Amtsgericht Heilbronn Beschluss, 09. Juni 2006 - 53 Ls 33 Js 35761/04

bei uns veröffentlicht am09.06.2006

Tenor

1) Auf die Erinnerung des Verteidigers des Angeklagten Karaman vom 06.12.2005 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgericht Heilbronn vom 02.12.2005 dahingehend abgeändert, dass der Erstattungsbetrag insgesamt

1035,88 Euro

beträgt.

2) Die Erinnerung der Bezirksrevisorin wird zurückgewiesen.

3) Die weitere Beschwerde wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage gem. § 33 Abs. 3 RVG zugelassen.

Gründe

 
Der Verteidiger wendet sich mit seiner Erinnerung dagegen, dass im Kostenfestsetzungsbeschluss nur für die Grundgebühr die Gebühr mit Zuschlag für Tätigkeit des Verteidigers nach Anh. 1 Teil 4 Vorbemerkung Absatz 4 RVG gewährt wurde, nicht jedoch für die Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr für die Teilnahme an der Haftbefehlseröffnung.
Die Bezirksrevisorin wendet sich mit ihrer Erinnerung vom 13.12.2006 gegen die Festsetzung einer Gebühr mit Zuschlag bei der Grundgebühr.
Die Erinnerung des Verteidigers ist begründet, diejenige der Bezirksrevisorin nicht.
Die "Gebühr mit Zuschlag" entsteht nach den Vorbemerkungen zu Teil 4 der Anlage 1 des RVG dann, wenn sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß befindet. Der Begriff "nicht auf freiem Fuß" ist nach allgemeiner Ansicht weit auszulegen. Das Gesetz meint damit jede behördliche Anordnung, die den Betroffenen in der Wahl seines Aufenthaltsortes beschränkt (vgl. auch Karlsruher Kommentar, § 35, RN 20). Dabei ist es unerheblich, wie lange der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß ist.
Das Gesetz verhält sich zur Dauer der Freiheitsbeschränkung nicht.
Das Gesetz billigt dem Verteidiger des nicht auf freien Fuß befindlichen Beschuldigten deshalb eine erhöhte Gebühr zu, weil der Anwalt in diesen Fällen regelmäßig einen Mehraufwand hat.
Dies nicht nur dann, wenn die Haft länger andauert. Verfahren, in denen der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß ist, sind häufig eilbedürftig. Gerichtliche Termine – wie z. B. eine Haftbefehlseröffnung nehmen nur bedingt Rücksicht auf die Terminsplanung des Anwalts, so dass häufig umorganisiert werden muss. Der Beschuldigte ist aufgrund der Tatsache, dass er seiner Freiheit beraubt ist, psychisch in hohem Maße belastet. Wenn der Beschuldigte länger in Haft ist, müssen häufig auch noch lebenspraktische Dinge durch den Anwalt organisiert werden. Die Familie wendet sich sorgenvoll an den Verteidiger etc. Dabei sind die Gründe z. T. völlig unabhängig von der Dauer der Haft oder Freiheitsbeeinträchtigung.
Der Gebührenzuschlag fällt deshalb für jede Gebühr an, wenn sich der Beschuldigte in dem Moment, in dem die Gebühr entsteht, nicht auf freiem Fuß befindet.
Am 15.12.2004 erließ das Amtsgericht Heilbronn gegen den Angeklagten einen Haftbefehl wegen Vergewaltigung u. a. Aufgrund dieses Haftbefehl wurde der Angeklagte am 16.12.2006 verhaftet, verbrachte eine Nacht auf der Polizeidienststelle und wurde am 17.12.2004 dem Amtsgericht Heilbronn vorgeführt. In dieser Zeit, in der der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß war – er war nämlich aufgrund einer polizeilichen Anordnung, die auf einem vom Gericht erlassenen Haftbefehl beruhte, nicht in der Lage, seinen Aufenthaltsort frei zu bestimmen – wurde der Erinnerungsführer tätig. Der Verteidiger war auch bei der Vernehmung des Beschuldigten anlässlich der Haftbefehlseröffnung zugegen.
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Deshalb ist sowohl die Grundgebühr für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall als auch die Terminsgebühr für die Teilnahme an der Haftbefehlseröffnung wie auch die Verfahrensgebühr für die Tätigkeit des Verteidigers im Ermittlungsverfahren als Gebühr mit Zuschlag festzusetzen (Nr. 4101, 4103, 4105). Als diese Gebühren entstanden, war der Beschuldigte jeweils nicht auf freiem Fuß.
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Die Gebühren sind damit wie folgt anzusetzen:
12 
– Grundgebühr Nr. 4100 i. V. m. 4101 RVG:
162 Euro
– Terminsgebühr für die Teilnahme an der Haftbefehlseröffnung Nr. 4102
137 Euro
i. V. m. 4103:
        
– Verfahrensgebühr für das Ermittlungsverfahren Nr. 4104 i. V. m. 4105:
137 Euro
– Verfahrensgebühr für den 1. Rechtszug Nr. 4106
112 Euro
– Terminsgebühr für die Hauptverhandlung Nr. 4108:1
184 Euro
– Zuschlag für die über 5 Stunden dauernde Hauptverhandlung:
92 Euro
– Pauschale für Telekommunikationsleistungen Nr. 7001:
20 Euro
– Pauschale für Ablichtungen
49 Euro
                 
Zwischensumme
893 Euro
16% MwSt
142,88
                 
Gesamt
1035,88

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Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 33 Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren


(1) Berechnen sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert oder fehlt es an einem solchen Wert, setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf An

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(1) Berechnen sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert oder fehlt es an einem solchen Wert, setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest.

(2) Der Antrag ist erst zulässig, wenn die Vergütung fällig ist. Antragsberechtigt sind der Rechtsanwalt, der Auftraggeber, ein erstattungspflichtiger Gegner und in den Fällen des § 45 die Staatskasse.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 1 können die Antragsberechtigten Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird.

(4) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht, in Zivilsachen der in § 119 Absatz 1 Nummer 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Art jedoch das Oberlandesgericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(5) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. Absatz 4 Satz 1 bis 3 gilt entsprechend.

(6) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 3, Absatz 4 Satz 1 und 4 und Absatz 5 gelten entsprechend.

(7) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(8) Das Gericht entscheidet über den Antrag durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(9) Das Verfahren über den Antrag ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet; dies gilt auch im Verfahren über die Beschwerde.