeabschreibung gesondert auszuweisen. Bei Einkünften aus selbstständiger Arbeit, Gewerbe oder Land- und Forstwirtschaft ist Auskunft über den ermittelten Gewinn sowie die Privateinlage und Privatentnahme zu erteilen.
II.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin folgende Belege vorzulegen:
1.
Die abgegebene Einkommensteuererklärung für die Jahre 2011-2015 mit allen amtlichen Anlagen (z.B. Anlagen N, KAP, SO, GSE, V, je soweit betroffen) und alle dazugehörigen Steuerbescheide samt eventueller Berichtigungsbescheide.
2.
Zum Einkommen aus nicht selbstständiger Tätigkeit für den in Ziff.
I.2.a.) angegebenen Zwölfmonatszeitraum
a)
Detaillierte Lohn-, Gehalts- und Bezügeabrechnungen
b)
Abrechnungen über Spesen und andere Nebenleistungen
c)
Soweit betroffen, Provisionsabrechnungen.
3.
Zum Einkommen aus Kapital für den Fünfjahreszeitraum gem. Ziff. I.d)
a)
Abrechnungen, Gutschriften und Ausschüttungsbescheinigungen über den Kapitalertrag, speziell Zinsen, Dividenden, Ausschüttungen aus GmbHs
b)
Abrechnungen über einbehaltene inländische und ausländische Steuern
c)
Bei Beteiligung an einer GmbH, auch in mittelbarer Form, die vollständigen Gewinnermittlungen sowie die Eigenkapitalgliederungen der Gesellschaft.
4.
Zum Einkommen aus Vermietung und Verpachtung für den gleichen Zeitraum
a)
Spezifizierte Abrechnungen oder Journale über alle Einnahmen und Ausgaben
b)
Die Anlage V zu den Einkommensteuererklärungen oder Gemeinschaftserklärungen
c)
Beim Finanzamt eingereichte Anlagen, Übersichten und Erläuterungen zu den Anlagen V.
5.
Zum Einkommen aus selbständiger Arbeit, Gewerbe oder Land- und Forstwirtschaft für den gleichen Zeitraum
a)
Vollständige Gewinnermittlung einschließlich detaillierter Verzeichnisse über das betriebliche Anlagevermögen und dessen steuerliche Abschreibung.
b)
Bei Gesellschaften oder Mitunternehmerschaften die steuerlichen Gewinnerklärungen mit allen Angaben.
c)
Etwa vorliegende Berichte über steuerliche Außenprüfung, die im Auskunftszeitraum ergangen sind oder diesen betreffen.
d)
Soweit betroffen, die Umsatzsteuervoranmeldung sowie die Umsatzsteuererklärungen und Steuerbescheide dazu.
6.
Auskunft ist ansonsten über alle unterhaltsrechtlich relevanten Umstände zu erteilen,
insbesondere
mietfreies Wohnen
7.
Es ist schriftlich zu erklären, dass außer den in der Auskunft angegebenen Einkünften keinerlei weitere Einkünfte existieren.
III.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
1
Gründe:
2I.
3Der Antragsgegner verpflichtete sich gegenüber der am 00.00.0000 geborenen Antragstellerin im Vergleich vom 00.00.2011 vor dem Amtsgericht N unter Aktenzeichen X F XXX/XX zur Zahlung eines monatlichen Kindesunterhalts in Höhe von 522,-- Euro entsprechend der 8. Einkommensgruppe (2.901 - 4.300).
4Der Antragsgegner, der einem weiteren Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet ist, zahlte diesen Unterhaltsbetrag bis zum heutigen Tage. Mit Schreiben vom 00.03.2016 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner zur Auskunft aus. Zu dieser Zeit absolvierte sie den Bundesfreiwilligendienst in einem Kindergarten und erhielt hierüber ein monatliches Taschengeld von 300,- Euro. Die Schule schloss die Antragstellerin im Sommer 20XX mit der mittleren Reife ab, besuchte zunächst zwecks einer Orientierungsphase das Berufskolleg N, um dann am 00.00.0000 in den Bundesfreiwilligendienst einzutreten. Daraufhin entschied sie sich zu einer zweijährigen Ausbildung zur Erzieherin am Berufskolleg O im Zeitraum vom 00.08.2016 bis 00.07.2018.
5Während dieser zweijährigen Ausbildung ist ein einjähriges Praktikum in einer Kindestagesstätte vorgesehen, welches die Antragstellerin zum 01.08.2016 mit einer wöchentlichen Stundenzahl von 39 Stunden begann. Ausweislich des vorgelegten Praktikumsvertrags bezog sie hierfür kein Entgelt. Die Mutter der Antragstellerin ist gelernte Optikermeisterin.
6Die Antragstellerin beantragt,
7wie erkannt.
8Der Antragsgegner beantragt,
9den Antrag zurückzuweisen.
10Der Antragsgegner ist der Auffassung, das Auskunftsbegehren sei rechtsmissbräuchlich. Die Auskunft sei kein Selbstläufer. Sie diene nicht dazu, andere als für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs notwendige Information zum Zwecke der Rechtsverfolgung zu beschaffen. Sie diene nur dazu, zu prüfen, ob der Antragstellerin ein höherer als der derzeit titulierte oder freiwillig gezahlte Unterhalt zustehe. Eine Unterhaltsverpflichtung bestehe deswegen dann nicht, wenn die Auskunft schlechterdings nicht zu einem höheren als dem derzeit titulierten und gezahlten Unterhalt führen könne.
11II.
12Der Antrag ist zulässig und begründet.
13Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner einen Auskunft- und Beleganspruch gem. § 1605 BGB.
14Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist das Auskunftsersuchen nicht rechtsmissbräuchlich. Eine Abänderung des bereits titulierten Unterhaltsanspruches nach oben ist nicht offensichtlich bzw. nicht schlechterdings ausgeschlossen.
15Die von dem Antragsgegner zitierte Rechtsprechung ist im Streitfall nicht einschlägig. Eine eventuelle Abänderung des hier in Rede stehenden titulierten Unterhaltsanspruchs entspricht der 8. Einkommensgruppe, so dass es nicht um eine Unterhaltsbemessung für Kindesunterhalt bei überdurchschnittlich wirtschaftlichen Verhältnissen des Barunterhaltspflichtigen geht. Auch liegt der Streitfall hier nicht so, dass die Antragstellerin die Anspruchsvoraussetzungen für einen Unterhaltstatbestand nicht dargelegt hätte. Die Antragstellerin hat in ihrem Antrag schlüssig dargetan, dass die Voraussetzungen für einen Ausbildungsunterhalt gegeben sein können. Sie hat dargelegt, dass sie sich nach dem Schulabschluss in ihrer Erstausbildung befindet. Es ist auch nicht offensichtlich, dass der Bedarf der Antragstellerin zukünftig durch die Zahlung von monatlich 522,-- Euro gedeckt ist. Richtig ist zwar, dass die Antragstellerin im Zeitpunkt der außergerichtlichen Auskunftsaufforderung ihren maximalen Bedarf nach der 10. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle – ohne dass es der Darlegung eines konkreten Bedarfs bedürfte – von 625,-- Euro mit dem vom Antragsgegner gezahlten Unterhalt absolut gedeckt hatte, da sie zu diesem Zeitpunkt ein anrechenbares Taschengeld von 300,-- Euro erhielt. Seit dem 01.08.2016 bezog die Antragstellerin jedoch ausweislich des vorgelegten Praktikumsvertrages im Rahmen ihrer Ausbildung kein Entgelt mehr. Da sie zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig war, kommt ein Quotenunterhalt der Kindeseltern nicht in Betracht. Je nach Einkommensverhältnissen des Antragsgegners käme somit ggf. eine Erhöhung auf max. monatlich 625,--Euro in Betracht, was eine wesentliche Differenz von 103,-- Euro ausmacht. Bis zum 20.09.2016 würde diese Differenz immerhin anteilig noch 68,67 Euro betragen. Ab dem 21.09.2016 wäre der Volljährigenunterhalt aufgrund einer Quote der Kindeseltern auszurechnen. Der maximale Bedarf der Antragstellerin würde nach Düsseldorfer Tabelle 826,-- Euro betragen, abzüglich 190,-- Euro Kindergeld somit ein ungedeckter Bedarf von 636,-- Euro bestehen. Inwieweit der Antragsgegner mit der titulierten Unterhaltspflicht von 522,-- Euro sodann seiner Quote entsprechen würde, muss der Leistungsstufe vorbehalten bleiben. Soweit der Antragsgegner vorgetragen hat, er sei einem weiteren Kind gegenüber unterhaltspflichtig, kann dies hier mangels weiterer Substantiierung eine Abänderung nach oben ebenfalls nicht offensichtlich ausschließen. Nach allem ist demnach eine Abänderung des titulierten Unterhaltsanspruchs zu einem höheren Unterhalt nicht schlechterdings ausgeschlossen.
16Die Kostenentscheidung folgt aus § 243 FamFG.
Annotations
(1) Verwandte in gerader Linie sind einander verpflichtet, auf Verlangen über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Über die Höhe der Einkünfte sind auf Verlangen Belege, insbesondere Bescheinigungen des Arbeitgebers, vorzulegen. Die §§ 260, 261 sind entsprechend anzuwenden.
(2) Vor Ablauf von zwei Jahren kann Auskunft erneut nur verlangt werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der zur Auskunft Verpflichtete später wesentlich höhere Einkünfte oder weiteres Vermögen erworben hat.
Abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenverteilung entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Es hat hierbei insbesondere zu berücksichtigen:
- 1.
das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten, einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung, - 2.
den Umstand, dass ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, es sei denn, dass eine Verpflichtung hierzu nicht bestand, - 3.
den Umstand, dass ein Beteiligter einer Aufforderung des Gerichts nach § 235 Abs. 1 innerhalb der gesetzten Frist nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, sowie - 4.
ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 der Zivilprozessordnung.