Amtsgericht Eschweiler Urteil, 15. Mai 2015 - 21 C 194/14
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Forderung der W KG, N-Straße 00, 00000 Q zur Rechnungsnummer 00/13 in Höhe von 530,81 € durch Zahlung an die W KG freizustellen.
Weiterhin wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 142,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.03.2015 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist befugt, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger macht Ansprüche auf Kostenerstattung aus einer Rechtsschutzversicherung geltend.
3Der Kläger ist bei der Beklagten rechtsschutzversichert. Er ist mitversicherte Person bei einer Firmenversicherung. Es ist pro Versicherungsfall eine Selbstbeteiligung in Höhe von 600,00 € vereinbart. Dem Vertrag liegen die Bedingungen ARB 2011 zu Grunde. In den Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen heißt es unter § 5 Abs. 1 f) aa) ARB:
4„Der Versicherer erbringt und vermittelt Dienstleistungen zur Wahrnehmung rechtlicher Interessen und trägt die übliche Vergütung eines öffentlich bestellten technischen Sachverständigen oder einer rechtsfähigen technischen Sachverständigenorganisation in Fällen der Verteidigung in verkehrsrechtlichen Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren.“
5Gemäß des Bußgeldbescheides, Az. 00/12 wird dem Kläger vorgeworfen, am XX.XX.2013 um 15:30 Uhr als Führer des LKW mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX-000 es unterlassen zu haben, die Ladung verkehrssicher zu verstauen, oder gegen Herabfallen besonders zu sichern.
6Dem Kläger wurde für die Verteidigung in dem Bußgeldverfahren durch die Beklagte Deckungsschutz gewährt. Die Beklagte berief sich bei Geltendmachung des Vorschusses für die Verteidigerkosten in Höhe von 300,00 € in der Korrespondenz im April 2013 auf die Selbstbeteiligung. Dem Kläger sind Verteidigerkosten für das Bußgeldverfahren in Höhe von 742,56 € entstanden.
7In dem Schreiben vom 09.08.2013 wurde Kostenschutz auch für die Einholung eines Gutachtens für die Vergütung eines öffentlich bestellten technischen Sachverständigen oder einer rechtsfähigen technischen Sachverständigenorganisation gewährt.
8Zur Anfertigung des Sachverständigengutachtens wurde Herr Dipl.-Verww. H als öffentlich bestellter und vereidigter technischer Sachverständiger der W KG beauftragt. Der Sachverständige ist öffentlich bestellter Sachverständiger der IHK Saarland für Geschwindigkeits- und Abstandsmessungen im Straßenverkehr. Dem Kläger wurde die Begutachtung mit einem Betrag in Höhe von 530,81 € in Rechnung gestellt.
9Diese Gutachterkosten wurden gegenüber der Beklagten erstmals mit Schreiben vom 05.07.2013 geltend gemacht.
10Die Verteidigerkosten in Höhe von 742,56 wurden von dem Kläger mit Schreiben vom 05.02.2015 gegenüber der Beklagten geltend gemacht.
11Der Kläger ist der Ansicht, die Bestellung des Sachverständigen Herrn Dipl.- Verww. H falle unter § 5 Abs. 1 f) aa) ARB, weshalb die Beklagte die Sachverständigenkosten zu ersetzen habe. Die darin genannten Voraussetzungen seien erfüllt, weil zum einen der Sachverständige ein öffentlich bestellter Sachverständiger sei. Zum anderen sei die W KG eine rechtsfähige technische Sachverständigenorganisation. Auf das konkrete Sachgebiet der öffentlichen Bestellung könne es nicht ankommen, dies sei für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht erkennbar. Die Versicherungsbedingungen müssten im Sinne des Versicherten ausgelegt werden.
12Mit Schreiben vom 13.03.2015, zugestellt am 23.03.2015, hat der Kläger seine Klage um den Antrag zu Ziffer 2), die Verteidigerkosten abzüglich der Selbstbeteiligung, erweitert.
13Der Kläger beantragt nunmehr,
141. die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Forderung der W KG, N-Straße 00, 00000 Q, zur Rechnungsnummer 00/13 in Höhe von 530,81 Euro durch Zahlung an die W KG freizustellen;
152. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 142,56 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Die Beklagte ist der Ansicht, bei der öffentlichen Bestellung eines Sachverständigen käme es auf das konkrete Sachgebiet der öffentlichen Bestellung an. Die Sachverständigenkosten seien im vorliegenden Fall nicht zu ersetzen, da sich die öffentliche Bestellung des herangezogenen Sachverständigen lediglich auf Geschwindigkeits- und Abstandsmessungen im Straßenverkehr beziehe. Da es sich vorliegend jedoch um einen Tatvorwurf bezüglich der mangelnden Ladungssicherung handele, wäre eine öffentliche Bestellung für das Sachgebiet der Transportsicherheit erforderlich gewesen. Bezugnehmend auf den Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 f) aa) ARB 2011 sollen nur die Kosten eines besonders qualifizierten Sachverständigen übernommen werden.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
20E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
21I.
22Die zulässige Klage ist begründet.
231) Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von den Sachverständigenkosten für die außergerichtliche Begutachtung in Höhe von 530,81 € aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag.
24Nach § 5 Abs. 1 f) aa) ARB 2011 steht dem Versicherten ein Anspruch auf Erstattung der üblichen Vergütung eines öffentlich bestellten technischen Sachverständigen zu. Die von dem Sachverständigen H abgerechneten Kosten sind nach den Versicherungsbedingungen erstattungsfähig. Bei den geltend gemachten Kosten handelt es sich um die übliche Vergütung eines öffentlich bestellten technischen Sachverständigen. Dabei ist unerheblich, ob der Sachverständige tatsächlich auf dem Sachgebiet, auf das sich die Begutachtung bezieht, öffentlich bestellt ist. Nach ständiger Rechtsprechung sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die allgemeinen Bedingungen bei verständiger Würdigung verstehen durfte. Auch der erkennbare Sinnzusammenhang findet hier Bedeutung. Bei der Auslegung kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an. Vorliegend bestehen schon Zweifel daran, ob nach den Versicherungsbedingungen überhaupt eine öffentliche Bestellung des Sachverständigen Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit ist oder ob die Kostenübernahme der Höhe nach auf die übliche Vergütung eines öffentlich bestellten Sachverständigen beschränkt ist. Dies kann jedoch dahinstehen, da die Versicherungsbedingung zumindest zu Lasten des Verwenders dahingehend auszulegen ist, dass die Kosten eines öffentlich bestellten Sachverständigen erstattet werden, ohne dass es darauf ankommt, dass dieser für den Tätigkeitsbereich, in dem die Begutachtung erfolgte, öffentlich bestellt ist. Dies ergibt sich maßgeblich aus dem Umstand, dass für den Versicherungsnehmer nicht erkennbar ist, dass sich die Bestellung auf ein konkretes Sachgebiet beziehen muss. Eine solche Einschränkung würde den Versicherungsnehmer unzumutbar benachteiligen, da für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer schon nicht zwingend bekannt ist, dass die öffentliche Bestellung auf ein bestimmtes Sachgebiet erfolgt. Sollte mit dieser Klausel, die besondere Sachkunde des Sachverständigen, gefordert werden, wäre dieses ausdrücklich und für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar in die Klausel aufzunehmen.
252) Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Zahlung weiterer 142,56 € aus dem Versicherungsvertrag. Nach § 5 Abs. 1 a) ARB 2011 hat die Beklagte dem Versicherten bei Eintritt des Rechtsschutzfalles im Inland die Vergütung eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwaltes bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung eines am Ort des zuständigen Gerichtes ansässigen Rechtsanwaltes zu erstatten. Die Vergütung des Rechtsanwaltes zur Verteidigung in dem Ordnungswidrigkeitenverfahren belief sich auf 742,56 €. Nach Abzug der Selbstbeteiligung steht dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung von 142,56 € zu.
26II.
27Die prozessuale Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
28III.
29Streitwert: 673,37 Euro
30Rechtsbehelfsbelehrung:
31A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
32a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
33b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
34Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Aachen, Adalbertsteinweg 90, 52070 Aachen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
35Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Aachen zu begründen.
36Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Aachen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
37Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
38B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Eschweiler statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Eschweiler, Kaiserstr. 6, 52249 Eschweiler, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.