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| Rechtsanwalt … wird für die Hauptverhandlung vom … als Nebenklägervertreter gemäß § 176 GVG zurückgewiesen und solange nicht zugelassen, als er entgegen § 21 (1) des baden-württembergischen Gesetzes zur Ausführung des GVG und von Verfahrensgesetzen der ordentlichen Gerichtsbarkeit die übliche Amtstracht nicht trägt. |
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| Rechtsanwalt …trägt keinen Langbinder. |
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| Nach § 2 (1) der Verordnung des Justizministeriums über die Amtstracht bei den ordentlichen Gerichten entspricht die Amtstracht der Rechtsanwälte jedoch (im wesentlichen) der der Richter und Staatsanwälte, die aus einer schwarzen Robe mit Besatz besteht, zu der ein weißes Hemd mit weißem Langbinder zu tragen ist ( § 1 der VO). |
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| Rechtsanwälte sollen dies tun, können aber statt der weißen eine andere unauffällige Farbe wählen. Dies bedeutet, dass unter der Robe jedenfalls Hemd und Krawatte zu tragen ist. |
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| Dies ergibt sich auch aus bundeseinheitlichem Gewohnheitsrecht (für Bayern: OLG München, 2. Strafsenat, 14.07.2006, 2 Ws 679/06, 2 Ws 684/06). Das bundeseinheitliche Gewohnheitsrecht findet in den bestehenden untergesetzlichen landesrechtlichen Regelungen seine inhaltliche Konkretisierung. Sie entfaltet aufgrund ihrer Rechtsnatur als Verwaltungsvorschrift zwar keine unmittelbare Bindungswirkung gegenüber den Rechtsanwälten, zeitigt aber über das Gewohnheitsrecht mittelbare Rechtswirkungen. Sie besagt, dass die Amtstracht der Rechtsanwälte (wie auch der übrigen Rechtspflegeorgane) aus einer Robe in schwarzer Farbe besteht, zu der eine weiße Halsbinde zu tragen ist. Dass dazu ein (weißes) Hemd gehört, ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut, aber zweifelsfrei aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung. |
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| Die gewohnheitsrechtliche Regelung ist auch nicht infolge eingetretener gesellschaftlicher Veränderungen gegenstandslos geworden. Da das Gewohnheitsrecht nicht anwaltliches Standesrecht regelt, sondern Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrecht, kommt es auf die Erwartungen und Vorstellungen aller Verfahrensbeteiligten an, insbesondere auch der Gerichte, und nicht nur der Rechtsanwälte (vgl. OLG Braunschweig NJW 1995, 2113, 2114 f.). Auf die möglicherweise geänderten Wertvorstellungen anderer gesellschaftlicher Gruppen, wie beispielsweise des sogenannten "Business", kommt es insoweit nicht an. |
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| Die genannte Bestimmung ist auch nicht durch § 20 BO-RA überholt. Die Verpflichtung zum Tragen von Amtstracht hat für die Rechtsanwälte eine Doppelfunktion: Sie hat einerseits den Charakter einer Berufspflicht, dient andererseits aber auch der verfahrensrechtlichen Pflicht zur Aufrechterhaltung einer bestimmten äußeren Verhandlungsordnung (OLG Karlsruhe NJW 1977, 309, 311). Die erste Alternative wird durch § 20 BO-RA geregelt, die zweite durch das Gewohnheitsrecht in seiner Ausgestaltung durch die landesrechtliche Verwaltungsvorschrift (vgl. auch OLG Braunschweig NJW 1995, 2113, 2115). Soweit bestehen beide Regelungen unabhängig nebeneinander. |
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| Nach dieser Maßgabe kann es keinem Zweifel unterliegen, dass das Tragen von Hemd und Krawatte vor Gericht weiterhin einem breiten Konsens begegnet. Eine differenzierte Entwicklung hat sich lediglich insoweit ergeben, als bei Rechtsanwälten (im Gegensatz zu Richtern und Staatsanwälten) inzwischen auch farbige Hemden und Krawatten in dezenter Ausführung als angemessen angesehen werden. |
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| Die Pflicht zum Tragen der Amtstracht besteht auch, um dem Bürger auch vor Gericht durch das Auftreten in einer bestimmten äußeren Form deutlich zu machen, dass seinem Anliegen im Verfahren ernsthaft und mit Respekt begegnet werde. Die Verpflichtung, vor Gericht eine Robe zu tragen ist vom Bundesverfassungsgericht bereits als verfassungsgemäß anerkannt worden. Die Vorschriften über die Kleidungsstücke, die zu der Robe getragen werden müssen, sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie sollen verhindern, dass durch das Tragen unangemessener Kleidungsstücke zur Robe letztere und damit mittelbar das Verfahren abgewertet würde. |
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| Gegen diese Verpflichtung hat Rechtsanwalt … verstoßen. |
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| Ein solcher Auftritt vor einem Strafgericht ist unter keinem Gesichtspunkt hinnehmbar. Der Verstoß ist auch schwerwiegend und rechtfertigt bei andauernder Verweigerung nach § 176 GVG die Verhängung der ausgesprochenen sitzungspolizeilichen Maßnahme. Es handelt sich nicht um einen, durch sachliche Erwägungen begründeten Verstoß, sondern um eine generelle und in provokativer Form verweigerte Erfüllung verfahrensrechtlicher Verhaltensnormen. |
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| Zu der vorgetragenen Begründung, er besitze keine Krawatte versagt sich das Gericht eine Erörterung. |
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| Die nachteiligen Folgen der Ausschließungen für den Mandanten hätte der Rechtsanwalt durch normgerechtes Verhalten unschwer verhindern können. |
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| Insoweit ist die Zurückweisung ist auch nicht unverhältnismäßig. Der Rechtsanwalt kann diese Maßnahme ohne unzumutbare Belastung durch Tragen eines angemessenen Langbinders abwenden. |
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| Es wird auf BVerfG ( 1 BvR 226/69), NJW 1970,851; BVerfG (1 BVR 280/71),BayVB1 1973,108; OLG Karlsruhe (2 Ws143/76), NJW 1977, 309 ff. ; VG Berlin (VG 12 A 399.04) Urteil v. 26.7.06; KG Berlin (3 Ws 297/76), JR 1977,172 f. und die weitere gefestigte Rechtsprechung verwiesen. |
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