Amtsgericht Schorndorf Beschluss, 04. Apr. 2003 - 1 M 325/03

bei uns veröffentlicht am04.04.2003

Tenor

Auf die Erinnerung des Schuldners vom 27.03.2003 wird der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Schorndorf vom 07.02.2003

aufgehoben.

Die Wirksamkeit der Entscheidung wird bis zur ihrer Rechtskraft hinausgeschoben.

Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt G A.

Gründe

 
Der Gläubiger ist der am 07.11.1989 geborene gemeinsame Sohn des Schuldners und der G A. Die am 01.03.1997 geschlossene Ehe zwischen dem Schuldner und G A wurde durch Urteil des Amtsgerichts Schorndorf vom 04.04.2000 rechtskräftig geschieden. Die elterliche Sorge für den Gläubiger verblieb beiden Parteien zur gemeinsamen Ausübung. Vom Zeitpunkt der Trennung der Eltern bis längstens 01.09.2002 lebte der Gläubiger bei seiner Mutter. Anschließend ist er zum Schuldner übergewechselt.
Aufgrund eines Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts Pforzheim vom 11.07.2002 (1 FH 11/02) hat G A für den Gläubiger gegen den Schuldner einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Schorndorf vom 07.02.2003 wegen aufgelaufener Unterhaltsrückstände für die Monate Oktober 2002 und für den Zeitraum Mai 2002 bis September 2002 erwirkt. Der Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wurde am 05.02.2003 gestellt. Mit Schriftsatz vom 27.02.2003 hat der Schuldner Erinnerung gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss eingelegt mit der Begründung, dass der Gläubiger nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei, weil G A nicht alleinvertretungsberechtigt sei, da sie die elterliche Sorge nicht allein ausübe und der Gläubiger sich zum Zeitpunkt der Beantragung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auch nicht mehr in ihrer Obhut befunden habe.
Von Gläubigerseite wird vorgetragen, dass die zum Zeitpunkt der Titulierung der Unterhaltsansprüche bestehende Alleinvertretungsmacht der G A für die Zwangsvollstreckung fortwirke. Darüber hinaus sei G A in dem Zeitraum, für welchen der rückständige Unterhalt beigetrieben werden soll, für den Unterhalt des Gläubigers aufgekommen, weshalb der Sache nach dieser ein Anspruch auf Erstattung des Unterhalts gegen den Schuldner zustehe, für den Fall einer Verneinung der Vertretung der G A "leer ausgehen" würde.
Die Akten Amtsgericht Schorndorf 1 M 111/03 wurden beigezogen.
Die Erinnerung ist begründet. Zulässigkeitsvoraussetzung eines Zwangsvollstreckungsantrags ist das Vorliegen der allgemeinen Prozessvoraussetzungen, zu denen die wirksame gesetzliche Vertretung des minderjährigen Gläubigers zählt. Vorliegend war der Gläubiger zum Zeitpunkt der Beantragung und des Erlasses des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht wirksam vertreten. Gemäß § 51 Abs. 1 ZPO i.Verb.m. § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB wird der unter elterliche Sorge stehende Minderjährige durch die Eltern gemeinsam vertreten. Die elterliche Sorge steht vorliegend unstreitig beiden Eltern des Gläubigers gemeinsam zu, sodass die Mutter nur dann wirksam einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hätte beantragen können, wenn sie ausnahmsweise einzelvertretungsberechtigt gewesen wäre. Ein Fall der Einzelvertretung ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Ein Alleinvertretungsrecht von G A ergibt sich insbesondere nicht aus § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach der die Obhut innehabende Elternteil die Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen kann.
Das Alleinvertretungsrecht endet nämlich, wenn seine Voraussetzungen wegfallen mit der Folge, dass nicht nur für den Zeitraum ab Wegfall des Alleinvertretungsrechts sondern auch für bis dahin aufgelaufene Unterhaltsrückstände der bislang insoweit alleinvertretungsberechtigte Elternteil Unterhaltsansprüche nicht mehr geltend machen bzw. vollstrecken kann (MünchKomm/Huber, BGB, § 1629 Rdnr. 93).
Nachdem vorliegend das Obhutverhältnis nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB unstreitig spätestens im September 2002 auf den Schuldner übergegangen ist, konnte somit G A im Februar 2003 mangels gesetzlicher Vertretungsmacht für den Gläubiger keinen wirksamen Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses mehr stellen.
Entgegen der Auffassung der Gläubigerseite kommt es auch nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung des bisherigen Obhutinhabers, der während des Obhutverhältnisses für den Kindesunterhalt aufgekommen ist. Die Gläubigerseite übersieht hierbei, dass es sich bei dem Unterhaltsanspruch um einen Anspruch des Kindes und nicht um einen Anspruch des Elternteils handelt und der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind früher befunden hat, seine Aufwendungen für den Kindesunterhalt in dem zurückliegenden Zeitraum ggf. im Wege des sogenannten "familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs" geltend machen kann. Eine Vereitelung der Ansprüche des Kindes ist ebenfalls nicht zu befürchten, da nach Bestellung eines Ergänzungspflegers die Vollstreckung wegen der titulierten Unterhaltsansprüche weiter betrieben werden kann.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens waren G A aufzuerlegen, da diese durch Beantragung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses für den Gläubiger, ohne hierzu bevollmächtigt zu sein, das Erinnerungsverfahren veranlasst hat.

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Referenzen - Gesetze

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1629 Vertretung des Kindes


(1) Die elterliche Sorge umfasst die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind alle

Zivilprozessordnung - ZPO | § 51 Prozessfähigkeit; gesetzliche Vertretung; Prozessführung


(1) Die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen, die Vertretung nicht prozessfähiger Parteien durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) und die Notwendigkeit einer besonderen Ermächtigung zur Prozessführung bestimmt sich nach den Vorschrift

Referenzen

(1) Die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen, die Vertretung nicht prozessfähiger Parteien durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) und die Notwendigkeit einer besonderen Ermächtigung zur Prozessführung bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten.

(2) Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters steht dem Verschulden der Partei gleich.

(3) Hat eine nicht prozessfähige Partei, die eine volljährige natürliche Person ist, wirksam eine andere natürliche Person schriftlich mit ihrer gerichtlichen Vertretung bevollmächtigt, so steht diese Person einem gesetzlichen Vertreter gleich, wenn die Bevollmächtigung geeignet ist, gemäß § 1814 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Erforderlichkeit einer Betreuung entfallen zu lassen.

(1) Die elterliche Sorge umfasst die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind allein, soweit er die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 übertragen ist. Bei Gefahr im Verzug ist jeder Elternteil dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind; der andere Elternteil ist unverzüglich zu unterrichten.

(2) Der Vater und die Mutter können das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1824 ein Betreuer von der Vertretung des Betreuten ausgeschlossen ist. Steht die elterliche Sorge für ein Kind den Eltern gemeinsam zu, so kann der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen. Das Familiengericht kann dem Vater und der Mutter nach § 1789 Absatz 2 Satz 3 und 4 die Vertretung entziehen; dies gilt nicht für die Feststellung der Vaterschaft.

(2a) Der Vater und die Mutter können das Kind in einem gerichtlichen Verfahren nach § 1598a Abs. 2 nicht vertreten.

(3) Sind die Eltern des Kindes miteinander verheiratet oder besteht zwischen ihnen eine Lebenspartnerschaft, so kann ein Elternteil Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend machen, solange

1.
die Eltern getrennt leben oder
2.
eine Ehesache oder eine Lebenspartnerschaftssache im Sinne von § 269 Absatz 1 Nummer 1 oder 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zwischen ihnen anhängig ist.
Eine von einem Elternteil erwirkte gerichtliche Entscheidung und ein zwischen den Eltern geschlossener gerichtlicher Vergleich wirken auch für und gegen das Kind.