Amtsgericht Bottrop Urteil, 19. März 2015 - 8 C 320/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in selber Höhe leisten.
Der Streitwert wird auf 3.474,15 EUR festgesetzt.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz aus einer behaupteten ärztlichen Falschberatung.
3Die Klägerin war bei der Beklagten zu 2) in ärztlicher Behandlung. Seit dem 15.4.2013 war die Klägerin fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt, sie bezog seit dem 27.5.2013 von der Krankenkasse Krankengeld. Die Beklagte zu 2) schrieb die Klägerin am 2.10.2013 weiterhin arbeitsunfähig und zwar bis zum 3.11.2013. Dieser Tag war ein Sonntag. In der Zeit vom 21.10.2013 bis zum 02.11.2013 waren die Beklagten urlaubsabwesend und die ärztliche Praxis war geschlossen, die Vertretung übernahm Herr Dr. H, dessen Praxis in 200 Metern Entfernung zu der Praxis der Beklagten liegt. Am 4.11.2013 erschien die Klägerin erneut in der Praxis der Beklagten und wurde dort von der Beklagten zu 2) weiterhin arbeitsunfähig krankgeschrieben bis zum 29.11.2013. Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit wurde auch auf dem Auszahlungsschein für die Krankenkasse notiert.
4Mit Bescheid vom 19.11.2013 stellte die Krankenkasse der Klägerin die Zahlung von Krankengeld ein und entzog der Klägerin gleichzeitig den Krankenversicherungsschutz. Die Versicherung begründete dies damit, dass der Auszahlungsschein vom 15.4.2013 nicht am 3.11.2013 die fortlaufende Arbeitsunfähigkeit dokumentiere.
5Die Klägerin ging gegen den abschlägigen Widerspruchsbescheid der Krankenversicherung vor dem Sozialgericht H1 vor. Die Klage wurde durch Urteil des Sozialgerichts H1 vom 17.07.2014 abgewiesen.
6Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte zu 2) im Rahmen der Behandlung am 2.10.2013 auf Nachfrage der Klägerin mitgeteilt habe, dass die Klägerin am 4.11.2013 in der Praxis erscheinen könne, um dann festzustellen, ob weitere Arbeitsunfähigkeit bestehe. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass ein Beratungsfehler der Beklagten vorliege. Die Beklagte zu 2) habe auf dem Auszahlungsschein für die Krankenkasse den 3.11.2013 als letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit notiert. Da es sich an diesem Tag um einen Sonntag handelte, sei es nicht möglich gewesen, an diesem Tag die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit auf dem Auszahlungsschein der Krankenkasse fortzuschreiben. Es sei wegen der Urlaubsabwesenheit der Beklagten zudem nicht möglich gewesen, an einem früheren Tag die Fortschreibung zu bewirken.
7Die Klägerin beantragt,
8die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 3474,05 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.4.2014 zu zahlen.
9Die Beklagten beantragen,
10die Klage abzuweisen.
11Sie vertreten die Auffassung, dass es eine Obliegenheit der Klägerin sei, bei der Krankenkasse Rücksprache zu halten und sich zu vergewissern, dass es ausreicht, am 4.11.2013 die Arbeitsunfähigkeit fortzuschreiben. Die Klägerin habe nach eigenem Vortrag bereits am 2.10.2013 erkannt, dass es sich beim 3.11.2013 Nummer ein Sonntag heiß. Nach Auffassung der Beklagten sei es daher erst recht ihre Obliegenheit gewesen, sich rück zu vergewissern, dass die Fortschreibung der Krankheit am 4. November genügt. Zudem sei die Beurteilung der weiteren Arbeitsunfähigkeit auch durch den ärztlichen Vertreter während der Urlaubsabwesenheit vorzunehmen gewesen. Schließlich gehe die Beratungspflicht eines Arztes nach Auffassung nicht derart weit, dass über sozialversicherungsrechtlich relevante Tatsachen aufgeklärt werden müsse.
12Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie Urkunden Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, den ein ärztlicher Beratung oder Behandlungsfehler ist nicht feststellbar.
15Unter Arzthaftung versteht man die zivilrechtliche Verantwortlichkeit eines Arztes gegenüber seinem Patienten bei Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflichten. Die ärztlichen Pflichten im Rahmen eines Behandlungsfehlers lassen sich grob in drei Kategorien einteilen, Behandlungsfehler, in Aufklärungsfehler und in Dokumentationsfehler. Im Übrigen können noch sonstige Pflichtverstöße vorliegen. Aufklärungsfehler können dann vorliegen, wenn der Arzt bezogen auf die Heilbehandlung nicht hinreichend informiert und aufgeklärt. Die Aufklärung bezieht sich immer auf die konkrete Heilbehandlung.
16Bezüglich sonstiger Pflichtverstöße kommt eine Vielzahl von Verstößen in Betracht, insbesondere die Einhaltung von Sprechzeiten oder auch die Überweisung an einen Facharzt oder Ähnliches.
17Hier ist unter keinem Gesichtspunkt eine Verantwortlichkeit der Beklagten gegeben. Wie oben ausgeführt bezieht sich ein Aufklärungsfehler stets auf die vorzunehmende Heilbehandlung. Insofern ist umfassend aufzuklären und auch zu beraten, auch bezogen auf Medikation und auch bezogen auf die Dauer einer Krankschreibung. Diese Aufklärungspflicht geht jedoch nicht so weit, dass über rechtliche Aspekte im Verhältnis Patient Sozialversicherungsträger bzw. Krankenkasse aufgeklärt werden muss. Insofern ist der Patient selbst verantwortlich für Beratung und Information bei dem jeweiligen Sozialversicherungsträger bzw. bei der Krankenkasse. Bei den Voraussetzungen für die Zahlung von Krankengeld handelt es sich um rechtliche Aspekte, insofern ist ein Arzt nicht zur Aufklärung verpflichtet. Eine Aufklärungspflicht ist immer nur dann gegeben, wenn ein konkreter Bezug zu einer Heilbehandlung vorliegt. Dieser ist bei den rechtlichen Voraussetzungen für die Zahlung von Krankengeld nicht gegeben.
18Auch zu den sonstigen Pflichtverstößen zählt das Verhalten der Beklagten zu 2) nicht, denn auch die sonstigen Pflichtverstöße müssen stets ein Bezug zu der ärztlichen Tätigkeit bzw. zu der Heilbehandlung haben. Rechtliche Beratung, auch wenn sie sozialversicherungsrechtlicher Art ist, gehören nicht zum Aufgabenkreis des Arztes.
19Schließlich wäre der Klägerin auch ein weit überwiegendes Mitverschulden anzurechnen, denn sie hat es unterlassen, rechtzeitig für die Fortschreibung ihrer Arbeitsunfähigkeit Sorge zu tragen. Es wäre ihr sehr wohl möglich gewesen, sowohl während der Urlaubsabwesenheit der Beklagten, als auch vor der Urlaubsabwesenheit für eine entsprechende Fortschreibung der Arbeitsunfähigkeit Sorge zu tragen. Die ärztliche Vertretung während der Urlaubsabwesenheit, welche in unmittelbarer Entfernung zu der Praxis der Beklagten lag, wäre ohne weiteres in der Lage gewesen, die Feststellung einer weiteren Arbeitsunfähigkeit vorzunehmen. Bei dem ärztlichen Vertreter handelt es sich um einen Mediziner, der über die fachlichen Qualifikationen verfügt, um eine entsprechende Feststellung zu treffen. Anderes ist jedenfalls nicht bekannt. Selbst wenn die Klägerin kein Vertrauen zu dem Vertreter der Beklagten hat, hätte sie dafür Sorge tragen müssen, vor der Urlaubsabwesenheit eine entsprechende Feststellung durch die Beklagte zu 2) treffen zu lassen. Dies gilt erst recht, wenn der Klägerin nach ihren eigenen Angaben bereits im Oktober bekannt war, dass es sich bei dem 3.11.2013 um einen Sonntag handelt.
20Da bereits der Hauptanspruch nicht besteht, hat die Klägerin auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen. Die Kostentscheidung sowie der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den Paragraphen ein 90 Abs. 1,708 Nr. 11,711 ZPO.
21Rechtsbehelfsbelehrung:
22Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
23a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
24b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
25Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
26Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Essen zu begründen.
27Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Essen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
28Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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