Amtsgericht Detmold Beschluss, 23. Aug. 2016 - 33 F 287/15

Gericht
Tenor
1.
Die am 30.05.1997 vor dem Standesamt Bielefeld unter der Heiratsregisternummer 580/1997 geschlossene Ehe der Beteiligten wird geschieden.
2.
Der Versorgungsausgleich findet nicht statt.
3.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
1
Ehescheidung
2Einer Begründung bedarf es nicht, da die Ehescheidung dem erklärten Willen beider Ehegatten entspricht, § 38 Abs. 4 Nr. 2 FamFG.
3Versorgungsausgleich
4I.
5Vorliegend wäre bei Durchführung des Versorgungsausgleichs der Antragsgegner per Saldo erheblich begünstigt. Im Ergebnis würden zu Lasten der Antragstellerin im öffentlich rechtlichen Versorgungsausgleich Altersversorgungsanwartschaften mit einem Kapitalwert von etwa 85.000 € übertragen. Die Antragstellerin trägt daher darauf an, den Versorgungsausgleich wegen Vorliegens einer besonderen Härte gemäß § 27 Versorgungsausgleichsgesetz nicht durchzuführen und begründet dies damit, dass der Antragsgegner durch Urteil des Landgerichts Detmold vom 07.01.2016 wegen sexuellen Missbrauchs seiner eigenen Kinder in 963 Fällen zu einer Gesamtstrafe von sechs Jahren verurteilt worden ist. Die Taten haben sich sämtlich in der Ehezeit ereignet und die Aufdeckung dieser Taten war letztlich Anlass für die Antragstellerin, sich vom Antragsgegner zu trennen. Dabei hat der Antragsgegner beide Kinder der Eheleute, die Tochter X, und auch Y sexuell missbraucht. Die Taten des Antragsgegners waren in der absoluten Mehrzahl der Fälle damit verbunden, dass der Antragsgegner seine Töchter dazu veranlasst hatte, an seinem Glied zu manipulieren bzw. an seinem Glied den Oralverkehr zu vollziehen, jeweils bis zum Samenerguss. In weiteren Fällen hat der Antragsgegner seinen Finger auch in die Scheide seiner Töchter eingeführt, jeweils um sich sexuell zu erregen. Die Taten begannen im Januar 2007 und endeten im Juli 2015. Wegen der Einzelheiten der Feststellungen wird auf die Entscheidung des Landgerichts Detmold vom 07.01.2016 Bezug genommen.
6II.
7Ein Versorgungsausgleich findet gemäß § 27 VersAusglG nicht statt, weil die Durchführung des Versorgungsausgleichs vorliegend grob unbillig wäre.
8Ein Ausschluss oder eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG setzt voraus, dass die Inanspruchnahme des Ausgleichspflichtigen grob unbillig ist. Grobe Unbilligkeit kommt in Betracht, wenn auf Grund besonderer Verhältnisse die starre Durchführung des Ausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde (vgl. BGH NJW 2005, 2455 = FamRZ 2005, 1238, 1239; NJW 1984, 302, 303 = FamRZ 1983, 1217, 1218 mwN; aufgenommen von BT-Drucks. 16/10144 S. 67 („in nicht erträglicher Weise“).
9Bei dieser Entscheidung sind strengere Maßstäbe als bei der Prüfung eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzulegen, da eine Teilhabe an Vermögenswerten in Frage steht, die die Ehegatten in der zurückliegenden Ehezeit gemeinsam erwirtschaftet haben (vgl. BGH NJW-RR 1987, 324 = FamRZ 1987, 362, 364; NJW 1981, 1733, 1734 = FamRZ 1981, 756, 757; KG FamRZ 1982, 1025, 1026).
10Dabei verbietet sich eine schematische Betrachtungsweise; vielmehr muss sich die grobe Unbilligkeit wegen des Ausnahmecharakters von § 27 VersAusglG im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben. Es besteht dabei Einigkeit, dass bei der Beurteilung einer groben Unbilligkeit im Rahmen des § 27 VersAusglG auf die bisherige Rechtsprechung zu den nach früherem Recht - § 1587 c BGB – ausdrücklich geregelten Härtefällen und zu den darüber hinaus entwickelten Fallgruppen zurückgegriffen werden kann (vgl. Dörr in Müko BGB, 6. Aufl. Rn 9 zu § 27 VersAusglG Bergmann in BOK BGB, Stand 01.05.2015 Rn 1 zu § 27 VersAusglG, BT Drucksache 16/ 10144, S. 68).
11Vorliegend kommen als Ausschlussgrund keine wirtschaftlichen Gesichtspunkte in Betracht sondern nur eheliches Fehlverhalten ohne wirtschaftliche Relevanz. Berücksichtigungsfähig sind solche Verfehlungen nur, wenn sie wegen der Auswirkungen auf den loyalen Ehegatten ganz besonders erheblich sind (vgl. BGH FamRZ 1987, 362, 363). In der Regel muss es sich dabei um ein länger andauerndes Fehlverhalten handeln, etwa ständige Beleidigungen oder Herabsetzungen (vgl. Palandt/ Brudermüller BGB, 74. Aufl. Rn 24 zu § 27 VersAusglG).
12Auch wenn sich die schweren Straftaten, derer der Antragsgegner rechtskräftig schuldig gesprochen worden ist, nicht gegen die Antragstellerin in Person gerichtet haben, so waren sie unter Ausnutzung des Vertrauens der Antragstellerin in den Antragsgegner während der Ehezeit gegen die eigenen Kinder gerichtet.
13Die Schwere der Taten, die schweren Folgen für die beiden Töchter der Eheleute und damit zumindest mittelbar die schweren Folgen für die Antragstellerin rechtfertigen zur Überzeugung des Gerichts die Annahme eines besonderen Ausnahmefalls im Sinne des § 27 VersAusglG. Angesichts des vorliegend außerordentlich schweren Fehlverhaltens des Antragsgegners liegt auch kein Grenzfall vor, bei dem eine andere Wertung vertretbar gewesen wäre.
14Der Antragsgegner hat während der Ehezeit über mehr als acht Jahre die gemeinsamen Töchter massiv sexuell missbraucht. Er hat das Vertrauen seiner Töchter in ihn als Vater und das Vertrauen der Antragstellerin in ihn als Ehemann und auch in seiner Vaterrolle gezielt missbraucht, um sich an seinen Töchtern zu vergehen.
15Mit der in den Taten zum Ausdruck gekommenen zutiefst feindlichen Gesinnung hat er gegenüber der Antragstellerin die unausgesprochene Grundlage einer Ehe einseitig aufgekündigt, die Ehe aber gleichwohl fortgesetzt, um die Entdeckung seiner Taten zu vermeiden und deren weitere Begehung zu ermöglichen.
16Es wäre im Sinne der oben genannten obergerichtlichen Rechtsprechung völlig unerträglich, dass der Antragsgegner die Ehe und das darin begründete Vertrauen der Antragstellerin in ihn zur Begehung von schweren Straftaten gegen die Töchter (auch) der Antragstellerin nutzt, er aber gleichsam wirtschaftlich in erheblicher Weise von der Ehezeit durch die Durchführung des Versorgungsausgleich profitiert.
17Denn es war der Antragsgegner selbst, der jede Grundlage der Ehe als Versorgungsgemeinschaft aufgegeben hat, allein um seiner selbst willen aber nach außen und gegenüber der Antragstellerin die Ehe aufrechterhalten hat.
18Angesichts des langen Tatzeitraums, der auch angesichts der gesamten Ehedauer keinen unerheblichen Zeitraum einnimmt, liegt es auf der Hand, dass auch die Antragstellerin selbst die Ehezeit angesichts der Straftaten des Antragsgegners rückblickend nicht als die ursprünglich gedachte Versorgungsgemeinschaft, wahrnehmen kann. Sie ist jedoch - wie ihre Töchter - durch das Verhalten des Antragsgegners psychisch belastet, so dass ihr nicht zuzumuten ist, die von ihr - zumindest teilweise - in dem Zeitraum, in welchem der Antragsgegner ihre Töchter missbrauchte, erwirtschafteten Altersversorgungsanwartschaften auch noch mit dem Antragsgegner zu teilen.
19Kostenentscheidung
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 150 FamFG.
21Rechtsbehelfsbelehrung:
22Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Die Beschwerde kann sowohl gegen den Beschluss insgesamt, als auch gegen den Scheidungsausspruch oder jede Entscheidung in einzelnen Folgesachen eingelegt werden. Wird jedoch eine Folgesache vermögensrechtlicher Art isoliert angefochten, ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt; dieser Wert gilt nicht für die Entscheidung zum Versorgungsausgleich.
23Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Detmold, Heinrich-Drake-Str. 3, 32756 Detmold schriftlich in deutscher Sprache durch einen Rechtsanwalt einzulegen.
24Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Detmold eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
25Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen.
26Darüber hinaus muss der Beschwerdeführer einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen begründen. Die Frist hierfür beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Innerhalb dieser Frist müssen der Sachantrag sowie die Begründung unmittelbar bei dem Beschwerdegericht - Oberlandesgericht Hamm, Heßlerstr. 53, 59065 Hamm - eingegangen sein.

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(1) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, soweit durch die Entscheidung der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird (Endentscheidung). Für Registersachen kann durch Gesetz Abweichendes bestimmt werden.
(2) Der Beschluss enthält
- 1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten; - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Gerichtspersonen, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben; - 3.
die Beschlussformel.
(3) Der Beschluss ist zu begründen. Er ist zu unterschreiben. Das Datum der Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle oder der Bekanntgabe durch Verlesen der Beschlussformel (Erlass) ist auf dem Beschluss zu vermerken.
(4) Einer Begründung bedarf es nicht, soweit
- 1.
die Entscheidung auf Grund eines Anerkenntnisses oder Verzichts oder als Versäumnisentscheidung ergeht und entsprechend bezeichnet ist, - 2.
gleichgerichteten Anträgen der Beteiligten stattgegeben wird oder der Beschluss nicht dem erklärten Willen eines Beteiligten widerspricht oder - 3.
der Beschluss in Gegenwart aller Beteiligten mündlich bekannt gegeben wurde und alle Beteiligten auf Rechtsmittel verzichtet haben.
(5) Absatz 4 ist nicht anzuwenden:
- 1.
in Ehesachen, mit Ausnahme der eine Scheidung aussprechenden Entscheidung; - 2.
in Abstammungssachen; - 3.
in Betreuungssachen; - 4.
wenn zu erwarten ist, dass der Beschluss im Ausland geltend gemacht werden wird.
(6) Soll ein ohne Begründung hergestellter Beschluss im Ausland geltend gemacht werden, gelten die Vorschriften über die Vervollständigung von Versäumnis- und Anerkenntnisentscheidungen entsprechend.
Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.
(1) Wird die Scheidung der Ehe ausgesprochen, sind die Kosten der Scheidungssache und der Folgesachen gegeneinander aufzuheben.
(2) Wird der Scheidungsantrag abgewiesen oder zurückgenommen, trägt der Antragsteller die Kosten der Scheidungssache und der Folgesachen. Werden Scheidungsanträge beider Ehegatten zurückgenommen oder abgewiesen oder ist das Verfahren in der Hauptsache erledigt, sind die Kosten der Scheidungssache und der Folgesachen gegeneinander aufzuheben.
(3) Sind in einer Folgesache, die nicht nach § 140 Abs. 1 abzutrennen ist, außer den Ehegatten weitere Beteiligte vorhanden, tragen diese ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
(4) Erscheint in den Fällen der Absätze 1 bis 3 die Kostenverteilung insbesondere im Hinblick auf eine Versöhnung der Ehegatten oder auf das Ergebnis einer als Folgesache geführten Unterhaltssache oder Güterrechtssache als unbillig, kann das Gericht die Kosten nach billigem Ermessen anderweitig verteilen. Es kann dabei auch berücksichtigen, ob ein Beteiligter einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem Informationsgespräch nach § 135 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat. Haben die Beteiligten eine Vereinbarung über die Kosten getroffen, soll das Gericht sie ganz oder teilweise der Entscheidung zugrunde legen.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 4 gelten auch hinsichtlich der Folgesachen, über die infolge einer Abtrennung gesondert zu entscheiden ist. Werden Folgesachen als selbständige Familiensachen fortgeführt, sind die hierfür jeweils geltenden Kostenvorschriften anzuwenden.