Amtsgericht Bottrop Urteil, 08. Sept. 2016 - 8 C 173/16
Gericht
Tenor
Das Versäumnisurteil vom 24.06.2016 (Bl. 28 dGA) wird aufgehoben, die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin, mit Ausnahme der Kosten der Säumnis, welche die Beklagten zu tragen haben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in selber Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 1234,38 EUR festgesetzt.
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Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt die Zustimmung zu einer Mieterhöhung für die von den Beklagten bewohnte Wohnung im Hause B-Straße … in … C im 1. Obergeschoss.
3Der bisher monatlich geschuldete Mietzins beträgt 274,53 EUR, zzgl. Nebenkosten insgesamt 441,53 EUR. Die Wohnung hat eine Größe von 55,46 qm, umfasst 2 Zimmer, liegt im 1. Obergeschoss und wurde im Jahre 1929 erbaut. Mit Schreiben vom 16.12.2015 verlangte die Klägerin von den Beklagten die Zustimmung zur Mieterhöhung auf 303,92 EUR mit Wirkung ab dem 01.03.2016.
4Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass hier der C1 Mietspiegel nicht gelte, da es sich insofern um einen einfachen Mietspiegel handele. Die ortsübliche Vergleichsmiete bestimme sich vielmehr nach drei preisfreien Vergleichswohnungen, nämlich J-Straße …, B-Straße … und T-Straße …. Der Mietpreis für diese Wohnungen liege zwischen 5,54 EUR/qm und 5,68 EUR/qm. Nach Auffassung der Klägerin liege die begehrte Zustimmung zur Mieterhöhung auf 5,48 EUR/qm damit unter dem niedrigsten Mietpreis der Vergleichswohnungen und sei daher ortsüblich.
5Ursprünglich beantragte die Klägerin, die Beklagten zu verurteilen, der Erhöhung der Nettomiete für die Wohnung im Hause B-Straße … in … C im 1. Obergeschoss von bisher monatlich 274,53 EUR zuzüglich Nebenkostenvorauszahlung wie bisher auf nunmehr monatlich 303,92 EUR netto zuzüglich Nebenkostenvorauszahlung wie bisher mit Wirkung ab 01.03.2016 zuzustimmen. Die Klage wurde den Beklagten im Rahmen des schriftlichen Vorverfahrens am 07.06.2016 zugestellt. Eine Verteidigungsanzeige ging innerhalb der zweiwöchigen Notfrist nicht ein, so dass am 24.06.2016 im Wege des schriftlichen Vorverfahrens ein klagezusprechendes Versäumnisurteil erlassen worden ist. Das Versäumnisurteil ist den Beklagten am 30.06.2016 zugestellt worden, am 07.07.2016 legten die Beklagten gegen das Versäumnisurteil Einspruch ein.
6Die Klägerin beantragt nunmehr,
7das Versäumnisurteil vom 24.06.2016 aufrechtzuerhalten.
8Die Beklagten beantragen,
9das Versäumnisurteil vom 24.06.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
10Sie behaupten, dass die genannten Vergleichswohnungen nicht die ortsübliche Vergleichsmiete darstellten, die Wohnungen seien schon nicht vergleichbar. Die benannten Wohnungen seien insgesamt nach Neuvermietung renoviert und saniert worden, es seien neue Badezimmer und Böden vorhanden. Die von den Beklagten bewohnten Wohnungen seien noch auf dem Ausstattungsstand aus den 70er/80er Jahren.
11Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie Urkunden Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13Der Einspruch ist zulässig und begründet. Die ursprüngliche Klage ist unbegründet, die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung nach § 558 Abs. 1 BGB, denn es kann nicht festgestellt werden, dass der begehrte Mietzins von 5,48 EUR/qm der ortsüblichen Vergleichsmiete entspricht.
14Die ortsübliche Vergleichsmiete kann anhand verschiedener Kriterien ermittelt werden, insofern kann dies durch Darstellung von Vergleichsobjekten geschehen, den Angaben eines einfachen Mietspiegels kommt insofern Indizwirkung zu.
15Hier beruft sich die Klägerin auf Vergleichsobjekte. Die Beklagten haben in ihrem Schriftsatz vom 19.08.2016 qualifiziert vorgetragen, dass es sich insofern nicht um Vergleichsobjekte handelt. Die Klägerseite hat daraufhin nicht entsprechend qualifiziert erwidert. Es ist daher davon auszugehen, dass die Vergleichsobjekte einen höheren Ausstattungsstandard aufweisen, als das Mietobjekt, welches von den Beklagten bewohnt wird. Der Schriftsatz der Beklagtenseite vom 19.08.2016 ist der Klägerseite nach eigenen Angaben am 26.08.2016 zugegangen, also knapp zwei Wochen vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 08.09.2016. Die Klägerseite hatte demnach genügend Zeit, die entsprechenden Parameter und Ausstattungsmerkmale der Wohnungen zu ermitteln. Urlaubsabwesenheiten auf Seiten der Klägerin gehen insofern selbstverständlich zu Lasten der Klägerin, zumal entsprechend schriftliche Mitteilung mit entsprechendem Fristverlängerungsgesuch nicht gestellt worden sind. Im Übrigen hat die Klägervertreterin im Termin zur mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass Rücksprache mit einer Urlaubsvertretung gehalten werden konnte, dass diese aber nur Angaben über Renovierungen der letzten drei Jahre machen konnte. Dies zeigt aber zum einen, dass eine Stellungnahme sehr wohl in den zwei Wochen möglich war und dass die Angaben andererseits allein aus von der Klägerin zu vertretenen Gründen unvollständig waren. Der Klägerseite war daher keine weitere Stellungnahmefrist zu dem Schriftsatz der Beklagtenseite vom 19.08.2016 zu gewähren.
16Damit war von den Angaben der Beklagtenseite aus dem genannten Schriftsatz auszugehen und dann eben auch davon, dass die Vergleichswohnungen gerade nicht vergleichbar sind, sondern höher klassigere Ausstattungsmerkmale aufweisen und damit einen höheren Mietpreis rechtfertigen.
17Die Darstellung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch einen einfachen Mietspiegel ist nicht zu erörtern, denn der sich aus dem Mietspiegel der Stadt C2 ergebende Mietzins für die streitgegenständliche Wohnung liegt ohnehin unter dem von den Beklagten bereits jetzt gezahlten Mietzins, er kann daher erst Recht nicht für die Darstellung des geforderten Mietzinses herangezogen werden.
18Das Gericht weist dennoch daraufhin, dass einem einfachen Mietspiegel sehr wohl eine Indiziwirkung für die ortsübliche Vergleichsmiete zukommen. Der Mietspiegel ist damit nicht bindend, stellt aber ein Indiz dar und diese Indizwirkung ist frei zu würdigen, sie hängt auch von der Qualität des Mietspiegels ab.. Die Indizwirkung kann nur dadurch entkräftet werden, dass die Erstellung des Mietspiegels qualifiziert bestritten wird.
19Die Kostenentscheidung sowie der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 344, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
20Rechtsbehelfsbelehrung:
21Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
221. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
232. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
24Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
25Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Essen zu begründen.
26Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Essen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
27Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Annotations
(1) Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. Das Mieterhöhungsverlangen kann frühestens ein Jahr nach der letzten Mieterhöhung geltend gemacht werden. Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 werden nicht berücksichtigt.
(2) Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit in den letzten sechs Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen nach § 560 abgesehen, geändert worden sind. Ausgenommen ist Wohnraum, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist.
(3) Bei Erhöhungen nach Absatz 1 darf sich die Miete innerhalb von drei Jahren, von Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 abgesehen, nicht um mehr als 20 vom Hundert erhöhen (Kappungsgrenze). Der Prozentsatz nach Satz 1 beträgt 15 vom Hundert, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach Satz 3 bestimmt sind. Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Gebiete durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen.
(4) Die Kappungsgrenze gilt nicht,
- 1.
wenn eine Verpflichtung des Mieters zur Ausgleichszahlung nach den Vorschriften über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen wegen des Wegfalls der öffentlichen Bindung erloschen ist und - 2.
soweit die Erhöhung den Betrag der zuletzt zu entrichtenden Ausgleichszahlung nicht übersteigt.
(5) Von dem Jahresbetrag, der sich bei einer Erhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete ergäbe, sind Drittmittel im Sinne des § 559a abzuziehen, im Falle des § 559a Absatz 1 mit 8 Prozent des Zuschusses.
(6) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.